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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1392;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. April 1995, Zl. MA 15-II-B 70/94, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mP: WGKK), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 2. September 1994 hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer als ehemaliger Vizepräsident gemäß § 67 Abs. 10 ASVG im Zusammenhang mit § 83 ASVG verpflichtet sei, der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die auf dem Beitragskonto des Beitragsschuldners Sportklub XY rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 30. August 1994) im Betrage von S 271.871,22 zuzüglich Verzugszinsen seit 31. August 1994 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, dies seien derzeit 10,5 %, berechnet von S 229.290,-- binnen vierzehn Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu zahlen. Nach der Begründung dieses Bescheides seien die im angeschlossenen Rückstandsausweis ausgewiesenen Beiträge samt Nebengebühren (ergänze: im Ausmaß von S 453.118,69) für die Monate September 1992, November 1992, Jänner 1993, März 1993 und März 1994 unbeglichen. Der Beitragsschuldner habe einen gerichtlichen Ausgleich mit einer Quote von 40 % abgeschlossen. Es seien daher die über die Ausgleichsquote hinausgehenden Beiträge samt Nebengebühren im Ausmaß von 60 % uneinbringlich, sodaß sich ein Haftungsbetrag von S 271.871,22 ergebe. Der Beschwerdeführer hafte als zur Vertretung des Vereins berufene Person im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG: Er sei zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge als Vizepräsident zur Vertretung des Beitragsschuldners berufen gewesen. Zu den Pflichten des Vizepräsidenten gehöre es dafür zu sorgen, daß die Beiträge ordnungsgemäß entrichtet würden. Da dies schuldhaft unterblieben sei und der über die Ausgleichsquote hinausgehende Beitragsrückstand nicht eingebracht werden könne, sei die Haftung auszusprechen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch, in welchem er (zusammengefaßt) ausführte, daß er lediglich vom 3. Juli 1993 bis einschließlich 31. Mai 1994 die Funktion "als Geschäftsführer und Vizepräsident" beim Sportklub XY erfüllt habe. Dies müsse auch eindeutig aus den Amtsbestätigungen der Vereinsbehörde hervorgehen. Aufgrund der in seine Amtsperiode fallenden wirtschaftlichen Situation des Sportklubs, in der auf "höchste Weisung der Generaldirektion" einer näher bezeichneten Bank alle finanziellen Transaktionen des Sportklubs über eine - ebenfalls namentlich bezeichnete - Investmentbank hätten durchgeführt werden müssen, seien alle Einnahmen des Sportklubs an diese Bank überwiesen worden. Diese habe die erforderlichen Zahlungen übernommen, die ihr vom Sportklub wöchentlich auf einer Liste übergeben worden seien. Darin enthalten sei auch die Einhaltung der damaligen Ratenvereinbarung gewesen, die "dankenswerterweise" von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse dem Sportklub eingeräumt worden sei. Trotz seiner Funktion als Geschäftsführer des Sportklubs habe er seit Oktober 1993 keinen Einfluß mehr auf die finanzielle Gebarung des Sportklubs gehabt. Diese sei ausschließlich bei den "verantwortlichen Herren" der mehrfach bezeichneten Bank gelegen. Der Beschwerdeführer legte ein Schreiben vor, in dem der Sportklub bestätigte, daß ab dem 30. März 1994 mit Rücksichtnahme auf die bereits vorgesehene Ausgleichsanmeldung überhaupt keine Zahlungen mehr geleistet worden seien. Dies bestätige auch, daß den Verantwortlichen der Bank die Forderungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in voller Höhe bekannt gewesen seien.
In ihrem zu diesem Einspruch erstatteten Vorlagebericht räumte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ein, daß im Hinblick auf die Zahlungseinstellung des Sportklubs eine Haftung bezüglich "der Abrechnung 3/94" nicht vorzuliegen scheine. Hinsichtlich der sonstigen im Bescheid enthaltenen älteren Rückstände seien keine entsprechenden Nachweise für die Abrechnungen September 1992 bis März 1993 vorgelegt worden. Es werde daher beantragt, dem Beschwerdeführer aufzutragen, auch einen entsprechenden Nachweis hinsichtlich dieser Abrechnungen vorzulegen.
In einer vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 1994 wurde
- ausweislich der aktenkundigen Niederschrift über diese Verhandlung - dem Beschwerdeführer aufgetragen, den "Nachweis darüber, daß die Sozialversicherungsbeiträge nicht schlechter behandelt wurden als andere Verbindlichkeiten", binnen sechs Wochen vorzulegen, und zwar für den Zeitraum "ab Geschäftsführerbestellung bis 31. März 1994". Mit Schreiben vom 21. April 1995 teilte zunächst die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse der belangten Behörde mit, daß der eingeschränkte Haftungsbetrag nunmehr S 35.387,08 zuzüglich 10,5 % Verzugszinsen ab 31. August 1994, gerechnet aus S 29.843,01, betrage. Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers langte bei der belangten Behörde nicht ein.
Diese erließ den Bescheid vom 28. April 1995, womit in teilweiser Stattgebung des Einspruches des Beschwerdeführers festgestellt wurde, dieser sei als geschäftsführender Vizepräsident gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet, die auf dem Beitragskonto des Beitragsschuldners Sportklub XY rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengühren (Verzugszinsen berechnet bis 30. August 1994) im Betrag von S 35.387,08 zuzüglich Verzugszinsen seit 31. August 1994 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von S 29.843,01 an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu bezahlen.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es nach einer Darstellung des Verfahrensganges und einem Hinweis auf die angewendeten Rechtsvorschriften, sowie auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes: dadurch, daß sämtliche Einnahmen des Sportklubs an die näher bezeichnete Bank abzuliefern gewesen seien und diese über die Verwendung der Geldmittel allein zu entscheiden gehabt habe, sei einerseits diese Bank gegenüber anderen Gläubigern bevorzugt, andererseits der Beschwerdeführer in seiner Tätigkeit und Ausübung seiner Pflichten behindert worden. Beides wirke jedoch nicht exkulpierend. Im übrigen bestehe nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch eine Haftung für die vor Übernahme der Funktion aufgelaufenen Beitragsverbindlichkeiten, da der Verein nach wie vor verpflichtet sei, die rückständigen Beiträge zu begleichen.
Gegen diesen Becheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften unter anderem die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Da § 67 Abs. 10 ASVG den §§ 9 und 80 BAO nachgebildet wurde, können nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die zu diesen Bestimmungen von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze auch auf § 67 Abs. 10 ASVG übertragen werden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025, vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013, vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0044, sowie - aus jüngerer Zeit - vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0082).
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat, ist die Haftung der gemäß § 67 Abs. 10 ASVG Verantwortlichen ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die daran anknüpft, daß die gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zur rechtzeitigen Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt wurden. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Beurteilung ebenfalls die von der Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0100 mit weiteren Judikaturhinweisen) - kann darin liegen, daß der Verantwortliche die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen des Sozialversicherungsträgers Sorge trägt (vgl. das Erkenntnis vom 28. April 1992, Zl. 92/08/0055 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung).
Leichte Fahrlässigkeit des Vertreters reicht für die Haftung aus und ist schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war (vgl. das Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 19. Juni 1985, Slg. Nr. 6012/F). Es ist somit Sache des als Verantwortlicher herangezogenen Vertreters der juristischen Person, jene Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. das Erkenntnis vom 25. April 1989, Slg. Nr. 12911/A).
Im Beschwerdefall bestreitet der Beschwerdeführer nicht, als geschäftsführender Vizepräsident im Zeitraum vom 3. Juli 1993 bis 31. Mai 1994 eine zur Vertretung des Vereins im hier maßgeblichen Sinne berufene Person gewesen zu sein. Er bekämpft jedoch seine Inanspruchnahme durch den angefochtenen Bescheid auf zwei Ebenen: Er habe (erstens) durch das Vorbringen, alle Gläubiger des Sportklubs seien in der fraglichen Zeit gleich behandelt worden und dem Sportklub sei bereits zum Zeitpunkt der Wahl des Beschwerdeführers in den Vereinsvorstand das Verfügungsrecht über sein Vermögen durch eine Vereinbarung mit der Bank entzogen gewesen, seiner Behauptungspflicht Genüge getan. Dem Beschwerdeführer obliege keine strenge Nachweispflicht, sondern lediglich die konkrete Darstellung der Gründe, die der Entrichtung der Beiträge entgegengestanden seien. Würden einschlägige, substantiierte und plausible Angaben gemacht, so liege es an der Behörde, in Erfüllung der ihr übertragenen Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes entspechende Erhebungen durchzuführen, ergebe sich doch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Einspruch, daß er nicht selbst über die Beweismittel für eine Gleichbehandlung aller Gläubiger verfügt habe, sondern daß diese vom Verein bzw. der Bank vorzulegen gewesen wären. In rechtlicher Hinsicht vertritt der Beschwerdeführer (zweitens) die Auffassung, durch die "Bankenaufsicht", unter der der Verein bereits am 3. Juli 1993 gestanden sei, sei es keinem Vereinsfunktionär erlaubt gewesen, Zahlungen für den Verein zu veranlassen oder Vertretungshandlungen zu setzen, die eine solche Zahlung nach sich gezogen hätten. Alle Einnahmen hätten der Bank abgeliefert werden müssen. Die Übertragung der Verfügungsgewalt über Geldmittel des Vereins an die Bank stelle eine Situation dar, in der der Beschwerdeführer nicht als zur Vertretung des Vereins Berufener angesehen werden könne. Zumindest schließe eine solche Situation ein Verschulden im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG aus, habe doch der Beschwerdeführer darauf vertrauen können, daß sich die Bank pflichtgemäß verhalten und alle Gläubiger gleichbehandeln werde. Gegenteiliges sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt geworden, sodaß er noch keine Pflicht zur Beseitigung der Behinderung seiner Tätigkeit oder zur Zurücklegung der Vorstandsfunktion getroffen habe.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, ist ihm zunächst die oben erwähnte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach es Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, von sich aus die erforderlichen Angaben zu machen, die die Behörde in die Lage versetzt hätten, die Behauptung, es seien alle Verbindlichkeiten gleich behandelt worden, nachzuprüfen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich die Unterlagen, die der Beschwerdeführer für eine entsprechend substantiierte Darstellung der Zahlungsflüsse im fraglichen Zeitraum benötigt hätte, beim Beitragsschuldner bzw. bei der Bank befunden haben. Eine Behauptung dahin, daß der Verein bzw. die Bank sich geweigert hätten, ihm in diese Unterlagen die erforderliche Einsicht zu gewähren, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht aufgestellt. Richtig ist zwar, daß die Behauptungs- und Beweislast des Vertreters nach der Rechtsprechung einerseits nicht überspannt, andererseits nicht so aufgefaßt werden darf, daß die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217, vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0016, uva.); um eine Verpflichtung der Behörde zur eigenen Ermittlungstätigkeit auszulösen, genügt es jedoch nicht, daß der in Anspruch genommene Vertreter unsubstantiiert behauptet, daß alle Forderungen gleich behandelt worden seien. Ob dem in Anspruch genommenen Vertreter der juristischen Person auf die Herausgabe der zur Substantiierung erforderlichen Unterlagen durch den Beitragsschuldner "kein Einfluß zukommt" - wie er in der Beschwerde vorbringt -, ist solange nicht maßgeblich, als er an der Beschaffung der erforderlichen Daten nicht gehindert wird. Selbst dann hätte er jedoch die Behörde zumindest in die Lage zu versetzen, die Ermittlungen in eine geeignete Richtung voranzutreiben, insbesondere durch die Benennung der in Betracht kommenden Beweismittel, wie Urkunden, Zeugen udgl.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag dem Beschwerdeführer aber auch in der Auffassung nicht beizupflichten, daß "die Übertragung der Verfügungsgewalt über Geldmittel des Vereins an die Bank" eine Situation darstelle, in der er nicht mehr als zur Vertretung des Vereins befugt angesehen werden könne. Damit verkennt der Beschwerdeführer den Unterschied zwischen seiner Vertretungsmacht nach außen und einer allfälligen Beschränkung dieser Vertretungsmacht nach innen, wie sie etwa durch den Abschluß eines globalen Mantelzessionsvertrages mit der Bank herbeigeführt werden kann. Zu solchen Verträgen vertritt allerdings der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der Vertreter des Beitragsschuldners dann eine Pflichtverletzung begeht, wenn er entweder durch Abschluß eines solchen Vertrages (oder durch Übernahme der Vereinsfunktion bei einem bestehenden derartigen Vertrag) sich - ungeachtet der dem zur Vertretung nach außen Berufenen auferlegten Pflichten - mit einer derartigen Beschränkung seiner Vertretungsmöglichkeit einverstanden erklärt (vgl. zur Behinderung im allgemeinen die Erkenntnisse vom 10. September 1987, Zl. 86/13/0148, und vom 13. März 1992, Zl. 92/17/0057, und zur Mantelzession im besonderen das Erkenntnis vom 28. Februar 1995, Zl. 91/14/0255, sowie die Rechtsprechung des erkennenden Senates, wie z.B. die Erkenntnisse vom 12. April 1994, 93/08/0209-0261, und vom 14. November 1995, Zl. 94/08/0263). Wird von einem zur Vertretung nach außen Berufenen eine diesen treffende Verpflichtung an dritte (das heißt nicht zur Vertretung nach außen befugte) Personen übertragen, dann hat sich der primär Verpflichtete durch geeignete Kontrollmaßnahmen von der Einhaltung der ihn treffenden Verbindlichkeiten durch den Dritten auch dann laufend zu überzeugen, wenn er - wie der Beschwerdeführer nach seinen Beschwerdebehauptungen - meint, auf ein pflichtgemäßes Verhalten dieses Dritten vertrauen zu können. Dies umsomehr im Beschwerdefall, als der Beschwerdeführer nach der Sachlage nicht ohne weiteres damit rechnen durfte, daß die Bank alle Verbindlichkeiten des Vereins angesichts von dessen prekärer Finanzlage erfüllen werde. Bei Wahrnehmung einer Vernachlässigung der Entrichtung der Sozialversicherungsabgaben hätte der Beschwerdeführer entweder versuchen müssen, diese Ungleichbehandlung mit anderen Forderungen abzustellen, oder es wäre bei ihm gelegen, seine Funktion - zur Vermeidung seiner Inanspruchnahme gemäß § 67 Abs. 10 ASVG - zur Verfügung zu stellen.
Da die Verpflichtung zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten nicht mit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung, sondern erst mit ihrer Abstattung endet, hat der zur Vertretung nach außen Berufene sich bei Übernahme seiner Tätigkeit auch darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene juristische Person bisher ihren sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen ist (vgl. zum Fall der steuerlichen Verpflichtungen die Erkenntnisse vom 10. Juli 1989, Zl. 89/15/0021, vom 25. Juni 1990, Zl. 89/15/0063, vom 13. November 1992, Zl. 91/17/0047, und - ebenfalls den Vertreter eines Vereins betreffend - das Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/17/0044). Dies zieht der Beschwerdeführer - der ausschließlich für solche "Altlasten" in Anspruch genommen wurde - auch nicht in Zweifel.
Die Beschwerde ist aber im Ergebnis - wenn auch aus anderen als in der Beschwerde vorgetragenen Gründen - insoweit berechtigt, als sie in diesem Zusammenhang rügt, daß die belangte Behörde unzureichende Ermittlungen gepflogen habe: Der Beschwerdeführer hat nämlich in seinem Einspruch vorgebracht, daß - hinsichtlich bereits entstandener Beitragsschulden - zwischen dem Verein und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eine Ratenvereinbarung getroffen worden sei, die im Zeitpunkt der Übernahme seiner Funktion als geschäftsführender Vizepräsident bereits bestanden habe. Diese Ratenvereinbarung sei auch der Bank übergeben worden.
Es kann einer zur Vertretung einer juristischen Person nach außen berufenen Person insoweit ein Schuldvorwurf nicht gemacht werden, als im Zeitpunkt ihrer Bestellung hinsichtlich der bis dahin aufgelaufenen Beitragsschuldigkeiten eine Ratenvereinbarung mit der Gebietskrankenkasse besteht und diese Ratenvereinbarung in der Folge eingehalten wird, selbst wenn mit der Einhaltung der Ratenvereinbarung allein - gemessen an den verfügbaren Barmitteln und den vorhandenen sonstigen Forderungen - eine Gleichbehandlung der Gebietskrankenkasse mit anderen Gläubigern noch nicht erreicht wäre.
Insoweit der Beschwerdeführer in seinem Einspruch die Einhaltung einer solchen Ratenvereinbarung - wenn auch durch Zahlungen der Bank - behauptet, trifft der Beschwerdevorwurf zu, daß die belangte Behörde die formelle Beweislast des Beschwerdeführers überzogen habe. Es wäre der belangten Behörde nämlich ein leichtes gewesen, durch Anfrage an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse festzustellen, ob die dieser Ratenvereinbarung entsprechenden Zahlungen auf das Beitragskonto geleistet worden sind. Träfe dies zu, dann käme zwar weiterhin eine Haftung jener zur Vertretung berufenen Personen in Betracht, die im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge diese nicht rechtzeitig entrichtet haben, nicht jedoch eine Haftung des Beschwerdeführers, wenn er die "Altlast" bloß vorgefunden hätte und die bestehende Ratenzahlung eingehalten worden wäre, und zwar auch nicht deshalb, weil - ungeachtet dieser Ratenvereinbarung - in einem folgenden Ausgleich ein Forderungsausfall entstanden ist. Ein solcher Forderungsausfall steht zwar in einem Kausalzusammenhang zur Pflichtverletzung jener, welche die Beiträge nicht bei Fälligkeit entrichtet haben, nicht aber zum Verhalten eines (nur) die "Altlasten" verwaltenden Vertreters, der eine diesbezüglich abgeschlossene Ratenvereinbarung einhält. Dieser könnte (bei Vorliegen der sonstigen Haftungsvoraussetzungen) nur dann für den Ausfall in Anspruch genommen werden, wenn er im Zeitraum zwischen der Übernahme seiner Funktion und einem späteren (erstmaligen) Abschluß der Ratenvereinbarung diese "Altlasten" trotz verfügbarer Mittel nicht einmal anteilig befriedigt hätte.
Da insoweit das Verfahren in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 1 Z. 3 VwGG Abstand genommen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf den Ersatz von Stempelgebühren im Ausmaß von S 600,-- gerichtete Kostenmehrbegehren mußte zufolge der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit von sozialversicherungsrechtlichen Beitragssachen (vgl. § 110 Abs. 1 ASVG) abgewiesen werden.
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Diverses Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995080180.X00Im RIS seit
27.11.2000