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L8200 BauordnungNorm
B-VG Art138 Abs1 Z1Leitsatz
Zurückweisung eines Antrags auf Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und dem Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz betreffend die Errichtung eines Paketverteilerzentrums samt Infrastruktureinrichtungen mangels Identität der SacheSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
1. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge
"[…] gemäß Artikel 138 (1) iVm §48 VfGG im positiven (bejahenden) Kompetenzkonflikt zwischen der Baubehörde der Stadt Graz und dem BVwG entscheiden, dass das BVwG zuständig, die Baubehörde der Stadt Graz in der Angelegenheit unzuständig ist und die Baubehörde das Ansuchen um Baubewilligung wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen hat."
2. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
3. Die Projektwerberin brachte bei der Steiermärkischen Landesregierung einen Antrag auf Feststellung der UVP-Pflicht für die Errichtung eines Paketverteilerzentrums samt Infrastruktureinrichtungen ein. Für das projektierte Vorhaben wurde in der Folge auch ein Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung bei der zuständigen Bau- und Anlagenbehörde der Stadt Graz eingebracht.
4. Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. Juli 2021 wurde festgestellt, dass für das Vorhaben keine UVP-Pflicht bestehe. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin als Nachbarin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
5. Im Rahmen des gegen diesen Bescheid anhängigen Beschwerdeverfahrens begehrte die Antragstellerin als beschwerdeführende Partei, das Bundesverwaltungsgericht möge einen Antrag gemäß Art138 Abs1 B-VG und §§42 ff VfGG an den Verfassungsgerichtshof auf Entscheidung eines positiven Kompetenzkonfliktes zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und dem Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz richten.
6. Nach Ablauf einer Frist von vier Wochen stellte die Antragstellerin den nunmehr vorliegenden Antrag auf Entscheidung des Kompetenzkonfliktes beim Verfassungsgerichtshof.
II. Erwägungen
1. Art138 Abs1 Z1 B-VG, BGBl 1/1930, zuletzt geändert durch BGBl I 51/2012 lautet:
"Artikel 138
(1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Kompetenzkonflikte
1. zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden;
2. – 3. […]
(2) […]"
2. Gemäß Art138 Abs1 Z1 B-VG iVm §42 Abs1 VfGG besteht ein vom Verfassungsgerichtshof zu entscheidender bejahender Kompetenzkonflikt dann, wenn ein Gericht und eine Verwaltungsbehörde die Entscheidung derselben Sache in Anspruch genommen oder in derselben Sache selbst entschieden haben.
2.1. Ein bejahender Kompetenzkonflikt zwischen einem Gericht und einer Verwaltungsbehörde, zu dessen Entscheidung gemäß Art138 Abs1 Z1 B-VG der Verfassungsgerichtshof berufen ist, kann im Sinne des §42 Abs1 VfGG jedoch nur dann entstehen, wenn beide Behörden, also Gericht und Verwaltungsbehörde, die Entscheidung derselben Sache auf Grund derselben Rechtsnorm in Anspruch nehmen, aber nur eine dieser Behörden zuständig ist. Ein bejahender Kompetenzkonflikt kann infolgedessen nur gegeben sein, wenn eine der beiden angerufenen Stellen zu Unrecht ihre Zuständigkeit (in derselben Sache) in Anspruch nimmt (vgl VfSlg 9415/1982, 16.866/2003).
2.2. Selbst für den Fall, dass das Gericht und die Verwaltungsbehörde ihre Zuständigkeit durch Entscheidung in der Hauptsache oder zumindest durch Einlassung in die Sache bejaht hätten, folge daraus keine Entscheidung derselben Sache auf Grund derselben Rechtsnorm, die eine Voraussetzung für das Vorliegen eines Kompetenzkonfliktes bildet. Dieselbe Sache bzw "Identität der Sache" liegt dann vor, wenn auf denselben Sachverhalt dieselben Rechtsvorschriften angewendet werden bzw anzuwenden sind (vgl zB VfSlg 1720/1948, 1801/1949, 9415/1982, 12.018/1989, 13.337/1993; VfGH 11.6.2015, KI1/2015). Dies ist anhand der Anträge der Parteien und deren jeweiligen Begehren in den zugrunde liegenden Verfahren zu beurteilen (vgl zB VfSlg 1643/1948, 2425/1952, 12.018/1989, 13.337/1993, 18.822/2009).
Dem Antrag ist zu entnehmen, dass einerseits ein Antrag auf Feststellung der UVP-Pflicht bei der Steiermärkischen Landesregierung und anderseits ein Antrag auf Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für das projektierte Vorhaben bei der Bau- und Anlagenbehörde der Stadt Graz eingebracht wurden. Während es sich bei dem einen Verfahren um ein UVP-Feststellungsverfahren nach §3 Abs7 iVm §24 Abs5 UVP-G 2000 handelt, für das die Steiermärkische Landesregierung zuständig ist, handelt es sich bei dem anderen Verfahren um ein Baubewilligungsverfahren nach dem Stmk BauG, für das der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz zuständig ist (§2 Abs1 Stmk BauG). Weder handelt es sich damit um dieselbe Sache, noch kommen dieselben Rechtsnormen zur Anwendung. Eine Identität der Sache liegt damit nicht vor.
2.3. Das Vorliegen eines Kompetenzkonfliktes ist gemäß Art138 Abs1 B-VG Voraussetzung der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes. Da diese Voraussetzung nicht gegeben ist, war der Antrag wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen (vgl VfSlg 3858/1960, 5783/1968, 9415/1982, 13.942/1994, 18.822/2009; VfGH 11.6.2015, KI1/2015).
III. Ergebnis
1. Der Antrag der Antragstellerin auf Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes ist als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Baurecht, Umweltverträglichkeitsprüfung, VfGH / Kompetenzkonflikt, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:KI3.2021Zuletzt aktualisiert am
28.11.2022