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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AÜG §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte
Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. November 1994, Zl. SD 817/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. November 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer am 23. November 1993 von Organen des Landesarbeitsamtes auf einer Baustelle in Wien 16 beim Ausheben einer Künette betreten worden sei. Der Polier der Baufirma habe ausgesagt, daß ihm der Beschwerdeführer von der Firma D als Leiharbeiter für diverse Grab- und Reinigungsarbeiten überlassen worden sei. Er sei am Vortag vom Chef der Firma D auf die Baustelle gebracht worden; die Anweisungen für die Arbeit sowie die Kontrolle der Arbeit und der Arbeitszeit sei jedoch durch ihn (den Polier) erfolgt. Er habe geglaubt, daß der Arbeiter M heiße, weil ihm falsche Papiere (Befreiungsschein) übergeben worden seien. Der Beschwerdeführer habe bei der Vernehmung zu Protokoll gegeben, er hätte auf der Baustelle nur zwei Tage vertretungsweise gearbeitet, sonst wäre er in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen. Die Erstbehörde sei aufgrund dieses Sachverhaltes zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beschwerdeführer eine Beschäftigung i. S. des Ausländerbeschäftigungsgesetzes angetreten und ausgeübt habe, die er mangels Vorliegens einer Erlaubnis nicht hätte ausüben dürfen. Die Gründe, weshalb er diese Beschäftigung aufgenommen habe, nämlich vertretungsweise für einen Kollegen während dessen Krankheit, sei ebensowenig von Belang wie die Art der Gegenleistung und der Umstand, daß er dabei angeblich auch den Arbeitgeber über seine Identität getäuscht habe. Seine Arbeitsleistung sei unter Anweisung und Kontrolle eines Firmenverantwortlichen erfolgt. Eine rechtskräftige Bestrafung des Arbeitgebers sei nicht Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes. Eine "regelmäßige Schwarzarbeit" sei ebenfalls nicht erforderlich. Angesichts des Stellenwertes einer geordneten Arbeitsmarktverwaltung gefährde der Aufenthalt eines Fremden, der den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG erfüllt habe, die öffentliche Ordnung, weshalb auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 leg. cit. erfüllt seien. (In der weiteren Bescheidbegründung befaßte sich die belangte Behörde mit der Frage der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG; diese Frage wurde bejaht.)
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bekämpft die Rechtsansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG verwirklicht. Tatsächlich sei dieser - worauf bereits in der Berufung hingewiesen worden sei - für einen erkrankten Kollegen "eingesprungen" und habe für kurze Zeit (ein oder zwei Tage) dessen Arbeit vollbracht. Der Beschwerdeführer sei vom Arbeitgeber (des "Kollegen") nicht entlohnt worden, vielmehr sei er vom "Kollegen" (lediglich) zum Essen eingeladen worden. Der Arbeitgeber - der im übrigen dafür nicht rechtskräftig bestraft worden sei - habe gar nicht gewußt, daß der Beschwerdeführer aushilfsweise tätig geworden sei. In der Beschwerde wird dazu bekräftigend vorgebracht, daß der Beschwerdeführer "keinen wie immer gearteten Arbeitsvertrag abgeschlossen und die Beschäftigung nicht in seinem Namen ausgeübt" habe. Es sei keine Entlohnung vereinbart worden, weshalb auch kein Arbeitsverhältnis mit dem Beschwerdeführer begründet worden sei. Eine allfällige Entlohnung für die Tätigkeit des Beschwerdeführers komme "natürlich Herrn Stanojevic" (dem besagten "Kollegen") zugute.
2.1. Als wesentlichen Sachverhalt stellte die belangte Behörde - den Angaben des Poliers der "Baufirma"
(Hofman & Maculan Bau AG) folgend - fest, daß der Beschwerdeführer von der Firma D dem genannten Bauunternehmen als "Leiharbeiter" zur Vornahme verschiedener Arbeiten überlassen worden sei.
2.2. Von daher gesehen war für die rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde, ob der Beschwerdeführer bei einer Beschäftigung betreten wurde, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nicht hätte ausüben dürfen (§ 18 Abs. 2 Z. 8 FrG), die Bestimmung des § 2 Abs. 2 lit. e AuslBG maßgebend, derzufolge als Beschäftigung die Verwendung überlassener Arbeitskräfte i.S. des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) gilt. Gemäß § 3 Abs. 1 AÜG ist die Überlassung von Arbeitskräften die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte. § 3 Abs. 4 AÜG bestimmt, daß Arbeitskräfte Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen sind.
2.3. Auf dem Boden dieser Rechtslage setzt eine Beschäftigung das Vorhandensein einer überlassenen Arbeitskraft, also eines überlassenen Arbeitnehmers oder einer überlassenen arbeitnehmerähnlichen Person, voraus. Unterstellte man die Richtigkeit des vom Beschwerdeführer in seiner Berufung erstatteten einschlägigen Vorbringens (oben II.1.), so wäre diese Voraussetzung hier nicht gegeben gewesen: Weder hätte der Beschwerdeführer als Arbeitnehmer oder als arbeitnehmerähnliche Person qualifiziert werden können, weil er in keinem Arbeitsverhältnis bzw. arbeitnehmerähnlichen Verhältnis (für welche Rechtsbeziehungen die Vereinbarung der Entgeltlichkeit essentiell ist) stand, noch wäre in seinem Fall - aus eben diesem Grund - eine "Überlassung von Arbeitskräften" i.S. des § 3 Abs. 1 iVm Abs. 4 AÜG vorgelegen. Als Folge dessen wäre die Subsumtion der in Rede stehenden Tätigkeit des Beschwerdeführers unter den Begriff der "Beschäftigung" i.S. des § 2 Abs. 2 lit. e AuslBG und damit desweiteren die Annahme der Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG nicht rechtens gewesen.
Daraus ergibt sich, daß das Fehlen einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den den Kern der hier maßgeblichen Rechtsfrage ansprechenden Berufungsausführungen von Relevanz ist, kann doch nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Unterbleiben dieses Versäumnisses (im Wege der allfälligen Verneinung der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG) zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigeren) Ergebnis gelangt wäre.
3. Dieser rechtlichen Beurteilung könnte nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß das Verhalten des Beschwerdeführers (Aufnahme einer Tätigkeit im Namen einer anderen Person und damit unter Täuschung hinsichtlich seiner Identität) ein Fehlverhalten darstellt, welches "direkt", also ohne daß einer der Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG verwirklicht worden wäre, dem § 18 Abs. 1 leg. cit. subsumierbar wäre (zur rechtlichen Möglichkeit, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG zu stützen, vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 94/18/0735, mwN). Denn dazu, daß im Beschwerdefall eine "unmittelbare" Gebrauchnahme von § 18 Abs. 1 FrG (ohne "Dazwischentreten" eines Tatbestandes des § 18 Abs. 2 leg. cit.) zulässig wäre, hätte es einer nachvollziehbaren Begründung seitens der belangten Behörde dafür bedurft, weshalb das bezeichnete Fehlverhalten des Beschwerdeführers in seiner Gesamtheit, ungeachtet der Erstmaligkeit und auch ungeachtet dessen, daß er sich auf diese Weise offensichtlich keine (fremdenrechtlich bedeutsamen) Berechtigungen verschaffen wollte (und konnte), die Annahme rechtfertige, daß sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung in einer die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gebietenden Art gefährde.
4. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde ihre Entscheidung mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastete, war der angefochtene Bescheid - ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995180058.X00Im RIS seit
20.11.2000