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L8500 StraßenNorm
B-VG Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Abweisung des Antrags auf Aufhebung eines Bebauungsplans einer Tiroler Gemeinde betreffend die Festlegung der Baufluchtlinie und den Verlauf der Straßenfluchtlinie; hinreichende Dokumentation der Entscheidungsgrundlage; hinreichende Erkennbarkeit der Entscheidungsgrundlagen des VerordnungsgebersRechtssatz
Der Antrag des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) auf Aufhebung des Bebauungsplans "Winklweg - Embacher" der Gemeinde Angath (Gemeinderatsbeschluss vom 22.03.2018) wird aufgehoben. Der angefochtene Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" bezieht sich nur auf das im zugrunde liegenden Baubewilligungsverfahren vor dem LVwG betroffene Grundstück und ist somit zur Gänze präjudiziell.
Hinreichende Grundlagenforschung hinsichtlich des Bebauungsplans:
Die verordnungserlassende Behörde hat eine hinreichende Grundlagenforschung durchgeführt. In einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath am 21.09.2017 wurde anhand einer ersten raumordnungsfachlichen Beurteilung über die Absicht der Erlassung eines Bebauungsplanes für den Bereich des Grundstückes bzw eine Anpassung der Baufluchtlinien und eine Verbreiterung des Gehsteiges in diesem Zusammenhang diskutiert. Ferner wurde die Auflage eines Entwurfes eines Bebauungsplanes beschlossen, die von 25.09. bis 23.10.2017 erfolgte. Innerhalb dieser Frist brachte die beteiligte Partei eine Stellungnahme ein. Am 28.11.2017 führte der Verkehrsausschuss der Gemeinde Angath im Rahmen einer Sitzung einen Lokalaugenschein beim Grundstück im Beisein eines Verkehrsplaners durch. Wie aus dem Sitzungsprotokoll hervorgeht, begrüßte der Verkehrsplaner eine Änderung der Baufluchtlinie um 2,5 m und schlug die Weiterführung eines leicht erhöhten Gehsteiges in diesem Bereich vor, um den Verkehrsfluss zu entschleunigen. Weiters wurde die raumplanungsfachliche Stellungnahme überarbeitet. In einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath vom 13.12.2017 wurde über einen überarbeiteten Entwurf des Bebauungsplanes (Erhöhung des höchsten Punktes der Bebauung, Begradigung der Baufluchtlinie, keine Änderung der Baumassendichte) diskutiert. Im Anschluss daran wurde die (verkürzte) Auflage des geänderten Entwurfes beschlossen und gleichzeitig ein Beschluss über die Erlassung des Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" mit der Bedingung gefasst, dass dieser nur rechtswirksam werde, wenn innerhalb der Auflegungs- und Stellungnahmefrist keine Stellungnahme abgegeben werde. Nachdem von der beteiligten Partei innerhalb dieser Frist eine Stellungnahme eingebracht wurde, war der Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" erneut Gegenstand einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath am 22.12.2018. Darin wurde auf eine nochmalige Prüfung des Sachverhaltes durch den raumordnungsfachlichen Sachverständigen verwiesen, die keine Neuerungen des Sachverhaltes ergeben habe, und die Erlassung des Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" beschlossen. Eine verkehrstechnische Stellungnahme wurde erst am 23.06.2020 eingeholt, somit nach der Beschlussfassung des angefochtenen Bebauungsplanes, und ist daher für die Beurteilung unbeachtlich, ob eine hinreichende Grundlagenforschung erfolgte. Jedoch ergeben sich bereits aus den der Beschlussfassung vorangegangenen Sitzungen des Gemeinderates, dem Lokalaugenschein im Rahmen der Sitzung des Verkehrsausschusses in Anwesenheit eines Verkehrsplaners sowie der adaptierten raumordnungsfachlichen Stellungnahme vom 04.12.2017 hinreichend jene Überlegungen, die die Grundlage für die Erlassung des angefochtenen Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" bilden.
Erkennbarkeit der allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 Tiroler Straßengesetz iVm §58 Abs2 TROG 2016 betreffend den Verlauf der Straßenfluchtlinie und die Festlegung der Baufluchtlinie:
Wenn - wie hier - das Gesetz die vom Verordnungsgeber zu erlassende Planungsnorm nur final, dh im Hinblick auf bestimmte zu erreichende Planungsziele determiniert, müssen Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maße erkennbar sein.
Die Entscheidungsgrundlagen für die Erlassung der angefochtenen Verordnung sind von der Gemeinde wiederholt erörtert worden und sind in hinreichendem Maß erkennbar. Insbesondere gehen sie aus den Erläuterungen zur raumordnungsfachlichen Stellungnahme zum Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" hervor. Aus diesen Erläuterungen lassen sich zum einen die Entscheidungsgrundlagen für die konkrete Festlegung der Baufluchtlinie einschließlich der Interessenabwägung erkennen (Aufweitung des Straßenraumes für die Verbreiterung des Gehsteiges und die Herstellung einer Hochbordkante bei gleichzeitiger Ermöglichung der Wiedererrichtung des Stadels an anderer Stelle am Grundstück). Zum anderen kann der VfGH vor dem Hintergrund dieser Entscheidungsgrundlagen nicht erkennen, dass durch die Festlegung der Straßenfluchtlinie im angefochtenen Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" auf die allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 Tiroler Straßengesetz nicht hinreichend Bedacht genommen worden wäre. Im Übrigen macht der Umstand, dass die Änderung bzw Erlassung eines Bebauungsplanes im Hinblick auf ein konkretes Vorhaben erfolgt, diesen nicht per se gesetzwidrig.
Schlagworte
Bebauungsplan, Bebauungsvorschriften, Straßenverlaufsfestlegung, Raumordnung, Raumplanung örtliche, Determinierungsgebot, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Präjudizialität, Grundlagenforschung, Verordnungserlassung, Planungsakte VerfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V48.2021Zuletzt aktualisiert am
28.11.2022