TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/6 95/20/0159

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Veröffentlicht am 06.02.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/20/0160

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1.) der P, mit den mj. Kindern S und H und 2.) des M, alle in W, alle vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres, jeweils vom 21. Februar 1995, Zlen. 4.343.360/2-III/13/93 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin und die mj. Kinder, protokolliert zur hg. Zl. 95/20/0159) und 4.343.360/1-III/13/93 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer, protokolliert zur hg. Zl. 95/20/0160), jeweils betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Beide Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres, jeweils vom 21. Februar 1995, wurden die Berufungen der Beschwerdeführer, einer Familie iranischer Staatsangehörigkeit, die gemeinsam am 20. August 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 24. August 1993 die Asylanträge gestellt hat, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes, jeweils vom 30. August 1993, mit denen ihre Asylanträge abgewiesen worden waren, abgewiesen und damit die Gewährung von Asyl versagt.

Die belangte Behörde ging dabei im wesentlichen von

folgendem Sachverhalt aus:

Zur Erstbeschwerdeführerin:

Diese hatte bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 24. August 1993 im wesentlichen angegeben, sie sei mit ihrem Ehegatten geflüchtet, weil sie nicht alleine habe zurückbleiben wollen. Sie sei in ihrer Heimat nie aus politischen, ethnischen, religiösen oder sonstigen Gründen verfolgt worden und habe auch nie Probleme mit den Behörden ihres Heimatlandes gehabt. Seit der Eheschließung mit dem Zweitbeschwerdeführer im Jahre 1987 habe auch sie für die Saltanat Talab-Bewegung Flugzettel verteilt, deswegen jedoch nie Probleme gehabt. Andere Gründe könne sie nicht geltend machen. Die belangte Behörde erachtete die Voraussetzungen des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 als nicht gegeben, da weder wohlbegründete Furcht vor Verfolgung noch eine solche konkret gegen die Beschwerdeführerin selbst glaubhaft gemacht habe werden können.

Zum Zweitbeschwerdeführer:

Dieser hatte anläßlich seiner ebenfalls am 24. August 1993 vor dem Bundesasylamt erfolgten niederschriftlichen Befragung im wesentlichen angegeben, er sei seit etwa 1986 Sympathisant der verbotenen monarchistischen Saltanat Talab-Bewegung und habe für diese Flugblätter verteilt und Bilder des Schah und seines Sohnes an Hauswände geklebt, wobei er dies im Durchschnitt einmal pro Woche in den Abendstunden getan habe. Im Juli oder August 1986 sei er das erste Mal in T bei dieser Tätigkeit betreten, von Revolutionswächtern mit verbundenen Augen in ein Auto gebracht und in der Folge in ein unterirdisches Gefängnis in der Nähe von K gebracht worden, wo er 15 Tage festgehalten und mit Händen und Schlagstöcken zum Teil heftig geschlagen worden sei. Nach seiner Freilassung habe man ihm gedroht, daß er oder seine Geschwister getötet würden, falls er wieder bei so einer Tätigkeit erwischt würde. Nach seiner Haft habe er darüber hinaus Schwierigkeiten gehabt, für seine Firma, die Plastikwaren erzeugt habe, Grundmaterial zu beschaffen, weil man ihm dieses von der staatlichen Bezugsquelle ohne Angaben von Gründen verweigert habe, sodaß er gezwungen gewesen sei, das Material um teures Geld auf dem Bazar zu kaufen. Dies sei schlußendlich nicht kostendeckend gewesen, weshalb er seine Firma im Jahr 1988 habe schließen müssen und seither von Gelegenheitsarbeiten gelebt habe. Im Oktober 1991 habe er wieder Flugzettel und Bilder verteilt, sei von Revolutionswächtern betreten und ins E-Gefängnis nach Teheran gebracht worden, wo er 10 Tage ohne Wasser und Brot in einer Zelle festgehalten worden sei. Er habe eine Magenblutung bekommen, und über Anraten des behandelnden Arztes habe man ihm zu essen gegeben. Er habe sodann noch zweieinhalb Monate dort bleiben müssen. In dieser Zeit sei er viermal gefoltert worden, indem man ihm die Füße zusammengebunden und an einen Stein angehängt habe. Durch Intervention eines Bekannten sei er gegen Verpfändung des Hauses seines Vaters freigelassen worden. 10 Tage nach seiner Freilassung habe er versucht, einen Reisepaß zu bekommen, dort sei ihm jedoch gesagt worden, daß gegen ihn ein Ausreiseverbot bestünde. Bis zu seiner Ausreise habe er Gelegenheitsarbeiten durchgeführt, um die illegale Flucht finanziell zu ermöglichen. Seit seiner Enthaftung aus dem E-Gefängnis sei er für die Saltanat Talab-Bewegung aus Angst vor weiteren Schwierigkeiten nicht mehr tätig gewesen. Schwierigkeiten habe er in der Folge auch bis zu seiner Ausreise nicht mehr gehabt. Er sei jedoch regelmäßig kontrolliert worden. Im Berufungsverfahren legte er ergänzend hiezu eine Bestätigung der Oberstaatsanwaltschaft der Revolution der Islamischen Republik Iran über seine vom 23. Oktober 1991 bis 5. Jänner 1992 dauernde Untersuchungshaft sowie die Freilassung gegen Kaution (ein Wohnhaus und fünf Millionen Rial in bar) sowie eine Bestätigung des gegen ihn ab 5. Jänner 1992 bestehenden Ausreiseverbotes vor.

Die belangte Behörde beurteilte dieses Vorbringen rechtlich im wesentlichen dahingehend, einem Asylwerber könne wohlbegründete Furcht vor Verfolgung allein deswegen noch nicht zugebilligt werden, weil er in seiner Heimat für eine politische, dort verbotene Partei Flugblätter verteilt habe; eine bloß ablehnende Haltung gegenüber dem in seinem Heimatstaat herrschenden innen- und außenpolitischen System bilde ebenfalls keinen Grund, ihn als Flüchtling anzuerkennen. Die Festnahmen seien mit dem Vorwurf einer strafbaren Handlung erfolgt, die erfolgten Freilassungen sprächen jedoch dafür, daß die staatlichen Stellen davon überzeugt gewesen seien, daß zwischen dem Beschwerdeführer und etwaigen oppositionellen Gruppen keine ernstzunehmenden Verbindungen bestünden. Festnahmen, Befragungen und Verhöre allein seien, sofern sie ohne weitere Folgen geblieben seien, regelmäßig noch keine asylrelevante Verfolgung. Es sei auch der erkennenden Behörde nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer aufgrund der ohne weitere Folgen gebliebenen Festnahmen samt Verhören eine asylrelevante Verfolgung im Falle seiner Rückkehr befürchten zu müssen glaube. Auch die im Berufungsverfahren vorgelegten Bestätigungen der angeblichen Oppositionstätigkeit bzw. Inhaftierungen seien zur Glaubhaftmachung seiner Angaben bzw. als Beweis nicht verwertbar, "da der erkennenden Behörde solche Schriftsätze nicht geeignet sind, eine tatsächlich erfolgte asylrelevante Verfolgung nachzuweisen". Im übrigen fehle den genannten Vorfällen auch der zeitliche Zusammenhang zur Ausreise, weshalb sie für die Beurteilung der Frage des Vorliegens einer Verfolgungsgefahr infolge des verstrichenen Zeitraumes nicht mehr herangezogen werden könnten. Furcht vor Verfolgung müsse bis zur Ausreise andauern. Die nach Entlassung des Beschwerdeführers vorgenommenen Hausdurchsuchungen stellten keine Verfolgungshandlungen dar. Auch die Aufgabe seiner Firma aus wirtschaftlichen Gründen könne die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht rechtfertigen, zumal über ihn weder ein Arbeitsverbot verhängt, noch ein legaler Erwerb einer Existenzgrundlage unmöglich gemacht worden sei. Auch dem bestehenden Ausreiseverbot bzw. der durch seine Flucht indizierten Übertretung dieses Verbotes komme die Qualifikation eines Anerkennungsgrundes nicht zu.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Verbindung der Rechtssachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung infolge ihres persönlichen und sachlichen

Zusammenhanges erwogen hat:

Zur Erstbeschwerdeführerin:

Das Bundesasylamt hat die Abweisung des Asylantrages der Erstbeschwerdeführerin damit begründet, sie sei im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 kein Flüchtling und sei überdies im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 vor Einreise in das Bundesgebiet bereits in einem anderen Staat (der Türkei und Slowenien) vor Verfolgung sicher gewesen. In ihrer Berufung wendete sich die Erstbeschwerdeführerin lediglich gegen die auf § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 gestützte Argumentation der Behörde erster Instanz, ging jedoch auf die Frage ihrer Flüchtlingseigenschaft mit keinem Wort ein. Erstmals in der Beschwerde bringt nun die Beschwerdeführerin vor, im Iran herrsche das Prinzip der Sippenhaftung, jede gegen den Ehegatten der Beschwerdeführerin gerichtete Zwangs- oder Verfolgungshandlung richte sich daher auch gegen sie. Im übrigen erschöpfen sich die Ausführungen der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin in Argumentationen, die ausschließlich ihren Ehegatten betreffen. Insoweit die Erstbeschwerdeführerin ihre Beschwerde erstmals auf eigene Fluchtgründe stützt, unterliegt sie mit diesem Beschwerdevorbringen dem Neuerungsverbot des § 41 VwGG, weshalb darauf nicht näher einzugehen war. Im übrigen ist der belangten Behörde darin beizupflichten, daß aus den Behauptungen, die die Erstbeschwerdeführerin zur Dartuung der von ihr behaupteten wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung herangezogen hat, eine solche nicht entnommen werden kann.

Zum Zweitbeschwerdeführer:

Obwohl die von der belangten Behörde hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers herangezogene Argumentation über weite Teile auf den Wesensgehalt seiner Behauptungen nicht ausreichend eingeht, muß auch dieser Beschwerde ein Erfolg versagt bleiben. Quintessenz der Angaben des Zweitbeschwerdeführers ist, daß er aus einer (verpönten monarchistischen) politischen Gesinnung heraus beim Verteilen und Affichieren von Flugblättern betreten wurde und dadurch eine Haft von nicht unerheblicher Dauer unter - grundsätzlich - durchaus asylrelevanten Begleitumständen (Folter) zu erdulden hatte. Die belangte Behörde versagt dem Zweitbeschwerdeführer auch grundsätzlich die Glaubwürdigkeit seiner Angaben nicht, obwohl dies aus ihrer Diktion ("angebliche Festnahmen", "angebliche Oppositionstätigkeit", "lediglich behauptete Mißhandlungen") entnommen werden könnte, sondern legt sie ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde. Obwohl der Verwaltungsgerichtshof auch nicht billigt, daß die belangte Behörde aus dem Zusammenhang gerissene Einzeldetails ihrer rechtlichen Beurteilung zuführt, ohne dabei den Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen, ist ihr darin zuzustimmen, daß ein ausreichender zeitlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung seiner letzten Haft (Jänner 1992) und damit verbunden auch dem Einstellen seiner oppositonellen Tätigkeit für die Saltanat Talab-Bewegung und seiner Ausreise im Juli/August 1993, somit etwa eineinhalb Jahre später, nicht mehr gegeben erscheint. Allein der Umstand, finanzielle Mittel für die Flucht ansparen zu wollen, ändert daran nichts. Da die "regelmäßigen Kontrollen" der Überwachung und nicht der Verfolgung dienten, kann darauf eine bis zur Ausreise konkret vorliegende, begründete Furcht vor Verfolgung nicht erfolgreich gestützt werden.

Inwieweit hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers ein Rück- oder Abschiebungsverbot im Sinne des § 37 Fremdengesetz besteht, ist im Asylverfahren nicht zu prüfen.

Aus den dargelegten Gründen waren beide Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200159.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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