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20/02 Familienrecht;Norm
EheG §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte
Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der K, zuletzt in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Februar 1995, Zl. SD 1148/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. Februar 1995 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin sei ihren Angaben zufolge zuletzt am 1. September 1994 nach Österreich eingereist. Der ihr am 31. August 1994 von der österreichischen Botschaft in Belgrad ausgestellte Touristensichtvermerk habe am 26. September 1994 seine Gültigkeit verloren. Am 5. Oktober 1994 sei die Beschwerdeführerin in Wien wegen des Verdachtes der Geheimprostitution und wegen unerlaubten Aufenthaltes festgenommen worden. Wegen des seit 27. September 1994 illegalen Aufenthaltes in Österreich sei die Beschwerdeführerin mit Straferkenntnis vom 10. Oktober 1994 bestraft worden. Zu dem Vorhalt des unerlaubten Aufenthaltes in Österreich habe die Beschwerdeführerin (am 10. Oktober 1994) angegeben, sie hätte ihren Freund besuchen wollen; dieser hätte für sie einen Sichtvermerk beantragen wollen, da sie in Österreich hätte bleiben und ihre Kinder nachholen wollen.
In ihrer durch Rechtsanwalt Dr. E (dem nunmehrigen Beschwerdevertreter) eingebrachten Berufung vom 24. Oktober 1994 habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß sie nach ihrer Scheidung am 12. März 1993 eine Beziehung zu einem in Wien lebenden jugoslawischen Staatsbürger aufgenommen hätte. Sie hätte daher die Absicht, wieder ständig in Österreich Aufenthalt zu nehmen. Ihr Freund hätte für sie einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung stellen wollen. Aus diesem Grund habe sie nach ihren Angaben am 31. August 1994 die Erteilung eines Touristensichtvermerkes beantragt. Anders habe die Beschwerdeführerin den Sachverhalt in ihrer schon vorher durch Rechtsanwalt DDr. W eingebrachten Berufung vom 13. Oktober 1994 geschildert. Danach hätte sie an und für sich einen Verwandtenbesuch machen wollen, hätte aber während ihres Aufenthaltes in Österreich ihren nunmehrigen jugoslawischen Lebensgefährten kennen und lieben gelernt. Sie hätten die Absicht gehabt, noch in Österreich die Ehe zu schließen; es hätten jedoch nicht alle Dokumente so rasch beschafft werden können. Da sich die persönliche Bindung erst nach ihrer Einreise ergeben hätte, wäre keine Täuschung vorgelegen. Gerade diese nicht nur undeutliche, sondern sogar widersprüchliche Verantwortung vermöge die Schlußfolgerung der Erstbehörde, daß die Beschwerdeführerin bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung (am 31. August 1993) nicht die Absicht gehabt hätte, bloß als Touristin oder Besucherin für die beantragte Sichtvermerksdauer nach Österreich zu kommen, nicht zu widerlegen. Auch die belangte Behörde sei zu der Überzeugung gelangt, daß die Beschwerdeführerin, die ihren Freund schon vorher gekannt habe, den Sichtvermerk dazu habe benützen wollen, die Behörden durch eine Eheschließung, die offensichtlich rasch hätte bewerkstelligt werden sollen, vor vollendete Tatsachen zu stellen, und daß sie damit gegenüber einer österreichischen Behörde unrichtige Angaben über den wahren Zweck bzw. die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthaltes gemacht habe, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen.
Angesichts dieses Sachverhaltes sei nach Ansicht der belangten Behörde der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht. Das dargestellte Fehlverhalten und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens rechtfertigten auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.
Da die Beschwerdeführerin seit 12. März 1993 geschieden sei und sich ihre zwei minderjährigen Kinder, für die sie sorgepflichtig sei, in Jugoslawien aufhielten, könne von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- und Familienleben i.S. des § 19 FrG keine Rede sein. Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vom 24. Oktober 1994 von "Familienzusammenführung" spreche, so sei eine solche wohl nur in ihrer Heimat, wo sich ihre Familie befinde, möglich. Eine Lebensgemeinschaft, auf die sich die Beschwerdeführerin in Wahrheit berufe, falle aber nicht in den Schutzbereich des § 19 FrG. Abgesehen davon sei vorliegend im Hinblick darauf, daß der Freund der Beschwerdeführerin noch bei seiner Familie lebe, das Wort "Lebensgemeinschaft" kaum der richtige Ausdruck für diese Beziehung. Mangels eines Eingriffes i. S. des § 19 FrG sei weder zu überprüfen, ob die gegen die Beschwerdeführerin gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei, noch eine Interessenabwägung i.S. des § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie schließe allein aus der Tatsache, daß sich die Beschwerdeführerin auch noch nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Sichtvermerkes in Österreich aufgehalten habe, darauf, daß diese vor einer österreichischen Behörde unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthaltes gemacht habe, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen (§ 18 Abs. 2 Z. 6 FrG). Die belangte Behörde habe jedoch nicht darauf Bedacht genommen, daß die Beschwerdeführerin lediglich zur Überbringung von Unterlagen für die Stellung eines Antrages auf Aufenthaltsbewilligung durch ihren Freund eingereist sei. Erst nach ihrer Einreise habe sie Kenntnis davon erhalten, daß die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung für sie und ihre Kinder für das Jahr 1994 unmöglich sei (Erschöpfung der Quote). Aus diesem Grund sei die Beschwerdeführerin gezwungen gewesen, "um das Leben meiner Kinder und meiner Person zu sichern, in Österreich Geld zu verdienen". Da ihr die Unmöglichkeit, eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen, zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der österreichischen Botschaft in Belgrad (betreffend einen Sichtvermerk) noch nicht bekannt gewesen sei, habe sie keinesfalls unrichtige Angaben über die Dauer des Aufenthaltes in Österreich gemacht. Der Aufenthaltsverbotsgrund des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG liege daher nicht vor.
1.2. Demgegenüber kann der Gerichtshof - im Rahmen der ihm insoweit zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) - nicht finden, daß die von der belangten Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung angestellten Überlegungen (siehe die Sachverhaltsdarstellung oben I. 1.) unschlüssig wären. Insbesondere die anläßlich der Vernehmung der Beschwerdeführerin am 10. Oktober 1994 und übereinstimmend damit in der Berufung vom 24. Oktober 1994 zum Ausdruck gebrachte Absicht, aufgrund ihrer Beziehung zu einem (namentlich genannten) in Wien lebenden Freund ständigen Aufenthalt in Österreich nehmen zu wollen, in Verbindung mit der in der genannten Berufung enthaltenen (und in der Beschwerde wiederholten) Behauptung, ihr Freund habe nach Übergabe der erforderlichen Urkunden für sie eine Aufenthaltsbewilligung beantragen wollen, lassen die von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Tatsache, daß die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Beantragung eines Sichtvermerkes am 31. August 1994 nicht die Absicht gehabt habe, bloß als Tourist für die beantragte Dauer der Gültigkeit des Sichtvermerkes (bis 26. September 1994) nach Österreich einzureisen, als mit den Denkgesetzen durchaus in Einklang stehend erkennen. Dazu kommt, daß die Beschwerdeführerin weder bei ihrer Vernehmung am 10. Oktober 1994 noch in der Berufung vom 24. Oktober 1994 auch nur behauptet hat, die Absicht gehabt zu haben, nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihr erteilten Touristensichtvermerkes aus dem Bundesgebiet auszureisen. Das gegenteilige Vorbringen in ihrer - inhaltlich in mehrfacher Hinsicht zur (zweiten) Berufung vom 24. Oktober 1994 in Widerspruch stehenden - (ersten) Berufung vom 13. Oktober 1994 verbunden mit dem Zusatz, daß "die Verhaftung dazwischen (kam)", vermag die Annahme der belangten Behörde schon im Hinblick darauf nicht zu erschüttern, daß die Beschwerdeführerin erst neun Tage nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Sichtvermerkes festgenommen wurde.
2. Die auf der besagten maßgeblichen Sachverhaltsfeststellung beruhende rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde, daß vorliegend der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht sei, begegnet keinem Einwand, diente doch der Sichtvermerk der Beschwerdeführerin dazu, um sich die Einreise in das Bundesgebiet zu verschaffen.
Gleichfalls unbedenklich ist die auf dieser Subsumtion gründende Ansicht der belangten Behörde, es sei die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme angesichts der durch den (weiteren) Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich gegebenen Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gerechtfertigt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0020).
3. Der Gerichtshof pflichtet der belangten Behörde auch in ihrer Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG zu. Denn selbst wenn man - anders als die belangte Behörde - in Anbetracht des einem ca. einjährigen Aufenthalt in ihrer Heimat (bis 31. August 1994) vorangegangenen (aktenkundigen) etwa dreijährigen rechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich (vom 20. September 1990 bis 6. September 1993) einen relevanten Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin annehmen wollte, wäre das Aufenthaltsverbot i.S. des § 19 leg. cit. zulässig, da dringend geboten. Im Hinblick auf die Wahrung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK), näherhin die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens - diesem Ziel kommt ein hoher Stellenwert zu -, ist es notwendig, Fremde, die sich, wie die Beschwerdeführerin durch bewußte Irreführung einer österreichischen Behörde bzw. von deren Organen die Einreise in das Bundesgebiet verschafft haben und daran anschließend sich dort noch mehrere Monate unrechtmäßig aufhalten, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0377).
4. Schließlich wäre die - unter der Annahme des Vorliegens eines relevanten Eingriffes in das Privatleben der Beschwerdeführerin i.S. des § 19 FrG - vorzunehmen gewesene Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegengestanden, hätte doch der diesbezüglich einzige von der Beschwerde ins Treffen geführte Umstand, daß die Beschwerdeführerin am 15. November 1994 (mit ihrem mehrfach genannten Freund) die Ehe geschlossen habe, von der belangten Behörde mangels Bekanntgabe durch die Beschwerdeführerin - daß die Behörde von sich aus gehalten gewesen wäre, Ermittlungen hinsichtlich einer allfälligen Eheschließung der Beschwerdeführerin zu pflegen, wird nicht einmal in der Beschwerde vorgebracht - nicht berücksicht werden können. Der erstmals in der Beschwerde erfolgte Hinweis auf die Eheschließung wäre als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) zu werten. Im übrigen ergäben sich aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte dahingehend, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin schwerer wögen als die (erheblichen) nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
5. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995180872.X00Im RIS seit
20.11.2000