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41/03 PersonenstandsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GerichtsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Berichtigung des portugiesischen Namensbestandteils "Nobre de" wegen Verwendung untersagter Adelszeichen; Verkennung der Vorgaben des AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung; Namensbestandteil "Nobre de" ist vor dem Hintergrund des maßgeblichen soziokulturellen Kontextes keine Adelsbezeichnung; deutschsprachige Übersetzung der fremdsprachigen Bedeutung nicht maßgeblichSpruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführerin wurde am 28. August 1951 als österreichische Staatsbürgerin geboren. Nach der Eheschließung im Jahr 1973 mit dem aus Portugal stammenden A* Nobre de ***, der seit 1964 österreichischer Staatsbürger ist, wurde im Ehebuch des Standesamtsverbandes Salzburg der gemeinsame Familienname Nobre de *** eingetragen. Die Beschwerdeführerin heißt seitdem B Nobre de ***.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2018 berichtigte der Obmann des Standesamtsverbandes Salzburg den im Ehebuch des Standesamtsverbandes Salzburg bzw den im Zentralen Personenstandsregister (ZPR) gemäß "§§42 und 20 Personenstandsgesetz 2013 (PStG 2013), i.d.F. BGBl I Nr 56/2018, i.V.m. §§9 und 13 IPR-Gesetz i.d.F BGBl I Nr 58/2018, i.V.m. §1 des Gesetzes vom 3. April 1919 über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden [im Folgenden: AdelsaufhebungsG], StGBl. Nr 211/1919 i.d.g.F., i.V.m. §2 Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Inneres und Unterricht und [d]es Staatsamtes für Justiz, im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern vom 18. April 1919, über die Aufhebung des Adels und gewisser Titel und Würden [im Folgenden: Vollzugsanweisung], StGBl. Nr 237/1919 i.d.g.F." eingetragenen Familiennamen der Beschwerdeführerin auf "***".
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg mit Erkenntnis vom 18. September 2019 als unbegründet ab. Bei dem umstrittenen Namensbestandteil "Nobre de" handle es sich um eine für österreichische Staatsbürger unzulässige Adelsbezeichnung. Es komme nicht darauf an, ob der konkrete Name tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweise. Da das durch §2 Z1 der Vollzugsanweisung als Namensbestandteil verbotene Wort "von" grundsätzlich geeignet sei, den Anschein einer adeligen Herkunft und damit entsprechender Vorrechte hervorzurufen, auch wenn es sich um kein Adelsprädikat, sondern um eine Herkunftsbezeichnung handle, müsse auch bei ausländischen Namensteilen bzw Präpositionen geprüft werden, ob der fragliche Name geeignet sei, in den Beziehungen der Menschen untereinander das Bestehen von Vorrechten der Geburt oder des Standes zum Ausdruck zu bringen. Dies treffe auf den Namen "Nobre de ***" zu, der laienhaft mit "Edle von ***" oder "Noble von ***" übersetzt werden könne, womit er den Anschein erwecke, seine Trägerin besitze Vorrechte der Geburt bzw des Standes. Ob der Name tatsächlich eine adelige Herkunft bezeichne, sei nicht relevant.
3. Mit Erkenntnis vom 2. März 2020, E4050/2019 (VfSlg 20.368/2020), hob der Verfassungsgerichtshof diese Entscheidung auf, weil sie die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzte. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hatte verkannt, dass dem Adelszeichen "von" und dem Ehrenwort "Edler" von der Übersetzung her ähnliche ausländische Namensbestandteile nur dann gemäß §1 AdelsaufhebungsG untersagt sind, wenn sie entweder tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweisen oder wenn "Nobre de" oder auch "de ***" eine ausländische Standesbezeichnung oder einen ausländischen Titel darstellt, der ebenso einschlägig wie die in §2 Z4 und 5 der Vollzugsanweisung genannten ist und damit objektiv (also ohne dass es auf einen tatsächlichen historischen Adelsbezug ankäme) für österreichische Staatsbürger den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes erwecken kann.
4. Im fortgesetzten Verfahren wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die Beschwerde mit Erkenntnis vom 27. September 2021 wiederum als unbegründet ab. Zunächst stellt es fest, dass der einfache Adel in Portugal und Brasilien untituliert sei und das Wort "de" in diesen Ländern kein Adelsprädikat, sondern eine Herkunftsbezeichnung darstelle. Es bezeichne die Abstammung von einem weiteren Familiennamen, auf den sich die namensführenden Personen beziehen (wollen). "Nobre" sei in Portugal und Brasilien kein Titel, sondern ein weit verbreiteter Familienname. Bei "Nobre de" handle es sich weder um eine portugiesische Adels- bzw Standesbezeichnung noch um einen Titel. "***" sei der Name einer hochadeligen Familie gewesen, "die vermutlich schon länger erloschen ist". Die Namensform "de ***" werde in Portugal bis heute als Familienname verwendet.
Weiters führt das Landesverwaltungsgericht Salzburg aus, dass der Namensbestandteil "de", auch wenn er eine bloße Herkunftsbezeichnung und kein Adelsprädikat in diesen Ländern darstelle, in Kombination mit anderen Bezeichnungen durchaus einen Bezug zu ausländischen Standesbezeichnungen oder ausländischen Titeln aufweisen könne. So unterstreiche etwa der Namensbestandteil "de" im französischen "Comte de" (Graf von) unzweifelhaft die in Bezug auf ein bestimmtes Gebiet stehende adelige Herkunft. Es könne somit der Verbindung "de" nicht schlechthin abgesprochen werden, Teil einer adeligen Bezeichnung zu sein (ähnlich etwa im italienischen "Marchese di").
Somit komme es aber wesentlich auf die Frage an, ob infolge der Kombination der Wortfolge "Nobre de" objektiv für österreichische Staatsbürger der Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes erweckt werden könne. In dieser Hinsicht sei es nicht ausschlaggebend, ob insoweit eine zu quantifizierende Mehrheit zu eruieren sei. Es komme nämlich bei dieser Betrachtung darauf an, ob ein solcher Eindruck erweckt werden könne. Damit sei aber auf die bloße Eignung des Namens, einen solchen Eindruck hervorzurufen, abzustellen. Ob letztlich für eine bestimmte Anzahl österreichischer Staatsbürger tatsächlich dieser Eindruck entstehe, sei nicht entscheidungswesentlich. Maßgeblich sei vielmehr jener objektive Maßstab, der sich ergebe, wenn auf einen mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen durchschnittlichen Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft abgestellt werde.
Bei einer solchen Betrachtung könnten zunächst Kenntnisse der portugiesischen Sprache nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden, sodass die tatsächliche Übersetzung des Wortes "nobre" in die deutsche Sprache in der Regel verborgen bliebe. Trotz fehlender Kenntnisse der portugiesischen Sprache erscheine dieses Wort aber "als ein solches", mit dem von einem durchschnittlichen österreichischen Staatsbürger ein Nahebezug zu einer adeligen Herkunft durchaus hergestellt werde. Bei Betrachtung seiner Klangmelodie sei dem Wort "nobre" ein Bezug zum deutschen Wort "nobel" und damit auch eine gewisse Nähe zu "adelig" zu attestieren. Dies werde durch die Kombination mit "de" noch verstärkt, sodass der Wortfolge "Nobre de" samt einem weiteren Namen durchaus die Eignung innewohne, bei einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft den Eindruck erwecken zu können, der Träger eines solchen Namens könnte Vorrechte der Geburt oder des Standes genießen. Dieser Eindruck würde noch verstärkt, wenn sich ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener durchschnittlicher Mensch Kenntnis von der deutschen Übersetzung des Wortes "nobre" (adelig, edel, nobel) verschaffe.
5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art8 EMRK bzw Art7 GRC sowie in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird:
Die rechtlichen Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg stünden vor dem Hintergrund seiner Feststellungen, dass der Adel in Portugal untituliert sei, "Nobre" einen weit verbreiteten Familiennamen darstelle und nie als Adelsbezeichnung gedient habe, das Präfix "de" in Portugal kein Adelsprädikat sei, der frühere hochadelige Name "***" heute nur noch als gewöhnlicher Familienname verwendet werde und es sich bei "Nobre de" weder um eine portugiesische Adelsbezeichnung noch um eine portugiesische Standesbezeichnung bzw um einen Titel handle, im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Adelsaufhebungsgesetz. Die Annahme des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg, wonach der Name der Beschwerdeführerin den Eindruck adeliger Vorrechte erwecke, sei daher willkürlich. Zudem seien die vom Landesverwaltungsgericht Salzburg getroffenen sprachwissenschaftlichen Ausführungen in diesem Zusammenhang unsachlich. Die erfolgte Namensberichtigung stelle darüber hinaus einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art8 EMRK dar. Der Eingriff sei vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin ihren Familiennamen bereits seit 46 Jahren führe, unverhältnismäßig.
6. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des im Verfassungsrang stehenden Gesetzes vom 3. April 1919 über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden (AdelsaufhebungsG), StGBl. 211/1919, idF BGBl I 2/2008 lauten auszugsweise wie folgt:
"§1.
Der Adel, seine äußeren Ehrenvorzüge sowie bloß zur Auszeichnung verliehene, mit einer amtlichen Stellung, dem Beruf oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Befähigung nicht im Zusammenhange stehenden Titel und Würden und die damit verbundenen Ehrenvorzüge österreichischer Staatsbürger werden aufgehoben.
§2.
Die Führung dieser Adelsbezeichnungen, Titel und Würden ist untersagt. Übertretungen werden von den politischen Behörden mit Geld bis zu 20.000 K oder Arrest bis zu sechs Monaten bestraft.
[…]
§4.
Die Entscheidung darüber, welche Titel und Würden nach §1 als aufgehoben anzusehen sind, steht dem Staatssekretär für Inneres und Unterricht zu.
§5.
Die in Österreich bestehenden weltlichen Ritter- und Damenorden werden aufgehoben."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Inneres und Unterricht und des Staatsamtes für Justiz, im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern vom 18. April 1919, über die Aufhebung des Adels und gewisser Titel und Würden (Vollzugsanweisung), StGBl. 237/1919, idF StGBl. 484/1919 lauten auszugsweise wie folgt:
"§1.
Die Aufhebung des Adels, seiner äußeren Ehrenvorzüge, weiters der bloß zur Auszeichnung verliehenen, mit einer amtlichen Stellung, dem Berufe oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Befähigung nicht im Zusammenhange stehenden Titel und Würden und der damit verbundenen Ehrenvorzüge trifft alle österreichischen Staatsbürger, und zwar, gleichviel, ob es sich um im Inlande erworbene, oder um ausländische Vorzüge handelt.
§2.
Durch §1 des Gesetzes vom 3. April 1919, St. G. Bl. Nr 211, sind aufgehoben:
1. das Recht zur Führung des Adelszeichens 'von';
2. das Recht zur Führung von Prädikaten, zu welchen neben den zugestandenen die Familien unterscheidenden Adelsprädikaten im engeren Sinne auch das Ehrenwort Edler sowie die Prädikate Erlaucht, Durchlaucht und Hoheit gezählt wurden;
3. das Recht zur Führung hergebrachter Wappennamen und adeliger Beinamen;
4. das Recht zur Führung der adeligen Standesbezeichnungen, wie z. B. Ritter, Freiherr, Graf und Fürst, dann des Würdetitels Herzog, sowie anderer einschlägiger in- und ausländischer Standesbezeichnungen;
5. das Recht zur Führung von Familienwappen, insbesondere auch der fälschlich 'bürgerlich' genannten Wappen, sowie das Recht zur Führung gewisser ausländischer, an sich nicht immer mit einem Adelsvorzuge verbundener Titel, wie z. B. Conte, Conta Palatino, Marchese, Marchio Romanus, Comes Romanus, Baro Romanus ec., selbst wenn es nichtadeligen Familien zukam."
III. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:
1. Gemäß §1 des im Verfassungsrang stehenden und den Gleichheitsgrundsatz des Art7 Abs1 B-VG diesbezüglich ausführenden Adelsaufhebungsgesetzes wird "[d]er Adel […] österreichischer Staatsbürger […] aufgehoben". §1 der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen – im Verordnungsrang stehenden (VfSlg 20.344/2019) – Vollzugsanweisung präzisiert diese Bestimmung dahingehend, dass die Aufhebung des Adels alle österreichischen Staatsbürger, "und zwar, gleichviel, ob es sich um im Inlande erworbene, oder um ausländische Vorzüge handelt", trifft.
2. In VfSlg 17.060/2003 hat der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die besondere Funktion des Adelsaufhebungsgesetzes zur Herstellung demokratischer Gleichheit (vgl Kolonovits, Vorbemerkungen zum AdelsaufhG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 8) festgehalten, dass österreichische Staatsbürger nach diesem Verfassungsgesetz allgemein nicht berechtigt sind, Adelstitel ausländischen Ursprungs zu führen.
In VfSlg 19.891/2014 hat der Verfassungsgerichtshof an dieser Auffassung explizit festgehalten und ausgeführt, dass es die aus seinem historischen Entstehungszusammenhang begründete Zielsetzung des Adelsaufhebungsgesetzes ist, die in Art7 Abs1 Satz 2 B-VG festgeschriebene Grundaussage der Verfassung der demokratischen Republik Österreich, dass für alle Staatsbürger Vorrechte der Geburt oder des Standes ausgeschlossen sind, dahingehend zu konkretisieren, dass der Adel und seine äußeren Ehrenvorzüge für österreichische Staatsbürger ausnahmslos aufgehoben werden (§1 AdelsaufhebungsG). Kein österreichischer Staatsbürger soll also einen Namen (Namensbestandteil oder -zusatz) führen oder erwerben können, der im Sinne des Adelsaufhebungsgesetzes Adelsbezeichnungen enthält und somit den Eindruck erwecken könnte, für seinen Träger bestünden Vorrechte der Geburt oder des Standes.
Das Adelsaufhebungsgesetz schließt nach dieser Rechtsprechung also für österreichische Staatsbürger den Erwerb von Namensbestandteilen oder -zusätzen aus, die im Sinne des Adelsaufhebungsgesetzes und der dazu ergangenen Vollzugsanweisung Adelsbezeichnungen darstellen. Der Zusatz "von" stellt ein solches als Namensbestandteil unzulässiges Adelszeichen dar (siehe §2 Z1 der Vollzugsanweisung iVm §1 AdelsaufhebungsG).
In VfSlg 20.234/2018 hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass im Hinblick auf die besondere Zielsetzung des Adelsaufhebungsgesetzes zur Herstellung demokratischer Gleichheit durch Abschaffung des Adels und auch seiner "äußeren Ehrenvorzüge" (§1 AdelsaufhebungsG) diese Verfassungsbestimmung und in der Folge in entsprechender Interpretation §2 Z1 der Vollzugsanweisung dahingehend zu verstehen sind, dass ein Verbot, das Wort "von" als Namensbestandteil zu führen, nicht nur für jene Familiennamen besteht, die tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweisen. Die aus dem historischen Entstehungszusammenhang begründete Zielsetzung des Adelsaufhebungsgesetzes geht nämlich in Konkretisierung der in Art7 Abs1 Satz 2 B-VG festgeschriebenen Grundaussage der Verfassung der demokratischen Republik Österreich, dass für alle Staatsbürger Vorrechte der Geburt oder des Standes ausgeschlossen sind, auch dahin, einen Namen (Namensbestandteil oder -zusatz) zu verbieten, der den Eindruck erwecken könnte, für seinen Träger bestünden Vorrechte der Geburt oder des Standes (siehe auch VfSlg 19.891/2014).
Bei dieser Beurteilung kommt es darauf an, ob der in Rede stehende Name (Namensbestandteil oder -zusatz) geeignet ist, in den Beziehungen der Menschen untereinander das Bestehen solcher Vorrechte zum Ausdruck zu bringen, wobei die objektive Wahrnehmung derjenigen, die das Diskriminierungsverbot des Art7 Abs1 Satz 2 B-VG vor einer Ungleichbehandlung auf Grund von Vorrechten der Geburt oder des Standes schützen will, maßgeblich ist (vgl auch EuGH 2.6.2016, Rs C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rz 79: "[…] Adelsbezeichnungen oder -bestandteile, die glauben machen könnten, dass der Träger des Namens einen entsprechenden Rang innehabe […]"). In diesem Sinn ist das durch §2 Z1 der Vollzugsanweisung als Namensbestandteil verbotene Wort "von" grundsätzlich geeignet, den Anschein einer adeligen Herkunft und damit entsprechender Vorrechte hervorzurufen, ohne dass es darauf ankommt, ob die konkrete Namens- oder Familiengeschichte tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist (VfSlg 20.234/2018).
3.1. In VfSlg 20.368/2020 – hinsichtlich der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg im ersten Rechtsgang des verwaltungsgerichtlichen Ausgangsverfahrens – hat der Verfassungsgerichtshof festgehalten, dass Adelsbezeichnungen ausländischen Ursprungs, wie sich bereits aus §1 der Vollzugsanweisung ergibt ("gleichviel, ob es sich um im Inlande erworbene, oder um ausländische Vorzüge handelt"), ebenfalls von §1 AdelsaufhebungsG erfasst werden, und darauf hingewiesen, dass die Vollzugsanweisung in §2 Z4 und 5 entsprechende ausländische Standesbezeichnungen oder Titel, die den Eindruck eines Adelsvorzuges erwecken können, bloß demonstrativ aufzählt und damit zu erkennen gibt, dass für die Frage, wann eine ausländische Standesbezeichnung oder ein ausländischer Titel den Eindruck entsprechender Adelsvorzüge erwecken kann, im Hinblick auf die Vielzahl möglicher ausländischer Standesbezeichnungen und Adelstitel auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen ist. Dies gilt, wie aus den in §2 Z4 und 5 der Vollzugsanweisung genannten Beispielen hervorgeht, für ausländische Namensbestandteile, die als solche Standesbezeichnungen bzw verpönte Titel transportieren (so kommt es nach §2 Z4 auf adelige Standesbezeichnungen wie zB Ritter, Freiherr, Graf oder Fürst und diesen vergleichbare ausländische Standesbezeichnungen an und hat §2 Z5 ausländische Titel wie beispielsweise Conte oder Marchese vor Augen).
Demgegenüber sind nach §2 Z1 und 2 der Vollzugsanweisung durch §1 AdelsaufhebungsG das Adelszeichen "von" sowie Adelsprädikate im engeren und im weiteren Sinn, insbesondere auch das Ehrenwort "Edler", aufgehoben, ohne dass die Vollzugsanweisung ausdrücklich auch vergleichbare ausländische Bezeichnungen mit einbezieht. Damit soll offensichtlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass etwa dem Adelszeichen "von" oder dem Ehrenwort "Edler" im deutschsprachigen Kontext in Österreich eine besondere, unmittelbar mit Vorrechten der Geburt oder des Standes verbundene Bedeutung zukommt, die mit von der Übersetzung her ähnlichen ausländischen Namensbestandteilen oder -zusätzen – wie sie beispielsweise Namenszusätze wie "de" oder "van" darstellen – typischerweise nicht verbunden werden. Solche, den genannten deutschsprachigen Namensbestandteilen und -zusätzen gemäß §2 Z1 und 2 der Vollzugsanweisung von der Übersetzung her ähnliche ausländische Namensbestandteile oder -zusätze sind daher durch §1 AdelsaufhebungsG iVm §1 der Vollzugsanweisung dann untersagt, wenn sie tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweisen (VfSlg 20.234/2018).
Wenn das Landesverwaltungsgericht Salzburg daher im ersten Rechtsgang maßgeblich auf die deutsche Übersetzung des Namensbestandteils "Nobre de" als "Edle von" abgestellt hatte, hatte es die dargelegten Vorgaben des §1 AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung verkannt. Im fortgesetzten Verfahren hatte das Landesverwaltungsgericht Salzburg daher, so der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 20.368/2020, zu prüfen, ob der in Rede stehende (ausländische) Namensbestandteil entweder tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist oder – ebenso einschlägig wie die in §2 Z4 und 5 der Vollzugsanweisung genannten Standesbezeichnungen und Titel – objektiv (also ohne, dass es auf einen tatsächlichen historischen Adelsbezug ankäme) für österreichische Staatsbürger den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes erwecken kann.
3.2. In seiner nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Entscheidung im fortgesetzten Verfahren geht das Landesverwaltungsgericht Salzburg zunächst nachvollziehbar davon aus, dass der Namensbestandteil "Nobre" keinen portugiesischen oder brasilianischen (Adels-)Titel bezeichnet, sondern ein in diesen Ländern weit verbreiteter Name ist. Ebenso nachvollziehbar stellt das Landesverwaltungsgericht Salzburg fest, dass in den genannten Ländern der Namensbestandteil "de" kein Adelsprädikat, sondern eine Herkunftsbezeichnung bedeutet. Demzufolge schließt das Landesverwaltungsgericht Salzburg zu Recht aus, dass der Namensbestandteil "Nobre de" im konkreten Fall einen tatsächlichen historischen Adelsbezug aufweist.
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg bejaht aber in der Folge, dass der "Wortfolge 'Nobre de' samt einem weiteren Namen durchaus die Eignung innewohnt, bei einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen durchschnittlichen Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft bei Mitteilung des Namens den Eindruck [zu] erwecken […], der Träger eines [solchen] Namens – in der Kombination all dieser Namensbestandteile – könnte Vorrechte der Geburt oder des Standes genießen". Dazu bestimmt das Landesverwaltungsgericht Salzburg erstens die Überlegung, dass "die Bezeichnung 'de' in Kombination mit anderen Bezeichnungen durchaus einen Bezug zu ausländischen Standesbezeichnungen oder ausländische[n] Titel[n] aufweisen" könne, was das Landesverwaltungsgericht Salzburg mit Verweis auf (französisch) "Comte de" respektive (italienisch) "Marchese di" begründet. Zweitens würde ein durchschnittlicher österreichischer Staatsbürger trotz fehlender Kenntnisse der portugiesischen Sprache beim Namensbestandteil "Nobre de" einen "Nahebezug zu einer Bedeutung im Sinn einer adeligen Herkunft durchaus" herstellen, weil dem Wort "nobre" bei "Betrachtung seiner Klangmelodie [...] ein Bezug zum deutschen Wort 'nobel' und damit auch eine gewisse Nähe zu 'adelig' zu attestieren" sei.
3.3. Damit verkennt das Landesverwaltungsgericht Salzburg aber die Vorgaben des §1 AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung in mehrfacher Hinsicht:
Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu §1 AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung grundsätzlich zwischen zwei Fallkonstellationen unterschieden: Weist ein konkreter Name bzw Namensbestandteil historisch nachweisbar einen Adelsbezug auf, womit der Träger dieses Namens in einer Verbindungslinie zu Menschen adeliger Herkunft steht, dann untersagt die Verfassungsbestimmung des §1 AdelsaufhebungsG iVm §1 der Vollzugsanweisung einer österreichischen Staatsbürgerin oder einem österreichischen Staatsbürger die Führung eines solchen Namens oder Namensbestandteils. Liegt im konkreten Fall kein derartiger historischer Adelsbezug vor, dann verwehren die genannten Bestimmungen das Tragen eines Namens bzw Namensbestandteils dann, wenn es sich um nach §2 Z1 und 2 der Vollzugsanweisung durch §1 AdelsaufhebungsG aufgehobene Adelsbezeichnungen, wie etwa das Adelszeichen "von" oder das Ehrenwort "Edler", handelt (weil diesen Adelsbezeichnungen unabhängig von einem tatsächlichen historischen Adelsbezug im deutschsprachigen Kontext in Österreich jedenfalls eine besondere, unmittelbar mit Vorrechten der Geburt oder des Standes verbundene Bedeutung zukommt; siehe zu "von *[…]" VfSlg 20.234/2018); oder, wenn es sich um ausländische Standesbezeichnungen oder Titel handelt, dann, wenn diese ebenso einschlägig wie die in §2 Z4 und 5 der Vollzugsanweisung genannten sind und damit objektiv in Österreich den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes erwecken.
Für ausländische Namen bzw Namensbestandteile ist daher zu prüfen, ob sie ebenso einschlägig wie die in §2 Z4 und 5 der Vollzugsanweisung genannten und daher untersagt sind. Dabei ist nach §2 Z5 der Vollzugsanweisung darauf abzustellen, dass gewisse ausländische Titel den Eindruck entsprechender Adelsvorzüge erwecken können und daher untersagt sind, auch wenn sie tatsächlich nicht mit einem Adelsvorzug verbunden sind, aber in Bezug auf den Namensträger den Anschein einer Zugehörigkeit zu einem bevorzugten Stand erwecken (siehe VfSlg 20.368/2020). Denn durch §1 AdelsaufhebungsG iVm §1 der Vollzugsanweisung soll sichergestellt sein, dass keine österreichische Staatsbürgerin und kein österreichischer Staatsbürger einen Namen (Namensbestandteil oder -zusatz) führen kann, der im Sinne des Adelsaufhebungsgesetzes Adelsbezeichnungen enthält und somit den Eindruck erwecken könnte, für seine Trägerin bzw seinen Träger bestünden Vorrechte der Geburt oder des Standes (VfSlg 20.234/2018).
Für ausländische Adelsbezeichnungen oder Titel ist also maßgeblich, dass sie im einschlägigen soziokulturellen Kontext an sich die Zugehörigkeit zum Adel zum Ausdruck bringen, auch wenn ein solcher Name oder Namensbestandteil "nicht immer mit einem Adelsvorzuge" verbunden sein muss (so §2 Z5 der Vollzugsanweisung).
3.4. Im vorliegenden Fall stellt der Namensbestandteil "Nobre de" nach den nachvollziehbaren Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg, die in Zweifel zu ziehen der Verfassungsgerichtshof auf Grund des vorliegenden Verfahrens keine Veranlassung sieht, im maßgeblichen soziokulturellen Kontext (vgl Frölichsthal, Die Adelspartikel "von" im internationalen Vergleich, Adler 2020, 211) keine Adelsbezeichnung dar. Damit ist es aber sowohl ausgeschlossen, dass im Einzelfall mit einem solchen Namensbestandteil ein tatsächlicher historischer Adelsbezug bezeichnet werden könnte, als auch, dass dieser Namensbestandteil für österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes vermittelt. Die objektive Eignung, den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes zu erwecken, setzt also jedenfalls im maßgeblichen ausländischen soziokulturellen Kontext die zumindest abstrakte Möglichkeit voraus, dass der in Rede stehende ausländische Namensbestandteil einen tatsächlichen Adelsvorzug bezeichnet.
3.5. Auf die sonstigen vom Landesverwaltungsgericht Salzburg herangezogenen Gesichtspunkte kommt es damit gemäß §1 AdelsaufhebungsG iVm insbesondere §2 Z5 der Vollzugsanweisung nicht an. Dass die fremdsprachige Bedeutung und nicht diejenige einer deutschsprachigen Übersetzung maßgeblich ist, hat der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen (siehe VfSlg 20.368/2020). Wenn das Landesverwaltungsgericht Salzburg weiters auf die – wie immer festgestellte – "Klangmelodie" des in Rede stehenden Namensbestandteiles "Nobre de" abstellt, bleibt unerfindlich, auf welche einer nachprüfenden Kontrolle durch Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof zugängliche Kriterien oder Maßstäbe damit Bezug genommen werden soll.
4. Indem das Landesverwaltungsgericht Salzburg die Vorgaben des §1 AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung verkannt hat, hat es die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Adel, Namensrecht, PersonenstandswesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E4107.2021Zuletzt aktualisiert am
28.11.2022