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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrags gegen Bestimmungen der StPO und des StGB; Anfechtungsumfang zu eng; fehlende Bestimmtheit des AntragsRechtssatz
Unzulässigkeit eines Parteiantrags auf Aufhebung des Wortes "freiwillig" in §16 Abs1 StGB, der Wörter "Über einen während einer Verhandlung im Haupt- oder Rechtsmittelverfahren gestellten Antrag auf Ablehnung eines Richters hat das erkennende Gericht zu entscheiden." in §45 Abs1 zweiter Satz StPO sowie der Wörter "Nach Abs1 ist auch vorzugehen, wenn von den Beteiligten des Verfahrens in der Hauptverhandlung sonst gegensätzliche Anträge gestellt werden oder der Vorsitzende einem unbestrittenen Antrag eines Beteiligten nicht Folge zu geben gedenkt." in §238 Abs2 StPO.
Der Antragsteller begehrt, in §16 Abs1 StGB das Wort "freiwillig" aufzuheben. §16 Abs1 StGB enthält zweimal das Wort "freiwillig". Es bleibt somit unklar, welches der beiden Wörter der Antragsteller anficht. Dem Antrag fehlt es somit an einem bestimmten Begehren iSv §15 Abs2 iVm §62 Abs1 VfGG, weswegen er als unzulässig zurückzuweisen ist.
Der Antragsteller begehrt die Aufhebung lediglich des zweiten Satzes des §45 Abs1 StPO. Damit würde aber der dritte Satz der leg cit unverständlich werden, weil dieser mit "Gleiches gilt" beginnt und somit nach Aufhebung des angefochtenen zweiten Satzes der leg cit nicht mehr an diesen anschließen würde, sondern in sinnwidriger und dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbarer Weise an den ersten Satz der leg cit. Der Antragsteller hätte daher - zumindest - auch den dritten Satz des §45 Abs1 StPO mitanfechten müssen. Dazu kommt, dass sich die Bedenken des Antragstellers im Kern dagegen richten, dass eine Anfechtung eines Beschlusses iSv §45 Abs1 zweiter Satz StPO erst mit dem Rechtsmittel gegen das Urteil im Hauptverfahren möglich ist. Die Bedenken des Antragstellers richten sich daher inhaltlich - zumindest auch - gegen §45 Abs3 StPO, wonach gegen eine Sachentscheidung über einen Antrag iSv §45 Abs1 zweiter Satz StPO kein selbstständiges Rechtsmittel zusteht. §45 Abs3 StPO wurde vom Antragsteller aber nicht mitangefochten, weshalb sich die Anfechtung des §45 Abs1 zweiter Satz StPO auch aus diesem Grund als zu eng erweist.
Nach dem Vorbringen des Antragstellers besteht also zwischen §45 Abs1 zweiter Satz und §238 Abs2 StPO eine untrennbare Einheit. Da aber §45 Abs1 zweiter Satz StPO nicht in zulässiger Weise angefochten wurde, erübrigt es sich, auf die ebenfalls angefochtene Bestimmung des §238 Abs2 StPO einzugehen. Abgesehen davon gilt sinngemäß das oben zu §45 Abs1 zweiter Satz StPO Gesagte auch hier, denn §238 Abs3 StPO bestimmt, dass den Beteiligten ein selbständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel gegen einen Beschluss gemäß §238 Abs2 StPO nicht zusteht. §238 Abs3 StPO wurde vom Antragsteller aber nicht mitangefochten.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Strafprozessrecht, Strafrecht, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verwerfungsumfang, VfGH / ParteiantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G86.2022Zuletzt aktualisiert am
28.11.2022