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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Rechtswidrigkeit der Wahl des Bürgermeister-Stellvertreters, eines Stadtrates und des Stadtsenates; keine Bedenken gegen das Fraktionswahlrecht; keine unsachliche Differenzierung durch die Wahl der Stadträte und des Bürgermeister-Stellvertreters nach dem Prinzip der Fraktionswahl, des übrigen Stadtsenates jedoch durch den Gemeinderat; Zusammensetzung des Stadtsenates aufgrund der bei der Gemeinderatswahl erzielten Mandatsstärke der Wahlparteien; Anrechnung der gewählten Bürgermeister-Stellvertreter und Stadträte immer möglichSpruch
Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Am 4. Oktober 1992 fanden die vom Bürgermeister im Einvernehmen mit dem Gemeinderat ausgeschriebenen Wahlen zum Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg statt.
Dabei entfielen von den insgesamt 53.868 abgegebenen gültigen Stimmen auf die
Österreichische
Volkspartei - Dr. Josef
Dechant (ÖVP) 13.345 Stimmen (11 Mandate)
Sozialdemokratische Partei
Österreichs - Bürgermeister
Dr. Harald Lettner (SPÖ) 15.101 Stimmen (12 Mandate)
Freiheitliche Partei
Österreichs (FPÖ) 7.791 Stimmen (6 Mandate)
Bürgerliste - Liste
Herbert Fux (BL) 8.887 Stimmen (7 Mandate)
Österreichische Autofahrer-
und Bürgerinteressens-Partei
(ÖABP) 3.136 Stimmen (2 Mandate)
Aktion Bürgerprotest
anti-masopust - Liste
Kurt Weiß (ALW) 700 Stimmen (0 Mandate)
Die Grünen (GR) 667 Stimmen (0 Mandate)
Die Weissen - Liste Dieter
Wörndl (DW) 325 Stimmen (0 Mandate)
Kommunistische Partei
Österreichs (KPÖ) 188 Stimmen (0 Mandate)
Stadtrat Dietrich Masopust -
Parteiunabhängige Salzburger 2.835 Stimmen (2 Mandate)
Salzburger Bürgerforum
2000 (SBF) 253 Stimmen (0 Mandate)
Christliche
Wählergemeinschaft (CWG) 555 Stimmen (O Mandate)
Liste Direktwahl für
Leute im Land (LDW) 85 Stimmen (O Mandate).
1.2. Am 25. November 1992 fand die konstituierende Sitzung des Gemeinderates statt. Unter dem Vorsitz des an Jahren ältesten Mitgliedes des Gemeinderates (§6 Abs2 Salzburger Stadtrecht 1966, LGBl. 47, idF 69/1992, in der Folge: Stadtrecht) wurde zunächst Dr. J D zum Bürgermeister gewählt. Er übernahm den Vorsitz; nunmehr wurden auf Vorschlag der Fraktion der SPÖ Dr. H S zum Bürgermeister-Stellvertreter, sodann auf Vorschlag der Fraktion der Bürgerliste J P zum Bürgermeister-Stellvertreter, danach wieder auf Vorschlag der Fraktion der SPÖ Ing. Dr. J H und schließlich auf Vorschlag der Fraktion der FPÖ Mag. S M zu Stadträten gewählt. Die Wahlen wurden in der Weise durchgeführt, daß sich jene stimmberechtigten Mitglieder des Gemeinderates - also die Mitglieder der betreffenden Fraktion (§22 Abs3 Stadtrecht) -, die dem Vorschlag zustimmen wollten, von ihren Sitzen erhoben. Die Verhandlungsschrift hält fest, daß der Wahl des Dr. S und des Ing. Dr. H jeweils mehr als die Hälfte der stimmberechtigten Fraktionsmitglieder zustimmte, nur die Gemeinderäte Dr. F, F und P sowie - bei der Wahl von Dr. H - die Gemeinderätin S hatten sich nicht erhoben.
Nach der Angelobung der Bürgermeister-Stellvertreter und der Stadträte teilte der Bürgermeister mit, daß ua. die Berufung der weiteren Mitglieder und der Ersatzmitglieder des Stadtsenates erst am 27. November 1992 behandelt werde; sie wurden an diesem Tag durch einstimmigen Beschluß des Gemeinderates entsprechend dem Amtsvorschlag der Magistratsdirektion vom 26. November 1992 berufen. Danach wurden von der Fraktion der SPÖ noch zwei Mitglieder und vier Ersatzmitglieder, von jener der ÖVP drei Mitglieder und vier Ersatzmitglieder, von jener der BL ein Mitglied und zwei Ersatzmitglieder und von jener der FPÖ ein Mitglied und zwei Ersatzmitglieder des Stadtsenates bestellt.
1.3.1. Vier Mitglieder des Gemeinderates fochten mit einer ausdrücklich auf Art141 Abs1 litb B-VG gestützten Anfechtungsschrift die Wahl des Bürgermeister-Stellvertreters Dr. S, des Stadtrates Ing. Dr. H und der Mitglieder des Stadtsenates der Landeshauptstadt Salzburg an und beantragten, der Verfassungsgerichtshof wolle 1. "die am 25. November 1992 im Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg durchgeführte Wahl von Herrn Dr. H S zum Vizebürgermeister und von Herrn Ing. J H zum Stadtrat" und 2. "die Wahl der Mitglieder des Stadtsenates der Landeshauptstadt Salzburg in der Gemeinderatssitzung vom 25. November 1992 (richtig wohl: 25. und 27. November 1992) von Anfang an als nichtig" aufheben.
1.3.2. Begründend führten sie - gerafft wiedergegeben - aus, gemäß Art117 Abs5 B-VG hätten die im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand bzw. im Stadtsenat; diese Vorschrift stelle auf die Mandatsstärke zum Zeitpunkt der Wahl des Stadtsenates, nicht aber auf das Ergebnis der Gemeinderatswahl ab. §27 Abs1 Stadtrecht, wonach die Stellen der Mitglieder des Stadtsenats auf die Parteien nach dem Grundsatz der Verhältniswahl aufgeteilt werden, sei verfassungskonform so auszulegen, daß auch hier der Zeitpunkt der Stadtsenatswahl den Ausschlag gebe. Schon am 25. November 1992 hätten aber die Gemeinderäte Dr. F, P, F und S nicht mehr der Fraktion der SPÖ (und der SPÖ selbst) angehört, weil sie aus der Fraktion (und aus der politischen Partei) ausgetreten seien. Nach §27 Abs1 Stadtrecht hätten der Fraktion der SPÖ daher nicht vier, sondern nur drei Stadtsenatssitze zugebilligt werden dürfen, während auf die Bürgerliste nicht zwei, sondern gleichfalls drei entfallen wären.
Gemäß §22 Abs1 Stadtrecht seien die Stellen der Bürgermeister-Stellvertreter und der Stadträte nach dem Grundsatz der Verhältniswahl auf die einzelnen Parteien auf Grund der Anzahl der in der vorangegangenen Wahl des Gemeinderates den Parteien zugefallenen Mandate aufzuteilen. Diese Wahl berühre die Zusammensetzung des Stadtsenates, weil die genannten Funktionsträger gemäß §27 Abs1 Stadtrecht kraft ihres Amtes dem Stadtsenat angehörten. Nach dem tatsächlichen Stärkeverhältnis am 25. November 1992 hätte aber der SPÖ ein Stadtrat weniger, der ÖVP ein weiterer zugesprochen werden müssen.
Die Bürgermeister-Stellvertreter und die Stadträte seien nach §22 Abs3 Stadtrecht durch Fraktionswahl, die übrigen Mitglieder des Stadtsenates nach §27 Abs3 Stadtrecht aber auf Grund von Fraktionsvorschlägen durch Beschluß des Gemeinderates zu wählen. Diese Differenzierung sei ebensowenig gerechtfertigt wie die unterschiedlichen Zeitpunkte, auf die §22 Abs1 und §27 Abs1 Stadtrecht abstellten, weil die Mitglieder des Stadtratskollegiums (ds. der Bürgermeister, die Bürgermeister-Stellvertreter und die Stadträte) kraft ihres Amtes auch dem Stadtsenat angehörten. In diesem Zusammenhang regen die Anfechtungswerber an, die §§22 und 27 Stadtrecht auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Sie rügen schließlich, daß an der Wahl des Dr. S und des Ing. Dr. H auch die der SPÖ-Fraktion nicht mehr angehörende Gemeinderätin S teilgenommen habe, und weisen darauf hin, daß die von ihnen bekämpfte, der Wahl aber zugrundegelegte Auslegung der §§22 und 27 Stadtrecht Gemeinderäten, die aus ihrer Fraktion ausgetreten seien, das Wahlrecht zum Stadtsenat nehme.
1.4.1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg legte die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher er beantragte, der Wahlanfechtung nicht stattzugeben.
1.4.2. Er führte aus, der Austritt eines Gemeinderates aus einer politischen Partei habe keinen Einfluß auf die Mitgliedschaft zu einer Gemeinderatspartei, die erwähnten vier Gemeinderatsmitglieder gehörten daher weiterhin der Fraktion der SPÖ an und seien auch in ihrem Wahlrecht nicht beschränkt. Daher sei es auch nicht rechtswidrig, daß eines dieser Mitglieder an der Wahl des Dr. S (nicht im übrigen auch, wie die Anfechtungswerber ausführten, des Ing. Dr. H) teilgenommen habe. Art117 Abs5 B-VG stelle, wie auch in der Literatur ausgeführt werde, auf die bei der Gemeinderatswahl erreichte Stärke ab. Dieser Vorschrift entspreche daher auch §22 Abs1 Stadtrecht, der ausdrücklich die in der vorangegangenen Wahl des Gemeinderates den Parteien zugefallenen Mandate zur Grundlage mache und der für den Fall der gleichen Berechtigung mehrerer Parteien auf die Parteisumme (Stimmenzahl bei der Gemeinderatswahl) abstelle. Daß die Bürgermeister-Stellvertreter und die Stadträte in Fraktionswahl, die übrigen Mitglieder des Stadtsenates aber auf Grund von Fraktionsvorschlägen von der Gesamtheit des Gemeinderates gewählt würden, sei unbedenklich. Würde man, wie die Anfechtungswerber, nicht auf die Mandatsstärke auf Grund der Gemeinderatswahl, sondern auf jene zum Zeitpunkt der Wahl des Stadtsenats abstellen, so wären die Stellen im Stadtsenat uU während einer Funktionsperiode variabel.
1.5. Die maßgebenden Bestimmungen des Stadtrechts lauten in ihrem Zusammenhang:
"§4. (1) Die Organe der Stadt sind:
1.
der Gemeinderat,
2.
der Bürgermeister,
3.
der Stadtsenat,
4.
die Ausschüsse des Gemeinderates,
5.
die Bauberufungskommission.
(2) ...
(3) Der Bürgermeister wird in seiner Amtsführung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Landesverfassungsgesetzes durch zwei Bürgermeister-Stellvertreter und zwei Stadträte unterstützt und vertreten.
§22
Wahl der Bürgermeister-Stellvertreter und der Stadträte
(1) Nach der Wahl des Bürgermeisters ist bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Gemeinderates die Wahl der Bürgermeister-Stellvertreter und der Stadträte vorzunehmen. Die Stellen der Bürgermeister-Stellvertreter und der Stadträte sind nach dem Grundsatz der Verhältniswahl unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen über die Ermittlung der Mandate in der für die Wahl des Gemeinderates geltenden Wahlordnung (§5 Abs 4), in der sich daraus ergebenden Reihenfolge auf die einzelnen Parteien auf Grund der Anzahl der in der vorangegangenen Wahl des Gemeinderates den einzelnen Parteien zugefallenen Mandate aufzuteilen, wobei die Stelle des Bürgermeisters seiner Partei zuzurechnen ist. Wenn sich hiebei für mehrere Parteien gleiche Zahlen ergeben, fällt die Besetzung der betreffenden Stelle jener Partei zu, deren Parteisumme, geteilt durch die Wahlzahl, den größeren Rest ergibt; ergibt sich kein oder ein gleicher Rest, so entscheidet das Los.
(2) ...
(3) Die Wahl der den einzelnen Parteien nach den vorstehenden Bestimmungen zukommenden Bürgermeister-Stellvertreter und Stadträte hat für jede zu besetzende Stelle in einem gesonderten Wahlgang durch die der betreffenden Partei angehörigen Mitglieder des Gemeinderates (Fraktion) aus ihrer Mitte zu erfolgen (Fraktionswahl). Die Wahl kann gültig nur vorgenommen werden, wenn hiebei mindestens die Hälfte der Mitglieder des Gemeinderates und der betreffenden Fraktion anwesend sind. Die Wahl wird durch den Bürgermeister geleitet. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der Stimmen der anwesenden Mitglieder der Fraktion erhält. Ist ein solches Ergebnis in zwei aufeinanderfolgenden Abstimmungen nicht erreicht worden, so findet eine dritte Abstimmung unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des §21 Abs3 zweiter bis letzter Satz statt. Kommt eine gültige Wahl nicht zustande, so bleibt die der betreffenden Partei zukommende Stelle so lange unbesetzt, bis diese beim Bürgermeister einen neuen Wahlgang verlangt. Eine Besetzung der freien Stelle durch ein einer anderen Partei angehöriges Mitglied des Gemeinderates oder ein Nachrücken eines in der Reihenfolge nachfolgenden Bürgermeister-Stellvertreters oder Stadtrates der gleichen Partei ist unzulässig.
(4) ...
3. Der Stadtsenat und die Ausschüsse des Gemeinderates
§27
Zusammensetzung und Wahl
(1) Der Stadtsenat besteht aus zwölf Mitgliedern. Der Bürgermeister, die Bürgermeister-Stellvertreter und die Stadträte gehören dem Stadtsenat kraft ihres Amtes an. Die Stellen der übrigen Mitglieder werden auf die einzelnen Parteien nach dem Grundsatz der Verhältniswahl aufgeteilt, wobei der Bürgermeister, die Bürgermeister-Stellvertreter und die Stadträte ihrer Partei zuzurechnen sind.
(2) ...
(3) Die Berufung der den einzelnen Parteien nach den vorstehenden Bestimmungen zukommenden Mitglieder des Stadtsenates und der Ausschüsse erfolgt nach den Vorschlägen der der betreffenden Partei angehörigen Mitglieder des Gemeinderates (Fraktionsvorschlägen) durch Beschluß des Gemeinderates. Für die Mitglieder des Stadtsenates und der Ausschüsse sind nach denselben Grundsätzen Ersatzmitglieder zu berufen. Die Ersatzmitglieder haben im Falle der Verhinderung von Mitgliedern an deren Stelle zu treten. Ein verhindertes Senats- bzw. Ausschußmitglied kann statt durch ein Ersatzmitglied auch durch ein anderes Mitglied derselben Fraktion nach schriftlicher Meldung beim Vorsitzenden vertreten werden.
(4) ..."
2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:
2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 litb B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde (Gemeindevorstand, §67 Abs1 VerfGG 1953), so auch in den Stadtsenat (Art117 Abs1 litb B-VG) und somit auch über die Anfechtung der Wahl einzelner Mitglieder des Stadtsenates (VfSlg. 12946/1991). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden. Sie bedarf gemäß §67 Abs2 Satz 1 VerfGG 1953 eines Antrages von einem Zehntel der Mitglieder der Gemeindevertretung (das sind hier vier Mitglieder - §5 Abs1 Stadtrecht, §95 litc Salzburger Gemeindewahlordnung, LGBl. 72/1974), mindestens aber zweier Mitglieder.
2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem anzuwendenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein.
Einen derartigen, die unmittelbare Anfechtung der Wahl in den Stadtsenat der Landeshauptstadt Salzburg beim Verfassungsgerichtshof ausschließenden Instanzenzug richtet weder das Stadtrecht noch ein anderes Gesetz ein.
Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der Anfechtungsfrist ist die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 9940/1984, 10610/1985), di. bei der Wahl in den Stadtsenat der Landeshauptstadt Salzburg die Annahme der Wahl (§22 Abs4 iVm §21 Abs4 und §27 Abs5 Stadtrecht).
Die hier angefochtenen Wahlen eines Bürgermeister-Stellvertreters, eines Stadtrates und der Mitglieder des Stadtsenates wurden von den Gewählten am 25. und am 27. November 1992 angenommen.
Die am 23. Dezember 1992 zur Post gegebene Wahlanfechtung wurde darum rechtzeitig eingebracht.
2.1.3. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Wahlanfechtung zulässig.
2.2. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
2.2.1.1. Die Anfechtungswerber vermeinen, es sei verfassungsrechtlich bedenklich, daß laut Stadtrecht (§§22 und 27) die Mitglieder des Stadtratskollegiums (ds. der Bürgermeister, die beiden Bürgermeister-Stellvertreter und die beiden Stadträte: §5 Gemeinderatsgeschäftsordnung - GGO) im Wege der Fraktionswahl gewählt, die übrigen Mitglieder des Stadtsenates aber - auf Grund von Fraktionsvorschlägen - durch Beschluß des Gemeinderates berufen werden.
2.2.1.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag dieser Auffassung nicht zu folgen:
Gegen die Fraktionswahl hegte der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner bisherigen Judikatur grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken (zuletzt VfSlg. 12946/1991 mwN). Der Landesgesetzgeber hat bei der Regelung der Wahl der Gemeindeorgane einen weiten Spielraum (VfSlg. 8447/1978); er kann daher ein Fraktionswahlrecht schaffen (vgl. die EB zur RV bezüglich Art117 Abs3 B-VG: 639 BlgNR 9. GP 15) oder von einer solchen Einrichtung absehen. Nun sind zwar einige Mitglieder des Stadtsenates, nämlich die Bürgermeister-Stellvertreter und die Stadträte, nach dem Prinzip der Fraktionswahl, die übrigen Mitglieder (außer dem Bürgermeister) aber auf Grund von Fraktionsvorschlägen durch den ganzen Gemeinderat zu wählen. Eine solche Differenzierung ist aber nicht unsachlich, denn das Fraktionswahlrecht soll in erster Linie verhindern, daß eine Fraktion überstimmt wird, wenn es darum geht, eine ihr nach dem Proporz zufallende Stelle durch Wahl zu besetzen (VfSlg. 8447/1978). Das Stadtrecht ermöglicht nun zwar ein solches Überstimmen; es kann dem Landesverfassungsgesetzgeber aber nicht mit Grund entgegengetreten werden, wenn er der Gefahr eines Überstimmens bei der Wahl der Bürgermeister-Stellvertreter und der Stadträte größere Bedeutung einräumt als bei der Wahl der übrigen Mitglieder des Stadtsenates.
2.2.2.1. Was die weitere Argumentation in der Anfechtungsschrift betrifft, so geht es im Kern darum, welche Mandatsstärke im Gemeinderat der Zuteilung der Sitze im Stadtsenat zugrundegelegt werden soll: jene, die sich aus der Gemeinderatswahl ergibt, wie die Gegenschrift meint, oder jene, die zum Zeitpunkt der Wahl des Gemeindevorstands besteht, wie die Anfechtungswerber ohne weitere Begründung annehmen.
2.2.2.2. Schon in seinem Erkenntnis VfSlg. 12229/1989 (S 491 f.) sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß Gemeindevorstandssitze kraft der Vorschrift des Art117 Abs5 B-VG (über die Bestellung des Gemeindevorstands) nur auf jene im Gemeinderat vertretenen Parteien (Gemeinderatsfraktionen) - proportional - verteilt werden, die als solche (Gemeinderatsfraktionen) bereits aus der Gemeinderatswahl hervorgegangen sind, und daß ein Zusammenschluß von mehreren dieser im Gemeinderat repräsentierten Parteien für die Verteilung der Gemeindevorstandsstellen zu einer neuen (gelegentlichen) Wahlpartei bundesverfassungsgesetzlich nicht zulässig ist.
Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Rechtsansicht auch aus der Sicht dieser Wahlanfechtungssache fest:
Art117 Abs5 B-VG spricht von "(i)m Gemeinderat vertretene(n) Wahlparteien". Wenn auch die "wahlwerbenden Parteien" im strengen Sinn im Zeitpunkt der Bestellung des Gemeindevorstandes nicht mehr existieren (müssen), so deutet der Ausdruck "Wahlpartei" doch unmißverständlich darauf hin, daß es sich hier nicht um beliebig zusammengestellte Fraktionen handelt, sondern um Personengruppen, die im engen Zusammenhang mit einer wahlwerbenden Partei stehen, und zwar einer Partei, die auf Grund des Wahlergebnisses in den Gemeinderat einzog. Demgemäß stellt die Vorschrift des Art117 Abs5 B-VG auf die letzte Gemeinderatswahl ab (Putschögl, Wahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes (des Bürgermeisters) und der Gemeinderatsausschüsse, in: Fröhler/Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht, 3.6 (1982) 15: "die aus demselben Wahlvorschlag für gewählt erklärten Gemeinderatsmitglieder"); sie hat den Zweck, dem Wähler bei der Gemeinderatswahl mittelbar auch einen Einfluß auf die Zusammensetzung des Gemeindevorstandes einzuräumen. Die Gemeindevorstandssitze dürfen danach nur auf jene im Gemeinderat vertretenen Parteien aufgeteilt werden, die als solche aus der Gemeinderatswahl hervorgegangen sind, und nur nach Maßgabe ihrer bei der Gemeinderatswahl erreichten Stärke. Daraus folgt nicht nur, daß zwei oder mehrere Fraktionen sich insoweit nicht zu einer neuen, gelegentlichen Wahlpartei zusammenschließen dürfen, sondern zugleich auch, daß sie nicht gespalten oder verkleinert werden können, weil die Zugehörigkeit zu einer derartigen Wahlpartei nicht von (späteren) Willenserklärungen abhängt, sondern sich von der Kandidatur auf derselben Liste ableitet. Das gilt auch für "nachgerückte" Mandatare (wie hier F).
Es zeigt sich daher, daß Art117 Abs5 B-VG auf die Stärke der "Wahlparteien" abzielt, wie sie sich aus der Gemeinderatswahl ergibt. Für den Anspruch der "Wahlparteien" auf Vertretung im Gemeindevorstand kommt es ausschließlich auf die bei der Gemeinderatswahl erreichte Stärke (der "Fraktionen") an; diese dem Wahlergebnis entsprechende Stärke bleibt für die gesamte Dauer der Gemeinderatsperiode maßgebend, sie perpetuiert die stärkemäßige Zusammensetzung des Gemeinderates. Eine andere Mandatsstärke als jene, die sich aus der Gemeinderatswahl ergibt, kann eine Wahlpartei (iSd Art117 Abs5 B-VG) also gar nicht haben (die davon zu unterscheidende Frage, ob und inwieweit das Gesetz im Gemeinderat Zusammenschlüsse anderer Art (etwa zu Klubs, Fraktionen) zulassen kann, ist für die vorliegende Rechtssache unerheblich und muß darum auf sich beruhen).
2.2.2.3. Im Stadtrecht findet sich die maßgebende Vorschrift für die Zusammensetzung des Salzburger Stadtsenates in §27 Abs1 und 3. Danach werden die Stadtsenatsstellen "auf die einzelnen Parteien nach dem Grundsatz der Verhältniswahl aufgeteilt", die Mitglieder des Stadtratskollegiums sind ihren Parteien anzurechnen. Die Ausdrücke "Partei(en)" und "nach dem Grundsatz der Verhältniswahl" lassen offen, zu welchem Zeitpunkt die (Mandats-)Stärke zu messen ist. Sie sind daher iS verfassungskonformer Auslegung wie Art117 Abs5 B-VG zu interpretieren, dh. unter den "Parteien" sind die "Wahlparteien" des Art117 Abs5 B-VG zu verstehen. Auch der Ausdruck "Fraktionsvorschläge" in §27 Abs3 Stadtrecht bezieht sich folglich (ebenso wie die "Fraktion" und die "Fraktionswahl" des §22 Abs3 Stadtrecht) auf diese "Wahlparteien", auch wenn die GGO gemäß §20 Abs3 lith Stadtrecht etwa andere Fraktionen zulassen sollte.
Die Vorschriften über die Wahl der Mitglieder des Stadtratskollegiums könnten unter dem Aspekt des Art117 Abs5 B-VG allenfalls dann bedenklich sein, wenn eine Anrechnung nach §27 Abs1 Stadtrecht nicht möglich wäre, weil etwa - auf Grund unterschiedlicher Berechnungsarten, wie die Anfechtungswerber ja meinen - einer Partei mehr Sitze im Stadtratskollegium zugeteilt würden als im Stadtsenat. Eine Anrechnung der nach §22 Stadtrecht gewählten Bürgermeister-Stellvertreter und Stadträte ist jedoch immer möglich, denn auch §22 Abs1 Stadtrecht (über die Wahl der Bürgermeister-Stellvertreter und der Stadträte) stellt ausdrücklich auf das Ergebnis der Gemeinderatswahl ab, also auf denselben Zeitpunkt wie - nach dem dargelegten Ergebnis - §27 Abs1 Stadtrecht. Der von den Anfechtungswerbern in diesem Punkt behauptete Unterschied zwischen der Wahl der Mitglieder des Stadtratskollegiums und jener der übrigen Mitglieder des Stadtsenates liegt somit gar nicht vor.
2.3. Da also die behaupteten Rechtswidrigkeiten der Wahl nicht gegeben sind, war der Wahlanfechtung nicht stattzugeben.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Wahlen, Fraktionswahlrecht, Bürgermeister, Gemeindevorstand, Stadtsenat, Stadträte, Gemeinderecht OrganeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:WI25.1992Dokumentnummer
JFT_10068787_92W0I025_00