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41/03 PersonenstandsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GerichtsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Berichtigung des portugiesischen Namensbestandteils "Nobre de" wegen Verwendung untersagter Adelszeichen; Verkennung der Vorgaben des AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung; Namensbestandteil "Nobre de" ist vor dem Hintergrund des maßgeblichen soziokulturellen Kontextes keine Adelsbezeichnung; deutschsprachige Übersetzung der fremdsprachigen Bedeutung nicht maßgeblichRechtssatz
Der VfGH hat in seiner bisherigen Rsp zu §1 AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung grundsätzlich zwischen zwei Fallkonstellationen unterschieden: Weist ein konkreter Name bzw Namensbestandteil historisch nachweisbar einen Adelsbezug auf, womit der Träger dieses Namens in einer Verbindungslinie zu Menschen adeliger Herkunft steht, dann untersagt die Verfassungsbestimmung des §1 AdelsaufhebungsG iVm §1 der Vollzugsanweisung einer österreichischen Staatsbürgerin oder einem österreichischen Staatsbürger die Führung eines solchen Namens oder Namensbestandteils. Liegt im konkreten Fall kein derartiger historischer Adelsbezug vor, dann verwehren die genannten Bestimmungen das Tragen eines Namens bzw Namensbestandteils dann, wenn es sich um nach §2 Z1 und 2 der Vollzugsanweisung durch §1 AdelsaufhebungsG aufgehobene Adelsbezeichnungen, wie etwa das Adelszeichen "von" oder das Ehrenwort "Edler", handelt; oder, wenn es sich um ausländische Standesbezeichnungen oder Titel handelt, dann, wenn diese ebenso einschlägig wie die in §2 Z4 und 5 der Vollzugsanweisung genannten sind und damit objektiv in Österreich den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes erwecken.
Für ausländische Adelsbezeichnungen oder Titel ist also maßgeblich, dass sie im einschlägigen soziokulturellen Kontext an sich die Zugehörigkeit zum Adel zum Ausdruck bringen, auch wenn ein solcher Name oder Namensbestandteil "nicht immer mit einem Adelsvorzuge" verbunden sein muss.
Im vorliegenden Fall stellt der Namensbestandteil "Nobre de" im maßgeblichen soziokulturellen Kontext keine Adelsbezeichnung dar. Damit ist es aber sowohl ausgeschlossen, dass im Einzelfall mit einem solchen Namensbestandteil ein tatsächlicher historischer Adelsbezug bezeichnet werden könnte, als auch, dass dieser Namensbestandteil für österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes vermittelt. Die objektive Eignung, den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes zu erwecken, setzt also jedenfalls im maßgeblichen ausländischen soziokulturellen Kontext die zumindest abstrakte Möglichkeit voraus, dass der in Rede stehende ausländische Namensbestandteil einen tatsächlichen Adelsvorzug bezeichnet.
Auf die sonstigen vom LVwG herangezogenen Gesichtspunkte kommt es damit gemäß §1 AdelsaufhebungsG iVm insbesondere §2 Z5 der Vollzugsanweisung nicht an. Dass die fremdsprachige Bedeutung und nicht diejenige einer deutschsprachigen Übersetzung maßgeblich ist, hat der VfGH bereits ausgesprochen. Wenn das LVwG weiters auf die "Klangmelodie" des in Rede stehenden Namensbestandteiles "Nobre de" abstellt, bleibt unerfindlich, auf welche einer nachprüfenden Kontrolle durch VwGH oder VfGH zugängliche Kriterien oder Maßstäbe damit Bezug genommen werden soll.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Adel, Namensrecht, PersonenstandswesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E4107.2021Zuletzt aktualisiert am
28.11.2022