TE Vfgh Beschluss 1993/12/15 B1879/93, B1880/93

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Veröffentlicht am 15.12.1993
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags

Spruch

1.a) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

b) Der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1993, B1118/93-5, wird aufgehoben.

2. Die Behandlung der bisher zu B1118/93 protokollierten Beschwerde wird abgelehnt.

Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Einschreiter beantragte zunächst mit zwei (selbstverfaßten) Eingaben vom 20. Dezember 1992 und vom 26. Jänner 1993 die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Dezember 1992, Zl. 4.281.701/24-III/13/92. Dieser Bescheid war ihm am 18. Dezember 1992 zugestellt worden.

Der Verfassungsgerichtshof wies mit Beschluß vom 17. März 1993, Zlen. B2056/92-6, B113/93-5, diese Anträge gemäß §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) ab. Dieser Beschluß wurde dem Einschreiter am 3. Mai 1993 zugestellt.

2. Der Einschreiter erhob weiters gegen den eingangs zitierten Bescheid durch einen (selbstgewählten) Rechtsanwalt eine mit 14. Juni 1993 datierte und am selben Tag zur Post gegebene, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin fehlten zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde jegliche Ausführungen; insbesondere wurde nicht auf die Abweisung der Verfahrenshilfeanträge Bezug genommen.

Die Beschwerde wurde unter einer neuen Zahl (B1118/93) protokolliert und - da der Zusammenhang mit dem erwähnten, die Abweisung der Verfahrenshilfeanträge betreffenden Beschluß nicht erkennbar war - wegen Ablaufs der sechswöchigen Beschwerdefrist (deren Beginn mit Zustellung des angefochtenen Bescheides, also dem 18. Dezember 1992, angenommen wurde) mit Beschluß vom 27. September 1993, B1118/93-5, (zugestellt am 22. Oktober 1993) gemäß §19 Abs3 Z2 litb VerfGG zurückgewiesen und der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgewiesen.

3.a) Nunmehr richtet der Einschreiter zu B1880/93 in dieser Angelegenheit "an den Präsidenten und an das Präsidium des Verfassungsgerichtshofes" zwei weitere, selbstverfaßte, mit

5. und 9. November 1993 datierte Eingaben, die jedoch zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung nicht geeignet sind.

b) Außerdem stellt der Einschreiter zu B1879/93 durch einen Rechtsanwalt den mit 5. November 1993 datierten und am selben Tag zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den oben zu I.1. erwähnten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Dezember 1992, Zl. 4.281.701/24-III/13/92.

Der Antrag wird im wesentlichen wie folgt begründet:

"Mit Zustellung des Beschlusses vom 27.9.1993, mit welchem die Beschwerde zurückgewiesen wurde, wurde mit bekannt, daß anläßlich der Erlassung des Beschlusses vom 27.9.1993 im hg. Verfahren B1118/93 die fristwahrenden Umstände der vorherigen Abweisung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht aktenkundig waren."

Er sei sohin durch ein nicht vorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis, allenfalls durch ein Versehen minderen Grades gehindert gewesen, vor Zustellung des Beschlusses vom 27.9.1993, B1118/93, auf die Umstände, aus welchen die Rechtzeitigkeit der eingebrachten Beschwerde hervorgeht, aufmerksam zu machen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zum Wiedereinsetzungsantrag

a) Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG im §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 10489/1985, 10880/1986).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG ergibt sich, daß das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden.

b) Dem Einschreiter wurde erst durch die am 22. Oktober 1993 erfolgte Zustellung des Beschlusses vom 27. September 1993, B1118/93-5 (s.o. I.2.), bekannt, daß wegen des Fehlens eines Hinweises auf die Abweisung der zu B2056/92 und B113/93 gestellten Verfahrenshilfeanträge (s.o. I.1.) die Verspätung der zu B1118/93 erhobenen Beschwerde angenommen wurde. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde am 5. November 1993 zur Post gegeben, also innerhalb der - nach dem Gesagten mit 22. Oktober 1993 beginnenden - 14-tägigen Wiedereinsetzungsfrist eingebracht.

Er ist auch begründet:

Der Rechtsvertreter des Einschreiters unterließ in der zu B1118/93 erhobenen Beschwerde jegliche Angaben über deren Rechtzeitigkeit oder Hinweise, die darauf hätten schließen lassen, daß die Beschwerde - im Hinblick auf den Beschluß, mit dem ein Verfahrenshilfeantrag abgewiesen worden war (s. §73 Abs2 ZPO iVm §35 VerfGG) - rechtzeitig eingebracht worden war, obgleich die Zustellung des bekämpften Bescheides vor weit mehr als sechs Wochen erfolgt war.

Diese Unterlassung führte zu einer Zurückweisung der Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist; dies kommt jedenfalls bei unabänderlichen Beschlüssen (wie jenen des Verfassungsgerichtshofes) der Verhinderung an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung gleich.

Das Verschulden an der Unterlassung ist nur als leichte Fahrlässigkeit anzusehen; der Fehler ist daher als ein die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindernder, minderer Grad des Versehens iS des §146 Abs1 ZPO einzustufen.

c) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher - gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung - zu bewilligen.

d) Der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1993, B1118/93-5 (s.o. I.2.), war gemäß §150 Abs1 letzter Satz ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG aufzuheben (vgl. VfGH 30.11.1992 B1694/92).

2. Zur Beschwerde

Die zu B1118/93 eingebrachte Beschwerde (s.o. I.2.) - die nunmehr unter B1879/93 geführt wird - wurde rechtzeitig erhoben (Zustellung des die Verfahrenshilfeanträge abweisenden Beschlusses am 3. Mai 1993; Erhebung der Beschwerde durch einen selbstgewählten Rechtsanwalt am 14. Juni 1993, also innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist, die mit 3. Mai 1993 zu laufen begann - §73 Abs2 ZPO iVm §35 VerfGG).

Der Verfassungsgerichtshof lehnt jedoch ihre Behandlung ab:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, läßt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 16.12.1992 B1035/92; 16.12.1992 B 1387,1542/92) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B1879.1993

Dokumentnummer

JFT_10068785_93B01879_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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