TE OGH 2022/3/17 3R39/22k

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Veröffentlicht am 17.03.2022
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, die Richterinnen Mag.a Fitz und Mag.a Klenk in der Firmenbuchsache der A* GmbH, FN B*, **, über die Rekurse ihres Geschäftsführers C*, **, vertreten durch die JIROVEC & PARTNER Rechtsanwalts-Gesellschaft m.b.H. in Wien, gegen die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom 26.1.2022, 73 Fr 40652/21a-4 (3 R 39/22k) und 73 Fr 40653/21b-4 (3 R 40/22g), in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

         Die A* GmbH ist zu FN B* im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien eingetragen. Der Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember. C* vertritt die Gesellschaft seit 9.7.1987 selbständig.

         Mit Beschluss vom 23.4.2018, 73 Fr 4171/18a-2, ordnete das Handelsgericht Wien die amtswegige Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit an (§ 40 FBG). Die Gesellschaft und der Geschäftsführer erhoben dagegen ua mit der Begründung Rekurs, dass die Gesellschaft nicht vermögenslos sei. Mit Beschluss vom 19.6.2018, 6 R 178/18t, gab das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht den Rekursen Folge, hob den Löschungsbeschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Mit Beschluss vom 4.10.2018, 73 Fr 17359/18w-1, ordnete das Handelsgericht Wien an, die Gesellschaft wieder in das Firmenbuch einzutragen; es sei Vermögen nachgewiesen worden. Mit Beschluss vom 6.11.2018, 73 Fr 18679/18k-1, stellte das Handelsgericht Wien die Wiedereintragung her.

Mit Zwangsstrafverfügungen vom 23.11.2021, 73 Fr 40652/21a-2 und 73 Fr 40653/21b-2, verhängte das Erstgericht über den Geschäftsführer Zwangsstrafen von je EUR 350, weil der Jahresabschluss zum 31.12.2018 nicht bis zum 30.11.2019 (73 Fr 40652/21a-2) und der Jahresabschluss zum 31.12.2019 nicht bis zum 30.12.2020 vollständig beim Firmenbuchgericht eingereicht worden war.

Der Geschäftsführer erhob gegen die Zwangsstrafverfügungen fristgerecht Einspruch und brachte dazu vor, dass seit langer Zeit keine Bilanz abgegeben worden sei und seit über 10 Jahren keine Geschäftstätigkeit erfolge, weil die Gesellschafter im Ausland seien. Wegen Vermögenslosigkeit sei auch vom Finanzamt die Löschung beantragt worden.

         Mit den angefochtenen Beschlüssen verhängte das Erstgericht über den Geschäftsführer im ordentlichen Verfahren Zwangsstrafen von je EUR 350 wegen nicht rechtzeitiger Offenlegung des Jahresabschlusses zum 31.12.2018 und zum 31.12.2019. Begründend verwies es im Wesentlichen darauf, dass die Verpflichtung zur Vorlage des Jahresabschlusses bis zur Löschung der Gesellschaft bestehe und die im Einspruch angeführten Gründe kein unabwendbares Ereignis aufzeigen.

Gegen diese Beschlüsse richten sich die Rekurse des Geschäftsführers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse ersatzlos aufzuheben und das Zwangsstrafverfahren einzustellen. Der Rekurswerber bringt – ohne Zuordnung zu den geltend gemachten Rekursgründen - im Wesentlichen vor, die Gesellschaft sei vermögenslos, sodass sie keinen Jahresabschluss erstellen lassen könne und aus dem Firmenbuch zu löschen sei; das Finanzamt habe einen solchen Antrag gestellt. Die Gesellschaft übe schon viele Jahre keine Geschäftstätigkeit mehr aus. Der Geschäftsführer könne auch keine Geschäftstätigkeit entfalten, um finanzielle Mittel zu beschaffen, weil sich die weiteren Gesellschafter im Ausland befänden und unerreichbar seien. Wäre dies schon früher absehbar gewesen, hätte er sich nicht gegen die im Jahr 2018 angeordnete Löschung der Firma ausgesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind nicht berechtigt.

1. Gemäß § 277 Abs 1 UGB haben die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften die in den §§ 277 bis 281 UGB angeführten Unterlagen spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. Gemäß § 283 Abs 7 UGB trifft diese Pflicht auch die Gesellschaft. Der Normzweck liegt im Rechtsschutz im Geschäftsverkehr mit Kapitalgesellschaften (Fellinger in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/3³ § 277 UGB Rz 2 mwN). Die Offenlegung dient dem Informationsinteresse des Publikums an geschäftsrelevanten Umständen (insbesondere der wirtschaftlichen Lage) des offenlegungspflichtigen Unternehmers und damit der Transparenz als wesentlicher Säule der Unternehmenskontrolle (Zib in Zib/Dellinger, UGB III/2 § 277 Rz 1 mwN). Gemäß § 283 Abs 1 und 7 UGB ist nach Ablauf der Offenlegungsfrist sowohl über die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft als auch über die Gesellschaft selbst eine Zwangsstrafe zu verhängen. Der Rekurswerber bestreitet nicht, die Jahresabschlüsse zum 31.12.2018 und zum 31.12.2019 nicht rechtzeitig offengelegt zu haben.

2. Die Verpflichtung zur Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses endet erst mit der Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch (vgl 6 Ob 68/03y; 6 Ob 63/12a; 6 Ob 249/12d; 6 Ob 26/13m; 6 Ob 125/17a). Bis dahin haben ihre gesetzlichen Vertreter und die Gesellschaft selbst die Offenlegungspflicht zu erfüllen (§§ 277 Abs 1, 283 Abs 7 UGB). Da die Gesellschaft bisher nicht gelöscht wurde, besteht die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses zum 31.12.2018 und zum 31.12.2019 unverändert.

3. Der Rekurswerber behauptet im Zwangsstrafverfahren - anders als im Löschungsverfahren –, dass die Gesellschaft vermögenslos sei, sodass die Voraussetzung für die amtswegige Löschung vorliege. Damit ist für sie aber nichts gewonnen, kann doch die Erfüllung der Löschungsvoraussetzung (Vermögenslosigkeit) nicht mit der tatsächlichen Löschung gleichgesetzt werden: Mag die Gesellschaft auch aus wirtschaftlichen Gründen – hier insbesondere um die Zwangsstrafen zu vermeiden – an einer Löschung interessiert sein, so dient das Amtslöschungsverfahren dennoch nur dem öffentlichen Interesse und nicht dem privaten Interesse der Gesellschaft. Die Gesellschaft selbst hat kein rechtlich geschütztes Interesse an der Löschung im amtswegigen Verfahren; in der Verweigerung der Verfahrenseinleitung oder Verfahrensfortsetzung liegt keine Verletzung ihrer subjektiven Rechte (6 Ob 297/00w). Sie kann die Einleitung eines amtswegigen Löschungsverfahrens zwar anregen, ein Antragsrecht steht ihr aber nicht zu (6 Ob 160/12s). Da die Gesellschaft selbst wenn sie kein Vermögen besitzt keinen Anspruch auf die Löschung nach § 40 FBG hat, ändert dies für sich allein – unabhängig davon, ob das Finanzamt tatsächlich erneut einen Löschungsantrag gestellt hat - nichts an der Offenlegungspflicht und der Sanktionierung von Verstößen dagegen mit Zwangsstrafen.

4. Auch aus dem unsubstanziierten Vorbringen, es würden die finanziellen Mittel zur Beauftragung eines Steuerberaters fehlen, ist für den Rekurswerber nichts gewonnen. Die Behauptung der Mittellosigkeit reicht ohne nähere Substanziierung nicht aus, die Unmöglichkeit der Erfüllung der gesetzlichen Offenlegungspflicht darzutun (6 Ob 33/09k; 6 Ob 176/11t; 6 Ob 94/14p).

5. Die Verpflichtung zur Aufstellung und zur Vorlage eines Jahresabschlusses besteht auch dann bis zur Löschung der Gesellschaft, wenn die Gesellschaft keine Tätigkeit (mehr) ausübt (6 Ob 68/03y; 6 Ob 63/12a; 6 Ob 125/17a). Die Einstellung des Betriebs hat also keinen Entfall der Bilanzierungspflicht zur Folge (6 Ob 246/07f; 6 Ob 130/11b). Inwieweit schließlich der Umstand, dass sich die Gesellschafter im Ausland befinden und nicht erreichbar sein sollen, den Geschäftsführer an der Entfaltung von Geschäftstätigkeit und der rechtzeitigen Offenlegung des Jahresabschlusses gehindert haben soll, wäre nicht erkennbar: C* ist allein vertretungsbefugt, weitere Geschäftsführer gibt es nicht. § 222 Abs 1 zweiter Satz UGB fordert nur die Unterzeichnung des Jahresabschlusses „von sämtlichen gesetzlichen Vertretern“. Hinderungsgründe für die rechtzeitige Offenlegung der Jahresabschlüsse zum 31.12.2018 und zum 31.21.2019 (jedenfalls solche von der in § 283 Abs 2 UGB geforderten Qualität) sind auch vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen.

         Den Rekursen war daher der Erfolg zu versagen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG (welche Bestimmung hier gemäß § 15 FBG anzuwenden ist) nicht zu beantworten war. Das Rekursgericht ist der klaren Gesetzeslage und der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt.

Textnummer

EW1191

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2022:00300R00039.22K.0317.000

Im RIS seit

28.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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