Entscheidungsdatum
27.10.2022Norm
ASVG §33Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Dr. Grünstäudl als Einzelrichter über die Beschwerde der A, in Deutschland, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 8. Juni 2022, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§ 45 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Krems (in der Folge: belangte Behörde) vom 8. Juni 2022, Zl. ***, wurde A (in der Folge: Beschwerdeführerin) die folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:
„Tatbeschreibung:
Sie haben als Gewerbetreibende (Güterbeförderung) und Dienstgeber mit Sitz in ***, ***, den/die rumänischen Staatsangehörige/n B, geb. *** in der Zeit von 2.9.2020, 06.00 Uhr bis zum Zeitpunkt der Kontrolle durch Organe des Amtes für Betrugsbekämpfung, FinPol Team ***, am 14.1.2020, gegen 14.10 Uhr, in ***, ***, mit Zustelltätigkeiten (Paketzusteller/ Beifahrer bei einer Entlohnung von 1700 Eur[o]/n[e]tto/Monat) beschäftigt, ohne diese(n) Dienstnehmer/In als in der Unfall- und Pensionsversicherung/nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG pflichtversicherte Person(en) (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger, aufgrund einer bestehenden Krankenversicherung, nämlich der ÖGK NÖ, ***, ***, anzumelden, obwohl Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden hat.
Der Dienstnehmer wurde erst mit 2.9.2020, 13.43 Uhr beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet und haben Sie somit als Dienstgeber entgegen § 33 Abs. 1 und Abs. 1a ASVG die Anmeldung zur Pflichtversicherung für den oben angeführten Arbeitszeitraum nicht rechtzeitig vor dem oben angeführten Arbeitsantritt erstattet. Es erfolgte auch keine telefonische Meldung oder Meldung mittels Telefax.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 111 Abs 1 Z 1 iVm 33 Abs 1 und Abs 1a und Abs 2 ASVG“
1.2. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 111 Abs. 2 erster Fall iVm Abs. 1 ASVG eine Geldstrafe in der Höhe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in der Höhe von 73 Euro vorgeschrieben.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Mit E-Mail vom 30. Juni 2022 erhob die Beschwerdeführerin eine Beschwerde. Sie führte im Wesentlichen aus, dass der Dienstnehmer rechtzeitig angemeldet worden sei. Die Anmeldung sei fälschlicherweise zwei Mal erfolgt, wobei eine Anmeldung storniert und die andere Anmeldung am nächsten Tag richtiggestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin schloss ihrer Beschwerde die Meldebestätigungen aus ELDA (Elektronischer Datenaustausch mit den österreichischen Sozialversicherungsträgern) bei.
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das Landesverwaltungsgericht nahm Einsicht in den vorliegenden Akt der Bezirksverwaltungsbehörde und forderte das Amt für Betrugsbekämpfung zur Stellungnahme auf. Das Amt für Betrugsbekämpfung teilte nach Darlegung des Sachverhalts lediglich mit, dass „aufgrund der Richtigstellung der Anmeldung am 02.09.2020 um 13:43:13 Uhr mit Beschäftigungsbeginn 02.09.2020 […] ein Verstoß gegen die melderechtlichen Vorschriften des ASVG unterstellt" worden sei.
4. Feststellungen:
4.1. Die Beschwerdeführerin übt als Einzelunternehmerin das Gewerbe der Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen aus, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht 3.500 kg nicht übersteigt. Ihr Sitz befindet sich in ***, ***. Die Beschwerdeführerin beschäftigt als Dienstgeberin seit 2.9.2020, 6:00 Uhr, B (in der Folge: Dienstnehmer) mit Zustelltätigkeiten (Paketzusteller bzw. Beifahrer) und zahlte diesem dafür ein monatliches Gehalt von 1.700 Euro/netto.
4.2. Der Dienstnehmer wurde am 1.9.2020 um 14:56 Uhr als Arbeiter zur Sozialversicherung ab 1.9.2020 angemeldet. Die ELDA-Protokollnummer dieses Meldevorgangs war *** und der zugehörige Referenzwert ***. Der Referenzwert dient der eindeutigen Identifikation einer Meldung.
4.3. Der Dienstnehmer wurde am 1.9.2020 um 14:58 Uhr erneut als Arbeiter zur Sozialversicherung ab 1.9.2020 angemeldet. Die ELDA-Protokollnummer dieses Meldevorgangs war *** und der zugehörige Referenzwert ***.
4.4. Die erste Anmeldung des Dienstnehmers (zu Referenzwert: ***) wurde noch am 1.9.2020 um 15:00 Uhr unter der ELDA-Protokollnummer *** storniert.
4.5. Am 2.9.2020 erfolgte um 13:43 Uhr eine Richtigstellung der zweiten Anmeldung des Dienstnehmers (zu Referenzwert: ***) unter der ELDA-Protokollnummer ***, indem die Anmeldung des Dienstnehmers dahingehend geändert wurde, dass dieser statt am 1.9.2020 am 2.9.2020 angemeldet wurde.
4.6. Am 14.1.2021 fand eine Kontrolle des Amtes für Betrugsbekämpfung statt, bei welcher der Dienstnehmer in ***, ***, angetroffen wurde, als er mit Zustelltätigkeiten als Paketzusteller bzw. Beifahrer für die Beschwerdeführerin beschäftigt war.
5. Beweiswürdigung:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten unbedenklichen Verwaltungsakt der belangten Behörde und in den Gerichtsakt. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem Akteninhalt, nämlich einerseits aus der Anzeige des Amtes für Betrugsbekämpfung (betreffend Pkt. 4.1 und Pkt. 4.6.) und andererseits aus den dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossenen Meldebestätigungen aus dem ELDA-System (betreffend Pkt. 4.2. bis Pkt. 4.5). Der Arbeitsbeginn des Dienstnehmers am 2.9.2020 ist unstrittig. Der Zeitpunkt stützt sich auf die übereinstimmenden Dokumente, nämlich auf den Arbeitsvertrag, welcher bereits im Rahmen der Kontrolle des Amtes für Betrugsbekämpfung vorgewiesen wurde (Fotos, AS 27-29), sowie auf die durch die Beschwerdeführerin übermittelten Arbeitsaufzeichnungen (AS 31) und lässt sich auch mit den Angaben des Dienstnehmers beim Amt für Betrugsbekämpfung (Personenblatt, AS 38-39) nachvollziehbar in Einklang bringen. Das Landesverwaltungsgericht hat keinen Zweifel an der Echtheit und Richtigkeit der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Meldebestätigungen aus dem ELDA-System. Auch aus einem ELDA-Ausdruck des Amtes für Betrugsbekämpfung betreffend die „Richtigstellung [der] Anmeldung“ (AS 16-17) ergibt sich, dass der Dienstnehmer mit 2.9.2020 zur Sozialversicherung angemeldet wurde.
6. Rechtslage:
Die wesentlichen Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) lauten auszugsweise:
An- und Abmeldung der Pflichtversicherten
§ 33.
(1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
(1a) Der Dienstgeber hat die Anmeldeverpflichtung so zu erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar
1. vor Arbeitsantritt die Beitragskontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen, den Tag der Beschäftigungsaufnahme sowie das Vorliegen einer Voll- oder Teilversicherung und
2. die noch fehlenden Angaben mit der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung für jenen Beitragszeitraum, in dem die Beschäftigung aufgenommen wurde. […]
(2) Abs. 1 gilt für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, daß die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind. […]
Meldung von Änderungen und der monatlichen Beitragsgrundlagen
§ 34.
(1) Die Dienstgeber haben während des Bestandes der Pflichtversicherung jede für diese Versicherung bedeutsame Änderung, die nicht von der Meldung nach Abs. 2 umfasst ist, innerhalb von sieben Tagen dem zuständigen Krankenversicherungsträger zu melden. Jedenfalls zu melden ist der Wechsel des Abfertigungssystems nach § 47 des Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes (BMSVG), BGBl. I Nr. 100/2002, oder nach vergleichbaren österreichischen Rechtsvorschriften.
(2) Die Meldung der monatlichen Beitragsgrundlagen hat nach Ablauf eines jeden Beitragszeitraumes mittels elektronischer Datenfernübertragung (§ 41 Abs. 1 und 4) zu erfolgen; die Frist für die Vorlage der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung endet mit dem 15. des Folgemonats. Wird ein Beschäftigungsverhältnis nach dem 15. des Eintrittsmonats aufgenommen, endet die Frist für die Meldung der monatlichen Beitragsgrundlage mit dem 15. des übernächsten Monats. Dies gilt auch bei Wiedereintritt des Entgeltanspruches nach dem 15. des Wiedereintrittsmonats. Davon abweichend kann für Versicherte nach § 4 Abs. 4 die Meldung der nach § 44 Abs. 8 ermittelten Beitragsgrundlage bis zum 15. des der Entgeltleistung folgenden Kalendermonats erfolgen. […]
Verstöße gegen melderechtliche Vorschriften
§ 111.
(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder nach § 42 Abs. 1 auskunftspflichtige Person oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
[…]
(2) Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar
– mit Geldstrafe von 730 € bis zu 2 180 €, im Wiederholungsfall von 2 180 € bis zu 5 000 €,
– bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,
sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf 365 € herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.
7. Rechtliche Erwägungen:
7.1. Im vorliegenden Fall war der Dienstnehmer vor Beginn des Arbeitsantritts (2.9.2020 um 6:00 Uhr) zur Sozialversicherung angemeldet gewesen, da die Beschwerdeführerin den Dienstnehmer als Arbeiter ab 1.9.2020 zur Sozialversicherung angemeldet hatte. Am 2.9.2020 erfolgte um 13:43 Uhr durch die Dienstgeberin eine Richtigstellung der Anmeldung, indem der Tag der Beschäftigungsaufnahme von 1.9.2020 auf 2.9.2020 abgeändert wurde. Für solche Konstellationen ist im ELDA-System die Meldungsart „Richtigstellung [der] Anmeldung“ vorgesehen. Sie dient dazu einen unrichtigen Beginn der Pflichtversicherung zu korrigieren (vgl. ÖGK, Arbeitsbehelf 2021 für Dienstgeberinnen und Dienstgeber sowie Lohnverrechnerinnen und Lohnverrechner). Diese Richtigstellung der sozialversicherungsrechtlichen Meldung vermag am Umstand nichts zu ändern, dass der Dienstnehmer im Zeitpunkt vor dessen tatsächlichem Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet war.
7.2. Aus der Begründung des Straferkenntnisses ergibt sich, dass die belangte Behörde (wie auch das Amt für Betrugsbekämpfung) bloß drei der vier relevanten Meldevorgänge in ihre rechtliche Beurteilung einbezog und sie deshalb von einem strafbaren Verhalten ausging. Im Übrigen weist der Tatvorwurf einen Mangel auf, da die gegenständliche Kontrolle der Finanzpolizei nicht im Jahr 2020, sondern im Jahr 2021 stattfand.
7.3. Da die Beschwerdeführerin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war spruchgemäß zu entscheiden.
8. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte die Verhandlung entfallen, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war. Zudem wurde von allen Parteien auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet, weshalb auch gemäß § 44 Abs. 5 VwGVG die Verhandlung entfallen konnte.
9. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Sozialversicherungsrecht; Verwaltungsstrafe; Pflichtversicherung; Anmeldung; Berichtigung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2007.001.2022Zuletzt aktualisiert am
25.11.2022