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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. November 1994, Zl. 102.779/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 11. November 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 17. September 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufG abgewiesen.
Die Erstbehörde habe den genannten Antrag im Hinblick darauf, daß die dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Wohnung im Ausmaß von 35m2 für den dauernden Aufenthalt von sechs Personen nicht ausreiche, wegen Nichtvorliegens der vom Gesetz verlangten ortsüblichen Unterkunft abgewiesen. Gegen diese Beurteilung habe der Beschwerdeführer eingewendet, daß in der gegenständlichen Wohnung lediglich drei Personen wohnhaft seien. Diese Behauptung stünde jedoch mit dem Melderegister in Widerspruch. Damit habe der Beschwerdeführer nicht belegen können, aus welchen Gründen die Ermessensübung der Behörde bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit der Wohnung gesetzwidrig gewesen wäre.
Die Beurteilung im vorliegenden Fall zeige weiters, daß auch der Unterhalt des Beschwerdeführers nicht auf Dauer gesichert sei, weil eine einmalige Bestätigung über ein erzieltes Honorar von S 6.666,-- bei gleichzeitiger Mitteilung des Finanzamtes, daß das Einkommen des Beschwerdeführers unterhalb der steuerlich relevanten Grenze liege, nicht geeignet sei, die dauerhafte Sicherung seines Unterhaltes zu belegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie übersehe mit ihrem Hinweis auf das Melderegister, dem zufolge sechs Personen an der Adresse der Unterkunft des Beschwerdeführers gemeldet seien, daß in dieser Wohnung tatsächlich nur drei Personen (wie in der Berufung im Verwaltungsverfahren geltend gemacht) lebten. Insoweit die belangte Behörde davon ausgehe, daß sein Unterhalt nicht ausreichend gesichert erscheine, sei dies auf eine Verletzung des Parteiengehörs zurückzuführen, weil die belangte Behörde diesen Abweisungsgrund erstmals im angefochtenen Bescheid herangezogen habe. Hätte die belangte Behörde ihm gemäß § 45 Abs. 3 AVG Parteiengehör gewährt, so hätte er nachweisen können, daß er als freier Mitarbeiter der Transportfirma Eva Malik für das Aufstellen von Zeitungsständern monatlich S 8.000,-- netto erhalte.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Die tragende Begründung des angefochtenen Bescheides, daß im Hinblick auf das Melderegister (auf welches sich bereits die Behörde erster Instanz bei ihrer Annahme der Überbelegung der Wohnung gestützt hatte) von sechs Bewohnern der Unterkunft des Beschwerdeführers auszugehen sei und deshalb für diesen keine ortsübliche Unterkunft im Sinn des § 5 Abs. 1 AufG gesichert sei, macht deutlich, daß die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat. Denn für die Frage, ob eine solche Unterkunft vorhanden sei, ist - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/1040, dargetan hat - (u.a.) die Zahl der Personen wesentlich, die dort tatsächlich wohnen und nicht die Zahl der dort gemeldeten Personen (die mit der Zahl der Personen, die dort tatsächlich Unterkunft genommen haben, nicht übereinstimmen muß). Das Verkennen der maßgeblichen Rechtslage war offensichtlich ursächlich dafür, daß es die belangte Behörde unterlassen hat, sich mit dem insofern bedeutsamen Berufungsvorbringen, demzufolge in der in Rede stehenden Wohnung lediglich drei Personen wohnen würden (wozu auch die Einvernahme von zwei namhaft gemachten Zeugen angeboten worden war), auseinanderzusetzen.
Soweit die belangte Behörde ihren Bescheid (erstmals) auch darauf stützt, daß der Unterhalt des Beschwerdeführers auf Dauer nicht gesichert sei, ist der Beschwerdeführer mit dem Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs im Recht. Die belangte Behörde kann zwar ihre rechtliche Beurteilung an die Stelle jener der Unterbehörde setzen (§ 66 Abs. 4 AVG), wenn sie aber Sachverhaltselemente in ihre rechtliche Würdigung einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren, und darauf aufbauend ergänzende Feststellungen trifft, ist das Parteiengehör zu gewähren. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Gewährung des Parteiengehörs und Erbringung des in der Beschwerde behaupteten Nachweises, daß der Beschwerdeführer monatlich netto S 8.000,-- verdiene, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Aufgrund der Verletzung des Parteiengehörs steht dem Vorbringen in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde das Neuerungsverbot nicht entgegen.
Da sich nach dem Gesagten der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig erweist und dieser Rechtsgrund der Aufhebung wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995210188.X00Im RIS seit
02.05.2001