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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
FinStrG §82 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der Dr. U in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 10. Mai 1995, GZ. 142-6/95, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Finanzamtes vom 6. September 1994 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Rechtsanwältin, ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, daß sie vorsätzlich 1. unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch die Nichterklärung von Betriebseinnahmen in noch festzustellender Höhe für die Jahre 1986, 1988, 1989 und 1992 eine Verkürzung an Umsatz- und Einkommensteuer bewirkt habe und 2. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 Umsatzsteuergesetz 1972 entsprechenden Voranmeldungen für die Zeit von Jänner bis Dezember 1993 eine Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen bewirkt habe. Sie habe dadurch Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a Finanzstrafgesetz (FinStrG) begangen.
In der Begründung führte das Finanzamt aus, gegen die Beschwerdeführerin geführte finanzstrafrechtliche Erhebungen hätten den Verdacht ergeben, daß sie im genannten Zeitraum ihr anvertraute Klientengelder widmungswidrig verwendet und selbst vereinnahmt habe. Entsprechende Verdachtsmomente hätten zur Hausdurchsuchung am 8. Juni 1994 geführt. So seien neben belastenden Unterlagen aus dem Nachlaßverfahren O. noch mehrere Sparbücher aufgefunden worden. Auf diese Sparbücher seien beträchtliche Einzahlungen geleistet worden, wobei die Herkunft dieser Geldmittel nicht geklärt sei, zumal diese Gelder im Fremdgelddepot der Kanzlei nicht erfaßt seien. Es bestehe der Verdacht, daß die Beschwerdeführerin Fremdgelder vereinnahmt und für sich selbst verwendet habe, diese Gelder jedoch als Einnahmen dem Finanzamt gegenüber verschwiegen habe.
In der dagegen erhobenen Beschwerde führte die Beschwerdeführerin der Sache nach aus, es sei verfehlt, vor Einleitung eines Strafverfahrens eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahme durchzuführen und erst in der Folge ein Strafverfahren einzuleiten. Sie halte die Hausdurchsuchung und die Beschlagnahme für verfehlt. Es könnten daher Beweismittel, die auf diese Weise hervorgekommen seien, nicht gegen sie verwendet werden, weshalb auch jede Grundlage für die Einleitung eines Strafverfahrens fehle. Außerdem seien über den Inhalt des rechtswidrigen Hausdurchsuchungsbefehles hinaus weitere Unterlagen beschlagnahmt worden, die ebenfalls zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens geführt hätten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, aus der Sachverhaltsdarstellung der C.D., der Tochter der verstorbenen, seinerzeit von der Beschwerdeführerin vertretenen M.O., und den von ihr vorgelegten Urkunden, den Angaben der Beschwerdeführerin gegenüber C.D. und deren Rechtsvertreter, daß sie über keine Guthaben, Sparbücher oder andere Gegenstände aus der Verlassenschaft O. verfüge, den Angaben der Angestellten der Beschwerdeführerin, daß es in der Kanzlei kein Wertdepot und keinen Tresor gebe, und den anläßlich der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Unterlagen, unter anderem Bankbelegen und Sparbüchern, ergebe sich der begründete Verdacht, daß die Beschwerdeführerin Fremdgelder für den im Einleitungsbescheid angegebenen Zeitraum für sich verwendet und als Einnahme gegenüber dem Finanzamt verschwiegen habe. Der Verdacht gehe über bloße Gerüchte und Vermutungen weit hinaus, weshalb die Einleitung des Finanzstrafverfahrens gerechtfertigt sei. Eine genaue Formulierung und Konkretisierung des Finanzvergehens sei in diesem Verfahrensstadium noch nicht erforderlich. Die genannten Umstände und ein bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmtes (näher bezeichnetes) Sparbuch (eröffnet am 10. Dezember 1993, Einlagestand S 450.000,--) rechtfertigten einen begründeten Verdacht, daß die Beschwerdeführerin unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung der Umsatzsteuer bewirkt habe.
Dem Beschwerdevorbringen sei zu erwidern, daß die Hausdurchsuchung vom 8. Juni 1994 auf einem entsprechenden Befehl des zuständigen Vorsitzenden des Spruchsenates beruht habe. Im übrigen sei über die Rechtmäßigkeit der Hausdurchsuchung nicht in diesem Verfahren zu befinden. Entscheidend sei hier, ob genügend Verdachtsgründe für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens gegeben seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 82 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 oder 81 leg. cit. zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügend Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt. Die Prüfung ist nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Ergibt sich, daß die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren einzuleiten. Von der Einleitung des Strafverfahrens hat sie unter anderem dann abzusehen, wenn die Tat mangels ausreichender Anhaltspunkte voraussichtlich nicht erwiesen werden kann oder der Verdächtige die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat.
Für die auf der Grundlage des § 82 Abs. 1 FinStrG zu lösende Rechtsfrage des Vorliegens von genügenden Verdachtsgründen für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/15/0176, mwN) folgendes von Bedeutung:
Im Spruch eines Einleitungsbescheides muß das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Finanzvergehen erachtet wird, nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht "bestimmt", somit nicht in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten geschildert werden. In der Begründung des Einleitungsbeschlusses ist darzulegen, von welchem Sachverhalt die Finanzstrafbehörde ausgegangen ist und welches schuldhafte Verhalten dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird. Der Verdacht muß sich sowohl auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand erstrecken. Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es somit, wenn gegen den Verdächtigen genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt.
Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung. Er ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Bei der Prüfung, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe im Sinn des § 82 Abs. 1 FinStrG für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind, geht es nicht darum, schon die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens vorweg zu nehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde zugekommenen Mitteilungen unter Berücksichtigung der von ihr durchgeführten Vorerhebungen für einen Verdacht ausreichen. Ob jemand das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, ist jedenfalls dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den §§ 114 f FinStrG vorbehalten.
Die Beschwerdeführerin meint, dem angefochtenen Bescheid fehle "jede sachliche Begründung" dafür, welcher konkrete Sachverhalt ihr zur Last gelegt werde. Mit diesem Vorbringen ist sie auf die Begründung des angefochtenen Bescheides zu verweisen, in der im einzelnen dargelegt wird, auf welche Angaben und Urkunden sich der Verdacht gründet, daß sie Klientengelder vereinnahmt und für sich selbst verwendet habe. Wenn sie bemängelt, es sei nicht erkennbar, welcher konkrete Sachverhalt ihr zur Last gelegt werde, ist ihr zu erwidern, daß es nach dem Gesagten genügt, im Einleitungsbeschluß das dem Beschuldigten zur Last gelegte strafbare Verhalten nur in groben Umrissen zu beschreiben (siehe die bei Dorazil-Harbich, Finanzstrafgesetz, unter Anm. 4 zu § 82 Abs. 3 Finanzstrafgesetz zitierte hg. Rechtsprechung). Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin besteht zwischen dem Inhalt des erstinstanzlichen und des angefochtenen Bescheides kein Widerspruch. Die Begründung des angefochtenen Bescheides setzt sich bloß ausführlicher mit der Frage, welche Verdachtsgründe vorhanden sind, auseinander, als dies die Erstbehörde getan hat. Darin liegt aber keine Rechtswidrigkeit. Der im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides umschriebene Tatverdacht hat durch den angefochtenen Bescheid keine Veränderung erfahren. Allfällige Begründungsmängel im erstinstanzlichen Bescheid und andere Verfahrensfehler der Erstbehörde sind im vorliegenden Beschwerdeverfahren unbeachtlich.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, es sei ihr unmöglich gewesen, zu irgendeinem konkreten Sachverhalt Stellung zu nehmen, weil kein Sachverhalt festgestellt und ihr zur Rechtfertigung vorgehalten worden sei, ist zu erwidern, daß nicht erkennbar ist, warum es unmöglich gewesen sein soll, dem im erstinstanzlichen Bescheid formulierten Tatverdacht konkret entgegenzutreten. In der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid hat sich die Beschwerdeführerin darauf beschränkt, die Rechtswidrigkeit der Hausdurchsuchung und der Beschlagnahme zu behaupten, ohne konkretes Tatsachenvorbringen gegen den im Spruch enthaltenen Tatvorwurf zu erstatten.
Mit ihrem Vorwurf, der angefochtene Bescheid stütze sich auf Urkunden, die im Beschlagnahmebescheid nicht genannt seien, verkennt die Beschwerdeführerin, daß die belangte Behörde nicht auf die im Beschlagnahmebescheid genannten Urkunden beschränkt war, sondern auch jene Urkunden heranzuziehen hatte, die dem Finanzamt von C.D. übergeben worden waren.
Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995140091.X00Im RIS seit
20.11.2000