Norm
§6 Abs1 Z3 GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Sexuelle Belästigung durch DrittenText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl Nr 108/1979 idgF)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 8. März 2022 über den am 7. Dezember 2020 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs 1 Z 3 GlBG (BGBl I Nr 66/2004 idgF durch Z (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl II Nr 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/981/20, zu folgendem
PRÜFUNGSERGEBNIS:
A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs 1 Z 3 GlBG durch Z diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
Der zugleich eingebrachte Antrag betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs 1 Z 2 GlBG durch die Firma Y wurde von der Antragstellerin am 1. August 2021 zurückgezogen.
VORBRINGEN
Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin habe bereits mehrmals in den familiengeführten Betrieben 1 und 2 ausgeholfen, wo auch der Antragsgegner beschäftigt gewesen sei.
Vom 4. bis 7. Jänner 2020 sei die Antragstellerin gemeinsam mit dem Antragsgegner und X, ihrem Cousin und dem Geschäftsführer, zur … Messe nach … gefahren. Im angefragten Hotel sei wegen hoher Nachfrage an den Messetagen nur mehr ein Dreibettzimmer verfügbar gewesen. X habe kurzfristig gleich am ersten Tag der Messe wegen mangelnder Ware abreisen müssen, sodass die Antragstellerin und der Antragsgegner den ersten Abend zu zweit verbracht hätten.
Schon während des Abendessens sei die Situation für die Antragstellerin unangenehm gewesen. Der Antragsgegner habe mehrere Aperol-Spritzer getrunken und das Gespräch immer wieder auf eine junge Kollegin gelenkt. Nach dem Abendessen im Hotelzimmer angelangt, habe die Antragstellerin dem Antragsgegner ein Video am Handy zeigen wollen, woraufhin er sie abrupt an sich gezogen habe und gemeint habe, dass er kuscheln wolle. Die Antragstellerin habe versucht, dieser ungewollten Umarmung zu entkommen, der Antragsgegner habe versucht sie aber für eine längere Zeit festzuhalten. Die Antragstellerin habe sich schließlich losreißen können und versucht, das Zimmer zu verlassen. Sie habe dem Antragsgegner mitgeteilt, vor das Hotel zu gehen, um eine Zigarette zu rauchen. Der Antragsgegner habe entgegnet, er könne nicht zulassen, dass sie das alleine täte, die Antragstellerin habe daraufhin gemeint, sich endlich schlafen legen zu wollen. Der Antragsgegner habe sich ihr abermals angenähert und gesagt: „Du willst das doch auch, jetzt tu nicht so“. Er habe ihr unter die Bluse gegriffen und mehrmals versucht, sie auf den Mund zu küssen. Die Antragstellerin habe sich gegen die körperlichen Übergriffe unmissverständlich zur Wehr gesetzt und deutlich artikuliert, dass sie das nicht wolle. Als der Antragsgegner endlich von ihr abgelassen habe, habe die Antragstellerin gewartet, bis er eingeschlafen sei, habe ihre Handtasche und Jacke genommen und sei in die Hotellobby gegangen. Dort habe sie ihre Schwester angerufen, der sie den Vorfall unter Tränen geschildert habe. Die Schwester der Antragstellerin habe sich bereit erklärt, sie mit dem Auto abzuholen; aufgrund eines Schneesturms hätten sie sich aber dagegen entschieden. Da kein zusätzliches Zimmer mehr frei gewesen sei, habe die Antragstellerin ein anderes Hotel gesucht, wo sie, sichtlich aufgebracht, ein Zimmer gebucht habe und dieses auch gleich bezahlt habe.
Am nächsten Morgen habe die Antragstellerin das Hotel sehr früh verlassen und sei um 5:30 Uhr mit dem erstmöglichen Zug nach … gefahren. Gegen 6:20 Uhr habe sie X, per WhatsApp mitgeteilt, dass sie an den Messetagen in … nicht mehr teilnehmen könne. Nach mehrmaligem Nachfragen habe sie ihm den Grund für ihre Abreise genannt, er habe jedoch kein Verständnis für die Situation der Antragstellerin gezeigt und meinte viel eher, „es ist nichts passiert“.
Er habe die Antragstellerin überredet mit dem Antragsgegner zu sprechen, der im anschließenden Telefonat behauptet habe, sich ab dem Abendessen an nichts mehr erinnern zu können. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin dazu gedrängt über den Vorfall Stillschweigen zu bewahren, weil sein ganzes Leben und insbesondere seine Beziehung mit der Tante der Antragstellerin auf dem Spiel stünden. X und der Antragsgegner hätten die Antragstellerin derart unter Druck, dass sie noch am selben Tag nach … zur Messe zurückgekehrt sei. Als die Antragstellerin dort eingetroffen sei, habe X das kommentiert mit „du musst Zugfahren ja mögen“ und „die 200,- Euro übernehmen wir nicht“. Der Antragsgegner habe der Antragstellerin 70,- Euro für die entstandenen Fahrtkosten gegeben. Die Antragstellerin habe trotz allen bis zum Ende der Messe weitergearbeitet. Seit ihrer Rückreise aus … am 7. Jänner 2020 sei sie nicht mehr für Betrieb 2 tätig gewesen.
Die Antragstellerin hätten die im Jänner 2020 erlittenen Übergriffe sehr getroffen; sie habe Schlaf- und Essstörungen entwickelt und unter Haarausfall und Hautproblemen gelitten. Erst am 1. Mai 2020 habe sie ihre Tante von den Vorkommnissen in Kenntnis gesetzt. Der Antragsgegner sei zu diesem Gespräch ungebeten dazugekommen und habe gemeint, die Antragstellerin selbst hätte die Initiative ergriffen. Seither bestehe weder Kontakt zu dem Antragsgegner und X.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von dem Antragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 22. März 2021 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen zusammengefasst wie folgt entgegen:
Der Antragsgegner bestätigte das Vorbringen der Antragstellerin insoweit, dass die beiden an dem ersten Abend zu zweit Essen gewesen seien und dabei mehrere Aperol-Spritzer getrunken hätten. Er sei körperlich angeschlagen gewesen und habe deshalb Medikamente genommen und der Alkohol sei ihm zu viel gewesen, weshalb es dem Antragsgegner auf dem Rückweg zu dem Hotel zunehmend schlechter gegangen sei und von diesem Zeitpunkt bis zum nächsten Tag um 7:00 Uhr in der Früh keine Erinnerungen mehr habe. Die Antragstellerin habe dem Antragsgegner und X am nächsten Tag in der Früh vom Vorabend erzählt.
Die Antragstellerin habe gesagt, dass sie und der Antragsgegner gemeinsam im Bett gekuschelt hätten – das sei nichts Besonderes und hätte keine sexuellen Hintergedanken. In dem Zustand des Antragsgegners sei wahrscheinlich einiges durcheinandergekommen, aber er könne sich nicht erinnern und schäme sich dafür. Nach einer Aussprache hätten die Antragstellerin und der Antragsgegner die restlichen Messetage harmonisch miteinander verbracht und hätten die restlichen Nächte wieder gemeinsam in einem Hotelzimmer geschlafen. Die Antragstellerin habe nach Messeende den Antragsgegner nach einer Mitfahrmöglichkeit gefragt.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner seien nach der Messe noch ein Monat per WhatsApp in Kontakt gestanden, jedoch habe die Antragstellerin seit 8. Februar 2020 auf keine Nachricht mehr des Antragsgegners geantwortet.
PRÜFUNGSGRUNDLAGEN
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin vom 15. Februar 2022 und des Antragsgegners vom 8. März 2022. Als weitere Auskunftspersonen wurden B sowie C am 15. Februar 2022 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die WhatsApp Nachrichten zwischen der Antragstellerin und X vom 5. Jänner 2020.
BEGRÜNDUNG2
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl I Nr 66/2004 idgF, lauten:
„§ 6. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person
[…]
3. durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird […]“
Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 3 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.
Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des Antragstellers/der Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem Antragsgegner/der Antragsgegnerin obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem Antragsgegner/der Antragsgegnerin zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, dass der Antragsgegner die Antragstellerin bei einer Geschäftsreise nach … in ihrem Hotelzimmer sexuell belästigt habe, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:
Die Antragstellerin war von 4. bis 7. Jänner 2020 für das Unternehmen 2 bei einer Messe in … tätig und hat bereits davor immer wieder für den Betrieb gearbeitet.
Gemeinsam mit dem Antragsgegner und dem Geschäftsführer X baute die Antragstellerin den Messestand auf, als sie bemerkten, dass zu wenig Ware vorhanden war. X fuhr zurück nach … um mehr Ware zu holen und kam aufgrund erst am nächsten Morgen zurück nach ….
Am ersten Abend waren die Antragstellerin und der Antragsgegner zu zweit essen und konsumierten dabei jeweils einige Aperol-Spritzer, wonach der Antragsgegner sichtlich angeheitert war. Sie gingen daraufhin auf ihr gemeinsames Zimmer.
Aufgrund der Kapazitäten des gebuchten Hotels teilten sich die Antragstellerin, der Antragsgegner und X ein Zimmer mit drei Betten. Der Antragsgegner lag auf seinem Bett, als die Antragstellerin zu ihm ging, um ihm etwas auf ihrem Handy zu zeigen und der Antragsgegner daraufhin meinte, dass er kuscheln wolle. Als die Antragstellerin darauf nicht reagierte sagte er „dann nur eine Umarmung“. Die Antragstellerin wollte ihm eine kurze Umarmung geben, um Gute Nacht zu sagen, aber der Antragsgegner hielt sie fest und sagte erneut, dass er kuscheln wolle. Die Antragstellerin versuchte sich von ihm wegzudrücken und sagte, dass sie schlafen gehen wolle. Sie konnte sich nach rund einer Minute aus der Umarmung befreien und kündigte an vor das Hotel eine Zigarette rauchen gehen zu wollen. Da meinte er darauf, dass er mitkommen müsse, weil es ansonsten zu gefährlich wäre, woraufhin sich die Antragsgegnerin dazu entschied, sich stattdessen einfach in ihr Bett zu legen. Der Antragsgegner setzte sich dann auf ihr Bett, griff ihr unter die Bluse und versuchte sie zu küssen, wogegen sich die Antragstellerin wehren konnte. Kurz danach hat der Antragsgegner von ihr abgelassen und legte sich in sein eigenes Bett.
Als die Antragstellerin an seinem Atem hörte, dass der Antragsgegner einschlief nahm sie nur ihre Handtasche und verließ das Zimmer. Sie rief ihre Schwester, B, an und erzählte ihr von dem Vorfall und gemeinsam suchten sie nach einem Weg, dass die Antragstellerin noch in derselben Nacht nach Hause fahren kann. Nachdem sie keine Option fand und in dem Hotel keine weiteren Zimmer frei waren, machte sich die Antragstellerin auf die Suche nach einem anderen Hotel und buchte schließlich ein Zimmer im „Hotel 2“. Der Rezeptionist, C, des Hotels bemerkte, dass die Antragstellerin sehr aufgelöst war und fragte nach, was passiert sei. Die Antragstellerin erzählte in der Lobby von dem Vorfall und ging anschließend auf ihr Zimmer.
Am nächsten Tag nahm sie den ersten Zug nach … und schrieb X auf WhatsApp, dass sie nicht mehr bei der Messe tätig sein werde und erklärte auf Nachfrage was am Vorabend passiert sei. Die Antragstellerin stieß dabei auf wenig Mitgefühl. X war kurz danach beim Frühstück mit dem Antragsgegner und rief die Antragstellerin mehrmals hintereinander an. Als die Antragstellerin abhob, war der Antragsgegner am Telefon und sagte, dass er sich an nichts mehr erinnern könne.
Die Antragstellerin kehrte zurück nach … und arbeitete für die restlichen Tage der Messe. Nach Messeende lehnte sie das Angebot für eine Mitfahrgelegenheit des Antragsgegners ab und fuhr mit dem Zug nach ….
Die Antragstellerin brach den Kontakt zu dem Antragsgegner ab.
In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs 1 Z 3 GlBG vor.
Unter dem Begriff des der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhaltens sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise erzwungene Umarmungen, aufgedrängte Küsse und „Begrapschen“4. Letztlich ist einzelfallabhängig, ob ein bestimmtes Verhalten bereits der sexuellen Sphäre zugehörig ist, wobei auf eine Betrachtung des Gesamtgeschehens abzustellen ist5.
Um von einer sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 sprechen zu können, muss durch ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten des Weiteren die Würde einer Person beeinträchtigt oder deren Beeinträchtigung zumindest bezweckt werden.6 Ein die Würde verletzendes Verhalten liegt erst ab einem gewissen Mindestmaß an Intensität vor. Nach den Gesetzesmaterialien zum ArbBG sollen Beispiele wie das Nachpfeifen oder die unerwünschte Einladung zum Kaffee oder zum Essen „grundsätzlich“ nicht genügen, um bereits die Voraussetzung der Verletzung der Würde und damit den Tatbestand der sexuellen Belästigung zu erfüllen. Anders zu sehen ist dies aber unter Umständen dann, wenn zwar die einzelnen Belästigungshandlungen nicht das gebotene Mindestmaß an Intensität erreichen, dafür aber immer wieder erfolgen.7 Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen.
Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass das belästigende Verhalten für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig sein muss (§ 6 Abs 2). Ein Verhalten ist dann unerwünscht, wenn es gegen den Willen oder ohne Einverständnis der betroffenen Person erfolgt. Einzelne Menschen sollen selbst bestimmen, welches Verhalten für sie noch akzeptabel ist und welches Verhalten sie bereits als beleidigend empfinden. Durch die Unerwünschtheit wird eine sexuelle Belästigung von freundschaftlichem Verhalten, das willkommen und gegenseitig ist, unterschieden.8 Es muss allerdings für den Belästiger/die Belästigerin erkennbar sein, dass das Verhalten für die betroffene Person unerwünscht ist, wobei dies aus der Sicht eines objektiven Betrachters zu beurteilen ist.9
Was das ablehnende Verhalten der betroffenen Person betrifft, so dürfen an dieses keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person ist nämlich keine Tatbestandsvoraussetzung. Demnach ist ein Verhalten nicht erst dann abgelehnt und somit unerwünscht, wenn sich die betroffene Person lautstark zur Wehr setzt.10
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.11
Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Allerdings kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.12 Durch körperliche Kontakte gegen den Willen der betroffenen Person (sog. „Begrapschen“) wird im Allgemeinen die Toleranzgrenze überschritten. Zu beachten ist allerdings, dass es nicht nur um den Schutz der körperlichen Integrität vor unerwünschten sexuellen Handlungen geht, sondern auch um die psychische Verletzbarkeit, die Beeinträchtigung der Würde und Persönlichkeitsverletzungen. Auch im Gebrauch ordinärer Worte sowie in unsittlichen Anträgen trotz Aufforderung, dieses Verhalten abzustellen, oder sonst erkennbarer Unerwünschtheit kann bereits eine sexuelle Belästigung liegen.13
Sexuelle Belästigung liegt somit vor, wenn ein objektiv der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, gesetzt wird und dieses Verhalten objektiv eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass dieses Verhalten für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößiges ist.
Der Antragsgegner ist Dritter iSd § 6 Abs 1 Z 3 GlBG, da er, ebenfalls, wie die Antragstellerin, bei Betrieb 2 angestellt war.
Der Antragsgegner hat ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt, das die Würde der Antragstellerin beeinträchtigte, indem er sie ungewollt umarmte und weiter festhielt, als sie versuchte sich zu lösen, ihr unter die Bluse griff und versuchte zu küssen. Die geforderte Intensität ist hier jedenfalls gegeben.
Das Verhalten des Antragsgegners war auch unerwünscht für die Antragstellerin, was sich darin zeigt, dass die Antragstellerin versuchte sich aus der Umarmung zu lösen und sich erfolgreich gegen den Versuch eines Kusses von dem Antragsgegner wehrte.
Weiters ist Voraussetzung, dass eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitswelt für die betroffene Person geschaffen werden muss/bezweckt wird, erfüllt. Die Antragstellerin fühlte sich, wie festgestellt, aufgrund des wiederholten belästigenden Verhaltens des Antraggegners nicht mehr wohl und machte sich bereits am frühen Morgen auf den Heimweg und wollte ursprünglich die restlichen Messetage nicht mehr arbeiten und war aufgrund dessen kein weiteres Mal bei Betrieb 2 beschäftigt.
Der Antragstellerin gelang es, im vorliegenden Fall den glaubhaften Anschein einer sexuellen Belästigung darzulegen. Denn bei ihrer Schilderung – der Antragsgegner habe sie im Hotelzimmer ungewollt umarmt, versuchte sie zu küssen und habe ihr unter ihre Bluse gegriffen – machte die Antragstellerin auf den Senat einen äußerst betroffenen Eindruck. Dass die Antragstellerin zurück auf die Messe fuhr änderte für den Senat nichts an der Glaubwürdigkeit der Antragstellerin. Ihre Erzählung, dass sie, aus Angst, dass sie ansonsten das Leben ihrer Tante negativ beeinflusse, die nächsten Tage hinter sich habe bringen wollen, erschien schlüssig und nachvollziehbar. Die von der Antragstellerin vorgelegten WhatsApp-Nachrichten an X von der Früh nach dem Vorfall, konnten ihre Schilderungen untermalen und deren Glaubwürdigkeit unterstreichen.
B, Schwester der Antragstellerin, erzählte in ihrer Befragung als Auskunftsperson, dass sie – wie von der Antragstellerin vorgebracht – mit dieser den Abend bzw. Nacht hinweg telefonierte und ihr die Geschehnisse am Telefon so geschildert habe wie sie im Antrag vorgebracht wurden.
Die Auskunftsperson C machte auf den Senat einen sehr glaubwürdigen Eindruck, da er seine Sicht des Abends frei – ohne Nachfragen des Senates – schilderte und dabei auf zahlreiche Details einging, die von der Antragsgegnerin genauso vorgebracht wurden. Seine Schilderungen bestätigten das Vorbringen der Antragstellerin insofern, als dass diese in einem aufgelösten Zustand in der Nacht in das Hotel kam und ein Zimmer buchte und sie mit ihrem Onkel und Cousin nach … zu einer Messe gekommen sei und gerade sexuell belästigt worden sei. Aufgrund dessen, dass die Auskunftsperson C als Rezeptionist des Hotels „Hotel 2“ seit dem Vorfall in keinerlei Beziehung zu Antragstellerin oder Antragsgegner steht, bemisst der Senat dessen Aussage besonderes Gewicht zu.
Der Antragsgegner brachte dem Antrag in seiner schriftlichen Stellungnahme entgegen, dass er sich aufgrund des an dem Abend konsumierten Alkohols und Tabletten nicht mehr erinnern könne, die Antragstellerin jedoch jedes Mal eine andere Geschichte erzähle. In seiner persönlichen Befragung legte er dar, dass er sich noch daran erinnern könne, dass die Antragstellerin sich zu ihm auf das Bett gesetzt habe und er nicht ausschließen könne, dass er sie gestreichelt habe. In seiner schriftlichen Stellungnahe hingegen behauptete der Antragsgegner, dass er sich nachdem er mit der Antragstellerin das Lokal verlassen habe keinerlei Erinnerungen habe. Insgesamt ergab sich für den Senat das Bild, dass der Antragsgegner alkoholisiert war und tatsächlich keine Erinnerungen an die Vorkommisse im Hotelzimmer hat, weshalb es ihm nicht gelingen konnte die sehr glaubhafte Darstellung der Antragstellerin, insbesondere unter Betrachtziehung der Schilderungen der weiteren Auskunftspersonen, zu entkräften.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
VORSCHLAG
Gemäß § 12 Abs 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, Z, gemäß § 12 Abs 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
Leistung eines angemessenen Schadenersatzes,
Wien, 8. März 2022
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. zB VfSlg. 19.321.
2 Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.
3 Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.
4 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 20.
5 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 20.
6 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 21.
7 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 24.
8 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 25.
9 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 26; 114 ErläutRV 735 BlgNR 18. GP 33.
10 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 26.
11 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 12.
12 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 28.
13 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 6 Rz 29/1.
Zuletzt aktualisiert am
01.12.2022