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63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;Norm
BDG 1979 §91;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P in S, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 17. November 1994, Zl. 100/8-DOK/94, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand als Offizial in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war das Postamt XY, wo er im Verteil- und Verladedienst in der Paketumleitung in Verwendung stand.
Mit der in Rechtskraft erwachsenen Strafverfügung des Bezirksgerichtes Salzburg vom 30. Dezember 1993, 27 U 976/93, wurde der Beschwerdeführer des Vergehens des versuchten und vollendeten Diebstahles nach den §§ 127 und 15 StGB für schuldig erkannt. Der Beschwerdeführer habe zu nachstehenden Zeiten in XY, Paketumleitung des Hauptpostamtes XY, fremde bewegliche Sachen "dem Verfügungsberechtigten der Österreichischen Post" mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, nämlich I. ein Paket mit 10 CDs in unbekanntem Wert im Herbst 1992, II. ein Paket mit 4 CDs im Wert von S 800,-- im Oktober 1992, III. ein Paket mit 60 Audiokassetten im Wert von S 2.000,-- im Dezember 1992, IV. ein Paket mit 3 Videokassetten im Wert von S 750,-- im Herbst 1992 und V. am 12. März 1993 ein Paket mit einer Fotokamera Marke Canon im Wert von ca. S 3.000,--, wobei die Tat hier beim Versuch geblieben sei. Der Beschwerdeführer wurde deshalb zu einer Geldstrafe von insgesamt S 15.000,-- (60 TS a S 250,--) unbedingt verurteilt.
Im Disziplinarverfahren sprach daraufhin die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr den Beschwerdeführer nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Erkenntnis vom 20. Juli 1994 mit einem in bezug auf die vorgeworfenen Handlungen wortgleichen Schuldspruch für schuldig, gegen die im § 43 Abs. 1 und 2 des Beamtendienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, normierten Dienstpflichten, nämlich seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu und gewissenhaft mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen und in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen zu haben. Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen sprach die Disziplinarbehörde gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z. 4 dieses Gesetzes die Disziplinarstrafe der Entlassung aus.
In der Begründung verwies die Disziplinarkommission auf die oben genannte Strafverfügung des Bezirksgerichts Salzburg und die Disziplinaranzeige der Postinspektion XY vom 29. März 1993 samt den hiezu angestellten Erhebungen, wodurch die Dienstpflichtverletzungen erwiesen seien:
Am 12. März 1993 gegen 04.50 Uhr sei der Beschwerdeführer von dem in der Paketzustellung Dienst versehenden B. dabei beobachtet worden, wie er eine Paketsendung geöffnet habe. Über Meldung beim Vorgesetzten Sch. sei am 16. März 1993 der vom Beschwerdeführer benutzte Spind vom Erhebungsdienst in Gegenwart des Beschwerdeführers einer Kontrolle unterzogen worden. Dabei seien Gegenstände, Rechnungen und Fragmente von Verpackungen vorgefunden worden, die sich auf die in den Anschuldigungspunkten genannten Postsendungen bezogen hätten. Nach den in der mündlichen Verhandlung gemachten Aussagen habe der Beschwerdeführer in allen Fällen dieselbe Vorgangsweise eingehalten. Demnach sei der Beschwerdeführer dafür eingesetzt gewesen, in der Paketzustellhalle die Zuladung für verschiedene Kraftgüterposten zu besorgen. Aus seiner dienstlichen Erfahrung habe der Beschwerdeführer gewußt, daß für diese Kraftgüterpost immer sogenannte "Retoursendungen" für den Verlag "Das Beste" zu verladen gewesen seien. Das Aneignen der Pakete sei ausschließlich während des Nachtdienstes erfolgt. Der Beschuldigte habe die Postsendungen von den in diesem Bereich abgestellten Paketcontainern herausgenommen, sie in einem Postsack verborgen und in der Folge zu dem im Keller des Postamtes 5020 XY befindlichen Spind gebracht. In der Folge habe er die Postsendungen geöffnet, den Inhalt an sich genommen und die restliche Verpackung entweder im Spind oder in einem Müllkorb deponiert. In seiner Verantwortung sei der Beschuldigte lediglich zu den im Spruch geschilderten Fakten geständig gewesen, habe jedoch mitgeteilt, daß er in fünf bis zehn anderen Fällen Pakete geöffnet, den Inhalt jedoch nicht entnommen habe.
Der Beschwerdeführer habe im Laufe des Verfahrens bestritten, in Bereicherungsabsicht gehandelt zu haben. Er sei lediglich von Neugierde getrieben gewesen. Er habe die Tonträger und Videobänder nur deshalb entnommen, um sie später auf private Tonbänder bzw. Videobänder überspielen zu können. Danach habe er geplant, diese Sendungen wieder in Umlauf zu bringen. Da der Beschuldigte die entnommenen Gegenstände (Fakten 1. bis 4.) nicht zurückgestellt habe, sei diese Verantwortung als reine Schutzbehauptung einzustufen.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung stellte die Disziplinarbehörde zunächst fest, daß Schuldausschließungsgründe nicht vorgelegen seien. Ebenfalls wurde festgehalten, daß von einem disziplinären Überhang auszugehen sei, da die bei der strafgerichtlichen Verurteilung für die disziplinäre Verfolgung wesentlichen Gesichtspunkte, wie die Funktionsfähigkeit der Verwaltung, das Vertrauen der Allgemeinheit und des Dienstgebers in die sachliche Wahrnehmung der Verwaltungstätigkeit sowie die Einhaltung und Beachtung der besonderen Pflichten des Beamten, in keiner Weise berücksichtigt worden seien. Neben der durch die strafrechtliche Verurteilung konkretisierten Verletzung der Rechtsordnung habe der Beschuldigte seine Treuepflicht im Sinne des § 43 Abs. 1 BDG 1979 auf das gröblichste vernachlässigt. Im gegenständlichen Fall sei das Interesse des Dienstgebers eindeutig auf die ordnungsgemäße Weiterleitung der Paketsendungen, die der PTV anvertraut gewesen seien, gerichtet gewesen. Wegen der Verpflichtung zu gewissenhaftem Handeln sei der Beschuldigte angehalten, ein zuverlässiges und aufrichtiges Verhalten bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben an den Tag zu legen. Eine weitere Verletzung des vom Beschuldigten geforderten treuen und gewissenhaften Handelns sehe die Disziplinarkommission darin, daß der Beschuldigte eine regelrechte Methode für seine Diebstahlshandlungen entwickelt habe.
Zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 hielt die Disziplinarkommission fest, daß es sich um die Auferlegung eines Verhaltensmaßstabes handle. Ob die Allgemeinheit von einem bestimmten Fehlverhalten tatsächlich Kenntnis erlange, sei für die disziplinäre Verfolgung nicht erheblich. Nach Meinung der Disziplinarkommission habe das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten in den Augen der Allgemeinheit zu einem massiven Vertrauenseinbruch geführt. Eine besonders nachhaltige Verletzung des Vertrauens ergebe sich auch aus dem Umstand der Fortsetzung der Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum. Die Schwere der Dienstpflichtverletzung sowie das Fehlen der erforderlichen Verläßlichkeit bzw. der eingetretene Vertrauensbruch zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer ließen den Beschwerdeführer für den öffentlichen Dienst untragbar erscheinen. Dies mache es für den Dienstgeber unzumutbar, das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis mit dem Beschwerdeführer weiter fortzusetzen. Am eingetretenen Vertrauensverlust könne auch die einwandfreie Dienstleistung nach Aufdeckung der Tat nichts ändern. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1993, 93/09/0361, stellte der Disziplinarsenat fest, daß sich der Beschwerdeführer durch sein Verhalten der Stellung eines Beamten unwürdig gezeigt habe. Angesichts der Art und Schwere der begangenen Verfehlung komme eine andere Disziplinarmaßnahme als jene der Entlassung nicht in Betracht, weshalb alle möglicherweise sonst gegebenen Milderungsgründe nicht zum Tragen kommen könnten. Erschwerend seien der Umstand der wiederholten Pflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum sowie der gröbliche Mißbrauch des entgegengebrachten Vertrauens.
Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. November 1994 nach durchgeführter mündlicher Verhandlung keine Folge und pflichtete der Behörde erster Instanz vollinhaltlich bei. Begründend führte die belangte Behörde nach ausführlicher Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung aus, daß sich der Beschwerdeführer durch den wiederholten Eingriff in fremdes Vermögen schwerwiegender Dienstpflichtverletzungen schuldig gemacht habe. Die Respektierung fremden Eigentums durch die Bediensteten der Post, welche in sämtlichen Bereichen ihrer Tätigkeit mit fremdem Eigentum in Berührung kämen, sei oberstes Gebot zur Aufrechterhaltung des Betriebes. Den Mitarbeitern im Umleite- und Verladedienst komme hiebei eine besondere Vertrauensstellung zu. Dieses Vertrauen habe der Beschwerdeführer durch die ihm angelasteten wiederholten Verfehlungen auf das gröblichste verletzt. Bei der zunehmenden Konkurrenzierung der Post durch private Beförderungsunternehmen sei gerade die Erhaltung des Vertrauens der Kunden in die korrekte Beförderung ihrer Sendungen von besonderer Bedeutung. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten das zwischen ihm und der Post, aber auch das zwischen der Post und ihren Kunden bestehende Vertrauensverhältnis aufs ärgste geschädigt. Dieses nicht wiederherstellbare Vertrauensverhältnis und der Ansehensverlust bewirkten, daß dem Beschwerdeführer die für die verantwortungsvolle Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit erforderliche Verläßlichkeit fehle und er somit nicht mehr im öffentlichen Dienst verwendet werden könne. Der Senat sei sich bewußt, daß die Entlassung nur dann verhängt werden solle, wenn keine andere Strafart der Schwere der als erwiesen angenommenen Dienstpflichtverletzungen entspreche. Sie sei als Instrument des im Beamtendienstrechtsgesetz enthaltenen sogenannten "Untragbarkeitsgrundsatzes" zu sehen.
Es treffe nicht zu, daß das Strafgericht in seiner Verurteilung auf den Umstand der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Postdienst Bedacht genommen und dies strafverschärfend berücksichtigt habe. Ein disziplinärer Überhang sei im gegenständlichen Fall unzweifelhaft zu bejahen, weil das Strafgericht nicht den spezifisch dienstrechtlichen Aspekt der Tat zu beurteilen gehabt und dies auch nicht getan habe. Zu den in der Berufung vorgebrachten Milderungsgründen, nämlich dem Geständnis, der Schadenswiedergutmachung und der Unbescholtenheit, sei auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 29. September 1992, 91/09/0186, zu verweisen, wonach bei Vorliegen besonders schwerwiegender Dienstvergehen, um solche handle es sich hier, und der daraus resultierenden gravierenden Nachteile für den Dienstgeber andere Kriterien für die Strafbemessung nicht ausschlaggebend sein könnten. Da der Senat bereits aufgrund der Schwere der Dienstpflichtverletzungen zu der Ansicht gelangt sei, daß der Beamte für den öffentlichen Dienst untragbar geworden sei, erübrigten sich nähere Erörtungen über allfällige Milderungsgründe.
Schließlich erwähnt die belangte Behörde, daß im Bereich der Privatwirtschaft bereits geringere Verfehlungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führten und von einem Beamten als Gegenleistung für die ihm gebotene soziale Sicherheit unter anderem ein besonderes Maß an Treue und Integrität erwartet werde. Es sei auch nicht außer acht zu lassen, daß die Strafe lediglich die Folge der vom Beschwerdeführer selbst zu verantwortenden Handlungen sei und eine unangebrachte Milde der Disziplinarbehörde gerade im Falle des Beschwerdeführers in der Öffentlichkeit und in der Kollegenschaft kein Verständnis fände.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf schuldangemessene Strafzumessung, allenfalls auch auf Anwendung der Bestimmung des § 94 BDG und - "vorsichtshalber wegen Verletzung der Bestimmung des § 231 BDG" - verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorab ist zu bemerken, daß im Beschwerdefall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens sowie der Tatzeitpunkte die (disziplinarrechtlichen) Bestimmungen der 2. BDG-Novelle 1993, BGBl. Nr. 16/1994, keine Anwendung finden (siehe dazu § 238 Abs. 3 und 4 BDG 1979 i.d.F. BGBl. Nr. 16/1994).
§ 231 BDG 1979 ordnet an:
"Bei der Bestellung der Mitglieder der Leistungsfeststellungs- und der Disziplinarkommissionen in der Post- und Telegraphenverwaltung kommt das dem Zentralausschuß zustehende Bestellungsrecht der in diesem Bereich eingerichteten Vertretung der Dienstnehmer zu."
Die allgemeine Bestimmung zur Bestellung der Disziplinarsenatsmitglieder im § 98 Abs. 3 BDG 1979 lautet:
"Der Vorsitzende, seine Stellvertreter und die Hälfte der weiteren Mitglieder der Disziplinarkommission sind vom Leiter der Zentralstelle mit Wirkung vom 1. Jänner auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen. Die zweite Hälfte der weiteren Mitglieder ist von dem (den) zuständigen Zentralausschuß (Zentralausschüssen) zu bestellen."
Im Rahmen des - "vorsichtshalber" vorgetragenen - Beschwerdepunktes der Verletzung des § 231 BDG 1979 lautet die Begründung des Beschwerdeführers lediglich: "Eine Überprüfung, ob die Bestimmung des § 231 BDG eingehalten wurde, ist mir nicht möglich gewesen." Aufgrund dieser knappen Begründung ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, worin die Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch Nichtbeachtung des § 231 BDG 1979 gelegen sein soll. Der Beschwerdeführer ist im übrigen den in der Gegenschrift enthaltenen Ausführungen, die die Annahme einer nicht ordnungsgemäßen Zusammensetzung der Disziplinarkommission als unberechtigt darstellen, nicht weiter entgegengetreten.
Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß die belangte Behörde zu Unrecht die Bestimmung des § 94 BDG 1979 nicht angewendet habe. Der Einleitungsbeschluß sei am 7. Juli 1993, sohin dreieinhalb Monate nach Hervorkommen der Tat, erlassen worden. Das gerichtliche Strafverfahren sei am 30. Dezember 1993 abgeschlossen worden. Eine Fortführung des Disziplinarverfahrens sei erst am 20. April 1994 erfolgt, sodaß unter Einrechnung der durch die Einleitung des Strafverfahrens gehemmten Frist die Erledigung bzw. Fortführung des Disziplinarverfahrens nicht innerhalb der Verjährungsfristen erfolgt sei.
§ 94 Abs. 1 und 2 BDG 1979, in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vor der 2. BDG-Novelle 1993 BGBl. Nr. 16/1994, lauten (auszugsweise):
"(1) Der Beamte darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht
1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder
2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,
eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde.
(2) Der Lauf der in Abs. 1 genannten Fristen wird gehemmt
1. für die Dauer eines strafgerichtlichen Verfahrens oder eines Verwaltungsstrafverfahrens, wenn der der Dienstpflichtverletzung zugrunde liegende Sachverhalt Gegenstand eines solchen Verfahrens ist, und
2. in ..."
Die im § 94 BDG 1979 geregelte Verjährung kommt NUR dann in Betracht, wenn die Erlassung einer Disziplinarverfügung oder eines Einleitungsbescheides nicht innerhalb der Fristen des § 94 Abs. 1 leg. cit. gegenüber dem Beamten erfolgt (auch Abs. 2 dieser Gesetzesstelle bezieht die dort geregelte Hemmung nur auf die Fristen des Abs. 1). Daß der mit dessen Zustellung am 31. August 1993 an den Beschwerdeführer ergangene Einleitungsbeschluß vom 7. Juli 1993 außerhalb der Fristen des § 94 Abs. 1 BDG 1979 ergangen wäre, behauptet der Beschwerdeführer nicht und es ergibt sich dafür nach der Aktenlage auch kein Anhaltspunkt (Hervorkommen der 1992 und 1993 gesetzten Taten Mitte März 1993). Unbeschadet der Frage, ob sich die Berufung des Beschwerdeführers nicht ohnedies nur gegen den Strafausspruch richtete, kann aus den in der Beschwerde enthaltenen Ausführungen zur Verjährung für den Beschwerdeführer somit nichts gewonnen werden.
Schließlich macht der Beschwerdeführer geltend, daß die Disziplinarstrafe der Entlassung bei Abwägung der vorliegenden Milderungs- und Erschwerungsgründe nicht schuldangemessen und zu hart sei. Darüber hinaus habe die belangte Behörde zu Unrecht angenommen, daß trotz der vorliegenden rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung ein "derart hoher disziplinärer Überhang" bestehe, daß allein die Disziplinarstrafe der Entlassung gerechtfertigt wäre. Dabei betont der Beschwerdeführer, daß das Gericht nicht eine Freiheitsstrafe, sondern eine Geldstrafe über ihn verhängt habe. Die belangte Behörde hätte bei der Strafbemessung berücksichtigen müssen, daß die "Tathandlungen" schon Jahre zurückliegen, daß er sich seither immer wohlverhalten habe, daß er unbescholten sei, daß es sich bei der Tat teilweise nur um einen Versuch gehandelt habe, daß er den Schaden wieder gut gemacht habe und daß ein volles und reumütiges Geständnis vorliege. "Spezifische Erschwerungsgründe" lägen hingegen keine vor.
Die vom Beschwerdeführer angesprochenen Bestimmungen des BDG 1979 (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 16/1994) lauten:
"§ 95 (1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, daß die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrundegelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis einer Verwaltungsbehörde) gebunden. ...
(3) Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten."
§ 93 Abs. 1 BDG 1979 lautet:
"Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen."
Der Beschwerdeführer bringt im Sinn des § 95 Abs. 3 BDG 1979 vor, daß kein derartiger disziplinärer Überhang gegeben gewesen wäre, der die Entlassung gerechtfertigt hätte.
Die Entlassung als die schwerste Disziplinarstrafe gegen aktive Beamte bezweckt, daß sich die Dienstbehörde von einem Beamten, der sich infolge seines Fehlverhaltens untragbar gemacht hat (Untragbarkeitsgrundsatz), unter Auflösung des Beamtenverhältnisses trennen kann. Nur die im Fehlverhalten des Beamten offenbar gewordene Untragbarkeit, die es der Dienstbehörde unzumutbar macht, mit dem Beamten weiterhin das Beamtenverhältnis fortzusetzen, darf Grund für die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung sein. Damit bewirkt die Entlassung zugleich die Reinigung der Beamtenschaft von einem Organwalter, der sich nicht mehr als würdig erwiesen hat, ihr noch weiterhin anzugehören (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1992, 91/09/0186, und vom 23. März 1994, 93/09/0391, jeweils m.w.N.).
Ein Beamter, der bei Ausübung seines Dienstes bei der Post vier Diebstähle zum Nachteil des Dienstgebers begeht und einen weiteren versucht, ist grundsätzlich als Beamter nicht mehr tragbar, weil durch eine derartige Straftat nicht nur das Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit zerstört wird. Denn der entscheidende Gesichtspunkt ist hierbei, daß sich die Verwaltung auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten bei dessen Dienstausübung verlassen muß, weil seine lückenlose Kontrolle nicht möglich ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1989, 88/09/0148).
Daß die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten gerade im Bereich der Post bei dem dort häufig gegebenen Umgang mit Geld und geldwerten Gegenständen ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in mehreren Erkenntnissen näher ausgeführt (vgl. die - jeweils Vermögensdelikte von Postbeamten betreffenden - Erkenntnisse vom 28. März 1984, 83/09/0093, vom 15. Dezember 1989, 89/09/0092, vom 18. Oktober 1990, 90/09/0088, vom 18. November 1993, 93/09/0361, und vom 17. November 1994, 93/09/0316).
Die belangte Behörde hat unter ausführlicher Begründung richtig erkannt, daß angesichts der Art und Schwere der begangenen Straftaten auch im Beschwerdefall eine andere Disziplinarmaßnahme als jene der Entlassung nicht in Betracht kam, weshalb alle möglicherweise sonst gegebenen Milderungsgründe (wie die Unbescholtenheit, das Wohlverhalten nach der Tat, die ohnedies erst nach Tatentdeckung erfolgte Schadensgutmachung, das "volle und reumütige" Geständnis und die Tatsache, daß die Dienstpflichtverletzungen einige Jahre zurückliegen) dahingestellt bleiben konnten (vgl. dazu wiederum das Erkenntnis vom 18. Oktober 1990, 90/09/0088, m.w.N.).
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995090032.X00Im RIS seit
20.11.2000