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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Versagung der Verlustveranlagung aufgrund der Hinzurechnung einer deutschen Witwenpension zu anderen in Österreich erzielten Einkünften und der Saldierung dieses Gesamteinkommens mit dem in Österreich entstandenen Verlust; verfassungskonforme Gesetzesauslegung im Wege einer teleologischen Beschränkung der Geltung des §41 Abs2 Z1 EStG 1988; keine Geltung dieser Bestimmung für von einem fremden Staat besteuerte Einkünfte im Falle des Verlusts der VeranlagungsmöglichkeitSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die 1989 verwitwete Beschwerdeführerin hat 1990 Arbeitslosengeld, eine Pension von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten und eine Firmenpension bezogen und Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 540 S einbekannt. Aus einer im September 1990 wieder aufgenommenen Tätigkeit als Physikotherapeutin entstand für dieses Jahr ein Verlust in Höhe von 32.029 S. Da sie aber außerdem eine Witwenpension in Höhe von 33.257 S aus Deutschland bezogen hat, verweigert der im Instanzenzug ergangene Bescheid der Finanzlandesdirektion die beantragte Verlustveranlagung: Nach §41 EStG 1988 sei die Veranlagung nur durchzuführen, wenn entweder im Einkommen neben den lohnsteuerpflichtigen Einkünften andere Einkünfte von insgesamt mehr als 10.000 S enthalten sind (Abs1) oder - auf Verlangen -, wenn die Summe der anderen Einkünfte einen Verlust ergebe (Abs2 Z1); die Summe der anderen Einkünfte betrage aber 1.768 S.
Die Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz. Wenn ausländisches Einkommen (gegebenenfalls) für die Berechnung der Progression berücksichtigt werde, müsse auch die Möglichkeit bestehen, "die deutsche Witwenpension mit österreichischen Verlusten auszugleichen".
In der Gegenschrift der belangten Behörde wird ausgeführt, es sei gleichgültig, ob die "anderen Einkünfte", die in Summe einen positiven Saldo von nicht mehr als 10.000 S ergeben, ausschließlich aus dem Inland, sowohl aus dem In- wie auch aus dem Ausland oder ausschließlich aus dem Ausland stammen. Eine unterschiedliche Behandlung gleichartiger Einkünfte würde dem Grundsatz der unbeschränkten Steuerpflicht für alle in- und ausländischen Einkünfte widersprechen. Der Verlust der Veranlagungsmöglichkeit führe nicht zur Nichtberücksichtigung eines steuerlichen Verlustes aus einer Einkunftsquelle, sondern zum Unterbleiben der Besteuerung von nicht dem Steuerabzug unterliegenden Einkünften bis zum Höchstbetrag von 10.000 S. Auch eine Mehrfachbesteuerung der Witwenpension stelle nur ein Problem der zwischenstaatlichen Vereinbarung dar und könne das Ziel einer "gerechten Besteuerung" verfehlen, bedeute aber keine gleichheitswidrige inländische Besteuerung.
Sei es nicht unsachlich, wenn es nur zufolge von Auslandsbeziehungen zu einer Veranlagung mit Steuervorschreibung komme (VfSlg. 5482/1967), so könne es auch nicht verfassungswidrig sein, "wenn es auf Grund des Progressionsvorbehaltes zu keiner Veranlagung kommt". Die Veranlagungsgrenze des §93 Abs1 litb EStG 1953 (von damals 3.600 S bzw. 5.000 S) habe der Gerichtshof nicht als unsachlich angesehen; gegenwärtig seien auch 10000 S ein geringfügiger Betrag. Die belangte Behörde sei ohnehin so vorgegangen, wie die Beschwerdeführerin fordere: Sie habe bei der Frage, ob eine Veranlagung durchzuführen sei, die ausländischen Einkünfte mit den österreichischen Verlusten ausgeglichen. Wie sich die Beschwerdeführerin eine andere verfassungskonforme Auslegung vorstelle, sei nicht erkennbar.
II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
1. Nach §41 EStG 1988 wird der Steuerpflichtige, in dessen Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind, nur veranlagt, wenn die anderen Einkünfte mehr als 10.000 S betragen (Abs1). Übersteigen die anderen Einkünfte insgesamt nicht den Betrag von 10.000 S, kann die Durchführung einer Veranlagung unter anderem beantragt werden, wenn die Summe der anderen Einkünfte einen Verlust ergibt (Verlustveranlagung; Abs2 Z1).
Im angefochtenen Bescheid wird die deutsche Witwenpension zu den anderen Einkünften gezählt und mit dem in Österreich entstandenen Verlust saldiert. Der belangten Behörde ist allerdings darin beizupflichten, daß der in der Beschwerde gewünschte Ausgleich der deutschen Witwenpension mit den österreichischen Verlusten damit ohnedies bewirkt wurde. Der Verfassungsgerichtshof versteht das Anliegen der Beschwerdeführerin ungeachtet des insofern mißglückten Vorbringens der Beschwerde aber dahin, daß es ihr schlechthin um einen wirksamen Verlustausgleich geht. Bedeutet doch die Vorgangsweise der Behörde, daß der Verlust aus selbständiger Tätigkeit insgesamt unberücksichtigt bleibt, obwohl lohnversteuertes Einkommen in Österreich vorliegt und die deutsche Witwenpension unter Progressionsvorbehalt Deutschland zur Besteuerung überlassen wird (Art10 iVm 15 Abs3 des deutsch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommens, BGBl. 221/1955). Der bloße Umstand, daß die Beschwerdeführerin eine ausländische Pension bezieht, deren Besteuerung dem fremden Staat überlassen ist, führt infolge der Saldierung zum Verlust der Veranlagungsmöglichkeit, sodaß der Verlust keine steuerliche Auswirkung hat. Ohne die in Österreich gar nicht besteuerte Witwenpension müßte der Verlust die in Österreich anfallende Steuerbelastung verringern. So aber wird das gesamte Einkommen der Beschwerdeführerin ohne Berücksichtigung des Verlustes besteuert.
Für dieses Ergebnis läßt sich ein sachlicher Grund nicht finden. Es ist auch nicht die Folge einer durch das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung etwa nicht erfaßten Belastung durch die Besteuerung von ausländischen Einkünften durch den fremden Staat. Diesen Effekt ergibt - wie im folgenden zu zeigen ist - nur eine schematische Anwendung des Gesetzes auf Einkünfte, für die es nicht gedacht ist.
2. Daß nach §41 Abs2 Z1 EStG 1988 die Veranlagung nur stattzufinden hat, wenn die Saldierung der anderen Einkünfte überhaupt einen Verlust ergibt, rechtfertigt sich nämlich durch die einfache Überlegung, daß eine (Verlust-)Veranlagung nur Sinn hat, wenn die zusätzlich in Betracht zu ziehenden Einkünfte überhaupt einen Verlust ergeben. Auf diesen Vorrang der einfachen Saldierung vor der Veranlagung beruht auch die Geringfügigkeitsschwelle des §41 Abs1 EStG 1988. Unter den in beiden Bestimmungen genannten "anderen" Einkünften sind die nach dem Gesetz nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte zu verstehen. Der Sache nach handelt es sich notwendig um nicht lohnversteuerte und daher überhaupt nicht versteuerte Einkünfte. Ob dem Ausland zur Besteuerung überlassene Einkünfte unter diesen Begriff fallen, ist nach Sinn und Zweck der Regelung zweifelhaft und bedarf daher genauerer Überprüfung. Dabei ist zu beachten, daß die Heranziehung solch "anderer Einkünfte" in verschiedenen Zusammenhängen verschiedene Bedeutung haben kann.
Der Verfassungsgerichtshof hat es in VfSlg. 5482/1967 wohl für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten, daß aufgrund der Vorgängerbestimmung des §93 Abs1 litb EStG 1953 eine (unter der Freigrenze gebliebene) deutsche Rente zum Anlaß einer Veranlagung in Österreich genommen wurde, aufgrund derer dann eine höhere Progression für das (gleichfalls unter der Besteuerungsgrenze gebliebene) inländische Einkommen errechnet wurde. Diese Vorgangsweise liegt auch im Sinn des Gesetzes. Aus ihr läßt sich indes noch nicht ableiten, daß auch ein Verständnis des §41 Abs2 Z1 EStG 1988 verfassungsrechtlich unbedenklich wäre, das eine deutsche Pension auch mit einem inländischen Verlust saldieren ließe. Ebensowenig läßt sich aus dem Umstand etwas gewinnen, daß der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis 85/14/0001 vom 21. Mai 1985 die Berücksichtigung der neben inländischen lohnversteuerten Einkünften vorhandenen Verluste zwecks Herabsetzung der inländischen Steuerbelastung verlangt hat (negativer Progressionsvorbehalt) und im Erkenntnis 89/14/0302 vom 23. Oktober 1990 die aus einem verlorenen arbeitsgerichtlichen Prozeß erwachsenen Werbungskosten mangels Auszahlung von Arbeitslohn von einem Arbeitgeber als "andere Einkünfte" im Sinne des §41 EStG 1972 behandelt wissen wollte und zum Vergleich auf die ausländischen Einkünfte der Grenzgänger verwiesen hat, die als "andere Einkünfte" gemeinsam mit den steuerabzugspflichtigen Einkünften im Veranlagungsweg erfaßt würden. Auch in diesen Fällen entspricht die Subsumtion der ausländischen Einkünfte dem Sinn des Gesetzes.
Schließlich kann hier auch dahingestellt bleiben, ob Einkünfte, deren Besteuerung einem anderen Staat überlassen wurde, im Hinblick auf den Progressionsvorbehalt schon bei Beantwortung der Frage heranzuziehen sind, ob die Veranlagungsschwelle des §41 Abs1 überschritten ist. Mit Sinn und Zweck des §41 Abs2 Z1 EStG 1988 ist es jedenfalls unvereinbar, dem Ausland zur Besteuerung überlassene Einkünfte schon bei Prüfung der Voraussetzungen einer Verlustveranlagung zur Saldierung mit inländischen Verlusten zu verwenden, denn damit würde ein ganz anderes Ergebnis erreicht als bei ordnungsgemäßer Berechnung der Steuer vom "Gesamtbetrag der Einkünfte nach Ausgleich mit Verlusten" (§2 Abs2 EStG 1988).
Eine solche Vorgangsweise mag allenfalls zu rechtfertigen sein, wenn Österreich die Besteuerung dieser ausländischen Einkünfte ohne Rücksicht auf die Besteuerung in anderen Staaten auch für sich beanspruchen darf. In Fällen - wie dem vorliegenden - aber, in dem die Besteuerung dem fremden Staat überlassen bleibt, würde sie eine unsachliche Benachteiligung jener Steuerpflichtigen darstellen, die neben solchen (in- und ausländischen) Einkünften einen aus inländischer Tätigkeit entstandenen Verlust zu berücksichtigen haben.
In verfassungskonformer Auslegung ist §41 Abs2 Z1 EStG 1988 daher teleologisch dahin zu reduzieren, daß er für Einkünfte, die der Besteuerung durch einen fremden Staat überlassen sind, insoweit nicht gilt, als dies zum Verlust der Veranlagungsmöglichkeit führen würde, sodaß solche Einkünfte erst für die Bemessung der Progression heranzuziehen sind.
Die Versagung der Verlustveranlagung verletzt die Beschwerdeführerin daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.
Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Auslegung teleologische, Einkommensteuer, Veranlagung (Einkommensteuer), Doppelbesteuerung, VerlustabzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B101.1993Dokumentnummer
JFT_10068786_93B00101_00