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63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;Norm
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des W in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 15. Dezember 1994, Zl. 109/8-DOK/94, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand als Fachinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Zur Zeit der beschwerdegegenständlichen Disziplinarvergehen versah er seinen Dienst beim Postamt XY.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25. Mai 1994, 14 Vr 81/94, wurde der Beschwerdeführer des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB für schuldig erkannt und hiefür über ihn eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten verhängt, wobei der Vollzug dieser Freiheitsstrafe für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der Schuldspruch gründete sich darauf, daß der Beschwerdeführer in der Zeit Juli bis Oktober 1993 als zuständiger Bediensteter am Gesamtschalter des Postamtes XY, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, Kunden der Post in ihrem Recht auf ordnungsgemäße postalische Behandlung von Massensendungen zu schädigen, seine Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch mißbraucht habe, daß er in folgenden Fällen Massensendungen nicht auf den hiefür vorgesehenen Empfangscheinen verbucht und deren Originale den Kunden nicht ausgefolgt sowie die hiefür kassierten Beträge einbehalten habe:
"1. am 5.7.1993 für 2.500 Stück Massensendungen des Restaurants "K" S 1.662,50,
2. am 7.7.1993 für 2.500 Stück Massensendungen des Orient Teppichhauses "J" S 1.662,50;
3. am 15.7.1993 für 700 Stück Massensendungen der ÖMV-Tankstelle L S 465,50;
4. am 21.9.1993 für 650 Stück Massensendungen der H (Qualitätsweine) S 432,30;
5. am 4.10.1993 für 67 Stück mit dem Aufdruck "Postgebühr bar bezahlt" versehen Massensendungen S 368,50."
Die ersten vier im Strafurteil genannten Fakten waren auch Gegenstand des Schuldspruches im Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 29. August 1994, mit dem dem Beschwerdeführer vorgeworfen wurde, durch die Manipulationen bei den Massensendungen und die private Verwendung der eingehobenen Beträge gegen die Bestimmungen der Tz 3.44 PVO IV/Teil A und gegen § 59 PVO I/B verstoßen und Dienstpflichtverletzungen i.S.d. § 43 Abs. 2 BDG 1979 begangen zu haben. Mit dem Disziplinarerkenntnis wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 126 Abs. 2 i.V.m. § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
In der Begründung ging die Disziplinarkommission davon aus, daß der Beschwerdeführer seit 2. Mai 1975 im Postdienst tätig und vom 1. Oktober 1992 bis zum 10. Oktober 1993 am Gesamtschalter beim Postamt XY und vom 11. Oktober 1993 bis zu seiner Suspendierung mit Bescheid vom 30. Dezember 1993 in der Fernsprechauskunft K verwendet worden sei. Er sei verheiratet, habe für zwei Kinder zu sorgen und seine Gattin sei ebenfalls Postbedienstete. Der Beschwerdeführer sei bereits am 20. März 1991 vom Bezirksgericht Klagenfurt rechtskräftig wegen § 127 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 50 Tagessätzen a S 50,-- verurteilt und in weiterer Folge auch deshalb über ihn am 17. Juni 1991 eine Disziplinarstrafe in Höhe von S 30.000,-- verhängt worden. Der Schuldspruch habe damals dahin gelautet, der Beschwerdeführer habe sich am 14. Oktober 1990 durch das Wegnehmen von Gegenständen in einem Gesamtwert von S 16.500,-- vorsätzlich bereichert und dadurch gegen die Bestimmung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen. Wegen einer neuerlichen Pflichtverletzung sei der Beschwerdeführer mit dem rechtskräftigen Disziplinarerkenntnis vom 30. November 1993 schuldig gesprochen worden, am 4. Oktober 1993 Massensendungen (67 Stück) am Gesamtschalter des Postamtes XY angenommen, hiefür von der Auftraggeberin pro Sendung S 5,50 kassiert, diese Sendungen aber weder ordnungsgemäß verbucht bzw. verrechnet und dadurch gegen die Bestimmungen des § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen zu haben (Anm.: Bei diesem angelasteten Sachverhalt handelte es sich um das im Strafurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25. Mai 1994 unter Punkt 5. angeführte Faktum). Wegen dieser Pflichtverletzung sei die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von S 2.000,-- verhängt worden. Für ein Absehen von der disziplinären Verfolgung nach § 95 Abs. 1 BDG 1979 hinsichtlich der nunmehr zum Vorwurf gemachten vier Fakten am 5., 7. und 15. Juli bzw. 21. September 1993 lägen die Voraussetzungen nicht vor. Bei der strafgerichtlichen Beurteilung seien nämlich die für disziplinäre Verfolgung wesentlichen Gesichtspunkte - das Funktionieren der Verwaltung, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der Verwaltungstätigkeiten sowie die Beachtung der besonderen Pflichten des Beamten - in keiner Weise berücksichtigt worden. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen stellten besonders schwerwiegende und verwerfliche Verfehlungen dar. Es liege weder eine Affekthandlung noch eine einmalige Begehung vor, sondern eine gezielte Vorgangsweise "eines Wiederholungstäters sich unrechtmäßig zu bereichern". Gerade die Respektierung fremden Eigentums sei für die Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebes im Bereich der Post unverzichtbar. Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer sowohl das zwischen ihm und der Verwaltung als auch das zwischen der Post und ihren Kunden bestehende Vertrauensverhältnis "auf das ärgste geschädigt". Ein Beamter, der unter Ausnutzung seiner dienstlichen Möglichkeiten und während des Dienstes Straftaten begehe, wie der Beschwerdeführer, sei grundsätzlich als Beamter nicht mehr tragbar. Da er das Vertrauensverhältnis zerstört habe, könne der Beschwerdeführer nicht mehr im Dienst der Post verbleiben, woran auch eine einwandfreie Dienstleistung nach Aufdeckung der Tat nichts zu ändern vermöge. Als mildernd wären an und für sich das reumütige Geständnis und die materielle Schadensgutmachung, als erschwerend die strafrechtliche und disziplinäre Vorstrafe sowie die Tatwiederholungen über einen längeren Zeitraum zu werten. Angesichts der Art und Schwere der begangen Straftat komme jedoch eine andere Disziplinarmaßnahme als jene der Entlassung nicht in Betracht, weshalb die gegebenen Milderungsgründe sowie Gründe finanzieller und wirtschaftlicher Art auf die Strafbemessung ohne Einfluß zu bleiben hätten.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. Dezember 1994 nach durchgeführter mündlicher Verhandlung keine Folge. Nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung stellte die belangte Behörde in der Begründung fest, daß sie sich dem erstinstanzlichen Erkenntnis vollinhaltlich anschließe. Aus § 95 Abs. 2 BDG 1979 ergebe sich, daß die Disziplinarbehörde an die gerichtlichen Tatsachenfeststellungen (sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht) gebunden sei, sich mit den Tatsachenfeststellungen daher nicht auseinanderzusetzen habe und daher alle Argumente der Berufung, die sich auf diese Feststellungen bezögen, ins Leere gingen. Hinsichtlich der Strafe sei jedoch eine eigene, dem Dienstrecht gerecht werdende Würdigung vorzunehmen. Im vorliegenden Fall sei für die belangte Behörde wesentlich, in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer das Vertrauensverhältnis gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 erschüttert habe bzw. in welchem Maße das Verhalten geeignet gewesen sei, das Vertrauen zu erschüttern. Aufgrund der Taten und der Verantwortung des Beschwerdeführers sei dieser für den öffentlichen Dienst nicht mehr tragbar. Durch Aussagen wie "solche Kurzschlußhandlungen mache ich öfter" sowie durch die Tatsache der Verfehlungen an sich, die der Beschwerdeführer zwei Jahre nach einer eine ähnliche Handlung betreffenden disziplinären Verurteilung verübt habe, zeige der Beschwerdeführer, daß er diese Handlungen quasi als "angeborenen Fehler", für den er nicht verantwortlich sei, ansehe, und nicht bereit und in der Lage sei, aus dem früheren Gerichts- und Disziplinarverfahren zu lernen. Es sei zwar positiv zu vermerken, daß der Beschwerdeführer die für sich verwendeten Beträge rückerstattet habe, der für die Post entstandene Schaden sei aber im Vertrauensverlust gegenüber der Bevölkerung und in der Störung des Vertrauensverhältnisses innerhalb der Postorganisation zu sehen. Die Funktion der Disziplinarstrafe der Entlassung liege nicht in der Vergeltung oder in der Abhaltung des Beamten von weiteren Dienstpflichtverletzungen, sondern in der "Reinigung des Beamtenkörpers". Insofern sei auch im Beschwerdefall die Strafe der Entlassung nicht nur gerechtfertigt, sondern "sogar dringend geboten". Die Behörde erster Instanz habe im Ergebnis auch richtig festgehalten, daß angesichts der Untragbarkeit des Beschwerdeführers die mildernden Umstände und Aspekte wirtschaftlicher und finanzieller Art kein anderes Ergebnis als das der Entlassung hätten herbeiführen können.
In der Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 sind die Disziplinarbehörden an die in einem rechtskräftigen Strafurteil getroffenen Tatsachenfeststellungen gebunden, wobei sich diese Bindung auch auf die Feststellungen zum inneren (subjektiven) Tatbestand erstreckt (vgl. die bei Schwabl/Chilf, Disziplinarrecht2, auf Seite 127 f angeführte Judikatur). Soweit der Beschwerdeführer zu den ihm angelasteten Taten in der Beschwerde offenbar die Schuldkomponente anzugreifen versucht (er habe "einfach vergessen", die eingenommenen Beträge zu verbuchen), steht dies mit der gesetzlich verankerten Bindungswirkung im Widerspruch.
Gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Daß die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten gerade im Bereich der Post bei dem dort gegebenen häufigen Umgang mit Geld und geldwerten Gegenständen ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen näher ausgeführt (vgl. die - jeweils Vermögensdelikte von Postbeamten betreffenden - Erkenntnisse vom 28. März 1984, 83/09/0093, vom 15. Dezember 1989, 89/09/0092, vom 18. Oktober 1990, 90/09/0088, vom 18. November 1993, 93/09/0361, und vom 17. November 1994, 93/09/0316).
Die Disziplinarstrafe der Entlassung ist keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Wer die für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauensgrundlage zerstört, macht sich in aller Regel für den öffentlichen Dienst untragbar. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise oder an einem anderen Dienstort oder in anderer dienstlicher Verwendung (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1994, 94/09/0122 und 94/09/0174, m.w.N.).
Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall richtig erkannt, daß angesichts der Art und Schwere der begangenen Straftaten (wiederholte Zugriffe auf fremdes Vermögen unter Ausnutzung seiner dienstlichen Möglichkeiten) eine andere Disziplinarmaßnahme als jene der Entlassung nicht in Betracht kam, weshalb alle möglicherweise sonst gegebenen Milderungsgründe und auch eine einwandfreie Dienstleistung in anderen Dienststellen nicht von entscheidendem Gewicht sein konnten (vgl. nochmals Schwabl/Chilf, aaO, Seite 106 ff).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995090146.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
31.10.2016