TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/20 94/13/0088

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Veröffentlicht am 20.02.1996
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §4 Abs2 lita Z3;
BAO §80 Abs1;
BAO §80;
BAO §9 Abs1;
BAO §9;
EStG 1972 §78 Abs3;
EStG 1988 §78 Abs3;
UStG 1972;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des M i W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. Februar 1994, Zl. GA 7-627/6/94, betreffend Haftung für Umsatzsteuer und für Lohnsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er über die Heranziehung zur Haftung für Umsatzsteuer abspricht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde vom Finanzamt mit Haftungsbescheid vom 26. November 1991 als (ehemaliger) Geschäftsführer der P. GmbH für Umsatzsteuer der Zeiträume August 1987, Oktober 1988 und November 1988, für Lohnsteuer der Zeiträume 1986 sowie November und Dezember 1988 im Gesamtausmaß von S 503.350,-- sowie für Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und den Zuschlag zu dieser Abgabe in Anspruch genommen.

In der Berufung gegen diesen Haftungsbescheid wurde insbesondere hinsichtlich der Haftung für Lohnsteuer vorgebracht, daß im Zeitpunkt der "Fälligkeit" der nach einer Lohnsteuerprüfung hervorgekommenen Abgabennachforderung keine flüssigen Mittel mehr vorhanden gewesen seien.

Nach einem entsprechenden Vorhalt gab der Vertreter des Beschwerdeführers am 12. Oktober 1992 bekannt, daß die P GmbH ihre Tätigkeit Ende 1989 eingestellt habe. Die Gesellschaft sei vermögenslos.

Eine die Berufung als unbegründet abweisende Berufungsvorentscheidung trat durch den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz außer Kraft. Darin wurde geltend gemacht, daß dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der P GmbH keine flüssigen Mittel zur Verfügung gestanden seien, um allfällige Abgabenverbindlichkeiten zu entrichten

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung hinsichtlich Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag stattgegeben, im übrigen wurde sie aber als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde ging dabei davon aus, daß dem Beschwerdeführer zur Entrichtung der erstgenannten Abgaben keine Mittel zur Verfügung gestanden seien. Da es sich demgegenüber bei der Umsatzsteuer um eine mit den Preisen bereits vereinnahmte Abgabe handle, habe der Beschwerdeführer zu deren Entrichtung jedenfalls in der Lage sein müssen. Weiters stelle es eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters dar, wenn zwar Arbeitslöhne voll entrichtet werden, die zur Verfügung stehenden Mittel aber für die darauf entfallende und einzubehaltende Lohnsteuer nicht ausreichen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzun von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretenen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürliche Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Im Beschwerdefall sind das Bestehen der Abgabenforderungen, die Stellung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der GmbH und die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen unbestritten.

Wie aus der Entscheidung über die Haftung für Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und den Zuschlägen hiezu für November und Dezember 1988 erkennbar ist, ging die belangte Behörde entsprechend dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren davon aus, daß für die Entrichtung von Abgaben keine Mittel zur Verfügung standen. Dessen ungeachtet wies die belangte Behörde die Berufung hinsichtlich Haftung für Umsatzsteuer mit der Begründung ab, daß die Umsatzsteuer mit den Preisen vereinnahmt werde und damit für die Entrichtung zur Verfügung stehe. Diese in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründete Auffassung wurde jedoch mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 91/13/0038, nicht mehr aufrechterhalten. Nach diesem Erkenntnis - auf dessen Gründe hingewiesen wird (vgl. § 43 Abs. 2 VwGG) - ist das Verschulden des Geschäftsführers im Zusammenhang mit der Haftung für Umsatzsteuer wie bei anderen Abgaben (mit Ausnahme von Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer) zu beurteilen. Im Hinblick auf die Feststellung über die Mittellosigkeit der Gesellschaft erweist sich somit der angefochtene Bescheid insoweit als inhaltlich rechtswidrig, als damit über die Haftung des Beschwerdeführers für Umsatzsteuer abgesprochen worden ist.

Hingegen ist hinsichtlich der nicht abgeführten Lohnsteuer auf § 78 Abs. 3 EStG 1972 zu verweisen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich daß die volle Zahlung vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine mit den Rechtsfolgen des § 9 BAO bedrohte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten darstellt. Es darf nur ei solcher Betrag zur Auszahlung gelangen, der die Abfuhr der Lohnsteuer erlaubt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1995, 91/14/0255, m.w.H.). Die Auszahlung der Arbeitslöhn wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Der Umstand, daß im Zeitpunkt der "Nachforderung" der Lohnsteuer auf Grund einer Lohnsteuerprüfung keine flüssigen Mittel mehr zur Verfügung standen, ist für die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftenden nicht maßgeblich. Im übrigen verkennt der Beschwerdeführer, daß die Verbindlichkeit an Lohnsteuer nicht erst im Zeitpunkt der "Nachforderung", sondern bereits im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte entstanden ist (vgl. § 4 Abs. 2 lit. a Z. 3 BAO).

Der angefochtene Bescheid war somit, soweit er die Inanspruchnahm des Beschwerdeführers für Umsatzsteuer betraf, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; hinsichtlich der Inanspruchnahme für Lohnsteuer war die Beschwerde jedoch gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Da die vorliegenden Rechtsfragen durch die angeführte Rechtsprechung klargestellt sind, konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994130088.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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