TE Vfgh Erkenntnis 1993/12/15 G230/93, G231/93, G232/93

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Veröffentlicht am 15.12.1993
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Index

L3 Finanzrecht
L3703 Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
LustbarkeitsabgabeO der Stadt Graz 1987 vom 10.12.86
Stmk LustbarkeitsabgabeG
Stmk LustbarkeitsabgabezuschlagsG
F-VG 1948 §6
FAG 1989 §14

Leitsatz

Aufhebung des Gesetzes über die Einhebung eines Kriegsopferzuschlags als Zuschlag zur Lustbarkeitsabgabe für Spielapparate wegen Widerspruchs zur Finanzverfassung; Schaffung einer nicht vorgesehenen und daher unzulässigen Abgabenform durch Einführung eines Landeszuschlags zu einer Gemeindeabgabe

Spruch

Das Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz 1950, LGBl. für die Steiermark Nr. 38, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Das aufgehobene Gesetz ist nicht mehr anzuwenden.

Der Landeshauptmann von Steiermark ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Gemäß §14 Abs1 des Finanzausgleichsgesetzes 1989, BGBl. 687/1988, sind die hier im einzelnen aufgezählten Abgaben ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben, darunter nach den Zahlen 8 und 9:

"8. Lustbarkeitsabgaben (Vergnügungssteuern) ohne Zweckwidmung des Ertrages;

9. Lustbarkeitsabgaben mit Zweckwidmung des Ertrages, insbesondere Abgaben für die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunkempfangsanlagen (zB Fernsehschilling), Kriegsopferabgaben, Sportförderungsabgaben (zB Kultur- und Sportschilling);".

Absatz 3 dieses Paragraphen ordnet an, daß bestimmte der in Abs1 angeführten Abgaben ausschließliche Gemeindeabgaben sind, so auch die in Z8 umschriebenen Lustbarkeitsabgaben.

§15 Abs3 FAG 1989 ermächtigt die Gemeinden, gewisse Abgaben - vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung - aufgrund freien Beschlußrechtes auszuschreiben und führt unter Z1 an:

"1. Lustbarkeitsabgaben (Vergnügungssteuern) gemäß §14 Abs1 Z8, die in Hundertteilen des Eintrittsgeldes erhoben werden, allgemein bis zum Ausmaß von 25 vH, bei Filmvorführungen bis zum Ausmaß von 10 vH des Eintrittsgeldes mit Ausschluß der Abgabe. Ausgenommen sind Lustbarkeitsabgaben für Veranstaltungen von Theatern, die aus Mitteln des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde regelmäßige Zuschüsse erhalten;".

Auch das Finanzausgleichsgesetz 1985, BGBl. 544/1984, enthielt in seinen §§14 und 15 gleichlautende Vorschriften (vgl. in diesem Zusammenhang auch die korrespondierenden Bestimmungen in den §§14 und 15 des Finanzausgleichsgesetzes 1993, BGBl. 30).

2. a) In dem (in der Folge mehrmals, nämlich durch §244 lite LAO, LGBl. 158/1963, und durch die Novellen LGBl. 194/1964, 121/1968 und 34/1986 geänderten) Gesetz vom 20. Juli 1950, LGBl. 37, über die Einhebung einer Lustbarkeitsabgabe (Lustbarkeitsabgabegesetz) regelte der steiermärkische Landesgesetzgeber die durch die steirischen Gemeinden einzuhebende Lustbarkeitsabgabe näher. Die Lustbarkeitsabgabe als "Abgabe für das Halten von Geldspielautomaten" wurde in dem durch die Lustbarkeitsabgabegesetz-Novelle 1986, LGBl. 34, in das Gesetz eingefügten §14a wie folgt festgelegt:

"Für das Halten von Geldspielapparaten nach §5a Abs3 des Steiermärkischen Veranstaltungsgesetzes, LGBl. Nr. 192/1969, in der am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes geltenden Fassung der Steiermärkischen Veranstaltungsgesetznovelle 1986 (Spielapparatenovelle), beträgt die Lustbarkeitsabgabe höchstens 4000 S je Apparat und begonnenem Kalendermonat."

b) Am selben Tag wie das Lustbarkeitsabgabegesetz beschloß der Steiermärkische Landtag das Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz 1950, LGBl. 38, welches nachstehenden Wortlaut hat:

"§1.

(1) Zur Deckung der Ausgaben des Landes für die Unterstützung von Kriegsopfern ist ein Zuschlag von 20 v.H. zur Lustbarkeitsabgabe zu entrichten, die die Gemeinden auf Grund des Landesgesetzes vom 20. Juli 1950, LGBl. Nr. 37, einheben.

(2) Soweit die Lustbarkeitsabgabe nach dem Eintrittsgeld mit Ausschluß der Abgabe bzw. als Prozentualabgabe nach den Bruttoeinnahmen bemessen wird und der Steuersatz 25 v.H. übersteigt, ist der Berechnung des Zuschlages ein Steuersatz in der Höhe von 25 v. H. zugrunde zu legen. Bei der Pauschalabgabe findet eine Begrenzung nicht statt.

§2.

Das Erträgnis des Zuschlages fließt zur Hälfte dem Kriegsopferverband Steiermark zu. Über die Verwendung der anderen Hälfte des Erträgnisses entscheidet die Landesregierung nach Anhörung dieses Verbandes.

§3.

Der Zuschlag ist von den Gemeinden gleichzeitig mit der Lustbarkeitsabgabe einzuheben. Auf ihn finden die Bestimmungen des im §1 Abs1 angeführten Gesetzes über die Lustbarkeitsabgabe sinngemäß Anwendung.

§4.

Der Ertrag des Zuschlages ist von den Gemeinden vierteljährlich an die durch die Steiermärkische Landesregierung festzusetzende Zahlstelle zu überweisen.

§5.

Dieses Gesetz tritt mit 1. April 1950 in Wirksamkeit. Mit seiner Durchführung ist die Steiermärkische Landesregierung betraut."

c) Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz erließ (mit Beschlüssen vom 23. März und 21. September 1950) eine (mit Beschluß vom 22. Mai 1986 novellierte) Lustbarkeitsabgabeordnung, die mit Gemeinderatsbeschluß vom 10. Dezember 1986 "neu gefaßt" und als "Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987" kundgemacht wurde (Stadt Graz-Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 22/1986). Der Einleitungssatz sowie die §§1, 18 und 19 dieser Verordnung haben folgenden Wortlaut:

"Auf Grund des freien Beschlußrechtes nach den Bestimmungen der §§7 und 8 F-VG 1948, BGBl. Nr. 45/1948, und §15 FAG 1985, BGBl. Nr. 544/1984 i.d.F. BGBl. Nr. 384/1986, wird in Verbindung mit dem Gesetz vom 20. Juli 1950 über die Einhebung einer Lustbarkeitsabgabe (Lustbarkeitsabgabegesetz), LGBl. Nr. 37, i. d.F. LGBl. Nr. 34/1986, gemäß §45 (2) Z. 13 des Statutes der Landeshauptstadt Graz, LGBl. Nr. 130/1967 i.d.F. LGBl. Nr. 11/1985, verordnet:

...

§1

Gegenstand der Abgabe

(1) Der Abgabepflicht unterliegen grundsätzlich alle Veranstaltungen im Gebiet der Stadt Graz, welche überwiegend geeignet sind, die Teilnehmer zu unterhalten und zu ergötzen.

(2) Für die einzelnen Arten von Veranstaltungen erfolgt die Erhebung der Lustbarkeitsabgabe, unter Einschluß des gemäß dem Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz vom 20. Juli 1950, LGBl. Nr. 38, zur Deckung der Aufgaben des Landes für die Unterstützung von Kriegsopfern gleichzeitig einzuhebenden Zuschlages zur Lustbarkeitsabgabe (Kriegsopferzuschlag), dem Grunde und der Höhe nach gemäß den Bestimmungen des II., III. und IV. Abschnittes dieser Verordnung.

...

§18

Festsetzung nach dem Wert

Die Abgabe für Unterhaltungsspielapparate beträgt je angefangenem Betriebsmonat für den Betrieb

a) eines Schau-, Scherz-, Spiel-, Geschicklichkeits- oder ähnlichen Apparates 0,6 v.H. des gemeinen Wertes (Verkaufswertes) des Apparates,

b) einer Vorrichtung zur mechanischen Wiedergabe musikalischer Stücke oder Deklamationen in öffentlichen Lokalen, insbesondere in Gast- und Schankwirtschaften sowie an sonstigen öffentlichen Orten 0,3 v.H. des gemeinen Wertes (Verkaufswertes) der Vorrichtung

einschließlich Kriegsopferzuschlag.

§19

Geldspielapparate

(1) Für das Halten von Geldspielapparaten nach §5a Abs3 des Steiermärkischen Veranstaltungsgesetzes, LGBl. Nr. 192/1969, i. d.F. LGBl. Nr. 29/1986, beträgt die Abgabe S 4000,- (das sind S 4800,- einschließlich Kriegsopferzuschlag) je Apparat und begonnenem Kalendermonat. Die Abgabe ist längstens bis Zehnten jeden Monats für den vorangegangenen Monat zu entrichten.

(2) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe endet erst mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Abmeldung des Apparates erfolgt oder das städtische Steueramt sonst davon Kenntnis erlangt, daß der Apparat vom Abgabepflichtigen nicht mehr gehalten wird. Bei Austausch eines angemeldeten Apparates gegen einen gleichartigen Apparat innerhalb eines Kalendermonats tritt bei gleichzeitiger Abmeldung des alten und der Anmeldung des neuen Apparates für den neu angemeldeten Apparat die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe erst ab dem auf den Anmeldemonat folgenden Kalendermonat ein.

(3) Zu Kontrollzwecken sind die Abgabepflichtigen (Bewilligungsinhaber, Veranstalter) verpflichtet, an jedem von der Bewilligung erfaßten Spielapparat die von der Bewilligungsbehörde ausgestellte Plakette deutlich sichtbar anzubringen.

Die Durchschrift der vom städtischen Steueramt über die Aufstellung der Geldspielapparate ausgestellten Bescheinigung ist am Aufstellungsort zur jederzeitigen Kontrolle bereitzuhalten."

II. Mit zwei im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom 27. Feber 1992 schrieb der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz dem Beteiligten für das Halten von Unterhaltungsspielapparaten und Geldspielapparaten für den Zeitraum August 1989 bis April 1990 bzw. Mai 1990 bis August 1991 Lustbarkeitsabgabe zuzüglich Kriegsopferzuschlag sowie Säumniszuschläge vor. Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag behob der Gemeinderat einen die Vorschreibung von Lustbarkeitsabgabe samt Kriegsopferzuschlag für den Zeitraum 1. Mai bis 31. August 1987 betreffenden Bescheid des Stadtsenates in Handhabung des §220 Abs2 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung von Amts wegen und begründete dies im wesentlichen damit, daß die Vorschreibung durch den Bescheid des Stadtsenates nur einen Teil der zu entrichtenden Abgabe betroffen habe.

Gegen diese drei Bescheide richtet sich die unter B486-488/92 eingetragene Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der (an diesem Gesetzesprüfungsverfahren Beteiligte als) Beschwerdeführer (ua.) geltend macht, daß die Vorschreibung des Lustbarkeitsabgabezuschlags (Kriegsopferzuschlags) deshalb auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruhe, weil das LustbarkeitsabgabezuschlagsG mit §6 F-VG nicht vereinbar sei.

III. A. Der Verfassungsgerichtshof teilte im grundsätzlichen die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beteiligten, soweit sie das LustbarkeitsabgabezuschlagsG betrafen, und leitete daher gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes ein.

Im Prüfungsverfahren erstatteten die Steiermärkische Landesregierung und der Beteiligte Äußerungen.

B.1. Im Einleitungsbeschluß nahm der Gerichtshof zunächst an, daß er die Bestimmungen des in Prüfung stehenden Gesetzes bei seiner Entscheidung über die vorliegenden Beschwerden unmittelbar anzuwenden hätte, maW daß sich die zu beurteilende Vorschreibung des Zuschlags zur Lustbarkeitsabgabe primär auf das LustbarkeitsabgabezuschlagsG, und nur mittelbar, nämlich was die Berechnung des vorzuschreibenden Zuschlags als Hundertsatz der aufzuerlegenden Lustbarkeitsabgabe anlangt, auf die Verordnung des Gemeinderates stütze. Der Verordnung scheine nur insoweit, nämlich als sie sich in ihren in den Beschwerdefällen maßgeblichen Bestimmungen (d.s. die §§1, 18 und 19) auf den Lustbarkeitsabgabezuschlag (Kriegsopferzuschlag) bezieht, Bedeutung zuzukommen, wobei der Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang festhielt, daß sie die Lustbarkeitsabgabe und den darauf bezughabenden Zuschlag in einer beide Abgaben rechnerisch eindeutig trennbaren Weise zum Ausdruck bringe (zB 0,6 vH einschließlich (20 %igen) Kriegsopferzuschlag entspreche 0,5 vH Lustbarkeitsabgabe zuzüglich 0,1 vH Zuschlag; 4.800 S einschließlich (20 %igen) Kriegsopferzuschlag entspreche 4.000 S Lustbarkeitsabgabe zuzüglich 800 S Zuschlag).

2. Während die Steiermärkische Landesregierung das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen nicht in Zweifel zieht, stimmt der Beteiligte der vorläufigen Auffassung des Gerichtshofs über die unmittelbare Anwendbarkeit des LustbarkeitsabgabezuschlagsG nicht zu. Er meint (sinngemäß auf das Wesentliche zusammengefaßt, und zwar soweit seine weitwendigen Darlegungen nicht über den Gegenstand des Prüfungsbeschlusses hinausgehen, sondern sich auf die hier maßgebliche Frage der Präjudizialität des LustbarkeitsabgabezuschlagsG beziehen), daß nicht die Höhe der Landesabgabe, sondern nur die Berechnungsmethode für deren Höhe landesgesetzlich fixiert sei; da die Gemeinde die Höhe der Lustbarkeitsabgabe festsetze, hänge die Höhe des Zuschlags letztlich vom freien Beschlußrecht der Gemeinde ab. Es sei zwar nicht erforderlich gewesen, daß die Gemeinde im Rahmen ihres freien Beschlußrechtes einen Lustbarkeitsabgabezuschlag in die Lustbarkeitsabgabeordnung miteinbeziehe, doch habe sie gerade das in zahlreichen Paragraphen (darunter in §18 und §19) gemacht. Die Lustbarkeitsabgabe und der Lustbarkeitsabgabezuschlag seien durch die Verordnung des Gemeinderates in einer solchen (verfassungswidrigen) Form geregelt, daß für die bescheiderlassende Behörde bzw. für den Normadressaten eine untrennbare Abgabe geschaffen worden sei, welche allenfalls im Innenverhältnis "in rechnerisch eindeutig trennbarer Weise" aufgeteilt werden könne. Die Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 habe eine "Verschmelzung" der Stammabgabe der Gemeinde mit dem zweckgebundenen Zuschlag des Landes geschaffen und damit eine "gemeinschaftliche Gemeindeabgabe" erfunden.

Der Verfassungsgerichtshof vermag diesem Einwand des Beteiligten jedoch nicht beizupflichten; er hält vielmehr die Präjudizialität des in Prüfung gezogenen Gesetzes ob dessen unmittelbarer Anwendbarkeit bei der Abgabenvorschreibung für gegeben.

Zunächst ist festzuhalten, daß sich die Grazer Lustbarkeitsabgabeordnung 1987 (im folgenden auch bloß: LustbarkeitsabgabeO) in ihrer Einleitung (abgesehen vom Finanz-Verfassungsgesetz, dem Finanzausgleichsgesetz und dem Statut der Landeshauptstadt Graz) nur auf das LustbarkeitsabgabeG, nicht aber etwa auch auf das LustbarkeitsabgabezuschlagsG stützt; hiedurch bringt der Verordnungsgeber eindeutig zum Ausdruck, daß er eine eigenständige (nämlich über die der Gemeinde durch §3 des LustbarkeitsabgabezuschlagsG auferlegte Einhebungspflicht hinausreichende) Regelung des Lustbarkeitsabgabezuschlags nicht vorzunehmen beabsichtigt. Dazu kommt, daß der Verordnungsgeber in §1 Abs2 ausdrücklich auf den "gemäß dem Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz vom 20. Juli 1950, LGBl. Nr. 38, zur Deckung der Aufgaben des Landes für die Unterstützung von Kriegsopfern gleichzeitig einzuhebenden Zuschlag(es) zur Lustbarkeitsabgabe (Kriegsopferzuschlag)" (- Hervorhebungen nicht im Verordnungstext -) hinweist und durch die Formulierung dieses Hinweises betont, daß nur das bezogene Gesetz die materielle Grundlage des von den Gemeindeorganen gemeinsam mit der Lustbarkeitsabgabe einzuhebenden Zuschlags bildet. Soweit Bestimmungen der LustbarkeitsabgabeO auf den Lustbarkeitsabgabezuschlag (Kriegsopferzuschlag) Bezug nehmen, sind sie somit unter diesen Aspekten zu verstehen und zu werten. Gegen die vom Beteiligten verfochtene These der "Verschmelzung" zu einer Art "gemeinschaftlicher Gemeindeabgabe" spricht nicht zuletzt auch der Grundsatz der gesetzeskonformen Verordnungsauslegung, der es bei etwaigen Zweifeln über die Bedeutung den Kriegsopferzuschlag betreffender Verordnungsbestimmungen gebietet, sie dahin aufzufassen, daß sie nicht etwa die materielle Grundlage für die Zuschlagseinhebung sind, sondern bloß die rechnerische Beziehung zwischen der Lustbarkeitsabgabe und dem auf ihr beruhenden Zuschlag im Einzelfall ausdrücken; es muß in diesem Zusammenhang nämlich stets mitbedacht werden, daß sowohl die Höhe des Zuschlags mit 20 v. H. als auch die Art seiner Einhebung durch die Gemeindeorgane, nämlich "gleichzeitig mit der Lustbarkeitsabgabe" im Gesetz selbst festgelegt sind (§1 Abs1 bzw. §3 LustbarkeitsabgabezuschlagsG).

3. Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist das eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

C.1. Im Prüfungsbeschluß hat der Gerichtshof seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des in Prüfung stehenden Gesetzes wie folgt dargelegt:

"a) Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu §6 (Abs1) F-VG den wohl auch weiter beizubehaltenden Standpunkt eingenommen, daß diese Verfassungsvorschrift die zulässigen Formen der Abgaben erschöpfend aufzählt (so VfSlg. 7995/1977 und - diese Auffassung bekräftigend - VfSlg. 11667/1988). Nun sieht §6 F-VG Zuschlagsabgaben nur als Zuschläge der Länder (Gemeinden) zu einer Stammabgabe des Bundes (Abs1 Z2 litb) oder als Zuschläge der Gemeinden zu einer Stammabgabe der Länder (Abs1 Z4 litb) vor, nicht dagegen als Zuschläge des Landes zu einer "Stammabgabe" der Gemeinde. Der Verfassungsgerichtshof hat zwar in seiner früheren Rechtsprechung (VfSlg. 1652/1948 und 1654/1948) die Zulässigkeit derartiger Zuschläge der Länder zu Gemeindeabgaben bejaht, doch ging er hiebei von einer anderen finanzverfassungsrechtlichen Lage, nämlich der des F-VG 1931, aus; im schon zitierten Erk. VfSlg. 7995/1977 betonte der Gerichtshof aber, daß seine früheren Entscheidungen nicht mit Erfolg gegen die Annahme einer taxativen Aufzählung der zulässigen Abgabeformen in §6 F-VG 1948 ins Treffen geführt werden könnten. Diese Wertung der älteren Vorjudikatur dürfte demnach ebenfalls für die Verneinung der Frage sprechen, ob die Unterform einer Abgabe als Zuschlagsabgabe zulässig ist, die aus einem Zuschlag des Landes zu einer Gemeindeabgabe besteht.

b) Der Verfassungsgerichtshof ist - im Rahmen der hier vorzunehmenden vorläufigen Beurteilung der Rechtslage - der Meinung, daß es sich bei dem im LustbarkeitsabgabezuschlagsG vorgesehenen Zuschlag im Verhältnis zur Lustbarkeitsabgabe gemäß dem LustbarkeitsabgabeG dem Typus nach um einen Zuschlag des Landes zu einer Gemeindeabgabe, also um eine Abgabe nach Art einer Zuschlagsabgabe, handelt und nicht etwa um gleichartige Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand nach §6 Abs1 Z4 litc F-VG. Von Gleichartigkeit in diesem abgabenrechtlichen Sinn kann gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (s. dazu etwa VfSlg. 5995/1969 mit weiteren Judikaturhinweisen) nur gesprochen werden, wenn die Bestimmungen der verglichenen Gesetze im wesentlichen übereinstimmen; dazu genügt es - wie der Gerichtshof betont hat - aber nicht, daß der Besteuerungsgegenstand derselbe ist, sondern es muß noch hinzukommen, daß von diesem gleichen Besteuerungsgegenstand die Abgaben gleichartig erhoben werden. Diese Voraussetzungen liegen hier - stellt man die bezogenen Gesetze einander gegenüber - schon deshalb nicht vor, weil ein vorzunehmender Vergleich jeweils eine eigenständige Regelung als Vergleichsgegenstand zur Voraussetzung hat, an der es aber beim LustbarkeitsabgabezuschlagsG (da es den einzuhebenden Zuschlag bloß prozentuell an die zu entrichtende Lustbarkeitsabgabe knüpft) fehlt. Daß vielmehr - wie schon eingangs bemerkt wurde - eine im Hinblick auf die Ertragshoheit nicht zulässige Zuschlagsabgabe vorliegt, folgt (auch) aus der nachstehenden Definition dieser Abgabe im rechtswissenschaftlichen Schrifttum (Pfaundler, Die Finanzausgleichsgesetzgebung 1948/582 (1958) S. 26f), welcher sich der Gerichtshof vorläufig anschließt:

'Die Zuschlagsabgaben sind eine zusammengesetzte Abgabeform, die sich haushaltsrechtlich in zwei getrennte Abgaben, Stammabgabe und Zuschlag, auflöst. Dem Wesen der Zuschläge entspricht, daß sie zugunsten einer anderen Gruppe von Körperschaften erhoben werden als die Stammabgabe, daß ihr Ausmaß durch eine zahlenmäßige Beziehung zur Stammabgabe (in Hundertteilen dieser) bestimmt wird und daß sie einer eigenen steuerrechtlichen Regelung entbehren, weil sich diese für sie aus jener der Stammabgabe ergibt.'

c) Die dargelegten Bedenken werden anscheinend auch nicht durch den Abs2 im §6 F-VG entkräftet, demzufolge die Erhebung von zwei oder mehreren (auch gleichartigen) Abgaben in den im Abs1 genannten Haupt- und Unterformen von demselben Besteuerungsgegenstand nebeneinander zulässig ist; der Zuschlag iS des LustbarkeitsabgabezuschlagsG kann nämlich wohl keiner der im §6 Abs1 angeführten Haupt- oder Unterformen der Abgaben zugeordnet werden."

2. Die Steiermärkische Landesregierung hält das LustbarkeitsabgabezuschlagsG nicht für verfassungswidrig. Sie tritt in ihrer Äußerung einerseits der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofs entgegen, daß §6 (Abs1) F-VG eine erschöpfende Aufzählung der zulässigen Abgabenformen enthalte, und bringt dazu vor:

"Es ist richtig, daß sich die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 1652/1948 und 1654/1948 auf das Finanz-Verfassungsgesetz 1931 beziehen. Da aber auch im Abgabenkatalog des Finanz-Verfassungsgesetzes aus dem Jahr 1931 Zuschläge auf Abgaben der nachgeordneten Gebietskörperschaften durch die übergeordneten Gebietskörperschaften nicht vorgesehen sind, wird in Pfaundler, 'Die Finanzausgleichsgesetzgebung 1948/58, 2. Auflage, Wien 1958, in den Erläuterungen zu §6 F-VG 1948 zu Recht auf diese Erkenntnisse hingewiesen und könnten diese Erkenntnisse daher auch weiterhin zur Interpretation des geltenden Finanz-Verfassungsgesetzes herangezogen werden.

Die vom Verfassungsgerichtshof herangezogenen Erkenntnisse VfSlg. 7995/1977 und 11667/1988 beziehen sich beide darauf, daß von demselben Besteuerungsgegenstand neben einer gemeinschaftlichen Bundesabgabe auch eine gleichartige ausschließliche Bundesabgabe eingehoben wurde. In diesen Fällen kommt der Verfassungsgerichtshof zur Erkenntnis, daß zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit dieser Abgaben die Erkenntnisse VfSlg. 1652/1948 und 1654/1948 nicht ins Treffen geführt werden könnten, 'da diese von einer anderen finanzverfassungsrechtlichen Situation - nämlich dem F-VG 1931 - ausgegangen sind und ein anderes Problem betroffen haben'.

Aus dieser Begründung ist nicht zweifelsfrei abzuleiten, daß das Argument der taxativen Aufzählung im §6 F-VG sich auch auf die Zuschlagsabgabe beziehen muß."

Des weiteren ist die Steiermärkische Landesregierung der Meinung, daß es sich bei der Landeszuschlagsabgabe um eine gleichartige Abgabe von demselben Besteuerungsgegenstand handle, und begründet dies folgendermaßen:

"Pfaundler führt in seinem Kommentar zum Finanz-Verfassungsgesetz 1948 zu §6 hinsichtlich des Begriffs der Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand folgendes aus:

'Das F-VG 1934 hat unter Berücksichtigung aller Erfahrungen, die sich aus den ergangenen Erkenntnissen und Verwaltungsentscheidungen ergeben haben, gleichartige Abgaben als solche bezeichnet, die vom gleichen Besteuerungsgegenstand erhoben werden und auch in ihren sonstigen steuerrechtlichen Merkmalen eine wesentliche Übereinstimmung aufweisen. Als sonstige steuerrechtliche Merkmale kommen insbesondere die subjektive Steuerpflicht und der Steuermaßstab (die Bemessungsgrundlage) in Betracht.'

Da das Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz über eine eigene steuerrechtliche Regelung verfügt - es liegt ein eigenes Gesetz vor - und im Sinne des von Pfaundler Gesagten im wesentlichen steuerrechtlich mit dem Lustbarkeitsabgabegesetz übereinstimmt, wird das Lustbarkeitsabgabezuschlagsgesetz - für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof zur Erkenntnis gelangt, daß es nicht unter §6 Abs1 Z. 4 litb F-VG subsumierbar ist - aber doch §6 Abs1 Z. 4 litc zuzuordnen sein."

3. Der Verfassungsgerichtshof bleibt jedoch auf dem im Prüfungsbeschluß eingenommenen Standpunkt. Er hält die dort als vorläufige Annahmen dargelegten Auffassungen voll aufrecht und erachtet die Einwendungen der Steiermärkischen Landesregierung für nicht gerechtfertigt.

Wenngleich die im Einleitungsbeschluß angeführten Erkenntnisse VfSlg. 7995/1977 und 11667/1988 - wie die Landesregierung hervorhebt - jeweils den Fall betrafen, daß von demselben Besteuerungsgegenstand neben einer gemeinschaftlichen Bundesabgabe eine gleichartige ausschließliche Bundesabgabe eingehoben wurde, bezieht sich die bereits in VfSlg. 7995/1977 getroffene (und im späteren Erkenntnis bekräftigte) Aussage, daß §6 (Abs1) F-VG die zulässigen Formen der Abgaben taxativ aufzählt, nicht auf eine solche Konstellation, sondern auf den gesamten Bereich der finanzverfassungsrechtlichen Regelung. Der Verfassungsgerichtshof hat dies im eben zitierten Erkenntnis nicht bloß aus dem Wortlaut, sondern - unter Bezugnahme auf das rechtswissenschaftliche Schrifttum - auch aus dem Zweck der Anordnung abgeleitet. Er verweist sohin auf die dort gegebene Begründung, welche - wie der Gerichtshof ebenfalls schon dargetan hat - durch eine Bezugnahme auf seine ältere Rechtsprechung auf dem Boden einer anderen finanzverfassungsrechtlichen Lage nicht widerlegt werden kann. Abs2 des §6 F-VG relativiert den Abs1 dieses Paragraphen zwar dahin, daß die Erhebung bestimmter Abgaben i.S. des Abs1 nebeneinander für zulässig erklärt wird, doch kommt §6 Abs2 F-VG im vorliegenden Fall seinem Wortlaut nach nicht in Betracht, weil es an der einschränkenden Voraussetzung fehlt, daß Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand vorliegen. Wenn die Steiermärkische Landesregierung ferner geltend macht, daß in Ansehung der Lustbarkeitsabgabe und des Lustbarkeitsabgabezuschlags gleichartige Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand iS des §6 Abs1 Z4 litc F-VG vorlägen, so beruht ihre Argumentation auf einer Einschätzung des LustbarkeitsabgabezuschlagsG als einer relativ eigenständigen steuerrechtlichen Regelung, welcher der Gerichtshof ebenfalls nicht beipflichten kann. Die Unrichtigkeit des erhobenen Einwandes wird sogleich deutlich erkennbar, wenn man eine ersatzlose Aufhebung des LustbarkeitsabgabeG fingiert; dieser - bloß zum leichteren Nachweis gedachte - Fall weist nach, daß eine eigenständige, vollziehbare Regelung des Lustbarkeitsabgabezuschlags in Wahrheit nicht gegeben ist.

4. Zusammenfassend ist sohin festzustellen, daß das geprüfte Gesetz eine im Finanz-Verfassungsgesetz nicht vorgesehene und daher unzulässige Abgabenform schafft, nämlich eine Abgabe nach Art eines Zuschlags des Landes zu einer "Stammabgabe" der Gemeinde. Das geprüfte Gesetz ist daher mit der angenommenen Verfassungswidrigkeit belastet und sohin aufzuheben.

IV. Im Hinblick darauf, daß der Beteiligte glaubhaft darlegte, in gleichgelagerten Verwaltungssachen seien Berufungsverfahren anhängig, die zum Teil bereits Anlaß zur Erhebung von Säumnisbeschwerden an den Verwaltungsgerichtshof geboten haben, sieht sich der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs7 B-VG zum Ausspruch veranlaßt, daß das aufgehobene Gesetz nicht mehr anzuwenden ist.

Die übrigen Entscheidungen stützen sich auf Art140 Abs6 erster Satz und Abs5 erster Satz B-VG.

V. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Vergnügungssteuer, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Abgaben Landes-, Abgabenwesen, Abgaben Gemeinde-, Auslegung verfassungskonforme, Spielapparate, Kriegsopferzuschlag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G230.1993

Dokumentnummer

JFT_10068785_93G00230_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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