Gbk 2022/1/25 GBK I/942/20

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Veröffentlicht am 25.01.2022
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Sexuelle Belästigung durch den/die Arbeitgeber/in

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl Nr 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 25. Jänner 2022 über den am 4. Februar 2020 eingelangten Antrag von A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin gemäß § 6 Abs 1 Z 1 GlBG (BGBl I Nr 66/2004 idgF) durch Z (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl II Nr 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/942/20, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin gemäß § 6 Abs 1 Z 1 GlBG durch Z diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde zusammengefasst Folgendes vorgebracht:

Der Geschäftsführer des Antragsgegners, Y, habe die Antragstellerin im September 2018 bereits beim Vorstellungsgespräch nach ihren Familienverhältnissen gefragt.

Von 26. April bis 29. April 2018 habe eine Dienstreise nach Land1 stattgefunden. Die Antragstellerin habe auf diese ursprünglich nicht mitfahren wollen, jedoch habe der Geschäftsführer des Antragsgegners darauf bestanden. Er habe gesagt, dass sie auf die Dienstreise mitkommen müsse und es ansonsten Konsequenzen für die Antragstellerin gäbe. Die Tochter von Y, B, und C hätten dies mitgehört. Obwohl die Dienstreise über ein Wochenende stattgefunden habe, habe die Antragstellerin keine Überstunden schreiben dürfen.

Die Antragstellerin, der Geschäftsführer des Antraggegners Y und C seien am 26. April 2018 in Land1 angekommen. Am nächsten Tag hätten sie nach einem Meeting ein Fußballspiel geschaut und etwas getrunken, wobei Y immer mehr und mehr getrunken habe und gesagt habe „was hier passiert, bleibt auch hier und man redet nicht mehr darüber“. C habe gemeint, dass immer so viel Alkohol getrunken werde. Die Antragstellerin habe schlafen gehen wollen, jedoch hat Y sie davon abhalten wollen und sie zum Tanzen animieren. Er habe an dem Abend bereits von Frauen erzählt, die so gut tanzen könnten und er an diese immer denken müsse. Die Antragstellerin habe gesagt, dass sie nicht tanzen wolle und der Geschäftsführer des Antraggegners habe sie an den Hüften genommen und von hinten angetanzt und habe ihr gesagt wie schlank sie sei, als sie versucht habe Abstand von ihm zu gewinnen. Die Antragstellerin habe erneut betont, dass sie müde sei und Y habe darauf bestanden ein Foto zu machen bevor sie auf ihr Zimmer gegangen sei. Kurze Zeit nachdem sie auf ihr Zimmer gegangen sei, habe er zweimal an ihre Zimmertüre geklopft.

Bei einer Abendveranstaltung am nächsten Tag habe Y wieder Fotos von der Antragstellerin machen wollen, ansonsten sei nichts vorgefallen.

Am 30. April 2018 habe der Geschäftsführer des Antraggegners darauf bestanden, die Antragstellerin zu einem Vortrag zu bringen und ihr während der Autofahrt erzählt, dass er früher als Taxifahrer gearbeitet habe und dabei sexuelle Angebote von Frauen bekommen habe.

Allgemein habe es bei dem Antragsgegner einen frauenfeindlichen Ton gegeben. Wenn der Kooperationspartner des Antragsgegners zu Besuch gewesen sei, sei die Antragstellerin lediglich „A“ genannt worden und nur vor Kunden und Kundinnen mit „Mrs. A“ angesprochen worden.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von dem Antragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 14. Mai 2020 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Der Antragsgegner sei Verkaufs- und technischer Partner von XX, durch welche die Antragstellerin bei dem Antragsgegner angestellt worden sei. X habe sechs Monate nach ihrer Anstellung das Dienstverhältnis aufgrund mangelnder Leistung auflösen wollen, jedoch habe sich der Geschäftsführer Y für sie eingesetzt und habe sie schließlich erst Juli/August 2019 gekündigt.

Nach der Kündigung habe die Antragstellerin den Antragsgegner gebeten Bildungskarenz zu genehmigen, jedoch habe dieser nach einer Recherche herausgefunden, dass er sie nach der Bildungskarenz wiederaufnehmen hätte müssen, weshalb er dies nicht getan habe.

Die Antragstellerin habe die Arbeitszeiten regelmäßig nicht eingehalten und auch auf mehrmalige Abmahnungen habe sich nichts daran geändert. Darüber hinaus sei sie häufig in Krankenstand gegangen und habe dies dem Antragsgegner oft erst nach 9:00 Uhr des gleichen Tages bekannt gegeben.

Die Antragstellerin habe danach begonnen dem Antragsgegner mit einer Beschwerde bei der Arbeiterkammer zu drohen und habe den bereits vereinbarten Urlaub nicht antreten wollen und wollte stattdessen arbeiten. Die Antragstellerin habe auch der Mitarbeiterin des Antragsgegners über WhatsApp gedroht ihre Verschwiegenheitsklausel zu brechen.

Es habe keine sexuelle Belästigung durch den Antragsgegner gegeben, es handle sich dabei um Verleumdung. Ebenso sei sie nicht gezwungen worden auf die Dienstreise mitzukommen und die Reisekosten seien von dem Antragsgegner übernommen worden.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und von Y (informierter Vertreter des Antragsgegners) vom 25. Jänner 2022. Als weitere Auskunftsperson wurde C am 25. Jänner 2022 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf den Mail-Verkehr zwischen der Antragstellerin und dem Geschäftsführer des Antraggegners von 6. Jänner 2019.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl I Nr 66/2004 idgF, lauten:

„§ 6. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person

1.    vom/von der Arbeitgeber/in selbst sexuell belästigt wird […]“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 6 Abs 1 Z 1 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des Antragstellers/der Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem Antragsgegner/der Antragsgegnerin obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem Antragsgegner/der Antragsgegnerin zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, der Antragsgegner habe die Antragstellerin zu mehreren Zeitpunkten sexuell belästigt, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Antragstellerin war von November 2017 bis Dezember 2018 bei dem Antragsgegner beschäftigt.

Bereits bei dem Bewerbungsgespräch im September 2017 fragte der Geschäftsführer des Antraggegners, Y, die Antragstellerin nach ihrer Familienplanung und rechtfertigte sich damit, dass er das als Arbeitgeber fragen müsse. Die Antragstellerin erklärte daraufhin wie ihre aktuelle familiäre Situation aussah.

Von 26. bis 29. April 2018, über ein Wochenende, fand in Land1 eine Schulung bei einem Partnerunternehmen des Antraggegners statt. Der Geschäftsführer des Antraggegners übte Druck auf die Antragstellerin aus, dass diese mitkommen soll, obwohl sie keine Dienstreise über ein Wochenende machen wollte und darüber hinaus private Pläne hatte. Schließlich sagte die Antragstellerin der Reise zu.

Die Antragstellerin reiste mit dem Geschäftsführer des Antraggegners und einem weiteren Kollegen, C, am 26. April 2018 zu der Schulung an.

Am zweiten Abend der Dienstreise, nach einem Meeting, sahen sich die Antragstellerin und ihre männlichen Kollegen ein Fußballspiel an und tranken dabei alkoholische Getränke. Nach dem Fußballspiel begannen der Geschäftsführer des Antragsgegners und C zu tanzen und der Geschäftsführer des Antraggegners fragte die Antragstellerin, ob sie mittanzen wolle, woraufhin die Antragstellerin antwortete, dass sie nicht möchte. Später gingen alle in die Hoteldisco, wo der Geschäftsführer des Antraggegners wieder versuchte die Antragstellerin zum Tanzen zu animieren und begann davon zu erzählen, dass er es toll finde, wenn Frauen sich bewegen können. Die Antragstellerin hat die Aufforderung zum Tanzen weiter abgelehnt. Später ist er der Antragstellerin auch körperlich nahegekommen und hat sich von hinten an sie gedrückt, an den Hüften genommen und abermals dazu aufgefordert zu tanzen. Als sie auf ihr Zimmer gehen wollte, hat er sie aufgehalten um noch ein Foto von ihr zu machen, bevor sie geht.

Kurz nachdem die Antragstellerin auf ihr Zimmer ging, klopfte es an ihrer Tür. Sie ging leise zu der Tür und sah durch den Spion den Geschäftsführer des Antraggegners. Er klopfte noch einmal zweites Mal bevor er wegging.

Den nächsten Tag verbrachte die Antragstellerin auf ihrem Zimmer unter dem Vorwand, dass es ihr nicht gut ginge, um sich von dem Geschäftsführer des Antraggegners zu distanzieren. Lediglich an der Abendveranstaltung nahm sie teil, da sie dabei sein musste.

Zurück in Stadt 0 angekommen, bot der Geschäftsführer des Antraggegners der Antragstellerin eine Mitfahrgelegenheit vom Flughafen nach Hause an, die sie jedoch ablehnte.

Am 30. April 2018 waren die Antragstellerin und der Geschäftsführer des Antraggegners zusammen bei einem Vortrag eingeladen, an dem er selbst nicht teilnahm, aber darauf bestand die Antragstellerin mit dem Auto hinzufahren. Bei der Autofahrt erzählte er ihr, dass Frauen ihm gegenüber früher als Taxifahrer sexuelle Avancen gemacht hätten.

Das Dienstverhältnis endete durch die Kündigung der Antragstellerin durch den Antragsgegner.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin gemäß § 6 Abs 1 Z 1 GlBG vor.

Der Begriff „Arbeitgeber/Arbeitgeberin“ ist im Arbeitsrecht kaum determiniert, auch nicht im GlBG. Nach dem hier durch die Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis zu Grunde zu legenden arbeitsvertraglichen Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen-Begriff ist als Arbeitgeber/Arbeitgeberin jede Person anzusehen, die im Rahmen des Arbeitsvertrags über die Arbeitskraft einer anderen Person verfügt. Ist der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin eine juristische Person, ist dieser das Verhalten ihrer vertretungsbefugten Organe (Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer/Geschäftsführerin, etc.) unmittelbar zuzurechnen.4

Unter dem Begriff des der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhaltens sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise unsittliche Redensarten5, anzügliche Bemerkungen über die Figur und „zufällige“ Körperberührungen.6 Letztlich ist einzelfallabhängig, ob ein bestimmtes Verhalten bereits der sexuellen Sphäre zugehörig ist, wobei auf eine Betrachtung des Gesamtgeschehens abzustellen ist7.

Um von einer sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 sprechen zu können, muss durch ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten des Weiteren die Würde einer Person beeinträchtigt oder deren Beeinträchtigung zumindest bezweckt werden.8 Ein die Würde verletzendes Verhalten liegt erst ab einem gewissen Mindestmaß an Intensität vor. Nach den Gesetzesmaterialien zum ArbBG sollen Beispiele wie das Nachpfeifen oder die unerwünschte Einladung zum Kaffee oder zum Essen „grundsätzlich“ nicht genügen, um bereits die Voraussetzung der Verletzung der Würde und damit den Tatbestand der sexuellen Belästigung zu erfüllen. Anders zu sehen ist dies aber unter Umständen dann, wenn zwar die einzelnen Belästigungshandlungen nicht das gebotene Mindestmaß an Intensität erreichen, dafür aber immer wieder erfolgen.9 Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen.

Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass das belästigende Verhalten für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig sein muss (§ 6 Abs 2). Ein Verhalten ist dann unerwünscht, wenn es gegen den Willen oder ohne Einverständnis der betroffenen Person erfolgt. Einzelne Menschen sollen selbst bestimmen, welches Verhalten für sie noch akzeptabel ist und welches Verhalten sie bereits als beleidigend empfinden. Durch die Unerwünschtheit wird eine sexuelle Belästigung von freundschaftlichem Verhalten, das willkommen und gegenseitig ist, unterschieden.10 Es muss allerdings für den Belästiger/die Belästigerin erkennbar sein, dass das Verhalten für die betroffene Person unerwünscht ist, wobei dies aus der Sicht eines objektiven Betrachters zu beurteilen ist.11

Was das ablehnende Verhalten der betroffenen Person betrifft, so dürfen an dieses keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person ist nämlich keine Tatbestandsvoraussetzung. Demnach ist ein Verhalten nicht erst dann abgelehnt und somit unerwünscht, wenn sich die betroffene Person lautstark zur Wehr setzt.12

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.13

Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Allerdings kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.14 Durch körperliche Kontakte gegen den Willen der betroffenen Person (sog. „Begrapschen“) wird im Allgemeinen die Toleranzgrenze überschritten. Zu beachten ist allerdings, dass es nicht nur um den Schutz der körperlichen Integrität vor unerwünschten sexuellen Handlungen geht, sondern auch um die psychische Verletzbarkeit, die Beeinträchtigung der Würde und Persönlichkeitsverletzungen. Auch im Gebrauch ordinärer Worte sowie in unsittlichen Anträgen trotz Aufforderung, dieses Verhalten abzustellen, oder sonst erkennbarer Unerwünschtheit kann bereits eine sexuelle Belästigung liegen.15

Sexuelle Belästigung liegt somit vor, wenn ein objektiv der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, gesetzt wird und dieses Verhalten objektiv eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass dieses Verhalten für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößiges ist.

Das Verhalten von Y ist dem Antragsgegner als Arbeitgeber iSd § 6 Abs 1 Z 1 GlBG zuzurechnen, da er dessen Geschäftsführer ist.

Der Geschäftsführer des Antragsgegners hat ein der sexuellen Sphäre zughöriges Verhalten gesetzt, das die Würde der Antragstellerin beeinträchtigte, indem er sie bereits bei dem Bewerbungsgespräch nach ihrer Familienplanung fragte, sie bei einer Dienstreise ungewollt antanzte und an den Hüften berührte sowie bei einer Autofahrt über sexuelle Avancen von Frauen ihm gegenüber erzählte. Die geforderte Intensität ist hier jedenfalls gegeben, da selbst, wenn bestimmte der vorgebrachten Belästigungshandlungen für sich gesehen nicht das gebotene Mindestmaß an Intensität erreichen würden, wiederkehrend ein belästigendes Verhalten seitens des Geschäftsführers der Antragsgegnerin gesetzt wurde.

Das Verhalten des Geschäftsführers des Antraggegners war auch unerwünscht für die Arbeitswelt für die Antragstellerin, was sich darin zeigte, dass sie die Aufforderungen zum Tanzen mehrmals ablehnte.

Weiter ist die Voraussetzung, dass eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitswelt für die betroffene Person geschaffen werden muss/bezweckt wird, erfüllt. Die Antragstellerin fühlte sich zu einem so hohen Maße unwohl, dass sie einen Tag der Dienstreise fast gänzlich allein auf ihrem Zimmer verbrachte und nicht einmal das Angebot einer Mitfahrgelegenheit des Geschäftsführers des Antraggegners vom Flughafen nach der Dienstreise annahm. Die Antragstellerin fühlte sich bei dem Antragsgegner in den folgenden Monaten nur dann wieder wohler, wenn dessen Geschäftsführer selten anwesend war.

Der Antragstellerin gelang es, im vorliegenden Fall den glaubhaften Anschein einer sexuellen Belästigung darzulegen. Denn ihre Schilderung über die Fragen im Bewerbungsgespräch, die Vorfälle bei der Dienstreise sowie über die Bemerkungen während der Autofahrt, ließ darauf schließen, dass sie von dem Antragsgegner im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis sexuell belästigt wurde. Dass das Verhalten des Geschäftsführers des Antragsgegners für die Antragstellerin unerwünscht war und sie sich aufgrund des Umstandes, dass der Geschäftsführer immer wieder Verhaltensweisen setzte, die sie als unangebracht empfand, nicht mehr wohl in der Arbeit fühlte, konnte diese bei der mündlichen Befragung durch den Senat glaubwürdig und nachvollziehbar darlegen. Bei dieser Befragung kam auch die persönliche Betroffenheit der Antragstellerin zum Ausdruck.

Daher verlagerte sich die Beweislast auf den Antragsgegner.

Es ist für den Senat evident, dass neben dem Vorwurf der sexuellen Belästigung noch einige weitere Konflikte zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner bestanden haben. Aufgabe des Senates ist jedoch ausschließlich die Überprüfung jenes Sachverhaltes, dem eine mögliche Diskriminierung nach dem GlBG inhärent ist.

Das Vorbringen der Antragstellerin, dass sie und der Geschäftsführer des Antraggegners Ende April 2018 gemeinsam bei einer Dienstreise waren und sie an einem Abend zuerst ein Fußballspiel schauten und anschließend in der Hoteldisco waren, wurde von dem Antragsgegner grundsätzlich bestätigt. Allerdings bestritt dieser die Antragstellerin zum Tanzen aufgefordert zu haben oder gar angetanzt und an den Hüften genommen zu haben und gesagt zu haben, dass er es toll finde, wenn Frauen sich bewegen können sowie in der Nacht an ihre Türe geklopft zu haben. Auch bestritt der Geschäftsführer des Antraggegners zur Gänze, dass er der Antragstellerin persönliche Fragen bei ihrem Bewerbungsgespräch stellte sowie bei der Autofahrt darüber erzählt zu haben, dass er als Taxifahrer sexuelle Angebote von Fahrgästen bekam.

Die Argumentationslinie des Antragsgegners war nach Ansicht des Senates nicht geeignet, den Vorwurf zu entkräften. Der Geschäftsführer des Antraggegners konnte in seiner persönlichen Stellungnahme keine konsistente Schilderung von dem besagten Abend bei der Dienstreise machen. Zum einen sagte er, dass er die Antragstellerin nicht aufforderte zu tanzen und später, dass er es nicht genau wisse und sie selbst zum Tanzen begonnen habe, er selbst jedoch nicht getanzt habe. Die Auskunftsperson C, ehemaliger Mitarbeiter des Antraggegners und Freund des Geschäftsführers des Antraggegners, sagte bei der Befragung durch den Senat hingegen, dass nicht wirklich getanzt worden sei, sondern lediglich mitgewippt wurde zu der Musik später jedoch, dass er und der Geschäftsführer des Antragsgegners die Antragstellerin zwar nicht gedrängt, aber gefragt hätten mitzufeiern und mitzutanzen und kein böser Gedanke dahinter gewesen sei. Aufgrund der unschlüssigen Darstellung des Abends durch C konnte auch dieser auf den Senat keinen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. An dieser Stelle verweist der Senat auf die obigen Ausführungen, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist und es demnach unerheblich ist, ob er die Absicht hatte, die Antragstellerin zu belästigen.

Zusammengefasst geht der Senat somit davon aus, dass der Geschäftsführer des Antraggegners durch die von ihm getätigten Äußerungen und Handlungen, objektiv ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt hat, das aufgrund der Intensität geeignet war, die Würde der Antragstellerin zu beeinträchtigen, die für die Antragstellerin persönlich unerwünscht war und zudem objektiv geeignet war, eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt zu schaffen.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

VORSCHLAG

Gemäß § 12 Abs 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, Z, gemäß § 12 Abs 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 25. Jänner 2022

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. zB VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 7.

5  Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 76f.

6  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 20.

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 20.

8  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 21.

9  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 24.

10  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 25.

11  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 26; 114 ErläutRV 735 BlgNR 18. GP 33.

12  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 26.

13  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 12.

14  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 28.

15  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 29/1.

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2022
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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