Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §59 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die außerordentlichen Revisionen 1. der Disziplinarkommission für die Wiener Landeslehrer und Landeslehrerinnen und 2. der Disziplinaranwältin der Disziplinarkommission für die Wiener Landeslehrer und Landeslehrerinnen, gegen das am 15. November 2021 mündlich verkündete und am 21. Jänner 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-171/092/14378/2021-9, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 (mitbeteiligte Partei: A B in C; weitere Partei: Wiener Landesregierung),
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen (hinsichtlich der Bestätigung des Schuldspruchs) werden die Revisionen zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Disziplinarerkenntnis vom 30. Juli 2021 erkannte die Disziplinarkommission für die Wiener Landeslehrer und Landeslehrerinnen (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde, nun erstrevisionswerbende Partei) die 1958 geborene und als Landeslehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Wien stehende Mitbeteiligte schuldig,
A. im Zeitraum Mai 2020 bis Dezember 2020 wiederholt mündliche und schriftliche Weisungen nicht befolgt zu haben und sich beharrlich über Weisungen der Schulleitung als unmittelbare Dienstvorgesetzte und über Weisungen der Bildungsdirektion für Wien hinweggesetzt zu haben,
B. wiederholt entgegen der Bestimmungen der C-SchVO 2020/21 sowie entgegen mündlicher und schriftlicher Weisung, insbesondere entgegen der Weisungen vom 3.12.2020, 7.12.2020, 9.12.2020, 10.12.2020, 11.12.2020, 14.12.2020, 15.12.2020, 16.12.2020, 17.12.2020, 18.12.2020, 21.12.2020, 22.12.2020 und 23.12.2020 das Tragen einer den Mund-Nasen-Bereich abdeckenden enganliegenden mechanischen Schutzvorrichtung (Mund-Nasen-Schutz) verweigert zu haben,
C. wiederholt entgegen der Bestimmungen der C-SchVO 2020/21, insbesondere am 7.12.2020, 9.12.2020, 10.12.2020, 11.12.2020, 14.12.2020, 15.12.2020, 16.12.2020, 17.12.2020, 18.12.2020, 21.12.2020, 22.12.2020 und 23.12.2020 den Dienst ohne den vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz, somit nicht ordnungsgemäß angetreten zu haben,
D. minderjährige Schülerinnen und Schüler dazu aufgefordert zu haben, entgegen der Bestimmungen der C-SchVO 2020/21 keinen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und den Schülerinnen und Schülern Angst vor dem Tragen des Mund-Nasen-Schutzes gemacht zu haben,
E. im Zeitraum Mai 2020 bis Dezember 2020 nicht den Rechtsvorschriften, insbesondere nicht dem Lehrplan entsprechende Unterrichtsinhalte („Verschwörungstheorien“) verbreitet zu haben und durch dieses Verhalten gegen Weisungen der Schulleitung verstoßen zu haben. Sie habe dabei folgende Handlungen gesetzt:
a. Kommentierung eines im Klassenzimmer gezeigten Berichts im Fernsehsender ORF im November 2020 zu aktuellen Zahlen an Covid-19 Erkrankter sowie Verstorbener mit den Worten: „Das ist alles nur Angstmache. Die Zahlen stimmen nicht, sind gefälscht von der Regierung. Corona ist nicht mehr als eine Grippe. Wir dürften nicht alles glauben was uns gesagt wird.“
b. Behauptung, dass jene Bilder von Särgen, die im März 2020 aus Italien in den Medien zu sehen waren, in Wahrheit Bilder eines Schiffunglücks (und nicht die Folgen der Covid-19-Pandemie) wären.
c. Zeichnungen von Tafelbildern mit folgendem Inhalt:
„In Österreich sind 550 Menschen mit Corona in drei Monaten gestorben. 14.328 Menschen sind wieder gesund :).“
Darunter zeigt das gezeichnete Tafelbild einen Dialog zwischen einem Kind und einem Hund:
Kind: „Die beste Waffe im Krieg gegen Corona ist der gesunde Menschenverstand.“
Hund: „Ihr seid verloren! Die meisten von euch sind unbewaffnet.“
Ein mit 4.5.2020 datiertes Tafelbild zeigt im Comic-Stil eine erwachsene Person, die einer anderen Person mit beiden Händen die Augen aufreißt. Daneben ist folgender Text zu lesen:
„Die beiden großen Befreiungsbewegungen der Geschichte:
16. Jahrhundert: Befreiung vom Analphabetentum!
21. Jahrhundert: Befreiung der Menschen von der Unwissenheit im Bezug auf ihren Körper und die zellulären Ursachen von Gesundheit und Krankheit.“
d. Aufhängen von Plakaten folgenden Inhalts im Klassenzimmer:
„0,0005 % der österreichischen Bevölkerung sind an Corona gestorben! Um diese Menschen zu schützen müssen Produkte aus der Pharmaindustrie um Milliarden Euro für acht Millionen Menschen gekauft werden.“
„Ich habe gemerkt, dass Einsamkeit krank macht, aber die Regierung sagt, dass ich viel allein sein soll.
Ich habe gemerkt, dass Vitamine gut für meine Gesundheit sind, aber die Regierung sagt, dass ich mich impfen lassen soll.
Ich habe gemerkt, dass Umarmungen und Küsse mich glücklich machen, aber die Regierung sagt, dass ich Abstand halten soll.
Ich habe gemerkt, dass sich Menschen bedanken, wenn ich ihnen die Angst nehme, aber die Regierung sagt, dass wir Angst schüren müssen.
Ich habe gemerkt, dass ein Lächeln von wildfremden Menschen mich fröhlich stimmt, aber die Regierung sagt, dass wir uns alle hinter Masken verstecken sollen.
Ich habe gemerkt, dass miteinander blödeln sehr viel Spaß macht, aber die Regierung sagt, wir wollen uns gegenseitig kritisch beobachten.
Ich habe gemerkt, dass ich mich schlecht fühle, wenn ich etwas mache, das anderen schadet, also lass ich es lieber, aber die Regierung sagt, dass wir eine Belohnung bekommen, wenn wir es tun.
Ich habe gemerkt, dass ich ein unangenehmes Gefühl bekomme, wenn ich das Wort ‚Verordnung‘ höre, aber die Regierung sagt, dass wir uns an die ‚neue Ordnung‘ gewöhnen müssen.“
e. Im Klassenzimmer getätigte Aussagen:
„Wenn man die Maske länger als 10 Minuten trägt, kann man einen Gehirnschaden erleiden, weil man dadurch zu viel CO2 einatmet. Die WHO hat schon im Jänner einen Brief an alle Mitgliedsstaaten geschickt, in dem steht, dass Masken keinen Schutz vor Viren bieten. Das Coronavirus wird durch die 5G-Funkmasten übertragen.“
„Ich gehe zu den Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstrationen.“
F. Im Zeitraum Oktober 2020 bis inklusive Dezember 2020 ohne Genehmigung und entgegen der Weisung der Schulleitung nachfolgende Flyer im Schulgebäude verteilt und aufgelegt zu haben:
a. Am 14.12.2020 verteilter zweiseitiger Flyer „Ärzte für Aufklärung“ (Selbstbeschreibung auf dem Flyer: „‚Ärzte für Aufklärung‘ hat mehr als 2.000 Unterstützer. Wir kritisieren die Corona-Maßnahmen der Regierung als überzogen mit fatalen Folgen.“)
b. Flyer „Maske bei Kindern“
c. Flyer mit folgendem Text:
„Wenn jeder der 8,9 Millionen Österreicher einen Zentimeter darstellen würde, dann ergäbe das einen Strecke von 89 Kilometern Länge.
Davon wurden bisher ca. 18,6 Kilometer auf Covid-19 getestet.
589 Meter sind positiv Getestete (inklusive falsch-positiv).
458 Meter werden bereits als wieder genesen betrachtet.
8,7 Meter sind leider an Covid-19 verstorben.
6,5 Meter sind derzeit in Spitalsbehandlung.
Und nur 1 Meter wird aktuell intensiv behandelt.
1 Meter von 89 Kilometern.
Das ist so, als würde man einen Autobahnabschnitt von 89 Kilometern Länge (das ist z.B. die ganze Südautobahn A2 bis zur Steirischen Grenze oder die Westautobahn A1 zwischen Wien und Melk) voll sperren, um 1 Meter Fahrbahn zu reparieren.
Zahlen des Bundesministeriums für Soziales am 14.10.2020.“
G. Sich in der Gestaltung des Unterrichts vom Lehrplan distanziert und durch nachfolgend angeführte Äußerungen ihre privaten Meinungen einseitig in die Lehrtätigkeit habe einfließen lassen und dadurch gegen die Weisung der Schulleitung, derartige Äußerungen mit verschwörungstheoretischem Inhalt zu unterlassen, verstoßen zu haben:
a. „Es gibt keinen menschenverursachten Klimawandel.“
b. „5G - davon bekommen wir Kopfweh.“
c. „Masken sind unnötig und helfen nichts.“
d. „Wir tun alles was die Regierung sagt und wehren uns nicht.“
e. „Trump soll Präsident der USA sein. Er hat ganz viele Kinder gerettet.“
H. Im Rahmen eines mit ihr geführten und auf der Plattform „Media Rebell“ unter dem Usernamen „Das Recht auf Wahrheit“ und dem Titel „Lehrerin bricht ihr Schweigen“ veröffentlichten Interviews zum Schulbetrieb während Corona sowie dem sie betreffenden dienstrechtlichen Verfahren ein Verhalten gesetzt und Äußerungen getätigt zu haben, die in hohem Maße geeignet seien, das Ansehen des Lehrpersonals nachhaltig zu beschädigen und das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen.
2 Die Mitbeteiligte habe dadurch gegen die Verpflichtung, die ihr als Landeslehrerin obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 29 Abs. 1 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz [LDG 1984]) verstoßen, sie habe Handlungen gesetzt, die geeignet seien, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen (§ 29 Abs. 2 LDG 1984), sie habe die Dienstpflichten gegenüber ihren Vorgesetzten verletzt (§ 30 LDG 1984), sie habe insbesondere wiederholt gegen mündliche und schriftliche Weisungen verstoßen (§ 30 Abs. 1 LDG 1984) und ihre lehramtlichen Pflichten verletzt (§ 31 Abs. 1 LDG 1984 iVm § 17 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz [SchUG] iVm § 2 Schulorganisationsgesetz [SchOG]), weshalb über die Mitbeteiligte gemäß § 95 Abs. 2 iVm §§ 70 und 71 LDG 1984 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wurde.
3 Der gegen dieses Disziplinarerkenntnis gerichteten Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insoweit statt, als es gemäß § 95 Abs. 2 iVm §§ 70 und 71 LDG 1984 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von zwei Monatsbezügen verhängte. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
4 Das Verwaltungsgericht stellte begründend dazu fest, die Mitbeteiligte stehe seit dem 1. September 1984 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Wien. Ihre Definitivstellung sei mit 1. Februar 2000 erfolgt. Seit dem 1. September 2014 unterrichte sie als Integrationslehrerin (zumeist geistig, teils hochgradig) behinderte Kinder an einer näher bezeichneten allgemeinen Sonderschule. An einer weiteren Schule werde sie mitverwendet. Über eine schulfeste Stelle verfüge sie nicht.
5 Die Mitbeteiligte sei der Überzeugung, insbesondere behinderte Kinder effektiv nur ohne Maske unterrichten zu können, denn nur so sei die Interaktion zwischen Schülerinnen und Lehrer möglich, weil diese bei kleinen und (geistig) behinderten Kindern im Wesentlichen auch auf der Mimik basiere. Zudem werde das Verstehen des Gehörten erheblich erleichtert, wenn diese Kinder die Artikulation des Lehrers optisch wahrnehmen könnten.
6 Darüber hinaus bezweifle sie die Richtigkeit der den verordneten Corona-Maßnahmen zu Grunde liegende Datenbasis und damit auch die Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Maßnahmen selbst. Sie sei der Auffassung, sie müsse ihren Schülerinnen auch ihre Meinung zu den Corona-Maßnahmen vermitteln, damit diese erfahren würden, dass es neben jener des „Mainstreams“ auch eine andere - ihrer Überzeugung nach: richtige - Sicht der Dinge gebe. Die Mitbeteiligte sei disziplinarrechtlich unbescholten. Bis zu Beginn des Jahres 2020 habe sie ihren Dienst ohne Beanstandungen verrichtet und ein gutes persönliches Verhältnis mit Kolleginnen, Eltern und Schülern gehabt.
7 Anschließend stellte das Verwaltungsgericht die vorgeworfenen Handlungen fest und führte zum letzten Punkt aus, dass die Mitbeteiligte sich im Rahmen eines mit ihr geführten und auf der Plattform „Media Rebell“ unter dem Usernamen „Das Recht auf Wahrheit“ sowie dem Titel „Lehrerin bricht ihr Schweigen“ veröffentlichten Interview zum Schulbetrieb „während Corona“ und dem sie betreffenden dienstlichen Verfahren geäußert und auch erwähnt habe, „Lücken in der Verordnung zu nutzen“.
8 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht nach Darlegung der Rechtslage fallbezogen aus, dass die Mitbeteiligte, durch ihre Weigerung im Schulbereich einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wiederholt Weisungen missachtet habe. Sie habe durch die an Schüler gerichtete Aufforderung, keinen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und durch das Antreten ihres Dienstes ohne Mund-Nasen-Schutz gegen Vorschriften der COVID-19-Schulverordnung 2020/21 verstoßen. Durch die Nichtbefolgung der Weisungen habe sie ihre in § 30 Abs. 1 LDG 1984 festgeschriebene Pflicht zur Befolgung von Weisungen und - was die Verletzung der COVID-19-Schulverordnung 2020/21 angehe - ihre in § 29 Abs. 1 LDG 1984 und § 31 Abs. 1 LDG 1984 grundgelegte Pflicht missachtet, ihre Unterrichtsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung zu besorgen bzw. ihre sich aus der lehramtlichen Stellung ergebenden Obliegenheiten einzuhalten.
9 Allerdings seien die jeweiligen (gleichartigen) Einzelhandlungen von einem „Gesamtvorsatz“ getragen gewesen. Sie seien auch gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet (Schutz vor einer COVID-19-Infizierung), sodass von fortgesetzten Delikten (in Idealkonkurrenz) auszugehen sei. Im Verfahren seien keine Umstände hervorgekommen, warum es der Mitbeteiligten nicht möglich gewesen wäre, ihrer Pflicht in Bezug auf den Mund-Nasen-Schutz nachzukommen. Es liege auch (bei objektiver Betrachtung) kein entschuldigender Notstand vor, weil die von der Mitbeteiligten verursachte Rechtsgutverletzung (unverhältnismäßig) schwerer wiege als die (vermeintlich) durch die Notstandstat abgewendete. Die Mitbeteiligte habe damit im Sinn des § 69 LDG 1984 schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzt.
10 Zwar sei nicht jede Abweichung vom Lehrplan für sich genommen als Dienstpflichtverletzung zu werten, allerdings habe die Mitbeteiligte durch ihre einseitige und ablehnende Thematisierung der Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 gegenüber den Schülerinnen, durch das einseitige Kommentieren von Medienberichten, das Verteilen von Flyern am Schulstandort sowie durch Tafelbilder und im Klassenzimmer aufgehängte selbstgebastelte Plakate, insgesamt somit durch ihre unausgewogene Vermittlung von Inhalten (nämlich unter Ausblendung jener Inhalte, die nicht ihrer Überzeugung entsprochen hätten) nicht im Sinn des § 29 Abs. 1 LDG 1984 ihre Unterrichts- und Erziehungsaufgaben unparteiisch besorgt, sondern ihre Privatmeinung zu vermitteln versucht. Diese Dienstpflichtverletzung lasse sich auch nicht durch die der Mitbeteiligten in Art. 10 EMRK verfassungsgesetzlich zuerkannte Meinungsäußerungsfreiheit rechtfertigen, weil der in § 29 Abs. 1 LDG 1984 vorgesehene Eingriff in diese Freiheit im öffentlichen Interesse geboten und verhältnismäßig sei, könnten sich doch schulpflichtige minderjährige Schülerinnen in der Regel nicht der geistigen Einflussnahme durch eine Lehrperson entziehen.
11 Anders verhalte es sich jedoch in Bezug auf das auf der Plattform „Media Rebell“ veröffentlichte Interview zum Schulbetrieb während Corona sowie zu dem sie betreffenden dienstrechtlichen Verfahren. Hiefür sei die Disziplinierung - aus vom Verwaltungsgericht näher dargelegten Gründen - nicht notwendig.
12 Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht fallbezogen aus, dass die durch die genannte Dienstpflicht geschützten Rechtsgüter das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben, die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Bildung der Schülerinnen und Entwicklung der Anlagen der Schülerinnen seien. Die Mitbeteiligte habe durch ihr einseitiges Vermitteln ihrer Privatmeinung das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung falle jedoch - so führte das Verwaltungsgericht weiter aus - nicht unbedingt schwer aus. Die Mitbeteiligte habe weder einzelne Schüler bevorzugt noch andere unsachlich benachteiligt oder bei der Benotung der von den Schülerinnen erbrachten Leistungen unsachliche Kriterien angewandt. Dies wären gewichtige Eingriffe in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben der Mitbeteiligten. Sie habe sich eines in der Öffentlichkeit breit diskutierten Themas angenommen, nämlich der COVID-19-Pandemie und hiezu einseitig und beharrlich ihre persönliche Meinung geäußert. Damit habe sie freilich ihre Unterrichts- und Erziehungsaufgaben nicht unparteiisch besorgt und das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben - aber nicht überaus stark - beeinträchtigt. Denn - dies sei notorisch - ihre Auffassung werde auch von unzähligen anderen Menschen geteilt, möge sie auch eine Mindermeinung sein (die belangte Disziplinarkommission spreche - abwertend - von „Verschwörungstheorien“).
13 Das nach Auffassung des Verwaltungsgerichts bedeutendste, durch die Dienstpflichten geschützte Rechtsgut sei die Bildung der Schülerinnen und die Entwicklung der Anlagen der Schülerinnen. Dies scheine jedoch durch die Verhaltensweisen der Mitbeteiligten nicht beeinträchtigt worden zu sein. Dass die Anlagen der Schülerinnen durch die Aussagen und Verhaltensweisen der Mitbeteiligten in ihrer Entwicklung behindert worden wären, sei nicht zu ersehen. Aber auch die Bildung der Schülerinnen erscheine von den Maßnahmen der Mitbeteiligten nicht tangiert. Dass sie den Lehrstoff der Unterrichtsgegenstände nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechend vermittelt habe, sei ihr weder vorgeworfen noch festgestellt worden.
14 Insbesondere die Nichtbefolgung der Weisungen, die in Konkretisierung der COVID-19-Schulverordnung 2020/21, deren Beachtung gemäß § 31 Abs. 1 LDG 1984 zu den Dienstpflichten zähle, ergangen seien, beeinträchtige unzweifelhaft die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Das aus der Nichtbefolgung der Weisungen resultierende Verbot, in der Klasse zu unterrichten, und - in weiterer Folge - die Suspendierung zeitigten - vom Ergebnis her - dieselbe Wirkung auf den Dienstbetrieb wie ein Krankenstand, könne doch in beiden Fällen der Dienstgeber nicht auf die Arbeitskraft seines Dienstnehmers zurückgreifen. Freilich gefährde das durch die Nichtbefolgung der Weisungen bewirkte Untergraben der Autorität des Dienstgebers die Funktionsfähigkeit des Schulbetriebs. Diese Dienstpflichtverletzungen seien aber nicht schlechterdings zum Verlust der Funktionsfähigkeit des Dienstbetriebs geronnen.
15 Als Verschuldensgrad sei Vorsatz anzunehmen. Es sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligten die Verletzung von Dienstpflichten durch ihr Verhalten bewusst gewesen sei. Die Mitbeteiligte sei allerdings der Meinung gewesen, hinsichtlich der Weigerung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, liege ein entschuldigender Sachverhalt und damit (juristisch qualifiziert) ein Putativnotstand im Sinn des § 10 Abs. 2 Satz 2 StGB vor. Sie sei überzeugt gewesen, für ihre Schülerinnen bewirke das Tragen einer Maske einen bedeutenden Nachteil bei der Möglichkeit, aus dem Unterricht einen Ertrag zu erzielen, weil die Interaktion zwischen Lehrer und Schülerinnen erheblich beeinträchtigt sei. Sie sei somit von einer Notstandssituation ausgegangen und habe als Mittel, um aus dieser Notstandssituation herauszukommen, die Missachtung der Pflicht zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes eingesetzt. Da allerdings nach Auffassung des Verwaltungsgerichts die durch ihre Notstandshandlung verursachte Rechtsgutverletzung (unverhältnismäßig) schwerer wiege als die durch die Notstandshandlung abgewendete, liege kein entschuldigender Notstand vor. Da sie jedoch irrtümlich der Meinung gewesen sei, es läge ein entschuldigender Notstand vor, sei als Schuldform Fahrlässigkeit anzunehmen, weil ihr auch der Irrtum fahrlässig unterlaufen sei. Das Gleiche gelte für ihren nicht dem Lehrplan entsprechenden Unterricht und das Verteilen von Flyern. Hier sei sie der Überzeugung gewesen, § 2 Abs. 1 SchOG gebiete, die Schülerinnen müssten erfahren, dass es neben jener des Mainstreams auch eine andere - nach ihrer Auffassung richtige - Sicht der Dinge zu den Corona-Maßnahmen gebe. Damit habe sie freilich andere - schwerer wiegende - Dienstpflichten missachtet. Auf Grund dieser Erwägungen beurteile das Verwaltungsgericht die Schwere der Dienstpflichtverletzungen der Mitbeteiligten nicht derart, dass