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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des F A, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. April 2022, L524 2001355-4/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste im Jahr 2013 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein. Er stellte in den Jahren 2013 und 2018 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), wobei der Erstantrag durch das Bundesverwaltungsgericht im Instanzenzug abgewiesen und der Folgeantrag zurückgewiesen wurde. In den auf Grund beider Anträge durchgeführten Verfahren wurde durch das Bundesverwaltungsgericht im Instanzenzug je eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber erlassen.
2 Am 1. April 2021 begehrte der Revisionswerber die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen nach § 56 AsylG 2005.
3 Dieses Begehren wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 21. Oktober 2021 als unbegründet ab. Unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung in die Türkei festgestellt und eine Frist für seine freiwillige Ausreise festgelegt.
4 Dagegen führte der Revisionswerber Beschwerde. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte eine Revision dagegen für nicht zulässig.
5 Gegen dieses Erkenntnis führte der Revisionswerber zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 29. Juni 2022, E 1413/2022-6, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die nunmehr vorliegende Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Demgemäß erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 13.7.2022, Ra 2022/17/0072, mwN).
11 Soweit die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen einen Verstoß gegen die Verhandlungspflicht rügt, ist darauf hinzuweisen, dass zwar der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände, besondere Bedeutung zukommt. Allerdings kann gemäß dem auch im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehenden § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) - trotz des Vorliegens eines diesbezüglichen Antrages - (ausnahmsweise) von der Durchführung einer Verhandlung unter anderem dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (vgl. VwGH 17.6.2022, Ra 2022/17/0079, mwN).
Wenn die Revision - mit der in dieser Allgemeinheit nicht zutreffenden Behauptung, Rückkehrentscheidungen dürften „stets erst nach persönlicher Anhörung des Fremden erlassen werden“, ohne auf die Voraussetzungen für das Unterbleiben einer Verhandlung näher Bezug zu nehmen - die Verletzung der Verhandlungspflicht rügt, so verabsäumt sie es, konkret darzulegen, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht von den in der Rechtsprechung zum hier maßgeblichen ersten Tatbestand des ersten Satzes des § 21 Abs. 7 BFA-VG aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre (vgl. VwGH 21.7.2022, Ra 2022/20/0087; vgl. ferner zu den genannten Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 bis 0018, sowie aus der weiteren Rechtsprechung etwa VwGH 11.10.2021, Ra 2021/20/0021 bis 0022, mwN).
12 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 13.7.2022, Ra 2022/17/0035, mwN).
Mit dem Verweis auf seine Integration in Österreich, insbesondere auf seine Aufenthaltsdauer und Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern, zeigt der Revisionswerber nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht die angestellte Interessenabwägung mit einem durch den Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler belastet hätte. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte fallbezogen diverse Aspekte wie die Dauer des Inlandsaufenthalts des Revisionswerbers und inwieweit dieser rechtmäßig war, seine wiederholten Anträge auf internationalen Schutz, die Beziehung des Revisionswerbers zu seinem im Bundesgebiet lebenden Bruder und dessen Familie, seine sonstigen sozialen Kontakte und Deutschkenntnisse, inwieweit der Revisionswerber im Bundesgebiet erwerbstätig war und welche Bindungen er zum Herkunftsstaat aufweist.
13 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. Oktober 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022170162.L00Im RIS seit
01.12.2022Zuletzt aktualisiert am
01.12.2022