TE Vwgh Beschluss 2022/10/21 Ra 2022/18/0195

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Veröffentlicht am 21.10.2022
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19103010
E6J
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
EURallg
32011L0095 Status-RL Art17 Abs1 litb
62017CJ0369 Ahmed VORAB
  1. AsylG 2005 § 8 heute
  2. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. AsylG 2005 § 8 gültig ab 01.11.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  5. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  6. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  7. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2006 bis 31.12.2009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A A, vertreten durch Mag. Oliver Schmidl, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 19, als bestellter Verfahrenshelfer, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2022, L510 2243264-1/23E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Am 7. Oktober 2015 stellten der damals minderjährige Revisionswerber (vertreten durch seine Mutter), diese selbst und mehrere Brüder des Revisionswerbers, allesamt Staatsangehörige des Irak, Anträge auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 9. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers (wie auch jene seiner Mutter und seiner Brüder) hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber (wie auch seinen Brüdern) im Familienverfahren - abgeleitet von seiner Mutter - den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm (wie den Brüdern) eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 9. Mai 2019, die zuletzt vom BFA bis zum 9. Mai 2021 verlängert wurde.

2        Das Landesgericht Wels verurteilte den Revisionswerber am 4. Juli 2019 wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall, § 127 und § 129 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB als Jugendstraftat (§ 5 Z 4 JGG) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, die es unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

3        Mit Urteil des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 20. August 2019 wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB als Jugendstraftat (§ 5 Z 4 JGG) rechtskräftig verurteilt, unter Bedachtnahme auf die vorangegangene Verurteilung wurde von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen.

4        Das Landesgericht Wels verurteilte den Revisionswerber am 7. Dezember 2020 wegen des Verbrechens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 und § 84 Abs. 4 StGB - unter Anwendung des § 19 JGG - rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das BVwG - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des BFA vom 19. April 2021 - dem Revisionswerber unter anderem den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 ab und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

6        Das BVwG stützte die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wie schon das BFA auf § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 und stellte zur letzten strafgerichtlichen Verurteilung fest, der Revisionswerber habe gemeinsam mit seinem Bruder im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter einen anderen am Körper verletzt und dadurch eine an sich schwere Verletzung herbeigeführt. Der Revisionswerber und sein Bruder hätten ihrem Opfer zahlreiche Faustschläge und auch Tritte ins Gesicht versetzt, wodurch dieses einen Augenhöhlenbodenbruch links mit Blutung im Bereich der Augenhöhle und der Kieferhöhle, ein Monokelhämatom mit Bindehautblutung im Bereich des linken Augapfels, eine Wunde im Bereich des linken Auges und multiple Prellmarken im Stirn- und Hinterkopfbereich erlitten habe. Der Revisionswerber habe dadurch das Delikt der schweren Körperverletzung verwirklicht, wobei es sich um ein Verbrechen gemäß § 17 StGB handle. Zwar sei der Revisionswerber zu einer Freiheitsstrafe von „nur“ einem Jahr verurteilt worden, unter 21 Jahre alt gewesen und seine geständige Verantwortung mildernd berücksichtigt worden. Als erschwerend sei jedoch eine einschlägige frühere Verurteilung herangezogen worden; zudem habe der Revisionswerber die Tat innerhalb offener Probezeit begangen. Das BVwG hielt außerdem fest, der Revisionswerber habe sich zum Zeitpunkt der Tatbegehung rechtmäßig in Österreich aufgehalten sowie Grundversorgung bezogen und es sei ihm möglich gewesen, die Schule zu besuchen. Er sei jedoch bereits nach etwas mehr als drei Jahren seines Aufenthalts in Österreich straffällig geworden, wobei er seine strafbaren Handlungen von Verurteilung zu Verurteilung gesteigert habe; zuletzt habe der Revisionswerber sein Opfer brutal misshandelt, ihm am Boden liegend noch Tritte ins Gesicht versetzt und es dann einfach liegen gelassen. Der Revisionswerber habe zwar vor dem BVwG Reue für seine Taten gezeigt, jedoch sei er erst vor weniger als einem Jahr aus der Haft entlassen worden und zuletzt wegen aggressiven Handelns gegen einen Polizeibeamten angezeigt worden, weshalb nicht von einem maßgeblichen Gesinnungswandel seit der Haft auszugehen sei. Insgesamt handle es sich bei der vom Revisionswerber begangenen schweren Körperverletzung, insbesondere aufgrund der brutalen Tatbegehung, um eine besonders verwerfliche Tat, was die Aberkennung des Status des Revisionswerbers als subsidiär Schutzberechtigter rechtfertige.

7        Zur Rückkehrentscheidung nahm das BVwG eine näher begründete Abwägung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK bzw. § 9 Abs. 1 BFA-VG vor. Dabei berücksichtigte es die Aufenthaltsdauer, den Schulbesuch in Österreich, die Deutschkenntnisse sowie die Anstellungen während einzelner Zeiträume und den vormals regelmäßigen Kirchenbesuch des Revisionswerbers sowie die Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin, mit der er jedoch nicht zusammengelebt habe. Der Revisionswerber habe nur gelegentlich Kontakt zu seiner in Österreich aufhältigen Mutter, er stünde jedoch in Kontakt zu einem seiner in Österreich lebenden Brüder und lebe mit zwei weiteren Brüdern im gemeinsamen Haushalt, allerdings liege kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis vor. Darüber hinaus berücksichtigte das BVwG die Bindungen des Revisionswerbers an seinen Herkunftsstaat, wo er seine ersten Lebensjahre verbracht und sechs Jahre die Volksschule sowie die Hauptschule besucht habe. Insgesamt ging das BVwG insbesondere aufgrund der wiederholten strafrechtlichen Verurteilungen und des auch nach der Haft gezeigten aggressiven Verhaltens gegenüber einem Polizisten von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Außerlandesbringung des Revisionswerbers gegenüber seinen privaten Interessen am Verbleib in Österreich aus.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 16. Juni 2022, E 1267/2022-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

8        Die vorliegende außerordentliche Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, das BVwG habe diverse Beweisergebnisse unberücksichtigt gelassen, aus denen sich etwa ergebe, dass der Revisionswerber ein gutes Betreuungsverhältnis zur Bewährungshilfe habe, professionelle Hilfe in Anspruch nehme, sich im Gefängnis wohlverhalten sowie an Männerberatung und einem Anti-Gewalt-Training teilgenommen habe und bemüht sei, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Der Hintergrund der strafbaren Handlungen seien die traumatischen Kriegserfahrungen des Revisionswerbers als Kind und der Druck, in Österreich für seinen jüngeren Bruder sorgen zu müssen, gewesen. Das BVwG hätte diese Umstände in die Beurteilung der Schwere der strafbaren Handlungen und des Gesinnungswandels nach der Haft einbeziehen müssen. Zudem habe es nicht erörtert, mit welchen Einschränkungen der Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 anzuwenden sei, wenn eine Straftat eines jungen Erwachsenen vorliege; dazu fehle es auch an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Was die Rückkehrentscheidung betreffe, habe das BVwG ebenso Beweisergebnisse außer Acht gelassen, insbesondere indem es das Familienleben des Revisionswerbers zu seinem jüngeren, noch minderjährigen Bruder, um welchen sich der Revisionswerber gekümmert habe und mit welchem er nunmehr wieder im selben Haushalt lebe, unberücksichtigt gelassen habe.

9        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Aberkennung des subsidiären Schutzes nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 nicht allein darauf gestützt werden, dass der Revisionswerber wegen eines Verbrechens im Sinne des § 17 StGB (hier: schwere Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 und § 84 Abs. 4 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/18/0295, vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 13. September 2018, Ahmed, C-369/17, näher erläutert hat, ist bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 jedenfalls auch eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ob eine „schwere Straftat“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung sind auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. VwGH 14.12.2021, Ra 2020/19/0067, mwN).

14       Der Verwaltungsgerichtshof hat auch betont, dass der Zweck dieses Ausschlussgrundes darin besteht, jene Personen, die als des subsidiären Schutzes unwürdig anzusehen sind, von diesem Status auszuschließen (vgl. erneut VwGH 14.12.2021, Ra 2020/19/0067, mwN).

15       Zunächst ist festzuhalten, dass sich das BVwG umfassend mit dem Tathergang und dem Verhalten nach der Tat, dem Ausmaß der durch die Tat verursachten Verletzungen sowie der verhängten Strafe und den dabei berücksichtigten Milderungs- und Erschwerungsgründen auseinandersetzte. Ebenso berücksichtigte es die Umstände des Aufenthalts des Revisionswerbers wie seine Entwicklungsmöglichkeiten - trotz derer er straffällig geworden sei - und dass er sein strafbares Verhalten sukzessive gesteigert habe. Darüber hinaus führte das BVwG ergänzend aus, dass - auch wenn der Revisionswerber nunmehr Reue für seine Taten gezeigt habe - noch kein maßgebliches Wohlverhalten in Freiheit nach seinem Gefängnisaufenthalt vorliege, zumal er zuletzt erneut aggressives Verhalten gegenüber der Polizei gezeigt habe, weshalb er angezeigt worden sei.

16       Die Revision, die auf diese Erwägungen nicht näher eingeht und insbesondere auch das noch in jüngster Zeit gezeigte aggressive Verhalten gegenüber Polizeibeamten völlig ausblendet, vermag nicht darzulegen, dass das BVwG zu Unrecht von einer „schweren Straftat“ des Revisionswerbers ausgegangen ist, die eine Aberkennung seines subsidiären Schutzstatus rechtfertigte. Klarstellend ist lediglich anzumerken, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 auf die Prognose, ob weiterhin eine vom Fremden ausgehende Gefahr vorliegt, nicht ankommt (vgl. VwGH 31.1.2022, Ra 2021/14/0345, mwN).

17       Entgegen dem Revisionsvorbringen nahm das BVwG bei seiner Beurteilung auch darauf bedacht, dass fallbezogen eine Straftat eines jungen Erwachsenen vorlag. Dass dadurch die Schwere der Tat fallbezogen maßgeblich relativiert wäre, vermag die Revision aber nicht darzutun.

18       Zur Rückkehrentscheidung ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 3.2.2022, Ra 2021/18/0353, mwN).

19       Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des EGMR jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen.

20       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur eine Trennung von Familienangehörigen, mit denen ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland nicht zumutbar ist, im Ergebnis nur dann für gerechtfertigt erachtet, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie dies insbesondere bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug der Fall ist (vgl. zu alldem VwGH 19.10.2021, Ra 2021/18/0259 bis 0260, mwN).

21       Die Revision bringt vor, das BVwG habe die Beziehung des Revisionswerbers zu seinem minderjährigen Bruder nicht ausreichend im Rahmen der Rückkehrentscheidung berücksichtigt, und verweist auf näher dargestellte Beweisergebnisse, aus denen sich das Naheverhältnis ergebe. Dabei lässt die Revision außer Acht, dass sich das BVwG im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zunächst wesentlich mit den familiären Bindungen des Revisionswerbers in Österreich auseinandersetzte. Insbesondere ist festzuhalten, dass das BVwG nicht verkannte, dass der Revisionswerber mit seinem minderjährigen Bruder im gemeinsamen Haushalt lebe und ihn nach Möglichkeit unterstützt habe, allerdings würden keine weitergehenden wechselseitigen Abhängigkeiten vorliegen. Dabei stützte sich das BVwG auf Aussagen des Revisionswerbers, wonach er finanzielle Unterstützungsleistungen für seinen Bruder nur vor seiner Haft geleistet habe, und wies darauf hin, dass der Revisionswerber zuletzt mehr als ein halbes Jahr in Haft verbracht habe. In dieser Zeit habe der minderjährige Bruder bei seiner Mutter gewohnt; erst nach der Haftentlassung sei erneut ein gemeinsamer Haushalt des Revisionswerbers mit dem minderjährigen Bruder begründet worden. Die Revision lässt zudem unberücksichtigt, dass das BVwG bei seiner Interessenabwägung insbesondere die wiederholte Straffälligkeit des Revisionswerbers in Österreich sowie sein erst etwa ein Monat vor dem Entscheidungszeitpunkt gesetztes aggressives Verhalten gegenüber einem Polizeibeamten, welches zu einer verwaltungsstrafrechtlichen Anzeige geführt habe, miteinbezog. Davon ausgehend legte das BVwG vertretbar dar, dass den näher dargestellten persönlichen Interessen des Revisionswerbers an einer Fortsetzung des Privat- und Familienlebens in Österreich nicht nur das öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften, sondern auch jenes an der Verhinderung von Straftaten gegenüberstehe und dem Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zukomme.

22       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Oktober 2022

Gerichtsentscheidung

EuGH 62017CJ0369 Ahmed VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022180195.L00

Im RIS seit

01.12.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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