Entscheidungsdatum
18.11.2022Norm
StVO 1960 §20Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 21. September 2021, Zl. ***, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 10,-- Euro zu leisten.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§§ 50 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)
§§ 19, 64 Abs. 2 erster Satz des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG)
§ 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG)
Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)
Zahlungshinweis:
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt 60,-- Euro und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen einzuzahlen.
Entscheidungsgründe:
1. Maßgeblicher Verfahrensgang:
1.1. Das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren nach der StVO 1960 (Behinderung des Verkehrs durch langsames Fahren) basiert auf der Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 4. März 2021.
Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten erließ eine auf 16. März 2021 datierte Strafverfügung gegen die Beschwerdeführerin, die von ihr fristgerecht nach erfolgter Zustellung beeinsprucht wurde. Über behördliche Aufforderung gab der Anzeigeleger mit Schreiben vom 5. Juli 2021 eine Stellungnahme ab. Die Beschwerdeführerin gab dazu ihrerseits mit Schreiben vom 4. August 2021 eine Stellungnahme ab. Der Anzeigeleger gab über Aufforderung mit Schreiben vom 11. August 2021 eine zweite Stellungnahme ab und es gab die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23. August 2021 ihrerseits wieder eine Stellungnahme ab.
1.2. Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten erkannte die Beschwerdeführerin mit Straferkenntnis vom 21. September 2021 der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung für schuldig:
Die Beschwerdeführerin habe am 22. Februar 2021 um 15:00 Uhr ohne zwingenden Grund ihr Fahrzeug so langsam gelenkt, dass der übrige Verkehr behindert worden sei.
Dadurch habe die Beschwerdeführerin § 20 Abs. 1 StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2005, § 99 Abs. 3 lit.a StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/2013, verletzt. Es wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von 40,-- Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden verhängt. Der Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren wurde mit 10,-- Euro festgesetzt, wodurch sich ein Gesamtbetrag von 50,-- Euro ergibt.
Begründend wurde zum Schuldspruch im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörde aufgrund der eindeutigen und schlüssigen Angaben des Anzeigelegers keine Veranlassung sehe, an der Richtigkeit der angezeigten Sachverhaltsdarstellung zu zweifeln. Der Sachverhalt sei durch im Dienst befindliche Organe der Straßenaufsicht festgestellt worden und habe die Beschwerdeführerin konkrete bzw. entlastende Beweismittel oder Umstände, die zur Klärung des Sachverhaltes bzw. zur gänzlichen Entlastung der Beschwerdeführerin dienen könnten, nicht vorgebracht. Die Beschwerdeführerin habe im Verfahren selbst angeben, dass sie im Ortsgebiet mit einer Geschwindigkeit von lediglich 20 bis 25 km/h gefahren sei. Die angelastete Verwaltungsübertretung könne als erwiesen angenommen werden.
Zur Strafbemessung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ihre persönlichen Verhältnisse nicht bekannt gegeben habe, weshalb von einem Nettoeinkommen von 1.400,-- Euro, einer Sorgepflicht und keinem nennenswerten Vermögen ausgegangen worden sei. Erschwerend und mildernd sei nichts gewertet worden. Die Strafhöhe entspreche auch dem Verschulden.
1.3. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 16. Oktober 2021 fristgerecht Beschwerde. Im Wesentlichen führte sie aus, dass die Behörde keinen Sachverhalt festgestellt habe. Die Behörde scheine aber ihren Angaben über eine kurzzeitige Geschwindigkeitsreduktion auf 20 bis 25 km/h zu folgen. Der Anzeigeleger habe auch auf einen anderen Vorfall verwiesen, da sei das Verfahren aber eingestellt worden. Die Beschwerdeführerin beantragte – neben der Durchführung einer Verhandlung – die Verfahrenseinstellung.
1.4. Die belangte Behörde legte dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich – ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung – den Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vor.
1.5. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 17. November 2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Beschwerdeführerin nahm persönlich an der Verhandlung teil, seitens der belangten Behörde erschien kein Vertreter. Vom Verhandlungsleiter wurde ein Google-Maps-Auszug zum vorgeworfenen Tatort zum Akt genommen. Von der Beschwerdeführerin wurde eine selbst erstellte Skizze samt Anmerkungen zum Tatort vorgelegt. Als Zeugen wurden der Sohn der Beschwerdeführerin sowie zwei Polizeibeamte – der Anzeigeleger B und der Aspirant bzw. inzwischen Inspektor C – einvernommen. Die Beschwerdeführerin gab als Schlussausführungen im Wesentlichen an, dass sich der Sachverhalt anders als von der Polizei angegeben zugetragen habe und dass sie nicht bei Hausnummer ***, sondern erst später gesehen worden sei. Sie habe keinen Verkehr behindert und sei nur eine kurze Strecke langsam gefahren. Es wurde von der Beschwerdeführerin um schriftliche Entscheidung ersucht.
2. Feststellungen und Beweiswürdigung:
2.1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin war am 22. Februar 2021 um 15:00 Uhr mit ihrem PKW, einem VW Käfer mit dem behördlichen Kennzeichen ***, und ihrem Sohn als Beifahrer im Gemeindegebiet (Ortsgebiet) von *** unterwegs. Sie lenkte das Fahrzeug von der *** nach rechts in die *** in Fahrtrichtung ***. Sie war dabei ohne zwingenden Grund mit sehr langsamer Geschwindigkeit (ca. 15 bis 20 km/h) unterwegs. Die dicht hinter ihr fahrende Lenkerin eines anderen Kraftfahrzeuges war über die Fahrweise der Beschwerdeführerin sichtlich erbost und verwundert. Dies wurde auf Höhe *** von einer Polizeistreife, besetzt mit B und C, im Begegnungsverkehr wahrgenommen. Die Streife wendete und hielt die Beschwerdeführerin nach kurzer Nachfahrt mit Blaulicht und Folgetonhorn an (das der Beschwerdeführerin nachfahrende Fahrzeug blieb währenddessen am rechten Fahrbahnrand stehen, sodass die Streife vorbeifahren konnte). Die Beschwerdeführerin wurde in weiterer Folge zur Anzeige gebracht.
Die Beschwerdeführerin wurde am *** geboren. Sie hat einen volljährigen Sohn, für den sie nicht sorgepflichtig ist. Sie ist Bezieherin einer Pension, wobei sie die Höhe des Pensionsbezuges in der Verhandlung nicht angeben konnte. In ihrem Eigentum steht ein renovierungsbedürftiges Haus in ***. Sonst besteht kein relevantes Vermögen.
Die Beschwerdeführerin war zum Tatzeitpunkt verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten (sie wies rechtskräftige und nach wie vor ungetilgte, aber nicht einschlägige Vormerkungen auf).
2.2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen basieren insbesondere auf der polizeilichen Anzeige, den Stellungnahmen des Anzeigelegers vom 5. Juli 2021 und vom 11. August 2021, sowie den Aussagen der in der Verhandlung als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten. So ist bereits in der Anzeige (u.a.) festgehalten, dass die Beschwerdeführerin „in sehr langsamer Geschwindigkeit und unsicherer Fahrweise (Schätzung: 15 km/h)“ gefahren sei und dass dicht dahinter ein anderes Kraftfahrzeug gefahren sei, bei dem wahrgenommen werden konnte, dass die Lenkerin „den Kopf hin und her drehte und damit ihren Unmut über die Fahrweise de[s] vor ihr fahrenden PKW ausdrückte“. Auch Tatzeit („22.02.2021 15:00 Uhr“) und Tatort („***“) sind in der Anzeige festgehalten. In der polizeilichen Stellungnahme vom 5. Juli 2021 wurde insbesondere ausgeführt, dass auch bei der erfolgten Nachfahrt lediglich ca. 20 km/h vom Tacho hätten abgelesen werden können und es wurde in der Stellungnahme vom 11. August 2021 die Anzeige und vor allem der Tatort ausdrücklich aufrechterhalten. In der Verhandlung gab B insbesondere Folgendes an (Verhandlungsschrift S 7):
„Ich kann eigentlich nichts Neues mehr erzählen, ich habe es schon des Öfteren geschildert. Am 22. Februar war das um 15:00 Uhr. Ich habe das Fahrzeug von A, ein VW-Käfer, wahrgenommen, das war ungefähr auf Höhe der Hausnummer *** in ***. Sie ist in sehr langsamer Geschwindigkeit Richtung *** gefahren. Dahinter fuhr eine Lenkerin, die hat sich sichtlich erbost über die langsame Fahrweise, sie hat den Kopf geschüttelt. Ich weiß heute nicht mehr, ob wir von der Polizeiinspektion gerade weggefahren sind oder von der *** gekommen sind. Zu der Lenkerin hinter der Beschwerdeführerin kann ich heute nichts mehr sagen. Wir haben dann, wo genau weiß ich nicht mehr, den Streifenwagen gewendet. Wir sind mit eingeschaltetem Blaulicht der Frau A nachgefahren. Unter Aktivierung des Folgetonhorns haben wir sie anhalten können, das war *** Kreuzung ***. Wir haben dort eine Lenker- und Fahrzeugkontrolle durchgeführt. Ich habe das alles schon schriftlich kundgetan, mehr weiß ich nicht.“
Der Zeuge gab außerdem an, dass die schriftlichen Eingaben richtig seien (Verhandlungsschrift S 7) und dass sie die Beschwerdeführerin ja nicht anhalten hätten können, wenn hinter ihr kein Fahrzeug gefahren wäre (Verhandlungsschrift S 8). Der Zeuge blieb auch dabei, dass sie die Beschwerdeführerin bei Hausnummer *** gesehen hätten (Verhandlungsschrift S 8).
Der Zeuge C gab in der Verhandlung zur Sache an (Verhandlungsschrift S 9):
„Wir sind direkt vom Posten weggefahren, das von der ***, wir sind rechts abgebogen auf die *** Richtung ***. Da ist uns dann gleich nach etwa 100 Metern die Frau A entgegengekommen. Ich habe sie nicht gekannt zu dem Zeitpunkt, auch das Auto nicht. Der Kollege hat gleich gesagt, da fährt die Frau A. Wir haben sie im Gegenverkehr wahrgenommen wie sie extrem langsam gefahren ist. Hinterbei war eben ein Auto, es war eine Dame drinnen, die hat sich über die Fahrweise sichtlich gewundert, es war ja keine Veranlassung für ein Langsamfahren. Wir haben dann sofort gewendet, wir sind der Dame nachgefahren, wir haben das Blaulicht eingeschaltet und wollten die Dame anhalten. Sie hat aber nicht sofort reagiert, wir sind dann erst wo es rechts Richtung *** geht, da ist sie dann eigentlich mitten auf der Kreuzung stehengeblieben. Da haben wir dann die Amtshandlung gehabt.“
Auch der Zeuge C bestätigte die Richtigkeit des Tatortes und er schilderte wie das hinter der Beschwerdeführerin fahrende Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand stehen blieb, sodass sie vorbeifahren haben können (Verhandlungsschrift S 10).
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich sieht keinen Grund an den Polizeiangaben zu zweifeln. Die beiden Polizeibeamten haben unter Wahrheitspflicht und nach Erinnerung an ihren Diensteid ausgesagt und einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Es ist kein vernünftiger Grund erkennbar, weshalb sie die Beschwerdeführerin wahrheitswidrig belasten sollten und es ist ihnen zuzubilligen, dass sie einen Sachverhalt wie den vorliegenden richtig beobachten und wiedergeben können.
Den Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes ist vor diesem Hintergrund nicht zu folgen. Festzuhalten ist dazu allerdings, dass sich auch aus ihren Angaben ergibt, dass die Beschwerdeführerin auf ihrer Fahrt sehr langsam gefahren ist (s. insb. Verhandlungsschrift S 2 f. und 6). Die Beschwerdeführerin gab zwar überdies auch an, „vielleicht 40 km/h“ gefahren zu sein, sie führte dazu dann aber aus, das nicht konkret sagen zu können, weil sie nicht auf den Tacho geschaut habe (Verhandlungsschrift S 3). Auffällig ist auch, dass der Sohn der Beschwerdeführerin den Vorfall ausführlich und detailliert schilderte, aber erst auf anschließende Nachfrage, ob der Tatvorwurf aus seiner Sicht zu Recht bestehe, erstmalig angab, dass er sich beim Rondell umgedreht und gesehen habe, dass hinter ihnen kein Fahrzeug sei, weshalb sie auch niemanden behindern hätten können (Verhandlungsschrift S 6). Der Zeuge verneinte in Folge auch, dass er sich zuvor, beim vorgeworfenen Tatort, umgedreht habe (Verhandlungsschrift S 6).
Den Feststellungen zu den aktuellen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen der Beschwerdeführerin wurden ihre Angaben in der Verhandlung zu Grunde gelegt, wobei sie zur Höhe des Pensionsbezuges keine Angaben machen konnte (Verhandlungsschrift S 4). Die Feststellungen zur nicht gegebenen Unbescholtenheit basieren auf den aktenkundigen Auszügen der belangten Behörde und der Landespolizeidirektion Niederösterreich.
3. Maßgebliche Rechtslage:
3.1. § 20 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 52/2005, lautet:
„§ 20. Fahrgeschwindigkeit.
(1) Der Lenker eines Fahrzeuges hat die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Er darf auch nicht so schnell fahren, daß er andere Straßenbenützer oder an der Straße gelegene Sachen beschmutzt oder Vieh verletzt, wenn dies vermeidbar ist. Er darf auch nicht ohne zwingenden Grund so langsam fahren, daß er den übrigen Verkehr behindert.“
3.2. § 99 Abs. 3 lit.a der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 39/2013, lautet:
„§ 99. Strafbestimmungen.
[…]
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,“
4. Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:
4.1. Zur Strafbarkeit der Beschwerdeführerin:
Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, ist die Beschwerdeführerin ohne zwingenden Grund so langsam gefahren, dass sie den übrigen Verkehr behindert hat. Sie hat daher die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht begangen. Da auch kein mangelndes Verschulden dargelegt wurde, hat die Beschwerdeführerin die vorgeworfene Verwaltungsübertretung zu verantworten.
Festzuhalten ist, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Polizeibeamten zuzubilligen ist, dass sie Vorgänge im Straßenverkehr richtig beobachten können (vgl. etwa VwGH 16.12.1992, 92/02/0322). Auch ist es nach der Rechtsprechung nicht verwehrt ein Naheverhältnis eines Zeugen zum Beschuldigten in die Beweiswürdigung einzubeziehen (vgl. etwa VwGH 28.11.1990, 90/03/0172). Darüber hinaus ist zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie (nach dem vorgeworfenen Tatort) zur Besichtigung einer Steinmauer langsamer gefahren sei, darauf hinzuweisen, dass mit diesem Vorbringen kein „zwingender Grund“ im Sinne des Gesetzes aufgezeigt wird (vgl. auch etwa Pürstl, StVO-ON15.00, Anm. 18 zu § 20 StVO 1960 hinsichtlich Stadtrundfahrten [Stand 1.10.2019, rdb.at]).
Die Strafbarkeit der Beschwerdeführerin ist somit zu bejahen und es ist der Schuldspruch zu bestätigen.
4.2. Zur Strafbemessung:
Gemäß § 99 Abs. 3 lit.a StVO 1960 beträgt die gesetzliche Höchststrafe 726,-- Euro bzw. Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen.
Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Fallbezogen ist dazu Folgendes auszuführen:
Die von der Beschwerdeführerin fahrlässig übertretene Rechtsvorschrift dient insbesondere der Vermeidung von Verkehrsbehinderungen und damit nicht unbedeutenden Interessen. Die Beschwerdeführerin hat diesen Schutzzweck nicht bloß geringfügig beeinträchtigt und es ist auch ein bloß geringes Verschulden nicht zu erkennen. Milderungsgründe sind ebenso wenig gegeben wie Erschwerungsgründe. Zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen der Beschwerdeführerin ist auf die getroffenen Feststellungen zu verweisen.
In einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände ist die Geldstrafe von
40,-- Euro sowie die Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden keinesfalls als zu hoch bemessen anzusehen. Die Strafe wurde nämlich ohnehin im untersten Bereich des Strafrahmens festgesetzt (vgl. dazu etwa VwGH 16.10.2001, 2000/09/0015; 25.2.2009, 2007/03/0246) und es soll sowohl spezial- als auch generalpräventive Wirkung erzielt werden (vgl. etwa VwGH 17.11.2004, 2002/09/0186).
Schließlich ist auch noch darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen des § 33a VStG (Beraten statt Strafen) und des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG (Einstellung bzw. Ermahnung) nicht vorliegen. Weder ist die Bedeutung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter noch die Intensität der Beeinträchtigung durch die Tat oder das Verschulden der Beschwerdeführerin als derart gering zu erkennen. Dabei ist zum Verschulden auszuführen, dass – was im vorliegenden Fall nicht gesagt werden kann – von geringem Verschulden nur dann zu sprechen ist, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. etwa VwGH 9.9.2016, Ra 2016/02/0118).
4.3. Zu den Kosten:
Gemäß § 64 Abs. 2 VStG ist der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10,-- Euro zu bemessen. Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Betrag ist für das Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10,-- Euro zu bemessen.
Ausgehend davon hat die belangte Behörde die Kosten für das verwaltungsbehördliche Verfahren zu Recht mit 10,-- Euro festgesetzt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind ebenfalls mit 10,-- Euro festzusetzen.
4.4. Zum Absehen von der Verkündung der Entscheidung:
Von der Verkündung der Entscheidung konnte auf Grund der angestellten Überlegungen abgesehen werden, insbesondere aber auch deshalb, weil die Beschwerdeführerin in der Verhandlung ausdrücklich um eine schriftliche Entscheidung ersucht hat (vgl. zum Verzicht auf die Verkündung etwa VwGH 5.9.2018, Ra 2018/11/0037).
4.5. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen und es folgen die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Das Vorliegen einer Rechtsfrage, die über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besäße, ist nicht zu erkennen (vgl. VwGH 20.4.2018, Ra 2018/02/0128). Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde durchgeführt.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verwaltungsstrafe; Geschwindigkeit; Verkehrsbehinderung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2463.001.2021Zuletzt aktualisiert am
01.12.2022