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22/02 ZivilprozessordnungNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der ZPO; prozessleitender Beschluss betreffend die Abweisung eines Antrags auf Einräumung eines direkten Fragerechts an einen Zeugen ist keine in erster Instanz entschiedenen RechtssacheSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Die Einschreiterin ist beklagte Partei in einem Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz. Mit Beschluss vom *********, ***************, wies das Gericht in diesem Verfahren einen von der Einschreiterin gestellten Antrag auf Einräumung eines direkten Fragerechtes an einen Zeugen ab, weil Fragen im Anwaltsprozess gemäß §27 ZPO nur durch den Parteienvertreter gestellt werden könnten.
2. Gegen diesen Beschluss erhob die Einschreiterin Rekurs und stellte den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag. In diesem Antrag begehrt die Einschreiterin die Aufhebung der §§27 Abs1, 184 Abs1 und 289 ZPO wegen Verfassungswidrigkeit.
3. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels".
4. Der Antrag ist nicht zulässig:
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Antragstellung nach Art140 Abs1 Z1 litd B-VG iVm §62a Abs1 VfGG ist, dass auf Grund der gerichtlichen Entscheidung, gegen die ein Rekurs erhoben wurde, eine "entschiedene Rechtssache" vorliegt. Im Rahmen des zivilgerichtlichen Verfahrensrechts ist im Wesentlichen zwischen drei Arten von Beschlüssen zu unterscheiden, nämlich zwischen prozessbeendenden, verfahrensgestaltenden (dazu gehört etwa die Unterbrechung oder die Zulassung einer Klageänderung) und prozessleitenden Beschlüssen im engeren Sinn (OGH 24.11.2010, 7 Ob 191/10d; vgl auch M. Bydlinski in Fasching/Konecny [Hrsg.], Zivilprozessgesetze2, Vor §425 ZPO, Rz 4 ff.). Der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz, der Anlass des vorliegenden Antrages ist, ist der letzten der drei genannten Kategorien zuzuordnen, weil mit diesem Beschluss Entscheidungen getroffen wurden, die den Ablauf des Verfahrens ordnen. Derartige Beschlüsse haben eine bloß prozessleitende Natur, weil sie der notwendigen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dienen; sie haben jedoch keinen Selbstzweck und kein vom Verfahren gelöstes Eigenleben (Rechberger in Rechberger [Hrsg.], Kommentar zur ZPO4, §425 ZPO, Rz 3; OGH 24.11.2010, 7 Ob 191/10d). Ferner normiert §425 Abs2 ZPO, dass auch das Gericht selbst nicht an diese Beschlüsse gebunden ist. Ein prozessleitender Beschluss eines ordentlichen Gerichtes, der – wie im vorliegenden Fall – auf die Gestaltung der gerichtlichen Stoffsammlung abzielt, ist daher keine "entschiedene Rechtssache" im Sinne des Art140 Abs1 Z1 litd B-VG (vgl VfGH 22.9.2015, G120/2015; 22.9.2016, G190/2016; zuletzt 24.9.2019, G194/2019).
5. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
Zivilprozess, VfGH / Parteiantrag, VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G203.2022Zuletzt aktualisiert am
28.11.2022