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L7400 Fremdenverkehr, TourismusNorm
B-VG Art7 Abs1 / GerichtsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung einer Freizeitwohnungspauschale nach dem Oö TourismusG 2018; keine Abgabepflicht für Freizeitwohnungen, die trotz ernsthafter Vermietungsabsicht längere Zeit nicht vermietet werden können; Unterlassung von Ermittlungen, ob für sämtliche Wohnungen eine Nutzung als Freizeitwohnung auszuschließen istSpruch
I. Die beschwerdeführende Partei ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die beschwerdeführende Partei ist Eigentümerin mehrerer laufend vermieteter Wohnobjekte in Linz, welche in den Jahren 2019 und 2020 nur teilweise bzw nicht vermietet wurden.
2. Für näher bezeichnete Objekte wurden mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz und des Magistrates der Stadt Linz gegenüber der beschwerdeführenden Partei für die Jahre 2019 und 2020 die Freizeitwohnungspauschale in der Höhe von insgesamt € 681,– und die Zuschläge zur Freizeitwohnungspauschale in der Höhe von insgesamt € 1.341,– festgesetzt.
3. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich teilweise Folge und behob die Vorschreibung der Freizeitwohnungspauschale und der Zuschläge betreffend zwei der Wohnobjekte. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und der Magistrat der Landeshauptstadt Linz haben die Gerichts- bzw Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
II. Rechtslage
§54 des Landesgesetzes zur Förderung des Tourismus in Oberösterreich (Oö Tourismusgesetz 2018 – Oö TG 2018), LGBl 3/2018, idF LGBl 55/2019 lautet:
"2. Unterabschnitt
Freizeitwohnungen
§54
Abgabenpflicht
(1) Das Land erhebt auf Freizeitwohnungen eine Abgabe nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.
(2) Freizeitwohnungen sind Wohnungen im Sinn des §2 Z4 des Bundesgesetzes über das Gebäude- und Wohnungsregister (GWR-Gesetz), die
1. in das Gebäude- und Wohnungsregister eingetragen sind und
2. länger als 26 Wochen keinen Hauptwohnsitz darstellen und
3. nicht überwiegend zu folgenden Zwecken benötigt werden:
a) als Gästeunterkunft im Sinn des §47 Abs2;
b) zur Erfüllung der Schulpflicht oder zur Absolvierung des Besuchs einer allgemein bildenden höheren oder berufsbildenden Schule oder einer Hochschule oder zur Absolvierung einer Lehre;
c) zur Ableistung des Wehr- oder Zivildienstes;
d) zur Berufsausübung, insbesondere als Pendlerin bzw Pendler;
e) zur Unterbringung von Dienstnehmerinnen bzw Dienstnehmern.
(3) Nicht als Freizeitwohnung gilt eine Wohnung, wenn seit mindestens fünf Jahren auf demselben Grundstück
1. zumindest eine Person durchgehend mit Hauptwohnsitz wohnt,
2. keine Wohnung als Gästeunterkunft verwendet wird und
3. nicht Personen wohnen, die keine nahen Angehörigen im Sinn des §2 Abs7 Oö Grundverkehrsgesetz 1994 sind.
Ein Hauptwohnsitz ist nicht erforderlich, solange dieser aus gesundheitlichen oder altersbedingten Gründen aufgegeben werden muss.
(3a) Nicht als Freizeitwohnungen gelten überdies Wohnungen, die nicht vermietet sind und im Eigentum einer gemeinnützigen Bau-, Wohnungs- und Siedlungsvereinigung oder eines Unternehmens, dessen Betriebsgegenstand die Schaffung von Wohnraum ist, stehen.
(4) Länger als zwei Monate auf Campingplätzen abgestellte Wohnwagen, Wohnmobile oder Mobilheime (Dauercamper) gelten als Freizeitwohnungen."
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
3. Ein solcher Fehler ist dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich unterlaufen.
3.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich stellt fest, dass zum Unternehmensgegenstand der beschwerdeführenden Partei ua die Schaffung von Wohnungseigentum und die Bestandgabe und der Verkauf der geschaffenen Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten zählt und geht für zwei im grundbücherlichen Eigentum der beschwerdeführenden Partei stehende Wohnungen vom Bestehen einer Abgabepflicht nach §54 Oö TG 2018 aus:
3.2. Das erste Objekt sei ab 1. Juli 2020 nicht mehr vermietet gewesen, womit mehr als 26 Wochen im Jahr 2020 kein Hauptwohnsitz bestanden habe. Die beschwerdeführende Partei habe sich zwar bemüht, eine Vermietung umzusetzen, der Abschluss eines Mietvertrages sei aber 2020 nicht mehr gelungen. Beim zweiten Objekt handle es sich um eine Dachgeschosswohnung, für die die beschwerdeführende Partei eine Aufstockung des Gebäudes beabsichtige und bei der Baubehörde 2017 die Änderung des Bebauungsplanes angeregt habe, weshalb die Wohnung im Zeitraum 2019 bis 2020 nicht vermietet gewesen sei. Die Abgabepflicht bestehe jeweils für die Zeiträume, in denen die beiden Objekte nicht vermietet gewesen seien.
3.3. Dagegen wendet die beschwerdeführende Partei ein, dass sie den in §54 Abs3a Öo. TG 2018 vorgesehenen Ausnahmetatbestand der Schaffung von Wohnungseigentum erfülle und daher keine Abgabepflicht für diese Objekte bestehe.
3.4. Indem das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich allein aus dem Umstand, dass die Wohnungen im Jahr 2019 bzw 2020 jeweils länger als 26 Wochen keinen Hauptwohnsitz darstellten und nicht zu einem der in §54 Abs2 Z3 Oö TG 2018 genannten Zwecke überwiegend genutzt worden sind, die Schlussfolgerung zieht, dass für diese Wohnungen der beschwerdeführenden Partei eine Abgabepflicht besteht, hat es die Rechtslage verkannt:
3.4.1. Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23. Juni 2022, E710/2021, festgehalten hat, hat der Landesgesetzgeber mit der Abgabe auf Freizeitwohnungen eine Fremdenverkehrsabgabe geregelt. Nach dem System des §54 Oö TG 2018 kann zwar die Abgabenbehörde bzw das Verwaltungsgericht für eine Wohnung, die länger als 26 Wochen keinen Hauptwohnsitz darstellt, und nicht den in §54 Abs2 Z3 Oö TG 2018 genannten Zwecken überwiegend dient, zunächst vom Bestehen einer Abgabepflicht ausgehen. Aus der Belastungskonzeption der Abgabe folgt jedoch in verfassungskonformer Auslegung des §54 Abs1 und 2 Oö TG 2018, dass eine Freizeitwohnung nicht vorliegt und daher eine Abgabepflicht für eine Wohnung nicht eintreten kann, wenn keine Umstände ersichtlich sind, die eine Nutzung der Wohnung für Freizeitzwecke indizieren, und eine solche nach der Lage des Falles auszuschließen ist, wie etwa im Fall einer nach Beendigung eines Mietverhältnisses erfolgenden Sanierung einer Wohnung, wenn diese weiterhin zur Vermietung bestimmt ist (vgl VfGH 23.6.2022, E710/2021).
3.4.2. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn eine in der Vergangenheit laufend vermietete Wohnung nach Auszug des Mieters trotz bestehender ernsthafter Vermietungsabsicht und nachweislich intensiver Bemühungen vom Vermieter längere Zeit nicht vermietet werden kann. Gleiches gilt für ein Objekt, für das eine Vermietung im Hinblick auf einen ernsthaft beabsichtigten Umbau nicht vorgenommen wird. Eine Abgabepflicht in solchen Fällen führte zur Verletzung des Gleichheitssatzes, wenn diese mit dem Fall der Möglichkeit der Nutzung als Freizeitwohnung gleich behandelt werden würden, obgleich sich die Fälle vor dem Hintergrund der Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe wesentlich unterscheiden.
3.4.3. Indem das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Vorschrift des §54 Abs2 Oö TG 2018 einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt (vgl VfGH 23.6.2022, E710/2021) und vor dem Hintergrund des vorliegenden Sachverhaltes Ermittlungen dahingehend unterlassen hat, ob für sämtliche der gegenständlichen Wohnungen eine Nutzung als Freizeitwohnung auszuschließen ist, hat es Willkür geübt.
IV. Ergebnis
1. Die beschwerdeführende Partei ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Fremdenverkehr, Abgaben, Wohnsitz Freizeit-, Entscheidungsbegründung, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E979.2022Zuletzt aktualisiert am
28.11.2022