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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 12. Dezember 1994, Zl. IIc/6702 B AIS 17030 SCHE, betreffend Nichterteilung einer Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 13. Oktober 1994 als Arbeitgeber eines Unternehmens mit der Bezeichnung "Betriebsberatung" beim Arbeitsamt für Angestellte die Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) zur Anwerbung der polnischen Staatsangehörigen T B für die berufliche Tätigkeit als "Sachbearbeiterin" (als spezielles Bildungserfordernis wurde im Antragsformular "lt. Ausschreibung beim Arbeitsamt" angegeben).
In einem an das Arbeitsamt für Angestellte am 2. August 1994 erteilten Vermittlungsauftrag hatte der Beschwerdeführer für den/die gesuchten/gesuchte Sachbearbeiter/in folgendes Anforderungsprofil genannt:
spezielle Sprachkenntnisse (russisch, polnisch und ungarisch in Wort und Schrift) und EDV-Kenntnisse.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 1994 lehnte das Arbeitsamt den Antrag des Beschwerdeführers auf "Ausstellung/Verlängerung einer Sicherungsbescheinigung" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 i.V.m.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Er brachte darin unter Verweis auf "Punkt 2c Ihrer Begründung" vor, daß Frau J K (ABB-Nr. nn1) am 31. Juli 1994 ihr Dienstverhältnis mit seiner Betriebsberatung beendet habe. Er sei daher gezwungen, für die Genannte umgehend Ersatz zu suchen. Die einzige Bewerberin, die auch die geforderten Sprachkenntnisse aufweisen habe können, sei T B gewesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen (dem Beschwerdeführer am 19. Dezember 1994 zugestellten) Bescheid vom 12. Dezember 1994 gab die belangte Behörde der Berufung "gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, i.V.m. § 11 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG in der derzeit geltenden Fassung keine Folge" und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Zur Begründung wurde (nach Darlegung der Rechtslage) im wesentlichen ausgeführt, die für das Kalenderjahr 1994 durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales (BGBl. Nr. 794/1993) für das Bundesland Wien mit 91.000 festgesetzte Landeshöchstzahl sei laut der offiziellen Statistik schon seiT Beginn 1994 überschritten. Die Voraussetzugen des § 4 Abs. 1 AuslBG "könnten ha. als gegeben erachtet werden". Die vorerwähnte Überschreitung der Landeshöchstzahl lasse jedoch eine Bewilligung der begehrten Sicherungsbescheinigung nur im Falle des Vorliegens eines Tatbestandes im Sinn des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d bzw. Z. 3 AuslBG zu. Ein vorgebrachter dringender Arbeitskräftebedarf stelle allerdings nur ein nicht ausreichendes einzelbetriebliches Interesse dar. Gründe, die einem Tatbestand im Sinn des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d bzw. Z. 3 AuslBG zu unterstellen seien, hätten im "Ermittlungsverfahren" nicht festgestellt werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Beabsichtigt ein Arbeitgeber, Ausländer für eine Beschäftigung im Bundesgebiet im Ausland anzuwerben, so ist ihm gemäß § 11 Abs. 1 AuslBG auf Antrag eine Sicherungsbescheinigung auszustellen. Sie hat zu enthalten, für welche Ausländer oder welche Anzahl von Ausländern bei Vorliegen der Voraussetzungen die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen in Aussicht gestellt wird.
Gemäß § 11 Abs. 2 AuslBG darf die Sicherungsbescheinigung nur ausgestellt werden, wenn
1. die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1, 2 oder 6 und Abs. 3 Z. 1, 4, 6, 8 und 12 gegeben sind und
2. aufgrund der Angaben des Antragstellers angenommen werden kann, daß für den Ausländer eine ortsübliche Unterkunft im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 5 zur Verfügung stehen wird.
Die belangte Behörde hat die Ablehnung der beantragten Sicherungsbescheinigung im Spruch auf das Nichtvorliegen der Voraussetzung des § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt, aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich jedoch ausdrücklich, daß die belangte Behörde die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG "als gegeben erachtet", sodaß für die Ablehnung demnach ausschließlich das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 AuslBG maßgebend war. Diese Bestimmung hat in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 folgenden Wortlaut:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahl (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Regionalbeirat einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 gegeben sind."
Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht auf Erteilung einer Sicherungsbescheinigung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes macht er unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die belangte Behörde habe kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und ihren Bescheid derart mangelhafT Begründet, daß dem Verwaltungsgerichtshof die nachprüfende Kontrolle des Bescheides nicht möglich sei. Mit Feststellungen zur Frage des dringend benötigten Ersatzes für eine ausscheidende Arbeitskraft habe sich die belangte Behörde überhaupt nichT Beschäftigt. Der angefochtene Bescheid vermittle den Eindruck, daß das in der Berufung über den für die ausgeschiedene Mitarbeiterin benötigten Ersatz erstattete Vorbringen nicht gelesen worden sei. Die belangte Behörde habe nämlich bloß auf "volkswirtschaftliche Interessen" abgestellt.
Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.
Der Beschwerdeführer haT Bereits im Verwaltungsverfahren und erneut in seiner Beschwerde darauf hingewiesen, daß er die anzuwerbende ausländische Arbeitskraft als dringenden Ersatz für die Besetzung eines per 31. Juli 1994 durch das Ausscheiden von Frau J K (ABB-Nr. nn1) frei gewordenen Arbeitsplatzes benötige. Damit hat der Beschwerdeführer ein Vorbringen in Richtung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG erstattet.
Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde jedoch nicht auseinandergesetzt. Die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen über einen "vorgebrachten dringenden Arbeitskräftebedarf" stellen jedenfalls keine Auseinandersetzung mit diesem Berufungsvorbringen dar, weil sich der Beschwerdeführer nicht auf einen Arbeitskräftebedarf hinsichtlich eines erst zu schaffenden (bislang noch nicht existent gewesenen) Arbeitsplatzes berufen, sondern Ersatzbedarf aufgrund eines frei gewordenen (bislang besetzt gewesenen) Arbeitsplatzes angemeldet hat. "Ersatz" bedeutet ganz allgemein eine Person, die anstelle einer nicht mehr vorhandenen oder nicht mehr geeigneten Person eingesetzt werden soll. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Bezeichnung eines Arbeitsplatzes allein nicht für die Beurteilung ausreichend, ob eine beantragte Ersatzkraft in einem Bereich eingesetzt werden soll, welchen die ausgeschiedene Arbeitskraft abgedeckt hat (vgl. hiezu für viele beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1995, Zl. 93/09/0456). Eine Beurteilung dahin, ob der vom Beschwerdeführer behauptete Bedarf nach einer Ersatzkraft (und damit der besonders wichtige Grund des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG) in tatsächlicher Hinsicht vorliegt, ist ohne Erforschung und Feststellung der tatsächlich gegebenen Umstände ausgeschlossen und unzulässig (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. März 1994, Zl. 93/09/0187).
Die dazu im angefochtenen Bescheid enthaltene Darstellung, "im Ermittlungsverfahren konnten keine Gründe festgestellt werden die ... zu subsumieren war", ist nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des darin dokumentierten Verwaltungsgeschehens nicht gedeckt und demnach unschlüssig. Ob bzw. welches "Ermittlungsverfahren" die belangte Behörde hinsichtlich des in Rede stehenden Berufungsvorbringens durchgeführt hat, ist nicht zu erkennen; noch viel weniger sind den vorgelegten Verwaltungsakten aber die behaupteten negativen Ermittlungsergebnisse zu entnehmen.
Die belangte Behörde hätte im Beschwerdefall davon auszugehen gehabt, daß der Beschwerdeführer ein ausreichend konkretes und rechtlich erhebliches Berufungsvorbringen erstattet hat, das geeignet war, ihre Ermittlungspflicht auszulösen. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage wäre die belangte Behörde demnach gehalten gewesen, von Amts wegen zielführende Ermittlungen über das Berufungsvorbringen anzustellen und danach - unter Wahrung des Parteiengehörs - den maßgebenden Sachverhalt festzustellen. Der Vollständigkeit halber sei zudem klargestellt, daß auch die Partei eine Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes insbesondere dann trifft, wenn der amtswegigen behördlichen Erhebung im Hinblick auf die nach den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. März 1995, Zl. 94/09/0328). Daß die belangte Behörde im Beschwerdefall an derartige Grenzen gestoßen wäre, oder der Beschwerdeführer es an einer ihm von der belangten Behörde abverlangten und erforderlich gewesenen Mitwirkung habe fehlen lassen, vermag der Verwaltungsgerichtshof weder dem angefochtenen Bescheid noch den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen. Dem in der Gegenschrift erstmals gebrauchten Argument, daß die beantragte ausländische Arbeitskraft "offensichtlich nur als TeilzeitkrafT Beschäftigt werden soll", ist zu erwidern, daß allein eine Verkürzung der vorgesehenen Arbeitszeit - sofern dieser bislang eine behördliche Mutmaßung darstellende Umstand in dem noch durchzuführenden Ermittlungsverfahren erwiesen werden sollte - an der Identität des Arbeitsplatzes nichts zu ändern vermag (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis, Zl. 93/09/0187). Zudem ist festzuhalten, daß im angefochtenen Bescheid fehlende und lediglich in der Gegenschrift nachgeholte Darlegungen Begründungsmängel nicht zu beheben vermögen.
Da somit ausreichende, auf einem Ermittlungsverfahren beruhende Tatsachenfeststellungen im aufgezeigten Sinn fehlen, ist der Verwaltungsgerichtshof dadurch an der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gehindert. Die belangte Behörde hat dabei Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid gelangen hätte können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995090030.X00Im RIS seit
20.11.2000