TE Lvwg Beschluss 2022/10/14 VGW-101/042/7675/2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2022
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.10.2022

Index

10/10 Auskunftspflicht
L00209 Auskunftspflicht Informationsweiterverwendung Wien
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AuskunftspflichtG 1987 §6
AuskunftspflichtG Wr. §1
AuskunftspflichtG Wr. §3
B-VG Art. 20 Abs3
B-VG Art. 20 Abs4
VwGVG 2014 §8 Abs1

Text

Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seinen Richter Mag. DDr. Tessar über die Beschwerde des Herrn Mag. A. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 13.5.2022, Zl. ..., mit welchem der Antrag auf eine begehrte Auskunft abgewiesen wurde, den

B E S C H L U S S

I. Gemäß § 28 Abs. 1 i.V.m. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde behoben.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Spruch und die Begründung des gegenständlich bekämpften Bescheids lauten wie folgt:

„Gemäß § 3 Abs. 3 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes wird auf Antrag des Herrn Mag. A. B., MBA vom 9.5.2022 festgestellt, dass die von ihm begehrte Auskunft betreffend Anzeigen und Verwaltungsstrafverfahren gegen den Netzbetreiber im Bereich der Stadt Wien wegen Übertretungen des Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetzes 2010 (ElWOG 2010) in Verbindung mit der Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung – IME-VO nicht zu erteilen ist.

Begründung:

Mit Schreiben vom 9.5.2022 stellte der Antragsteller folgende gleichlautende Auskunftsbegehren samt beigefügtem Fragebogen an sämtliche Magistratischen Bezirksämter in Wien:

Auskunftsantrag nicht anonymisierbar

Dazu ist auszuführen:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes haben die Organe des Landes und der Gemeinde Wien sowie der durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskunft zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. Gemäß Abs. 2 ist die Auskunft eine Wissenserklärung. Sie hat auf dem Wissen zu beruhen, über das ein auskunftspflichtiges Organ in dem Zeitpunkt verfügt, in dem das Auskunftsbegehren bei ihm einlangt. Gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung ist Auskunft nur insoweit zu erteilen, als dadurch die Besorgung der übrigen Aufgaben eines Organes nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Auskunft ist nicht zu erteilen, wenn sie offenkundig mutwillig begehrt wird.

Gemäß § 3 Abs. 1 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes ist die Auskunft nach Möglichkeit mündlich oder telefonisch zu erteilen. Nach Abs. 2 ist die Auskunft ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber acht Woche n nach dem Einlangen des Begehrens bei dem zuständigen Organ, zu erteilen. Wird die Auskunft ausdrücklich verweigert oder nicht fristgerecht erteilt, hat das Organ gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung auf Antrag des Auskunftswerbers innerhalb von drei Monaten ab Antrag mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden, ob die Auskunft zu erteilen ist. Wird die Auskunft nachträglich erteilt, endet die Pflicht zur Bescheiderlassung.

Gemäß § 3 Abs. 4 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes ist ein Begehren um Auskunft in einer Sache, die nicht in den eigenen Wirkungsbereich fällt, unverzüglich an das zuständige Organ weiterzuleiten oder der Auskunftswerber an dieses zu weisen.

Als gesetzliche Verschwiegenheitspflichten, die einer allfälligen Auskunftserteilung entgegenstehen können, kommt einerseits die Geheimhaltungspflicht nach dem Datenschutzgesetz 2000 (DSG) und andererseits die Amtsverschwiegenheit gemäß Art. 20 Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) in Betracht.

Gemäß § 1 Abs. 1 DSG hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

Gemäß § 4 Z 1 DSG sind personenbezogene Daten Angaben über Betroffene (Z 3), deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist; „nur indirekt personenbezogen“ sind Daten für einen Auftraggeber, Dienstleister oder Empfänger einer Übermittlung dann, wenn der Personenbezug der Daten derart ist, dass dieser Auftraggeber, Dienstleister oder Übermittlungsempfänger die Identität des Betroffenen mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht bestimmen kann.

Gemäß der Definition in § 4 Z 2 DSG versteht man unter sensiblen Daten Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben.

Im gegenständlichen Fall wurden vom Antragsteller Auskünfte im Zusammenhang mit dem Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) sowie der Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung – IME-VO über das Vorliegen von Anzeigen, die Einleitung, Führung und Beendigung diesbezüglicher Verwaltungsstrafverfahren, den Ausspruch von entsprechenden Verwaltungsstrafen sowie die Höhe der ausgesprochenen Verwaltungsstrafen gegen den/die Netzbetreiber im jeweiligen Wiener Gemeindebezirk begehrt.

Gemäß § 89 ElWOG 2010 ist Behörde im Sinne der unmittelbar anwendbaren bundesrechtlichen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Regulierungsbehörde.

Verwaltungsstrafen gemäß § 99 bis § 102 sind von der gemäß § 26 VStG zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu verhängen. Die Regulierungsbehörde hat in diesen Verfahren Parteistellung. Sie ist berechtigt, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Einhaltung von der von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen und Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes zu erheben.

Die Regulierungsbehörde kann Verpflichtete, die Pflichten nach diesem Bundesgesetz verletzen, darauf hinweisen und ihnen auftragen, den gesetzmäßigen Zustand innerhalb einer von ihr festgelegten angemessenen Frist herzustellen, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass auch ohne Straferkenntnis ein rechtskonformes Verhalten erfolgen wird. Dabei hat sie auf die mit einer solchen Aufforderung verbundenen Rechtsfolgen hinzuweisen.

Verpflichtete sind nicht zu bestrafen, wenn sie den gesetzmäßigen Zustand innerhalb der von der Regulierungsbehörde gesetzten Frist herstellen. Geldbußen gemäß § 104 bis § 107 sind vom Kartellgericht zu verhängen.

Gemäß § 90 ElWOG 2010 ist als Behördenzuständigkeit in Elektrizitätsangelegenheiten im Sinne der Grundsatzbestimmungen dieses Bundesgesetzes die Landesregierung festgelegt.

Im Bereich der Stadt Wien obliegt den Magistratischen Bezirksämtern somit lediglich die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren gemäß der §§ 99 bis 102 des Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) in Verbindung mit der Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung – IME-VO.

Hinsichtlich der über Verwaltungsstrafverfahren hinausgehenden Fragen wird der Antragsteller daher gemäß § 3 Abs. 4 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes an die oben angeführten zuständigen Organe verwiesen.

Gemäß § 7 Abs. 2 Z 3 DSG dürfen Daten nur übermittelt werden, wenn durch den Zweck und Inhalt der Übermittlung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden.

Nach § 8 Abs. 4 DSG verstößt die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn

1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung solcher Daten besteht, oder

2. die Verwendung derartiger Daten für Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung einer ihnen gesetzlich übertragenen Aufgabe ist, oder

3. sich sonst die Zulässigkeit der Verwendung dieser Daten aus gesetzlichen Sorgfaltspflichten oder sonstigen, die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen überwiegenden berechtigten Interessen des Auftraggebers ergibt und die Art und Weise, in der die Datenanwendung vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen der Betroffenen nach diesem Bundesgesetz gewährleistet, oder

4. die Datenweitergabe zum Zweck der Erstattung einer Anzeige an eine zur Verfolgung der angezeigten strafbaren Handlungen (Unterlassungen) zuständige Behörde erfolgt.

Mit dieser Bestimmung wird für strafrechtsbezogene Daten ein besonderes Schutzregime geschaffen, welches diese Daten in die Nähe der sensiblen Daten rückt; die Aufzählung jener Verwendungsfälle, bei welchen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzt werden, erfolgt nach dem Gesetzeswortlaut taxativ.

Im gegenständlichen Fall trifft jedoch keiner der in § 8 Abs. 4 DSG genannten Datenanwendungsfälle zu: weder gibt es eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung bzw. Verpflichtung, derartige Daten an den Antragsteller weiterzugeben, noch ist die Verwendung der Daten für einen Auftraggeber des öffentlichen Bereiches eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe. Weiters kann auch nicht erkannt werden, dass die Auskunftserteilung im gegenständlichen Fall im überwiegenden berechtigten Interesse des Auftraggebers wäre, sodass auch Z 3 des § 8 Abs. 4 DSG nicht anzuwenden ist.

Der einzige Netzbetreiber in Wien ist die Wiener Netze GmbH. Die gegenständlichen Daten unterliegen daher einer leichten Rückführbarkeit auf die verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Betroffenen des Netzbetreibers.

Es besteht daher ein schutzwürdiges Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung der beantragten Daten, weshalb die Auskunft nicht zu erteilen war.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.“

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus:

Beschwerde nicht anonymisierbar

Anlässlich der Beschwerdevorlage teilte die belangte Behörde Nachfolgendes mit:

„Die beiliegende Beschwerde wird unter Anschluss des Bezug habenden Aktes zur Entscheidung vorgelegt.

Von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde Abstand genommen.

Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG verzichtet.

Angemerkt wird, dass seitens der Behörde bedauerlicher Weise ein Musterbescheid als Grundlage genommen wurde, in dem noch die alte Rechtslage des Datenschutzgesetzes (DSG 2000 statt DSG) zitiert ist.

Jedoch wird darauf hingewiesen, dass der Spruch rechtlich richtig formuliert wurde und die Auskünfte auch unter Heranziehung der neuen Rechtslage des Datenschutzgesetzes nicht erteilt worden wären.

Die erlassende Behörde bedauert diesen Fehler sehr und ersucht um eine inhaltliche Entscheidung.“

Aus dem der Beschwerde beigeschlossenen erstinstanzlichen Akt ist ersichtlich:

Der Beschwerdeführer brachte mit Schriftsatz vom 9.5.2022 bei allen Magistratischen Bezirksämtern Wiens einen gleichlautenden Auskunftsantrag ein, in welchem vorgebracht wurde wie folgt:

Auskunftsantrag nicht anonymisierbar

Aus dem der Beschwerde beigeschlossenen erstinstanzlichen Akt ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 9.5.2022, bei der belangten Behörde am 10.5.2022 eingelangt, den gegenständlichen, im bekämpften Bescheid wiedergegebenen Antrag auf Auskunft nach dem Wr. Auskunftspflichtgesetz eingebracht hatte.

Die belangte Behörde erteilte die gewünschte Auskunft nicht, erstattetet keine „ausdrückliche Verweigerung“ i.S.d. § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG i.V.m. § 6 Auskunftpflicht-GrundsatzG, sondern erließ sofort einen schriftlichen Bescheid, mit welchem die Auskunftspflicht negiert wurde.

Der gegenständlichen Bescheiderlassung ging daher kein nach einer „ausdrücklichen Verweigerung“ i.S.d. § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG i.V.m. § 6 Auskunftpflicht-GrundsatzG erstatteter Antrag der Partei auf Erlassung eines Bescheids i.S.d. § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG i.V.m. § 6 Auskunftpflicht-GrundsatzG voraus.

Mit Schriftsatz vom 8.9.2022 erstattete der Beschwerdeführer nachfolgendes ergänzendes Vorbringen zu seiner Beschwerde, wobei diesem zwei Beilagen zum Beleg der Ausführungen beigeschlossen waren. In diesem Schreiben führte er im Wesentlichen aus:

Schreiben vom 8.9.2022 nicht anonymisierbar

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Gemäß Art. 132 Abs. 3 B-VG kann wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im bereits im Erkenntnis vom 13.9.2016, Ra 2015/03/0038, zum Ausdruck gebracht hat, haben die Verwaltungsgerichte gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. dazu insbesondere VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063). Da der erteilten Auskunft als bloßer Wissenserklärung kein Bescheidcharakter zukommt, kann eine Auskunft selbst nicht Gegenstand des in der Sache zu treffenden Spruchs des Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts sein. Das Verwaltungsgericht ist allein zu der spruchmäßigen Feststellung zuständig, dass die mit einem Auskunftsbegehren befasste Behörde eine Auskunft zu Recht oder zu Unrecht verweigert hat. Gelangt das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass die belangte Behörde die Auskunft zu Unrecht verweigert hat, so kann es lediglich diesen (feststellenden Ausspruch) treffen.

Der Antrag eines Auskunftswerbers auf Erteilung einer Auskunft ist auf ein faktisches Verhalten der Behörde gerichtet und damit auf die Setzung eines Realakts.

Aus dem Titel der Verletzung der Entscheidungspflicht kann das Verwaltungsgericht nur dann angerufen werden, wenn eine Behörde mit einer gegenüber der Partei zu erlassenden Sachentscheidung in Verzug geblieben ist. Ein tatsächliches Verhalten (Realakt), wie die Erteilung einer Auskunft, kann vom Verwaltungsgericht in Stattgebung der Säumnisbeschwerde nicht anstelle der Behörde gesetzt werden. Wird im Säumnisbeschwerdeverfahren vom Verwaltungsgericht keine Auskunft, sondern die Feststellung, dass die Erteilung der beantragten Auskunft gemäß Auskunftspflichtgesetz zu Unrecht verweigert wurde (Rechtsakt) begehrt, hat die auskunftswerbende Person einen Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Erledigung eines solchen Antrags. Erlässt die Behörde diesen Bescheid innerhalb der Entscheidungsfrist nicht, ist sie mit einer Sachentscheidung und nicht mit der Setzung eines Realaktes in Verzug. Dieser Umstand führt zur Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde in solchen Fällen (vgl. dazu VwGH 24.5.2018, Ro 2017/07/0026).

Art. 20 Abs. 3 B-VG lautet:

„Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit). Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt.“

Art. 20 Abs. 4 B-VG lautet:

„(4) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache.“

Das Bundesgrundsatzgesetz über die Auskunftspflicht der Verwaltung der Länder und Gemeinden (Auskunftspflicht-Grundsatzgesetz), BGBl. Nr. 286/1987, in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, lautet:

„§ 1. Die Organe der Länder, der Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

§ 2. Jedermann hat das Recht, Auskünfte zu verlangen.

§ 3. Die Landesgesetzgebung regelt, in welchem Umfang Auskünfte zu erteilen sind, und inwieweit besondere Einrichtungen mit der Erfüllung der Auskunftspflicht betraut werden können. Für berufliche Vertretungen hat die Landesgesetzgebung vorzusehen, daß sie nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig sind und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird.

§ 4. Jedermann kann schriftlich, mündlich oder telephonisch Auskunftsbegehren anbringen.

§ 5. Auskünfte sind innerhalb einer durch Landesgesetz zu bestimmenden Frist zu erteilen.

§ 6. Die Landesgesetzgebung hat den Fall der Verweigerung einer Auskunft so zu regeln, daß auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen ist.

[...]“

§ 1 Wr. AuskunftspflichtG lautet wie folgt:

„(1) Die Organe des Landes und der Gemeinde Wien sowie der durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskunft zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(2) Auskunft ist eine Wissenserklärung. Sie hat auf dem Wissen zu beruhen, über das ein auskunftspflichtiges Organ in dem Zeitpunkt verfügt, in dem das Auskunftsbegehren bei ihm einlangt.

(3) Jedermann hat das Recht, Auskünfte zu verlangen.

(4) Die Organe beruflicher Vertretungen sind nur gegenüber den diesen Vertretungen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird.

(5) Auskunft ist nur insoweit zu erteilen, als dadurch die Besorgung der übrigen Aufgaben eines Organes nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Auskunft ist nicht zu erteilen, wenn sie offenkundig mutwillig begehrt wird.“

§ 2 Wr. AuskunftspflichtG lautet wie folgt:

„(1) Auskunft kann schriftlich, mündlich oder telefonisch begehrt werden.

(2) Dem Auskunftswerber kann die schriftliche Ausführung eines umfangreichen mündlichen oder telefonischen Auskunftsbegehrens sowie die Verbesserung eines unklaren schriftlichen Auskunftsbegehrens innerhalb einer angemessenen, mindestens zweiwöchigen Frist aufgetragen werden. Wird einem solchen Auftrag nicht entsprochen, gilt das Auskunftsbegehren als nicht eingebracht.“

§ 3 Wr. AuskunftspflichtG lautet wie folgt:

„(1) Auskunft ist nach Möglichkeit mündlich oder telefonisch zu erteilen.

(2) Auskunft ist ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber acht Wochen nach dem Einlangen des Begehrens bei dem zuständigen Organ, zu erteilen.

(3) Wird die Auskunft ausdrücklich verweigert oder nicht fristgerecht erteilt, hat das Organ auf Antrag des Auskunftswerbers innerhalb von drei Monaten ab Antrag mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden, ob die Auskunft zu erteilen ist. Wird die Auskunft nachträglich erteilt, endet die Pflicht zur Bescheiderlassung.

(4) Langt bei einem Organ ein Begehren um Auskunft in einer Sache ein, die nicht in seinen Wirkungsbereich fällt, so hat es das Begehren unverzüglich an das zuständige Organ weiterzuleiten oder den Auskunftswerber an dieses zu weisen. Der Auskunftswerber ist von der Weiterleitung zu verständigen.

(5) Auf Antrag des Auskunftswerbers hat das Organ mit schriftlichem Bescheid über seine Zuständigkeit zur Auskunftserteilung zu entscheiden.

(6) Für das in den Abs. 3 und 5 vorgesehene Verfahren gilt das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft begehrt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist. Gegen Bescheide nach diesem Gesetz ist eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien zulässig.“

§ 4 Wr. AuskunftspflichtG lautet wie folgt:

„Die Gemeindeorgane besorgen die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.“

Dass im Hinblick auf die durch die gegenständlichen Fragen angesprochenen Materien vom Vorliegen von Angelegenheiten des Vollzugsbereiches des Magistrats der Stadt Wien auszugehen, blieb unbestritten und in Anbetracht der in gegenständlichen Anträgen angesprochenen Rechtsnormen offenkundig. Die Bestimmungen des Wr. Auskunftspflichtgesetzes kommen daher im Hinblick auf alle gestellten Fragen zur Anwendung. Das Bundes-Auskunftspflichtgesetz findet im vorliegenden Fall keine Anwendung.

Auskünfte i.S.d. Wr. AuskunftspflichtG sind grundsätzlich zu geben, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht (§ 1 Abs. 1 Wiener Auskunftspflichtgesetz), und insoweit, als dadurch die Besorgung der übrigen Aufgaben eines Organes nicht wesentlich beeinträchtigt wird; Auskunft ist weiters dann nicht zu erteilen, wenn sie offenkundig mutwillig begehrt wird (siehe dazu § 1 Abs. 5 Wiener Auskunftspflichtgesetz und im Allgemeinen insbesondere VwGH vom 29.5.2018, Ra 2017/03/0083). Es ist daher – wenn die begehrte Auskunft in den Bereich des Auskunftspflichtgesetzes fällt – in jedem Fall zu prüfen, ob der Erteilung der begehrten Auskunft eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegenstünde, ob durch die Erteilung der begehrten Auskunft die Besorgung der übrigen Aufgaben wesentlich beeinträchtigt würde, oder ob die Auskunft offenkundig mutwillig begehrt wurde.

Der gegenständlichen Bescheiderlassung ging daher nach einer „ausdrücklichen Verweigerung“ i.S.d. § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG i.V.m. § 6 Auskunftpflicht-GrundsatzG erstatteter Antrag der Partei auf Erlassung eines Bescheids i.S.d. § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG i.V.m. § 6 Auskunftpflicht-GrundsatzG voraus.

Ein über das Vorliegen einer Pflicht zur Erteilung einer begehrten Auskunft entscheidender Bescheid nach dem Wr. AuskunftspflichtG i.S.d. § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG bedarf gemäß § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG i.V.m. § 6 Auskunftpflicht-GrundsatzG eines ausdrücklichen Bescheiderlassungsantrags.

Dieser Bescheiderlassungsantrag ist selbst wieder nur zulässig, wenn die Behörde nicht binnen 8 Wochen die begehrte Auskunft erteilt hat bzw. die angefragte Behörde binnen dieser 8 Wochen ausdrücklich die begehrte Auskunft (mit einem bloßen, nicht als Bescheid zu wertenden Schreiben) i.S.d. § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG i.V.m. § 6 Auskunftpflicht-GrundsatzG verweigert hat.

Da die Behörde niemals die begehrte Auskunft (mit einem bloßen, nicht als Bescheid zu wertenden Schreiben) i.S.d. § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG i.V.m. § 6 Auskunftpflicht-GrundsatzG verweigert hatte, war der Beschwerdeführer gar nicht in die Lage versetzt, einen zulässigen Bescheiderlassungsantrag vor Ablauf der 8 Wochenfrist i.S.d. § 3 Abs. 2 Wr. AuskunftspflichtG zu stellen.

Zudem hat der Beschwerdeführer einen solchen Antrag auch tatsächlich niemals vor der Erlassung des gegenständlichen Bescheids gestellt.

Die belangte Behörde war daher nicht befugt, und damit sachlich unzuständig, den gegenständlich bekämpften Bescheid zu erlassen.

Für das weitere Verfahren ist zu bemerken, dass infolge der Nichtzustellung eines Schreibens, mit welchem die begehrte Auskunft (mit einem bloßen, nicht als Bescheid zu wertenden Schreiben) i.S.d. § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG i.V.m. § 6 Auskunftpflicht-GrundsatzG durch die belangte Behörde verweigert wurde, - in Anbetracht des Umstands, dass die begehrte Auskunft auch tatsächlich nicht erteilt wurde – weder von einer Nichtbeauskunftung binnen der Frist von 8 Wochen i.S.d. § 3 Abs. 2 Wr. AuskunftspflichtG noch von der „ausdrücklichen Verweigerung“ i.S.d. § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG i.V.m. § 6 Auskunftpflicht-GrundsatzG binnen der 8 Wochenfrist i.S.d. § 3 Abs. 2 Wr. AuskunftspflichtG auszugehen ist.

Der Beschwerdeführer hat daher seit Ablauf dieser 8 Wochenfrist das Recht zur Stellung eines Bescheiderlassungsantrags.

Erst ab (allfälliger) Stellung dieses Antrags beginnt die 3 monatige Entscheidungsfrist i.S.d. § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG zu laufen.

Die Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antrag auf Erteilung einer Auskunft; Verweigerung; Bescheid; Antrag; Verletzung der Entscheidungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.101.042.7675.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.11.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten