Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. März 1995, Zl. 4.334.492/9-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 24. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 26. Februar 1992 einen Asylantrag gestellt.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministes für Inneres vom 2. März 1995 wurde der gegen den abweisenden Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 18. März 1992 erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und ihm damit die Gewährung von Asyl versagt.
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer u.a. deshalb kein Asyl gewährt, weil sie der Ansicht war, daß der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben sei. Nach dieser Gesetzesstelle wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Die belangte Behörde ging bei ihrer abweislichen Entscheidung von den Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg aus, wonach er die Türkei am 11. Dezember 1991 verlassen und sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet ca. eineinhalb Monate in Rumänien und ca. einen Monat in der damaligen CSFR aufgehalten habe, und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle.
Die belangte Behörde berief sich hinsichtlich der angenommenen Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Rumänien insbesondere auf die Mitgliedschaft dieses Staates bei der Genfer Flüchtlingskonvention seit dem 7. August 1991 und sprach aus, daß keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß Rumänien die aus dieser Mitgliedschaft sich ergebenden Verpflichtungen vernachlässigen und das im Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention normierte Refoulementverbot mißachten würde.
Hiezu habe die belangte Behörde dem Beschwerdeführer am 28. Februar 1995 Parteiengehör gewährt, insbesondere diesem ausdrücklich die Auffassung der belangten Behörde durch das Bundesasylamt Salzburg vorhalten lassen, daß sie von der Verwirklichung des Asylausschlußgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 auszugehen beabsichtige. Der Beschwerdeführer habe sich lediglich dahingehend geäußert, daß er nicht gewußt habe, daß er in Rumänien um Asyl hätte ansuchen können. In der Türkei sei ihm gesagt worden, daß man in Österreich "am leichtesten" Asyl erhalten könne. Hätte er gewußt, daß er auch in Rumänien einen Asylantrag hätte stellen können, so hätte er dies sicher getan. Er wisse aber von Leuten, die dort um politisches Asyl angesucht hätten und in die Türkei wieder zurückgeschickt worden seien. Mehr habe er dazu nicht zu sagen.
Dem sei entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde zunächst davon ausgehen dürfe, daß in einem Staat wie Rumänien, der Mitglied der Genfer Flüchtlingskonvention sei, auch das Refoulementverbot effektiv in Geltung stehe. Dafür, daß diese Vermutung nicht zutreffe, habe der Beschwerdeführer keine Anhaltspunkte geboten. Daran ändere die allgemeine Behauptung nichts, daß Personen von Rumänien in die Türkei zurückgeschoben worden seien, zumal eine solche Rückschiebung noch keine Verletzung des Völkerrechtes darstellen müsse.
In der vorliegenden Beschwerde rügt der Beschwerdeführer die Heranziehung des Asylausschlußgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. durch die belangte Behörde - soweit entscheidungswesentlich - mit der Begründung, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner Einvernahme zum Ausdruck gebracht habe, daß er von Leuten wisse, die in Rumänien um politisches Asyl angesucht hätten und wieder in die Türkei zurückgeschickt worden seien. Dazu seien keine weiteren Fragen oder Vorhalte erfolgt. Die belangte Behörde lege dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine im Asylgesetz nicht vorgesehene Beweislast auf, wenn sie von diesem verlange, daß er eine Verletzung des Refoulementverbotes darzutun habe. Die belangte Behörde hätte sich mit der Aussage des Beschwerdeführers auseinandersetzen und dem Beschwerdeführer die Richtigkeit ihrer anderslautenden Feststellung vorhalten müssen. Eine generalisierende Betrachtungsweise sei bei der Beurteilung, ob es sich bei Rumänien um ein sicheres Drittland handle, nicht ausreichend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu erwogen:
Die belangte Behörde durfte grundsätzlich unter der Voraussetzung, daß sie dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährte und dahingehende Ermittlungsergebnisse vorlagen, entsprechend ihrer Befugnis zur umfassenden rechtlichen Beurteilung selbständig auch den für die Frage der Asylgewährung maßgeblichen Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 aufgreifen. Dazu wurde der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren durch das Bundesasylamt Salzburg zu einer ergänzenden Einvernahme vorgeladen und ihm dabei unter ausdrücklichem Vorhalt der Auffassung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer u.a. in Rumänien vor Verfolgung sicher gewesen sei, Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Erhebung sachgerechter Einwendungen gegeben. Damit ist die belangte Behörde ihrer Verpflichtung zur Einräumung des Parteiengehörs zu dem von ihr neu herangezogenen Abweisungsgrund nachgekommen. Richtig ist, daß ein Asylwerber nicht verpflichtet ist, konkrete Fälle der Verletzung des Refoulementverbotes durch einen als sicheres Drittland angenommenen Staat nachzuweisen, jedoch genügt die völlig unsubstantiierte und allgemeine Aussage, der Beschwerdeführer wisse von Personen, die in Rumänien einen Asylantrag gestellt hätten und in der Folge wieder in die Türkei zurückgestellt worden seien, nicht, um der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren nachzukommen und eine weitergehende Ermittlungspflicht der belangten Behörde im Hinblick auf die nunmehr bestrittene effektive Geltung der Genfer Flüchtlingskonvention in Rumänien auszulösen. Wesentlich ist
-
wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt -, daß der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte, wobei es nicht darauf ankommt, wie lange er sich im Drittstaat aufgehalten hat, welche Absichten er dabei verfolgt hat und ob sein Aufenthalt den dortigen Behörden bekanntgeworden und von ihnen geduldet war (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1994, Zl. 94/19/1004, 1005 u. v.a.). Schutz vor Verfolgung hat ein Asylwerber daher dann gefunden, wenn er sich nach Verlassen seines Heimatlandes, in dem er verfolgt zu werden behauptet, in einem anderen Staat
-
selbst nur im Zuge der Durchreise - befunden hat und die genannte Sicherheit aus objektiver Sicht bereits dort hätte in Anspruch nehmen können. Daß die - zufolge des Beitrittes Rumäniens zur Genfer Flüchtlingskonvention nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennende - Auffassung der belangten Behörde, diese Voraussetzungen seien in dem genannten Staat gegeben gewesen, unzutreffend wäre, hat der Beschwerdeführer in konkreter Weise nicht vorgebracht. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, daß aus dem Umstand, daß ehemalige Asylwerber in die Türkei abgeschoben wurden, noch nicht auf die Verletzung des Refoulementverbots rückgeschlossen werden kann. Es kann derartigen Rückschiebungen nicht von vornherein ein konventionswidriger Charakter unterstellt werden. In der vorliegenden Beschwerde wird auch gar nicht behauptet, daß Rumänien seine Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention nicht einhalten würde, sondern es wird lediglich eine nicht weiter konkretisierte dahingehende Überprüfungstätigkeit der belangten Behörde eingefordert. Da der Beschwerdeführer auf den Vorhalt im Berufungsverfahren, daß die belangte Behörde von der Annahme seiner Verfolgungssicherheit in Rumänien auszugehen beabsichtige, nur mit der völlig unsubstantiierten und allgemeinen Behauptung, es seien Asylwerber von Rumänien in die Türkei zurückgestellt worden, reagierte, wozu er "mehr nicht zu sagen" habe, er aber weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde die Konventionswidrigkeit der behaupteten Rückschiebungen geltend machte, ist eine Verletzung der der belangten Behörde zukommenden Ermittlungspflicht nicht erkennbar. Da auch die vorliegende Beschwerde gegen die von der belangten Behörde zur Begründung der vom Beschwerdeführer in Rumänien erlangten Verfolgungssicherheit herangezogenen Argumente kein konkretes Vorbringen enthält, muß auf das weitere - die Verfolgungssicherheit in der ehemaligen CSFR betreffende - Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen werden.
Selbst wenn die belangte Behörde die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers als gegeben erachtet hätte, käme die Asylgewährung für den Beschwerdeführer nicht in Betracht, weil dieser der herangezogene Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 (in Bezug auf Rumänien) entgegensteht (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 94/19/1190). Ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage konnte auch eine Auseinandersetzung mit den die Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers betreffenden Beschwerdeausführungen und mit den in dieser Hinsicht geltend gemachten Verfahrensmängeln unterbleiben.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200213.X00Im RIS seit
20.11.2000