Entscheidungsdatum
05.10.2022Norm
KFG 1967 §103 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Robert Dullnig als Einzelrichter über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 08. September 2022, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Kraftfahrzeuggesetz 1967 (KFG) zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Zif. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem im Spruch bezeichneten Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als Masseverwalter der B KG, auf welche der Lastkraftwagen mit dem behördlichen Kennzeichen *** zugelassen sei, der belangten Behörde über deren schriftliche Anfrage vom 06. Juni 2022 (gemeint: 1. Lenkererhebung zu Zl. ***) nicht innerhalb von zwei Wochen nach deren Zustellung am 10. Juni 2022 darüber Auskunft erteilt, wer dieses Kraftfahrzeug am 01. April 2022 um 20:53 Uhr in *** auf der Autobahn *** nächst Straßenkilometer *** gelenkt habe und habe auch keine andere Person benannt, welche die Auskunft erteilen hätte können.
Der Beschwerdeführer habe dadurch § 103 Abs. 9 lit. c) KFG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Strafe in der Höhe von € 75,00 (bei einer Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde ihm gemäß § 64 Abs.2 VStG ein Kostenbeitrag in der Höhe von € 10,00 auferlegt.
Begründet wurde das Straferkenntnis unter Verweis auf den Rückschein der Lenkererhebung vom 06. Juni 2022, welche eine Bedienstete des Beschwerdeführers am 10. Juni 2022 entgegennahm, damit, dass diese an ihn als Masseverwalter ergangen sei und er daher für die Erteilung der Lenkerauskunft zuständig gewesen sei, welche er nicht erteilt habe.
Zur subjektiven Tatseite wird unter Hinweis auf § 5 VStG ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, einen Beweis für mangelndes Verschulden zu erbringen. Hinsichtlich der Strafbemessung wurde ohne nähere Ausführungen auf zwei einschlägige verwaltungstrafrechtliche Vormerkungen verwiesen.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Gegen das vorbezeichnete Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und beantragte dessen Aufhebung sowie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.
Der Beschwerdeführer brachte zusammengefasst vor, dass er die Verwaltungsübertretung nicht begangen habe, da die Lenkererhebung vom 06. Juni 2022 ausdrücklich an die Fa. B KG als Schuldnerin und nicht an ihn als Masseverwalter gerichtet gewesen sei. Der Umstand, dass das Auskunftsersuchen aufgrund der insolvenzgerichtlich verfügten Postsperre im Zuge einer Nachsendung an seine Kanzlei weitergeleitet worden sei, bedeute nicht, dass er als Masseverwalter verpflichtet sei, eine unrichtig adressierte Auskunftsanfrage umzudeuten. Eine Auskunftspflicht bestünde nach der (in der Beschwerde wiedergegebenen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für ihn nämlich nur dann, wenn das Auskunftsbegehren an ihn als Masseverwalter gerichtet sei.
3. Feststellungen:
Mit Beschluss des Handelsgerichtes *** vom 02. Mai 2022, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführer mit Wirkung zum 03. Mai 2022 zum Masseverwalter der B KG als Schuldnerin bestellt.
Mit Schreiben vom 06. Juni 2022, Zl. ***, ersuchte die belangte Behörde gestützt auf § 103 Abs. 2 KFG die „B KG, ***, ***“ als Zulassungsbesitzerin, um Erteilung der Auskunft, wer das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen *** zu und an dem unter Punkt 1. näher genannten Zeitpunkt und Ort gelenkt hat. Das Schreiben war nur an die B KG als Empfängerin gerichtet und adressiert und wurde mittels eines RSb-Briefes an diese versendet. Aufgrund der Wirkungen des Insolvenzverfahrens wurde das Schreiben jedoch an den Beschwerdeführer als Masseverwalter in diesem Verfahren gesendet.
Am 10. Juni 2022 wurde das vorstehende Auskunftsersuchen von einer Bediensteten des Beschwerdeführers übernommen. Die Übernahme ist auf dem Rückschein dokumentiert, wobei die Empfängerdaten der B KG von der Bediensteten auf jene des Beschwerdeführers händisch korrigiert wurden.
Am 18. August 2022 wurde das Insolvenzverfahren über die B KG wieder aufgehoben.
4. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt in Zusammenschau mit den Ausführungen in der Beschwerde.
Entscheidungswesentlich für die vorliegende Beschwerdesache ist nur die erste an die B KG als Zulassungsbesitzerin gerichtete, adressierte und versandte Lenkererhebung vom 06. Juni 2022, ***, da dem Beschwerdeführer nur eine Verwaltungsübertretung hinsichtlich einer auf dieser Lenkererhebung beruhenden Auskunftsnichterteilung zur Last gelegt wurde.
Die Feststellung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens gründet sich auf eine Einschau in die Bekanntmachungen in der Ediktsdatei am 05. Oktober 2022.
5. Rechtslage:
Gemäß § 103 Abs. 2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftsplicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, die Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. [...]
Für die vorliegende Beschwerdesache darf auf die nachfolgende (und zum Teil schon in der Beschwerde ins Treffen geführte) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden:
Als Zulassungsbesitzer im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 ist jene Person gemeint, der diese Eigenschaft zu jenem Zeitpunkt zukam, auf welchen sich die behördliche Anfrage bezogen hat (vgl. VwGH vom 16. November 2012, Zl. 2012/02/0193 unter Verweis auf VwGH vom 25. April 1997, Zl. 97/02/0117).
Den Masseverwalter trifft hinsichtlich der zum Massevermögen gehörigen mehrspurigen Kraftfahrzeuge auch die Pflicht zur Führung allenfalls erforderlicher Aufzeichnungen und zur Beantwortung von Anfragen, auch wenn sich letztere auf Zeiträume vor Konkurseröffnung (Bestellung bzw. Einführung als Masseverwalter) beziehen (vgl. VwGH vom 16. November 2012, Zl. 2012/02/0193 unter Verweis auf VwGH vom 7. Oktober 2005, Zl. 2005/17/0194).
In solchen Fällen muss das Auskunftsersuchen an den Masseverwalter gerichtet werden. Fälschlich an den Gemeinschuldner gerichtete Anfragen müssen vom Masseverwalter nicht beantwortet werden. Die anfragende Behörde hat nämlich zu entscheiden, an wen das Auskunftsbegehren zu richten ist. Die Vorschriften über die Postsperre nach § 78 KO bedeuten nicht, dass der Masseverwalter verpflichtet wäre, eine unrichtig adressierte Lenkerauskunftsfrage umzudeuten (vgl. VwGH vom 26. April 2002, Zl. 2001/02/0172 im Hinblick auf § 103 Abs. 2 KFG unter Verweis auf VwGH vom 14. Dezember 1998, Zl. 97/17/0509 mit weiteren Nachweisen).
6. Erwägungen:
Die Beschwerde erweist sich angesichts der unter Punkt 5. wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als begründet.
Ab der Bestellung des Beschwerdeführers zum Masseverwalter per 03. Mai 2022 hätte ihn nach der wiedergegebenen Rechtsprechung grundsätzlich die Verpflichtung zur Erteilung der hier interessierenden Auskunft getroffen. Allerdings war die Lenkererhebung vom 06. Juni 2022, für deren Nichtbeantwortung der Beschwerdeführer schließlich bestraft wurde, nicht an ihn, sondern an die B KG als Zulassungsbesitzerin gerichtet und adressiert. Er war sohin nicht verpflichtet, die ihm (aufgrund des Insolvenzverfahrens) zugegangene Lenkererhebung umzudeuten und der Auskunftspflicht nachzukommen. Im Ergebnis war es daher auch nicht rechtswidrig, dass der Beschwerdeführer die Auskunft nicht erteilte, weshalb das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.
7. Zu den Kosten:
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen, weil der Beschwerde Folge zu geben war.
8. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.
9. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dazu wird auf die im Erkenntnis wiedergegebene Rechtsprechung (insbesondere VwGH vom 26. April 2002, Zl. 2001/02/0172) verwiesen.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Verwaltungsstrafe; Lenkerauskunft; Masseverwalter; Auskunftspflicht;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2554.001.2022Zuletzt aktualisiert am
28.11.2022