Diskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Sexuelle Belästigung durch Dritten, mangelnde Abhilfe, Verletzung des BenachteiligungsverbotesText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl Nr 108/1979 idgF)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 20. April 2022 über den am 2. März 2020 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs 1 Z 3 GlBG (BGBl I Nr 66/2004 idgF) durch Z (Erstantragsgegner) und durch schuldhaftes Unterlassen des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs 1 Z 2 GlBG sowie aufgrund durch eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes gemäß § 13 GlBG durch Y GmbH (Zweitantragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl II Nr 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/948/20, zu folgendem
PRÜFUNGSERGEBNIS:
1. A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs 1 Z 3 GlBG durch Z diskriminiert worden.
2. A ist aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs 1 Z 2 GlBG durch Y GmbH diskriminiert worden.
3. A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes gemäß § 13 GlBG durch Y GmbH nicht diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
VORBRINGEN
Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin sei zuletzt von November 2018 bis Oktober 2019 bei der Zweitantragsgegnerin als Therapeutin/Masseurin beschäftigt gewesen. Bereits davor habe die Antragstellerin bei der Zweitantragsgegnerin gearbeitet und den Erstantragsgegner aus dieser Zeit gekannt. Damals hätten sie ab und zu mit einer weiteren Mitarbeiterin, die mit dem Erstantragsgegner befreundet gewesen sei, etwas auch außerhalb der Arbeitszeit unternommen.
Als die Antragstellerin im November 2018 wieder bei der Zweitantragsgegnerin zu arbeiten angefangen habe, sei der Erstantragsgegner offensichtlich nach wie vor an Treffen mit ihr interessiert gewesen und habe die Antragstellerin mehrmals gefragt, ob sie nicht mit ihm etwas trinken oder essen gehen wolle. Die Antragstellerin sei tatsächlich im Zeitraum November/Dezember 2018 sowie im März 2019 mit dem Erstantragsgegner manchmal etwas trinken oder essen gegangen, da sie sich grundsätzlich ganz gut verstanden hätten. Die Antragstellerin habe keinerlei Interesse daran gehabt, sich auf eine romantische Beziehung einzulassen. Bei diesen Treffen außerhalb der Betriebsräumlichkeiten sei der Erstantragsgegner der Antragstellerin jedoch immer wieder körperlich nahegekommen, habe versuchte sie zu umarmen, an sich zu drücken oder gar zu küssen. Einmal habe er sie an sich gedrückt und sie auf den Nackenansatz geküsst. Auch habe er sie stets auf alkoholische Getränke eingeladen, was ihr teils unangenehm gewesen sei. Gleich bei ihrem ersten Treffen dieser Art habe er sie berührt und sie umarmen und küssen wollen. Der Antragstellerin sei das sehr unangenehm gewesen, sie habe diese Annäherungen nicht gewollt. Am 00. März 2019 habe er das erste Mal zu ihr gesagt, dass er wolle, dass sie seine Freundin sei. Die Antragstellerin habe sich dabei unwohl gefühlt, sie habe jedoch das Gefühl gehabt, als seine Mitarbeiterin müsse sie stets freundlich und nett gegenüber dem Erstantragsgegner sein. Durch nonverbale Zeichen wie das Wegziehen ihrer Hand oder das körperliche Zurückweichen habe sie versucht ihm zu verstehen zu geben, dass sie nicht an ihm romantisch oder sexuell interessiert sei. Sie habe auch versucht ihm zu erklären, dass sie seine Mitarbeiterin sei bzw. seine platonische Freundin, und nicht seine Liebhaberin/Partnerin sein wolle und habe gehofft, dass ihr Verhältnis „gleichbleibe“, worunter sie verstanden habe, dass es das Verhältnis zwischen Mitarbeiterin und Chef bleiben solle. Nach dem Vorfall am 00. März 2019 sei die Antragstellerin bewusst auf Abstand gegangen und habe Einladungen vonseiten des Erstantragsgegners abgewehrt, indem sie ihnen auswichen sei oder vorgegeben habe, keine Zeit zu haben.
Der Erstantragsgegner habe jedoch auch während der Arbeitszeiten der Antragstellerin Gelegenheiten gehabt, ihr unerwünscht nahe zu kommen. So sei er regelmäßig während sich die Antragstellerin umzog in den auch als Umkleide genutzten Mitarbeiterinnen-Sozialraum gekommen und habe vorgegeben, einen Tee oder Kaffee holen zu wollen. Als Chef habe er gewusst, wann seine Mitarbeiterinnen sich umzogen hätten. Der Antragstellerin sei es höchst unangenehm gewesen, von ihrem Chef in Unterwäsche gesehen zu werden.
Im September 2019 habe der Erstantragsgegner die Antragstellerin vor dem Betrieb gefragt, ob sie es lieber hätte, wenn er rasiert oder nicht rasiert sei. Der Antragstellerin sei diese Frage sehr peinlich, da ihr klar sei, dass der Erstantragsgegner damit seinen Intimbereich meine, und sie darüber nicht mit ihm sprechen wolle.
Im August habe sich die Antragstellerin an die Geschäftsführerin der Zweitantragsgegnerin, X, gewandt und ihr von der Situation erzählt und sie um Unterstützung gebeten. Diese habe ihr zugesichert, sie zu unterstützen und gemeint, dass sie keine Angst haben solle. Einerseits habe ihr X sinngemäß gesagt: „Bitte mach es mir nicht schwer“, andererseits habe sie die Antragstellerin versichert, sie zu unterstützen und sie ermutigt, den Erstantragsgegner selbst anzusprechen und ihm zu erklären, dass sie ein gutes Chef-Mitarbeiterin-Verhältnis haben wolle und für „so etwas“ nicht bereit sei. X habe der Antragstellerin auch erzählt, dass der Erstantragsgegner mit seiner aktuellen Freundin wegen ihr Schluss machen wolle. Durch diese Aussage habe sich die Antragstellerin unter Druck gesetzt gefühlt. In der darauffolgenden Zeit sei es der Antragstellerin nicht so erschienen, als ob sie von der Geschäftsführung wirklich unterstützt werde. Sie habe weniger Pausen machen dürfen als früher, mehrmals habe sie zwischen 12 und 17 Uhr durcharbeiten müssen, ohne Mittagspause zu machen. Dies sei nicht üblich bei der Zweitantragsgegnerin. Ebenfalls habe die Antragstellerin von ihren Kolleginnen gehört, dass die Geschäftsführerin über die Antragstellerin erzählt habe, dass diese sich den Erstantragsgegner „fangen“ wolle. Die Antragstellerin sei sehr enttäuscht und verunsichert sowie gekränkt von diesem Verhalten. Am 00. September 2019 sei X nach Thailand geflogen und sei somit in dieser heiklen Situation als Chefin nicht mehr erreichbar oder ansprechbar für die Antragstellerin gewesen.
Die Antragstellerin habe dem Erstantragsgegner am 00. September 2019 klar mitgeteilt, dass sie nicht seine romantische Freundin sein wolle.
Am 00. oder 00. September 2019 habe die Antragstellerin schließlich das Gespräch mit dem Erstantragsgegner gesucht und ihn um eine einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses gebeten. Nach dem Grund befragt sei es der Antragstellerin sehr unangenehm, die Belästigungen und Bedrängungen zu nennen, da sie schließlich ihrem Belästiger gegenübergesessen sei. Daher habe sie gesundheitliche Gründe und den Wunsch nach einer Ausbildung bei … vorgeschoben. Der Erstantragsgegner habe sich unterstützend gezeigt und erklärt, dass er ihr helfen wolle. Dies sei jedoch nicht geschehen und die Antragstellerin habe sich schließlich Ende Oktober dazu gezwungen gefühlt, einseitig zu kündigen, da ihr die Situation am Arbeitsplatz nicht mehr erträglich erschienen und eine einvernehmliche Kündigung nicht möglich gewesen sei.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der Zweitantragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 18. Mai 2020 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen zusammengefasst wie folgt entgegen:
Der Vorwurf, der Erstantragsgegner habe regelmäßig die Antragstellerin im Personalraum in der Umkleide bedrängt oder belästigt sei schlicht unmöglich, da alle Therapeutinnen täglich zur gleichen Zeit mit ihrem Dienst hier im Betrieb beginnen und demnach zur gleichen Zeit in der Umkleide wären. Auch sei eine Reinigungsdame im Personalraum, um die Bügelarbeit zu verrichten. Sie verweilt dort täglich, auf jeden Fall länger, als die Therapeutinnen sich vor Dienstbeginn im Personalraum aufhalten würden. Sie hätte jedenfalls mitbekommen, wenn die Antragstellerin durch den Erstantragsgegner belästigt worden wäre. Ähnlich verhalte es sich beim abendlichen Umkleiden nach Dienstschluss. Auch hier würden alle Therapeutinnen ihren Dienst um die gleiche Zeit beenden und sich im Regelfall fast immer gemeinsam umziehen.
Der Vorwurf, der Erstantragsgegner habe regelmäßig die Antragstellerin belästigt oder körperlich bedränget, sei nicht realistisch, außerdem würde die Zweitantragsgegnerin ein derartiges Fehlverhalten niemals dulden.
Die Antragstellerin habe X, die Geschäftsführerin der Zweitantragsgegnerin, Ende August 2019 in einem Gespräch von den gemeinsamen Treffen mit dem Erstantragsgegner informiert und gemeint, dass ihr diese unangenehm wären. Sie habe die Antragstellerin gefragt, warum sie ihn nicht direkt anspreche und habe ihn in Folge selbst darauf angesprochen und ihn aufgefordert, von privaten Treffen Abstand zu nehmen. Das Gespräch sei dem Erstantragsgegner sichtlich unangenehm gewesen und er habe beteuert, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass der Antragstellerin die Treffen unangenehm wären. Auch in der Konversation auf dem Nachrichtendienst … habe die Antragstellerin keine Belästigung erwähnt.
Weder persönlich, noch schriftlich habe die Antragstellerin somit jemals der Geschäftsführerin der Zweitantragsgegnerin oder Kolleginnen gegenüber dem Vorwurf der Belästigung durch den Erstantragsgegner thematisiert. Vom Vorwurf der sexuellen Belästigung habe X erstmals im Schreiben der Gleichbehandlungsanwaltschaft erfahren.
Die Geschäftsführerin habe außerdem niemals gesagt, die Antragstellerin wolle sich den Erstantragsgegner angeln. Durch die gelegentlichen gemeinsamen Rauchpausen von dem Erstantragsgegner und der Antragstellerin sei bei den Angestellten im Betrieb dieser Eindruck ohne ein Zutun entstanden.
Den erhobenen Vorwurf, die Antragstellerin habe gezielt länger arbeiten müssen als alle anderen Mitarbeiterinnen sei falsch. Die Auswertung über Anwesenheits- und Arbeitszeiten im Zeitraum August bis Oktober 2019 würden die realen Anwesenheitsstunden der Mitarbeiterinnen im Betrieb vergleichen. Dem stünden die tatsächlich geleisteten Behandlungsstunden gegenüber. Der relative Anteil der Behandlungsstunden gemessen an den Anwesenheitsstunden zeige, dass die der Antragstellerin zugeteilte Behandlungszeit sich in allen drei Monaten im Durchschnitt aller Therapeutinnen bewege. In allen Monaten habe es Kolleginnen gegeben, die sowohl mehr, als auch weniger viele Behandlungsstunden erbracht hätten.
Als die Antragstellerin ihre Kündigung gegenüber dem Erstantragsgegner ausgesprochen habe, habe sich die Geschäftsführerin der Zweitantragsgegnerin in Thailand befunden. Der Erstantragsgegner habe sie nach ihrer Rückkehr über Zeitpunkt und Form der Kündigung informiert. Das Dienstverhältnis von der Antragstellerin sei wunschgemäß per 00. Oktober 2019 beendet und abgerechnet worden. Die Behauptung, dass die Antragstellerin gezwungen gewesen sei im Oktober 2019 zu kündigen sei falsch, da sie unter Einhaltung der Kündigungsfrist ihr Dienstverhältnis demnach erst mit Ende November 2019 beenden hätte können.
Am vorletzten Arbeitstag der Antragstellerin habe X spät abends eine Nachricht von ihr erhalten, in der sie ihr mitgeteilt habe, dass sie an ihrem letzten Arbeitstag krank sein werde. Von dem Erstantragsgegner und den Mitarbeiterinnen im Betrieb habe sie später erfahren, dass sie angeblich ein Flugticket nach … für den gleichen Tag gehabt habe. Gerüchteweise sei die Antragstellerin schlussendlich jedoch nicht geflogen.
Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die Zweitantragsgegnerin sowie ihre Mitarbeiterinnen keine Wahrnehmungen über angebliche Belästigungen oder Bedrängungen im Betrieb gemacht hätten. Die Antragstellerin habe sie auch nie über das nun inkriminierte Verhalten von dem Erstantragsgegner informiert. Soweit sie in dieser Sache involviert gewesen sei, habe sie den Erstantragsgegner den Wunsch von der Antragstellerin nach Unterlassung weiterer privater Treffen mitgeteilt und ihn zu Distanz gemahnt. Ohne Anhaltspunkte oder Anschuldigungen habe sie aus damaliger Sicht nicht mehr tun können.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von dem Erstantragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 16. Mai 2020 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen zusammengefasst wie folgt entgegen:
Die von der Antragstellerin vorgebrachten Behauptungen seien falsch.
Wahr sei vielmehr, dass der Erstantragsgegnermit B, zum Zeitpunkt der ersten Anstellung der Antragstellerin bei der Zweitantragsgegnerin, verheiratet gewesen sei und die Antragstellerin durch die gemeinsame Arbeit im Betrieb eine freundschaftliche Beziehung zu dieser aufgebaut habe.
Die Antragstellerin sei zu dieser Zeit oftmals mit dem Erstantragsgegnerund dessen Frau gemeinsam essen oder etwas trinken gegangen. Sie sei sogar 2014 oder 2015 zu Weihnachten bei der Mutter des Erstantragsgegners eingeladen gewesen. Der Erstantragsgegner habe zu keinem Zeitpunkt Interesse gehabt, die Antragstellerin aus anderen Gründen zu treffen. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses habe lediglich dessen Frau Kontakt mit der Antragstellerin aufrechterhalten.
Die Antragstellerin habe dem Erstantragsgegneram 00. November 2018 eine Nachricht auf dem Messenger-Service … geschickt und nach der Nummer der Geschäftsführerin der Zweitantragsgegnerin gefragt. Am 00. November 2018 habe die Antragstellerin bei der Zweitantragsgegnerin erneut ein Dienstverhältnis begonnen.
Die Behauptung, der Erstantragsgegner habe die Antragstellerin zu Treffen im November und Dezember 2018 gedrängt, sei falsch und dadurch bestätigt, dass die nächste Kommunikation mit der Antragstellerin erst am 00. Dezember 2018 ebenfalls via … stattgefunden habe. Zu diesem Zeitpunkt sei die Antragstellerin auf Urlaub gewesen, was Treffen zwischen den beiden im Dezember 2018 ausschließe.
Das erste private Treffen zwischen Antragstellerin und dem Erstantragsgegnerhabe am 00. Februar 2019 stattgefunden. Die Antragstellerin habe den Erstantragsgegner in einer Betriebsbezogenen Sache sprechen wollen, weshalb sie nach Dienstschluss in die … Bar gegangen seien. Der Erstantragsgegnerhabe ihr nach Ende des Treffens ein Taxi gerufen und es sei ein kurzer Nachrichtenaustausch zwischen den beiden erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt wären die Antragstellerin und der Erstantragsgegner jeweils in einer Beziehung gewesen, weshalb der Erstantragsgegner die gemeinsamen Treffen als sehr unverfänglich gesehen habe. Es sei jedenfalls zu keinen Übergriffen, Belästigungen, Bedrängungen oder Ähnlichem gekommen.
Am 00. März 2019 seien die Antragstellerin und der Erstantragsgegnerspontan in das Hotel … Abendessen gegangen. Nach dem Essen seien sie noch im Atrium des Hotels gesessen und hätten geplaudert, als die Antragstellerin sich auf den Schoß des Erstantragsgegners gesetzt, ihn geküsst und ins Ohr geflüstert habe, dass sie mit ihm gemeinsam in sein Hotelzimmer gehen wolle. Der Erstantragsgegner habe sie daran erinnert, dass sie beide in einer Beziehung seien und ihre Freundschaft zu schade für eine Nacht sei. Die Antragstellerin habe gesagt, dass er ein Gentleman sei und es nur ein Test gewesen sei und sei mit dem Taxi nachhause gefahren. Der Erstantragsgegner habe nicht gewollt, dass die Antragstellerin seine Freundin werde und diese sei in Folge auch nicht auf Distanz gegangen.
Der Umstand, dass es keine gemeinsamen Treffen in den Monaten April bis Juli gegeben habe, sei auf Urlaube und den Umzug des Erstantragsgegners zurückzuführen. Sie hätten in der Arbeit noch gemeinsame Zigarettenpausen gemacht.
Er sei ihr in keiner Weise aufdringlich nahegekommen, schon gar nicht in den Räumlichkeiten des Betriebs. Wie bereits die Zweitantragsgegnerin ausgeführt habe, sei dies aufgrund der Arbeits- und Vorbereitungsabläufe des Betriebs nicht möglich.
Richtig sei, dass sich die Antragstellerin an die Geschäftsführerin der Zweitantragsgegnerin gewandt habe und darum bat, dass der Erstantragsgegner nicht weiter Kontakt mit ihr aufnehmen solle. Als X den Erstantragsgegner damit konfrontiert habe, sei es ihm sehr unangenehm gewesen und er habe bis dahin nicht gewusst, dass sie die gemeinsamen Treffen nicht wünsche, aber habe dies akzeptiert.
Einige Tage später habe der Erstantragsgegner die Antragstellerin bei einer gemeinsamen Rauchpause gefragt, warum sie sich nicht früher an ihn persönlich gewandt habe. Sie habe entgegnet, dass sie Angst bzw. Sorge gehabt habe, dass er nur mit ihr spielen wolle und nicht seriös sei. Der Erstantragsgegner habe geantwortet, dass sie dafür keine Beziehungsbasis hätten, auch wenn zu diesem Zeitpunkt keiner der beiden mehr in einer Beziehung gewesen sei. Der Erstantragsgegner habe darüber hinaus seine Beziehung nicht wegen der Antragstellerin beendet. Er habe ihr gesagt, dass er ihrem Wunsch, Kontakt abzubrechen nachkommen werde, sie habe jedoch erwidert, dass sie überreagiert habe und sich gerne weiter privat treffen würde. Es gebe eine Nachricht aus dem Oktober 2019, die ein privates Treffen zu der Zeit bestätige.
Die Antragstellerin habe am 00. September 2019 dem Erstantragsgegner während einer Zigarettenpause die Kündigung ausgesprochen. Sie habe dies damit begründet, dass sie ihrer Tante in ihrem neuen Massagestudio aushelfen müsse, aber dass sie jetzt mehr Zeit hätten sich kennenzulernen, da sie nicht mehr im gleichen Betrieb sei.
Es entspreche sohin nicht der Wahrheit, dass die Antragstellerin Ende Oktober einseitig kündigen habe müssen. In diesem Fall hätte sie unter Einhaltung der Kündigungsfrist von einem Monat erst per Ende November den Betrieb verlassen können. Ansprüche aus ihrem Dienstverhältnis seien form- und fristgerecht per Ende September 2019 abgerechnet und ausbezahlt worden.
Am vorletzten Arbeitstag der Antragstellerin im Oktober 2019 seien die Antragstellerin und eine andere Therapeutin im Personalraum gesessen. Die Antragstellerin habe gemeint, dass sie vielleicht am darauffolgendem Tag nach … fliege, bereits ein Ticket habe, aber noch nicht sicher sei, ob sie dieses auch nutzen werde. Der Erstantragsgegner habe am nächsten Tag erfahren, dass sich die Antragstellerin sich für ihren letzten Arbeitstag krank gemeldet habe.
PRÜFUNGSGRUNDLAGEN
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin, des Erstantragsgegnersund der Zweitantragsgegnerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin, von X (informierte Vertreterin der Zweitantragsgegnerin) und des Erstantragsgegnersvom 20. April 2022. Als weitere Auskunftsperson wurde C am 20. April 2022 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die schriftliche Stellungnahme von D, Mitarbeiterin bei der Zweitantragsgegnerin, sowie die Nachrichten zwischen der Antragstellerin und dem Erstantragsgegner sowie ihr und X.
BEGRÜNDUNG2
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl I Nr 66/2004 idgF, lauten:
„§ 6. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person
[…]
2. durch den/die Arbeitgeber/in dadurch diskriminiert wird, indem er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte (Z 3) eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen,
3. durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird oder
[…]
(2) Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und
1. eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt oder
2. der Umstand, dass die betroffene Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin oder von Vorgesetzten oder Kolleg/inn/en zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung in der Arbeitswelt gemacht wird. […]“
„§13. Als Reaktion auf eine Beschwerde darf ein/e Arbeitnehmer/in durch den/die Arbeitgeber/in innerhalb des betreffenden Unternehmens (Betriebes) oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden. Auch ein/e andere/r Arbeitnehmer/in, der/die als Zeuge/Zeugin oder Auskunftsperson in einem Verfahren auftritt oder eine Beschwerde eines/einer anderen Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin unterstützt, darf als Reaktion auf eine solche Beschwerde oder auf die Einleitung eines solchen Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden. § 12 gilt sinngemäß.“
Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 3 und 13 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.
Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des Antragstellers/der Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem Antragsgegner/der Antragsgegnerin obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem Antragsgegner/der Antragsgegnerin zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, der Erstantragsgegner habe die Antragstellerin mehrmals zu privaten Treffen eingeladen und sei in die Umkleide eingetreten sowie, dass die Zweitantragsgegnerin keine angemessene Abhilfe geleistet habe, sondern im Gegenteil der Antragstellerin infolge ihrer Beschwerde über den Erstantragsgegner weniger Pausen gehabt habe, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:
Die Antragstellerin war von November 2018 bis Oktober 2019 bei der Zweitantragsgegnerin als Therapeutin/Masseurin beschäftigt. Sie war bereits zuvor bei ihr beschäftigt und lernte bei ihrem ersten Anstellungsverhältnis den Erstantragsgegner kennen, dessen Ehefrau zu der Zeit ebenfalls bei der Zweitantragsgegnerin gearbeitet hat. Der Erstantragsgegner war ebenfalls bei der Zweitantragsgegnerin angestellt und unterstützte diese im kaufmännischen und administrativen Bereich und hatte die Leitung der Rezeption inne. Zur Zeit der ersten Anstellung der Antragstellerin fanden private Treffen zwischen der Antragstellerin, dem Erstantragsgegner und dessen Ehefrau statt. Bei dem zweiten Anstellungsverhältnis der Antragstellerin war der Erstantragsgegner bereits von seiner Frau geschieden.
Meist kamen die Therapeutinnen um 12 Uhr Mittag in die Arbeit und gingen gegen 20 Uhr nach Hause, daher befanden sie sich meist gemeinsam in der Umkleide. In der Umkleide war ebenso die Kaffee- und Teemaschine, weshalb der Erstantragsgegner gelegentlich hereinkam. Bevor er die Umkleide betrat klopfte er an der Tür. Die Antragstellerin bat die Mitarbeiterin C am Ende eines Abreitstages oftmals auf sie zu warten, damit sie nicht alleine nach Hause gehen musste.
Der Erstantragsgegner fragte die Antragstellerin während ihres zweiten Anstellungsverhältnisses bei der Zweitantragsgegnerin mehrmals über den Nachrichtenservice … danach, gemeinsam essen oder ein Glas Wein trinken zu gehen. Es kamen gemeinsame Treffen zustande, die Antragstellerin sagte aber nicht jeder Einladung zu.
Am 00. März 2019 waren die Antragstellerin und der Zweitantragsgegner im Hotel … gemeinsam Abendessen und tranken anschließend in der Lobby noch ein Glas Wein. Aufgrund eines Umzuges wohnte der Erstantragsgegner zu dieser Zeit in dem Hotel. Die Antragstellerin setzte sich an diesem Abend auf seinen Schoß und fragte ihn, um seine Intention für das Treffen herauszufinden, ob sie in sein Zimmer gehen wollen und ob er mit ihr schlafen wolle. Sie gingen schließlich nicht auf sein Zimmer, sondern getrennt nachhause.
Noch in derselben Nacht schickte die Antragstellerin dem Erstantragsgegner eine Nachricht, in der sie sich für den Abend bedankte und sagte, dass sie hoffe das alles so bleibe wie es ist.
Im August wandte sich die Antragstellerin per … an die Geschäftsführerin der Zweitantragsgegnerin, X, und berichtete dieser, dass ihr die privaten Treffen mit dem Erstantragsgegner unangenehm seien. Die Geschäftsführerin sagte ihr, dass sie ihm erklären solle nur ein berufliches Verhältnis mit ihm haben zu wollen und auch, dass der Erstantragsgegner vorhabe wegen ihr mit seiner aktuellen Freundin Schluss machen zu wollen, wodurch sich die Antragstellerin unter Druck gesetzt fühlte. Die Geschäftsführerin forderte den Erstantragsgegner daraufhin auf, die Antragstellerin nicht mehr zu privaten Treffen einzuladen. Der Erstantragsgegner lud die Antragstellerin jedoch weiterhin zu gemeinsamen Abenden ein.
Anfang September 2019 schickte der Erstantragsgegner der Antragstellerin infolge eines Treffens eine Sprachnachricht, in der er sich für den Abend bedankte, ihr sagte, dass er sich in sie verliebt habe und gerne mit ihr September/Oktober auf Urlaub fahren wolle.
Die Antragstellerin sprach dem Erstantragsgegner gegenüber mündlich im September 2019 die Kündigung aus, da X zu dieser Zeit im Ausland war.
In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
1. Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs 1 Z 3 GlBG vor.
Unter dem Begriff des der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhaltens sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht. Letztlich ist einzelfallabhängig, ob ein bestimmtes Verhalten bereits der sexuellen Sphäre zugehörig ist, wobei auf eine Betrachtung des Gesamtgeschehens abzustellen ist.
Um von einer sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 sprechen zu können, muss durch ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten des Weiteren die Würde einer Person beeinträchtigt oder deren Beeinträchtigung zumindest bezweckt werden. Ein die Würde verletzendes Verhalten liegt erst ab einem gewissen Mindestmaß an Intensität vor. Nach den Gesetzesmaterialien zum ArbBG sollen Beispiele wie das Nachpfeifen oder die unerwünschte Einladung zum Kaffee oder zum Essen „grundsätzlich“ nicht genügen, um bereits die Voraussetzung der Verletzung der Würde und damit den Tatbestand der sexuellen Belästigung zu erfüllen. Anders zu sehen ist dies aber unter Umständen dann, wenn zwar die einzelnen Belästigungshandlungen nicht das gebotene Mindestmaß an Intensität erreichen, dafür aber immer wieder erfolgen. Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen.
Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass das belästigende Verhalten für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig sein muss (§ 6 Abs 2). Ein Verhalten ist dann unerwünscht, wenn es gegen den Willen oder ohne Einverständnis der betroffenen Person erfolgt. Einzelne Menschen sollen selbst bestimmen, welches Verhalten für sie noch akzeptabel ist und welches Verhalten sie bereits als beleidigend empfinden. Durch die Unerwünschtheit wird eine sexuelle Belästigung von freundschaftlichem Verhalten, das willkommen und gegenseitig ist, unterschieden. Es muss allerdings für den Belästiger/die Belästigerin erkennbar sein, dass das Verhalten für die betroffene Person unerwünscht ist, wobei dies aus der Sicht eines objektiven Betrachters zu beurteilen ist.
Was das ablehnende Verhalten der betroffenen Person betrifft, so dürfen an dieses keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person ist nämlich keine Tatbestandsvoraussetzung. Demnach ist ein Verhalten nicht erst dann abgelehnt und somit unerwünscht, wenn sich die betroffene Person lautstark zur Wehr setzt.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.
Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Allerdings kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird. Durch körperliche Kontakte gegen den Willen der betroffenen Person (sog. „Begrapschen“) wird im Allgemeinen die Toleranzgrenze überschritten. Zu beachten ist allerdings, dass es nicht nur um den Schutz der körperlichen Integrität vor unerwünschten sexuellen Handlungen geht, sondern auch um die psychische Verletzbarkeit, die Beeinträchtigung der Würde und Persönlichkeitsverletzungen. Auch im Gebrauch ordinärer Worte sowie in unsittlichen Anträgen trotz Aufforderung, dieses Verhalten abzustellen, oder sonst erkennbarer Unerwünschtheit kann bereits eine sexuelle Belästigung liegen.
Sexuelle Belästigung liegt somit vor, wenn ein objektiv der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, gesetzt wird und dieses Verhalten objektiv eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass dieses Verhalten für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößiges ist.
Der Erstantragsgegner ist Dritter iSd § 6 Abs 1 Z 3 GlBG, da er, wie die Antragstellerin, bei der Zweitantragsgegnerin angestellt war.
Der Erstantragsgegner hat ein der sexuelle Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt, das die Würde der Antragstellerin beeinträchtigte, indem er sie wiederholt zum Essen einlud und den Umkleideraum betrat. Die geforderte Intensität ist hier jedenfalls gegeben.
Das Verhalten des Erstantragsgegners war auch unerwünscht für die Antragstellerin, was sich darin zeigt, dass die Antragstellerin bereits nach den ersten Treffen Ende März eine Nachricht an den Erstantragsgegner schickte, dass sie hoffe, dass ihr Verhältnis gleichbleibe, womit sie meinte, dass sie weiter nur eine berufliche Beziehung mit ihm möchte. Schließlich wandte sie sich an die Geschäftsführerin der Zweitantragsgegnerin und bat diese um Abhilfe.
Weiters ist Voraussetzung, dass eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitswelt für die betroffene Person geschaffen werden muss/bezweckt wird, erfüllt. Die Antragstellerin fühlte sich, wie festgestellt, aufgrund des wiederholten belästigenden Verhaltens des Erstantragsgegners nicht mehr wohl und beendete aufgrund dessen schließlich ihr Dienstverhältnis bei der Zweitantragsgegnerin.
Der Antragstellerin gelang es, im vorliegenden Fall den glaubhaften Anschein einer sexuellen Belästigung darzulegen. Sie konnte in ihrer mündlichen Befragung glaubhaft schildern, dass sie sich durch den Erstantragsgegner belästigt fühlte, indem dieser in die Umkleiden kam, wenn sie sich umzog und sie zu privaten Treffen einlud. Es erscheint nachvollziehbar, dass die Antragstellerin nicht wusste wie sie die Einladungen ablehnen soll, nachdem der Erstantragsgegner eine leitende Rolle bei der Zweitantragsgegnerin innehatte und somit in den Augen der Antragstellerin ihr Vorgesetzter war. Sie wandte sich bereits im März 2019 an die Geschäftsführerin mit der Bitte dem Erstantragsgegner zu vermitteln, dass sie ihn privat nicht treffen möchte. Jedoch haben die Einladungen danach nicht aufgehört und der Antragstellerin war unangenehm diese direkt abzulehnen, weshalb sie teils Gründe nannte, warum sie ihn nicht treffen könne. Dies ist insbesondere im Hinblick der Stellung des Erstantragsgegners bei der Zweitantragsgegnerin verständlich.
Daher verlagerte sich die Beweislast auf den Erstantragsgegner.
Der Erstantragsgegner brachte dem Antrag entgegen, dass die ersten Treffen mit der Antragstellerin beruflichen Hintergrund gehabt hätten, die Treffen danach jedoch privat gewesen seien und im gegenseitigen Einvernehmen. Belästigungen in der Umkleide seien ausgeschlossen, da die Therapeutinnen jeweils zu den gleichen Zeiten gehen und kommen würden, sodass es er nicht mit der Antragstellerin alleine gewesen sein habe können.
Die Auskunftsperson C sagte in ihrer mündlichen Befragung, dass der Erstantragsgegner zwar geklopft habe bevor er in die Umkleide gekommen sei, diese jedoch entgegen dessen Aussage sehr wohl betreten habe. Es ist unbestritten, dass alle Therapeutinnen gegen 12 Uhr in den Dienst starteten und um 20 Uhr Dienstschluss hatten, sodass sie normalerweise nicht alleine in der Umkleide waren. Die Tatsache ändert nichts daran, dass der Erstantragsgegner die Umkleide betrat als sich die Antragstellerin umzog und sie dies nicht wollte. Sie bestätigte darüber hinaus die Aussage der Antragstellerin, auf diese nach einem langen Dienst gewartet zu haben, damit sie nicht alleine heimgehen musste, da sie bemerkte, dass diese von dem Erstantragsgegner nicht eingeladen werden wollte.
Der Versuch der Antragstellerin die Intentionen des Erstantragsgegners hinter den gemeinsamen Treffen herauszufinden, indem sie sich auf in der Lobby des Hotels … auf seinen Schoß setze war durchaus ungeschickt und gab Raum für Fehlinterpretation. An dieser Stelle ist nochmals darauf zu verweisen, dass die subjektiven Wahrnehmungen des Erstantragsgegners unbeachtlich sind.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Erstantragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
2. Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs 1 Z 2 GlBG vor.
§ 6 Abs 1 Z 2 GlBG enthält eine Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht. Danach haben Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen auch dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der in den Betrieb eingegliederten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen nicht durch Belästigungen durch Dritte beeinträchtigt wird. Sie sind zum unverzüglichen Einschreiten verpflichtet, wenn sexuelle Belästigungen hervorkommen, zum einen, um die Betroffenen nicht der Gefahr weiterer Belästigungen auszusetzen, zum anderen aber auch, um sich nicht selbst dem Vorwurf auszusetzen, nicht wirksam für angemessene Abhilfe gesorgt zu haben.
„Angemessen“ ist die Abhilfe dann, wenn sie geeignet ist, die belästigte Person vor weiteren Belästigungen zu schützen. Um angemessene Abhilfe zu schaffen, bedarf es der Ermahnung, Verwarnung, Versetzung, Kündigung oder allenfalls Entlassung der belästigenden Person, wobei nach herrschender Rechtsprechung das jeweils gelindeste Mittel zu wählen ist. Es ist eine Handlung des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin gefordert, die weitere Belästigungen mit sofortiger Wirkung und effizient verunmöglicht.
Um ein schuldhaftes Unterlassen annehmen zu können, muss dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin das Vorliegen einer Abhilfe gebietenden Situation entweder bekannt oder zumindest erkennbar sein. Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin haftet daher nicht, wenn er/sie von der Belästigung eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin weder wusste noch wissen musste. Für eine Haftung des Arbeitgebers genügt Fahrlässigkeit. Bei „Erkennbarkeit“ kommt es auf eine besondere „Bekanntgabe“ durch die betroffene Person nicht mehr an.
Demnach galt es, als Vorfrage unter Punkt 1 zu beantworten, ob eine sexuelle Belästigung vorlag, welche bejaht wurde.
Die Antragstellerin konnte glaubhaft darstellen, dass sie sich an Geschäftsführerin der Zweitantragsgegnerin wandte und um Hilfe bezüglich der Situation mit dem Erstantragsgegner bat, jedoch keine geeigneten Maßnahmen gesetzt wurden. Die Antragstellerin legte den Chatverlauf zwischen ihr und X vor, aus dem herausgeht, dass die Antragstellerin dieser mitteilte, dass ihr der Kontakt zu dem Erstantragsgegner zu intensiv sei, sie ihn als Bruder gernhabe und X sie aufforderte selbst mit ihm zu sprechen.
Die Geschäftsführerin der Zweitantragsgegnerin brachte dem lediglich entgegen, dass die Angelegenheit zwischen der Antragstellerin und dem Erstantragsgegner in ihren Augen ausschließlich Privatsache sei und habe keinen Anlass gesehen in der Situation einzugreifen. X übersieht dabei die Fürsorgepflicht der Zweitantragsgegnerin als Arbeitgeberin angemessene Abhilfe bei Belästigung zu schaffen, sodass diese nicht weiter andauern kann. Sie ging in Folge der Nachrichten der Antragstellerin zwar auf den Erstantragsgegner zu und berichtete ihm von ihrer Beschwerde, jedoch führte das Gespräch zu keiner Veränderung dessen Verhaltens gegenüber der Antragstellerin.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Zweitantragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihr vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
3. Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes gemäß § 13 GlBG vor.
Gemäß § 13 bzw. § 27 GlBG darf als Reaktion auf eine Beschwerde innerhalb des Unternehmens (Betriebes) oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin nicht durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden.
Der Regelungszweck des Benachteiligungsverbotes ist somit eine Verstärkung des Rechtsschutzes für jene Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen, die sich in eigener Sache oder im Interesse von Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen mit rechtlich anerkannten Mitteln gegen (vermutliche) Diskriminierungen durch ihre Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen wenden. Die benachteiligende Reaktion des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin muss in einem plausiblen Zusammenhang mit dem Auftreten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin stehen, wobei auch ein gewisser zeitlicher Konnex gegeben sein muss.
Ob im Einzelfall eine Benachteiligung nach §§ 13 bzw. 27 GlBG vorliegt, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Es reicht daher nicht aus, dass ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin von dem betroffenen Arbeitnehmer bzw. der betroffenen Arbeitnehmerin subjektiv als benachteiligend empfunden wird.
Die Antragstellerin brachte vor, dass sie, nachdem sie sich an die Geschäftsführerin der Zweitantragsgegnerin wandte weniger Pausen machen habe können und mehrmals ohne Mittagspause durcharbeiten habe müssen. Dies sei bei der Zweitantragsgegnerin nicht üblich, im Gegenteil die Angestellten würden normalerweise ausreichend Pausenzeiten bekommen.
Der Zweitantragsgegnerin gelang es jedoch diese Behauptung zu entkräften indem sie die Auslastungsstatistik der Betriebs-Therapeutinnen für den Zeitraum August bis Oktober 2019 vorlegte. Die Gegenüberstellung der Anwesenheits- und Behandlungsstunden zeigte, dass die Arbeitszeiten der Antragstellerin vergleichbar mit jener ihrer Kolleginnen waren. D, Rezeptionistin bei der Zweitantragsgegnerin, bestätige in einer schriftlichen Stellungnahme, dass sie die Buchungen und Zeiteinteilungen verwalte und die Antragstellerin nicht weniger Pausen als die anderen Mitarbeiterinnen machen durfte.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Zweitantragsgegnerin gelungen ist zu beweisen, dass die Antragstellerin in Hinsicht auf Gestaltung ihrer Arbeitszeit nicht benachteiligt wurde.
VORSCHLAG
Gemäß § 12 Abs 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird dem Erstantragsgegner, Z, und der Zweitantragsgegnerin, Y GmbH, gemäß § 12 Abs 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und werden folgende Vorschläge zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
1. Leistung eines angemessenen Schadenersatzes,
2. Beratung der Zweitantragsgegnerin zu sexueller Belästigung und angemessener Abhilfe.
Wien, 20. April 2022
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. zB VfSlg. 19.321.
2 Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.
3 Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.
Zuletzt aktualisiert am
01.12.2022