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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander hinsichtlich der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzstatuts betreffend eine Familie aus Georgien im fortgesetzten Verfahren; erneut mangelhafte Auseinandersetzung mit der gesundheitlichen Situation der kranken minderjährigen Tochter, den medizinischen Versorgungsmöglichkeiten und dem AkteninhaltRechtssatz
In der im Akt einliegenden ärztlichen Bestätigung des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien wird ausgeführt, dass bei einem schweren Rückfall mit anderen Organbeteiligungen oder schlechtem Ansprechen auf die Plasmatherapie, was jederzeit passieren könne, die Gabe von zusätzlichen Medikamenten, nämlich Eculizumab oder Ravulizumab, notwendig sei. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) unterlässt jedoch jegliche Auseinandersetzung mit dieser Bestätigung in seinem Erkenntnis und nimmt darauf weder in seinen Feststellungen noch in der Beweiswürdigung Bezug.
Soweit das BVwG gestützt auf eine - in der Entscheidung nicht abgedruckte - Auskunft des Verbindungsbeamten des Bundesministeriums für Inneres davon ausgeht, dass hinsichtlich der nicht erhältlichen Medikamente bzw Wirkstoffe auf Grund eines Erlasses des (georgischen) Gesundheitsministeriums eine Einfuhr nach Georgien möglich wäre, unterlässt es eine Auseinandersetzung damit, ob dies aktuell auch für das von der Viertbeschwerdeführerin benötigte Medikament im Falle eines Wiederaufflackerns ihrer Krankheit zutrifft.
Bereits vor dem Hintergrund dieses Akteninhaltes und der vom BVwG selbst getroffenen Feststellungen, ist es für den VfGH nicht nachvollziehbar, wie das BVwG zu dem Ergebnis kommt, dass "im Lichte der Berichtslage kein Hinweis [besteht], dass die BF4 vom Zugang zu medizinischer Versorgung in Georgien ausgeschlossen wäre und [...] auch keine Hinweise [bestehen], dass die seitens der BF beschriebenen und diagnostizierten Krankheiten nicht behandelbar wären."
Zudem fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den von den Beschwerdeführern vorgelegten Schreiben des georgischen Gesundheitsministeriums und der Regulierungsbehörde für medizinische und pharmazeutische Tätigkeiten, aus denen ua hervorgeht, dass die "aktuellen staatlichen Gesundheitsprogramme [...] derzeit keine geplanten therapeutischen Dienstleistungen und medizinischen Therapien für Patienten mit 'atypischen hämolytisch-urämischem Syndrom' vor[sehen]." Im Lichte des vorliegenden Falles vermag die pauschale Würdigung dieses Vorbringens dahingehend, dass "Angaben [der Beschwerdeführer] zu einer Unmöglichkeit der Behandlung in Georgien vor dem Hintergrund der medizinischen Unterlagen aus Georgien, sowie den Länderfeststellungen und Anfragenbeantwortungen als unglaubwürdig zu beurteilen" seien, nicht auszureichen. Eine Auseinandersetzung mit dem - ebenso im Akt einliegenden - Schreiben des M. Iashvili Children's Hospital in Tiflis, wonach dieses Krankenhaus - entgegen den Feststellungen des BVwG - keinen Plasmaapparat besitzt, fehlt überhaupt gänzlich (vgl auch VfSlg 20371/2020 zur notwendige Auseinandersetzung mit der gesundheitlichen Situation).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht / Vulnerabilität, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E406.2022Zuletzt aktualisiert am
02.12.2022