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L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, NaturschutzNorm
B-VG Art18, Art22, Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Abweisung eines Antrags gegen die Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend ein Wr Landschaftsschutzgebiet; hinreichende Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen; Einhaltung der Verfahrensvorschriften des Wr NaturschutzG bei der Verordnungserlassung; Verletzung der Amtshilfe durch Unterlassung der Vorlage der Verordnungsakten an das VerwaltungsgerichtSpruch
I. Soweit sich der Antrag gegen die Erklärung der Grundstücke Nr 830/1, 829/1, 823/1, 822, 816, 815, 809, 808, 802/1, 801/1, 796/1, 795/1, 789/1, 788/1, 783/1, 782/1 und 775/1, EZ 4588, KG 01616 Stammersdorf, durch die Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des 21. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet Floridsdorf), LGBl Nr 21/2015, zum Landschaftsschutzgebiet richtet, wird er abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien, die Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des 21. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet Floridsdorf), LGBl 21/2015, als gesetz- bzw verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes mit dem das Wiener Naturschutzgesetz erlassen wird (Wiener Naturschutzgesetz), LGBl 45/1998, idF LGBl 27/2021 lauten auszugsweise:
"Begriffsdefinitionen
§3
(1) Landschaft ist der charakteristische, individuelle Teil der Erdoberfläche, der durch das Wirkungsgefüge der hier vorhandenen Landschaftsfaktoren, einschließlich der Einwirkungen durch den Menschen, etwa durch bauliche Anlagen, bestimmt wird.
(2) Landschaftshaushalt ist das Wirkungsgefüge zwischen den Landschaftsfaktoren Klima, Luft, Gestein, Relief, Boden, Wasser, Pflanzen, Tiere und Menschen.
(3) Landschaftsgestalt ist die Wahrnehmungseinheit, welche sich aus dem Relief und den darauf befindlichen, natürlichen und vom Menschen geschaffenen Gebilden zusammensetzt und das Ergebnis des landschaftlichen Wirkungsgefüges (Landschaftshaushalt) darstellt.
(4) Stadtökologische Funktion ist die Aufgabe eines Raumes, welche sich aus ökologischen, sozio-kulturellen, gestalterisch-ästhetischen oder funktionellen Gesichtspunkten ergibt.
(5) Erhaltungsvorrang ist die Zielsetzung, vorrangig die Grünstrukturen unter Berücksichtigung der stadtökologischen Funktionen zu erhalten.
(6) Ergänzungsvorrang ist die Zielsetzung, vorrangig die Grünstrukturen unter Berücksichtigung der stadtökologischen Funktionen zu ergänzen.
(7) Erneuerungsvorrang ist die Zielsetzung, vorrangig Grünstrukturen unter Berücksichtigung der stadtökologischen Funktionen anzulegen.
(8) Eingriff ist jede vorübergehende oder dauerhafte Maßnahme, die geeignet ist, nachteilige Auswirkungen auf den Schutzzweck eines Schutzgebietes, auf ein Schutzobjekt oder im Rahmen des allgemeinen Landschaftsschutzes zu haben. Ein Eingriff in ein Schutzgebiet oder Schutzobjekt liegt auch dann vor, wenn die Maßnahme selbst außerhalb des Schutzgebietes oder Schutzobjektes ihren Ausgang nimmt.
(9) Grünland ist die Widmungskategorie „Grünland“ im Sinne des §4 Abs2 der Bauordnung für Wien, LGBl für Wien Nr 11/1930 in der jeweils geltenden Fassung.
(10) Fauna-Flora-Habitat – Richtlinie ist die Richtlinie 92/43/EWG vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, ABl. Nr L 206 vom 22.7.1992 S. 7, zuletzt geändert durch die Richtlinie 97/62/EG vom 27. Oktober 1997, ABl. Nr L 305 vom 8.11. 1997 S. 42.
(11) Vogelschutz – Richtlinie ist die Richtlinie 79/409/EWG vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten, ABl. Nr L 103 vom 25.4.1979 S. 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 97/49/EG vom 29. Juli 1997, ABl. Nr L 223 vom 13.8.1997 S. 9."
"Europaschutzgebiete
§22
(1) Folgende Gebiete sind von der Landesregierung durch Verordnung zur Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes von Biotopen oder wild lebenden Tierarten oder wild wachsenden Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu Europaschutzgebieten zu erklären:
1. Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne der Fauna-Flora-Habitat – Richtlinie und
2. Gebiete zur Erhaltung wild lebender Vogelarten im Sinne der Vogelschutz – Richtlinie.
(2) – (3) […]
(4) Die Verordnung nach Abs1 hat die flächenmäßige Begrenzung, den jeweiligen Schutzgegenstand und Schutzzweck sowie die zur Erreichung des Schutzzweckes notwendigen Gebote, Verbote, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen zu enthalten. Für die vorkommenden Vogelarten des Anhanges I der Vogelschutz – Richtlinie sind besondere Schutzmaßnahmen vorzusehen, wenn dies zur Sicherung des Überlebens und ihrer Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet erforderlich ist. In der Verordnung können Nutzungen zugelassen werden, die die Bewahrung, Entwicklung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der in diesem Gebiet vorkommenden Biotope oder Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlicher Bedeutung nicht wesentlich beeinträchtigen.
(5) – (9) […]"
"Landschaftsschutzgebiete
§24
(1) Gebiete, die
1. sich durch ihre Landschaftsgestalt auszeichnen,
2. als Kulturlandschaft von historischer Bedeutung sind oder im Zusammenwirken mit Nutzungsart und Bauwerken eine landestypische Eigenart aufweisen oder
3. der naturnahen Erholung dienen,
können zu deren Schutz und Pflege durch Verordnung der Landesregierung zum Landschaftsschutzgebiet erklärt werden.
(2) Soweit die Umgebung von Gebieten im Sinne des Abs1 für die Sicherung des Schutzzweckes wesentliche Bedeutung hat, kann sie in das Schutzgebiet einbezogen werden.
(3) Die Verordnung nach Abs1 hat die flächenmäßige Begrenzung, den jeweiligen Schutzgegenstand und Schutzzweck sowie die zur Erreichung des Schutzzweckes notwendigen Gebote, Verbote, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen zu enthalten.
(4) Grundflächen, die am 1. 3. 1985 nach der Bauordnung für Wien, LGBl für Wien Nr 11/1930 in der Fassung LGBl für Wien Nr 13/1985, als Parkschutzgebiet oder Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel gewidmet waren, sind Landschaftsschutzgebiete im Sinne des Abs1, sofern dies nicht durch Verordnung der Landesregierung bereits widerrufen wurde. Diese Bestimmung gilt nicht für Grundflächen im 1., 3., 4., 5. und 9. Bezirk. Durch Verordnung der Landesregierung können zusätzlich Schutzmaßnahmen (Abs3) bestimmt werden. Die Unterschutzstellung kann durch Verordnung der Landesregierung widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen des Abs1 nicht mehr zutreffen.
(5) Im Landschaftsschutzgebiet sind vorbehaltlich des Abs6 alle Eingriffe untersagt, die dem Schutzzweck zuwiderlaufen. Hiezu zählen insbesondere:
1. die Vornahme der in §18 Abs1 und 2 genannten Maßnahmen,
2. die Vornahme der in §19 Abs1 genannten Maßnahmen,
3. die Errichtung von Neu- und Zubauten; Umbauten, wenn dadurch das äußere Erscheinungsbild wesentlich geändert wird, sowie andere Baulichkeiten (wie Einfriedungen, Stützmauern), die nicht unter §18 Abs1 oder 2 fallen,
4. die Beseitigung von die Landschaftsgestalt prägenden Elementen,
5. die Aufforstung nicht bewaldeter Flächen,
6. eine erhebliche Lärmentwicklung, die nicht mit anderen nach diesem Gesetz bewilligungspflichtigen Maßnahmen verbunden ist (wie der Betrieb von Lautsprecheranlagen oder Modellflugplätzen).
(6) Die Naturschutzbehörde kann mit Bescheid Ausnahmen vom Verbot des Abs5 bewilligen, wenn die geplante Maßnahme den Schutzzweck nicht wesentlich beeinträchtigt.
(7) Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn die geplante Maßnahme eine wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes darstellt, jedoch das öffentliche Interesse an der beantragten Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles deutlich höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse an der Bewahrung des Landschaftsschutzgebietes vor störenden Eingriffen. Bei der Interessensabwägung ist zu berücksichtigen, ob der angestrebte Zweck auf eine technisch und wirtschaftlich vertretbare andere Weise erreicht werden kann und dadurch der Landschaftshaushalt, die Landschaftsgestalt oder die Erholungswirkung der Landschaft in geringerem Umfang beeinträchtigt würden. Der Erhaltungs-, Ergänzungs- oder Erneuerungsvorrang sowie die stadtökologischen Funktionen der von dem Eingriff betroffenen Flächen sind in die Abwägung jedenfalls miteinzubeziehen.
(8) Die Bewilligung ist erforderlichenfalls unter Bedingungen, Befristungen und Auflagen zu erteilen, um eine Beeinträchtigung des Landschaftshaushaltes, der Landschaftsgestalt oder der Erholungswirkung der Landschaft möglichst gering zu halten. Für die Erfüllung der mit der Bewilligung verbundenen Auflagen und Bedingungen kann eine angemessene Frist festgesetzt werden. Zur Überprüfung der bescheidmäßigen Ausführung hat der Verpflichtete der Behörde die Erfüllung der Auflagen und Bedingungen unverzüglich anzuzeigen."
"Verfahren bei Errichtung eines Schutzgebietes
§27
(1) Vor Erlassung einer Verordnung, mit der ein Gebiet zum Europaschutzgebiet, Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet oder zum geschützten Landschaftsteil erklärt werden soll, hat der Magistrat die Pläne und sonstigen Unterlagen vier Wochen hindurch zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Beginn, Dauer und Ort der Auflage sind im Amtsblatt der Stadt Wien rechtzeitig zu verlautbaren.
(2) Während der Auflagefrist können bei der Naturschutzbehörde schriftliche Äußerungen abgegeben werden.
(3) Vor Erlassung einer Verordnung nach Abs1 sind die Wirtschaftskammer Wien, die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, die Wiener Landwirtschaftskammer, der Umwelt- und Naturschutzbeirat, der Landesjagdbeirat und der Landesfischereibeirat, die Wiener Umweltanwaltschaft sowie die Bezirksvorsteher jener Bezirke, auf die sich der örtliche Geltungsbereich der Verordnung erstrecken soll, anzuhören.
(4) Der Grundeigentümer und sonstige Verfügungsberechtigte haben sich vom Zeitpunkt der Verlautbarung gemäß Abs1 aller Handlungen zu enthalten, die die beabsichtigten Schutzmaßnahmen gefährden könnten.
(5) Das Verbot nach Abs4 tritt außer Kraft, wenn eine Verordnung nach Abs1 nicht innerhalb von zwei Jahren ab Beginn der öffentlichen Auflage gemäß Abs1 erlassen wird."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des 21. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet Floridsdorf), LGBl 21/2015 lauten:
"Geltungsbereich
§1
Die in den eine Anlage zu dieser Verordnung bildenden Plänen (in der Folge „Plänen“) mit einer ununterbrochenen roten Linie umgrenzten und durch unterschiedliche Färbung ausgewiesenen Teile des 21. Wiener Gemeindebezirkes werden zum Landschaftsschutzgebiet erklärt.
Schutzzweck
§2
(1) Zweck der Unterschutzstellung ist
1. die Erhaltung oder Entwicklung der Landschaftsgestalt als naturnahe, historisch bedeutsame, kleinstrukturierte und offene Kulturlandschaft,
2. die Erhaltung oder Entwicklung des Landschaftshaushaltes, wobei die standortgerechten Pflanzengesellschaften und die streng geschützten und geschützten Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräume besonders zu berücksichtigen sind und
3. die Erhaltung oder Entwicklung der Erholungswirkung der Landschaft durch ein unmittelbares Naturerlebnis unter Erhaltung der naturnahen Kulturlandschaft.
(2) Im Landschaftsschutzgebiet Floridsdorf sind alle Eingriffe gemäß §3 Abs8 Wiener Naturschutzgesetz, LGBl für Wien Nr 45/1998, in der Fassung LGBl für Wien Nr 31/2013, verboten. Die Bewilligung von Ausnahmen ist nach den Bestimmungen des Wiener Naturschutzgesetzes zu beurteilen."
Zonen
§3
Das Landschaftsschutzgebiet Floridsdorf besteht entsprechend der unterschiedlichen Färbung in den Plänen aus den Zonen:
1. A – Landwirtschaftsgeprägte Zone,
2. B – Gewässergeprägte Zone,
3. C – Landschaftspflegezone Erhaltung,
4. D – Landschaftspflegezone Entwicklung,
5. E – Landschaftspflegezone Parkanlagen und
6. F – Donauinsel Nord."
"B – Gewässergeprägte Zone
Ziele
§5
Auf den in den Plänen in hellblauer Farbe ausgewiesenen Flächen der Gewässergeprägten Zone sind folgende Ziele zu beachten:
1. Erhaltung oder Entwicklung des Marchfeldkanals und des Schönungsteiches als naturnahe Gewässer und naturnaher Gewässerzug,
2. Erhaltung oder Entwicklung des Anteils an Flachwasserbereichen mit Verlandungsröhricht,
3. Erhaltung oder Entwicklung standortgerechter Pflanzengesellschaften, wie insbesondere Weißweiden- und Schwarzpappelbestände,
4. Erhaltung von an den Marchfeldkanal und den Schönungsteich angrenzenden Offenlandflächen als Pufferbereiche und Trittsteinbiotope,
5. Erhaltung oder Entwicklung standortgerechter Einzelgehölze oder Gehölzgruppen und Entwicklung eines Gehölzsaumes,
6. Erhaltung oder Entwicklung des Alt- und Totholzanteiles (stehend und liegend) in allen Altersklassen,
7. Erhaltung von Klein- und Kleinstgewässern,
8. Erhaltung großflächiger, unzugänglicher Gewässerrand- und Uferbereiche und 9. Erhaltung einer extensiven, naturnahen Erholungsnutzung."
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Die Parteien des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht sind Eigentümer der Grundstücke Nr 830/1, 829/1, 823/1, 822, 816, 815, 809, 808, 802/1, 801/1, 796/1, 795/1, 789/1, 788/1, 783/1, 782/1, 775/1, EZ 4588, KG 01616 Stammersdorf. Die Grundstücke liegen im Landschaftsschutzgebiet Floridsdorf.
1.2. Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom 2. Juli 2020 wurden die Parteien des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht darüber informiert, dass durch eine auf den angeführten Grundstücken erfolgte Rodung prägende Elemente der Landschaftsgestaltung entfernt und deshalb ein verbotener Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet im Zuge eines Ortsaugenscheines festgestellt worden sei. Weiters wurde festgestellt, dass es dadurch zu einer verbotenen Tötung und Vernichtung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten sowie zu einem Eingriff in den Lebensraum der nach der Wiener Naturschutzverordnung streng geschützten Wiener Schnirkelschnecke, die auf den o. a. Grundstücken vorkomme, gekommen sei. Den Parteien des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
1.3. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 3. September 2020 wurde den Parteien des Anlassverfahrens aufgetragen, durch mehrere näher bezeichnete Maßnahmen den früheren Zustand auf den betreffenden Grundstücken bis zum 31. Oktober 2020 wiederherzustellen.
1.4. Gegen den Bescheid erhoben die Parteien Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien, das sein Verfahren unterbrach und den vorliegenden Antrag gemäß Art139 B-VG stellte.
2. Das Verwaltungsgericht Wien legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, im Wesentlichen wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):
"4.1) Bedenken hinsichtlich der Vorgabe des §57 VerfGG:
[…]
a) Im gegenständlichen Fall bietet sich die Konstellation, dass der existente Verordnungsakt betreffend die nunmehr angefochtene Verordnung nicht in Verstoß geraten ist, die Wr. Landesregierung unter offenkundig vorsätzlicher Verletzung des Art22 Abs1 B-VG aber die Übermittlung des Verordnungsaktes verweigert. Die Wr. Landesregierung verhindert sohin vorsätzlich, möglicherweise zum Zwecke der Unterbindung des Bekanntwerdens rechtswidriger Vorgänge bzw zum Zwecke der Unterbindung des Bekanntwerdens erfolgter Gesetzesverstöße bei der Erlassung der gegenständlichen Verordnung bzw zum Zwecke der Verunmöglichung der Stellung eines Verordnungsprüfungsantrages durch das antragstellende Gericht, die Überprüfung der gesetzeskonformen Erlassung der gegenständlichen Verordnung durch das antragstellende Gericht.
Gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist die Bestrafung wegen Nichtbeachtung eines Verkehrszeichens (daher einer kundgemachten Verordnung nach der StVO) dann rechtswidrig, wenn eine das Verkehrszeichen tragende Verordnung nicht aufgefunden werden kann (vgl ua VwGH 26.1.1965, VSIg. 6562/A, 10.3.1958, VSIg. 4599/A, 22.11.1995, ZI. 303/54, 24.4.1981, ZI. 02/3254/80; 24.4.1981, ZI. 3254/80 und 21.9.1984, ZI. 83/02/0499).
Es liegt dem nunmehrigen Verordnungsprüfungsantrag folglich eine etwas andere Konstellation als den obgenannten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde. In diesem Verfahren war nämlich eine Verordnungskundmachung deshalb nicht auf ihr rechtmäßiges Zustandekommen hin überprüfbar, da der Verordnungserlassungsakt nicht vorgelegt werden konnte und daher entweder in Verstoß geraten war bzw nie existiert hatte.
Nach Ansicht des antragstellenden Gerichts liegt aber beiden Fallkonstellationen, nämlich 1) der Nichtüberprüfbarkeit einer Verordnung infolge Verweigerung der Einsichtnahme in diese bzw 2) der Nichtüberprüfbarkeit infolge der Nichtauffindbarkeit der Verordnungserlassungsakten im Ergebnis dasselbe das Rechtsstaatsprinzip und Art89 Abs2 B-VG tangierende Problem der dadurch bewirkten Unüberprüfbarkeit des rechtmäßigen Zustandekommens einer allgemeinen Rechtsnorm zugrunde.
Wollte man nun annehmen, dass allgemeine Rechtsnormen auch dann vom Verwaltungsgericht Wien anzuwenden sind, wenn für dieses Gericht keine Möglichkeit zur Überprüfung der Gültigkeit dieser Rechtsnorm gegeben ist, würde man nicht nur die Bestimmung des Art89 Abs2 B-VG aushebeln, sondern zugleich das für die Rechtsstaatlichkeit zentrale Prinzip der Überprüfbarkeit von Rechtsnormen verletzen.
Sollte nämlich eine Verordnung jedenfalls auch dann als rechtmäßig anzusehen sein, wenn der dieser Verordnung zugrunde liegende und existierende Verordnungserlassungsakt unter Verstoß gegen Art22 Abs1 B-VG vorsätzlich unter Verschluss gehalten und nicht vorgelegt wird, wäre faktisch jedem Gericht (faktisch rechtmäßig) die Möglichkeit genommen, das gesetzwidrige Zustandekommen einer Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu relevieren; muss man doch annehmen, dass ein Verordnungsprüfungsantrag wegen der Annahme der gesetzwidrigen Erlassung der Verordnung nur dann zulässig ist, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Verordnungserlassungsmangel vorgebracht werden (können).
Daher ist anzunehmen, dass immer dann, wenn ein Gericht nicht in der Lage ist, das gesetzmäßige Zustandekommen der Verordnung zu überprüfen, von der Gesetzwidrigkeit bzw Verfassungswidrigkeit der Verordnung auszugehen.
Im Übrigen wird nochmals auf die ständige verfassungsgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach die Rechtsmittelinstanz gehalten ist, die Rechtmäßigkeit einer Verordnungserlassung zu prüfen, und dass die verordnungserlassende Behörde schon von verfassungswegen verpflichtet ist, der Rechtsmittelinstanz den gesamten Verordnungsakt vorzulegen (vgl etwa VfGH 17.943/2006).
4.2) Bedenken hinsichtlich der Vorgabe des Art139 B-VG sowie zudem insbesondere des §3 Abs8 Wr. NaturschutzG, des §24 Abs1, 3, 5 und 7 Wr. NaturschutzG, §27 Wr. NaturschutzG und des 37 Abs1 und 2 Wr. NaturschutzG
In ständiger Judikatur verlangt der Verfassungsgerichtshof, dass vor Erlassung einer Gebietsverordnung, durch welche Vorgaben für die Grundeigentümer normiert werden, wie dies etwa ein Flächenwidmungsplan ist, vor der Verordnungserlassung eine umfassende Grundlagenforschung im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen für diese in absolute subjektive Rechte eingreifenden Verordnung zu erfolgen hat […].
Bei Zugrundelegung der Angaben der Wr. Landesregierung wurden im Hinblick auf die gegenständliche Verordnung keinerlei Grundlagenforschungstätigkeiten erbracht, sodass die gesamte Verordnung keinerlei sachliche Fundierung aufweist. In Beachtung der obangeführten ständigen verfassungsgerichtlichen Judikatur ist daher die gesamte Verordnung aufzuheben.
Im Übrigen wird auch durch §3 Abs8 Wr. NaturschutzG, §24 Abs1, 3, 5 und 7 Wr. NaturschutzG, §27 Wr. NaturschutzG und §37 Abs1 und 2 Wr. NaturschutzG zumindest implizit eine umfassende Grundlagenforschung insbesondere in Hinblick auf die Vorgaben des §24 Abs1 bis 3 Wr. NaturschutzG angeordnet; diebezüglich wie auf die zuvor getätigten ausführlichen Darlegungen verwiesen. Folglich liegt auch aus diesem Grunde eine derart gravierende Gesetzwidrigkeit der Verordnungserlassung vor, dass die gesamte Verordnung aufzuheben ist.
4.3) Bedenken hinsichtlich der Vorgabe des §27 Wr. NaturschutzG:
Wie zuvor bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass auch den klaren Vorgaben des §27 Wr. NaturschutzG, welche eine Auslegung der Ergebnisse der Grundlagenforschung fordern, nicht entsprochen worden. Damit wurde eine gesetzlich normierte Grundfeste der gegenständlichen Verordnungserlassung nicht erfüllt, sodass auch aus diesem Grunde die gesamte Verordnung aufzuheben ist.
4.4) Bedenken hinsichtlich der Vorgabe des §24 Abs1 und 3 Wr. NaturschutzG:
Ebenfalls wurde zuvor schon ausgeführt, dass in der gesamten Verordnung weder eine konkretisierte Darstellung erfolgt ist, dass die in dieser Verordnung unter Schutz gestellten Gebiete zumindest eine der Vorgaben des §24 Abs1 Wr. NaturschutzG erfüllen, noch sind in dieser Verordnung im Hinblick auf diese unter Schutz gestellten Gebiete im Sinne der Vorgabe des §24 Abs3 Wr. NaturschutzG für die jeweiligen Gebietsteile weder deren Schutzgegenstand noch deren Schutzzweck normiert. Damit ist aber die gesamte Verordnung unvollziehbar geworden, zumal gerade an diese Normierung des Schutzzwecks und des Schutzgegenstands alle maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des Wr. NaturschutzG, welche auf die gegenständliche Verordnung (bzw eine Landschaftsschutzverordnung Bezug nehmen) grundlegend Bezug nehmen. So sei insbesondere auf die zuvor dargelegten Ausführungen zu den Bestimmungen des §3 Abs8 Wr. NaturschutzG, §24 Abs5 und 7 Wr. NaturschutzG und §37 Abs1 Wr. NaturschutzG verwiesen, in welchen gezeigt wurde, dass die in diesen Bestimmungen normierten Tatbestände nur dann erfüllt sind, wenn im konkreten Fall der Schutzzweck, im Hinblick auf welchen das jeweilig verfahrensgegenständliche Gebiet unter Schutz gestellt worden ist, beeinträchtigt worden ist; was zwingend die Kenntniserlangungsmöglichkeit dieses Schutzzwecks voraussetzt."
3. Die Wiener Landesregierung hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken entgegengetreten wird.
4. Die Parteien des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht haben als beteiligte Parteien eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des antragstellenden Gerichtes anschließen.
5. Das Verwaltungsgericht Wien hat zudem eine ergänzende Äußerung erstattet, in der es die bereits im Antrag dargelegten Bedenken bekräftigt.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Die verordnungserlassende Behörde zieht in ihrer Äußerung die Präjudizialität der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des 21. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet Floridsdorf), LGBl 21/2015, in Zweifel und führt dazu Folgendes aus:
"Die angefochtene Verordnung ist für die Entscheidung des Gerichtes insofern Voraussetzung, als der Wiederherstellungsauftrag damit begründet wird, dass die Antragsteller prägende Elemente beseitigt haben, die als nachteilige Auswirkungen auf den Schutzzweck eines Landschaftsschutzgebietes – im gegebenen Zusammenhang des Landschaftsschutzgebietes Floridsdorf – verboten sind. Wäre die Liegenschaft der Beschwerdeführenden nicht von diesem Landschaftsschutzgebiet erfasst, könnte der Wiederherstellungsauftrag rechtens nicht erlassen werden.
Die angefochtene Verordnung ist daher im Sinne des zweiten Tatbestandes des §57 Abs2 erster Satz VfGG präjudiziell, allerdings, dies ist an dieser Stelle klarzustellen, nur in Bezug auf die gegenständliche Liegenschaft. Dies ergibt sich daraus, dass sich die Frage der Rechtmäßigkeit der Verordnung nur soweit stellt, soweit diese im gegenständlichen Verfahren – einem Wiederherstellungsauftrag, der an die EigentümerInnen der Grundstücke Nr 830/1, 829/1, 823/1, 822, 816, 815, 809, 808, 802/1, 801/1, 796/1,795/1,789/1,788/1,783/1,782/1, 775/1, inneliegend in der EZ 4588 der KG Stammersdorf, ergangen ist – anzuwenden ist.
Dass die hier in Rede stehende Verordnung auch in Bezug auf alle übrigen Liegenschaften präjudiziell sein soll, die von ihrem örtlichen Anwendungsbereich erfasst werden, auf die sich der Bescheid, um den es im zu Grunde liegenden Verfahren geht, aber nicht bezieht, ist denkunmöglich. Die Annahme des Verwaltungsgerichts Wien, dass die ganze Verordnung präjudiziell sei (Antrag Seite 2, vorletzter Absatz vor Punkt 1.2.), ist somit nicht zutreffend."
1.3. Mit diesem Vorbringen ist die verordnungserlassende Behörde im Recht.
1.4. Der Antrag erweist sich daher als unzulässig, soweit er sich nicht gegen die Erklärung der Grundstücke Nr 830/1, 829/1, 823/1, 822, 816, 815, 809, 808, 802/1, 801/1, 796/1, 795/1, 789/1, 788/1, 783/1, 782/1 und 775/1, EZ 4588, KG 01616 Stammersdorf, zum Landschaftsschutzgebiet durch die Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des 21. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet Floridsdorf), LGBl 21/2015, richtet.
1.5. Weiters erachtet die verordnungserlassende Behörde den Antrag im Wesentlichen deshalb als unzulässig, weil sich der Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien auf die gesamte Verordnung und nicht nur auf die präjudiziellen Teile beziehe und damit der beantragte Anfechtungsumfang zu weit gefasst sei.
1.6. Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.
1.6.1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
1.6.2. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
1.6.3. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (siehe VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).
1.7. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag, soweit damit die Grundstücke Nr 830/1, 829/1, 823/1, 822, 816, 815, 809, 808, 802/1, 801/1, 796/1, 795/1, 789/1, 788/1, 783/1, 782/1 und 775/1, EZ 4588, KG 01616 Stammersdorf, durch die Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des 21. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet Floridsdorf), LGBl 21/2015, zum Landschaftsschutzgebiet erklärt werden, als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Soweit zulässig, ist der Antrag nicht begründet.
Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Das Verwaltungsgericht Wien hegt zunächst zusammengefasst das Bedenken, dass die Wiener Landesregierung in verfassungswidriger Weise die Vorlage der Verordnungsakten verweigert habe, weshalb es dem Verwaltungsgericht Wien nicht möglich gewesen sei, sich der Gesetzmäßigkeit der anzuwendenden Verordnung zu vergewissern.
Diese Auffassung entspricht nicht der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes:
Soweit die Wiener Landesregierung die Verordnungsakten nicht vollständig übermittelt hat, hat diese gegen die Verpflichtung gemäß Art22 B-VG verstoßen. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, sind gemäß Art22 B-VG alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet (vgl zB VfSlg 2598/1953, 3237/1957, 3354/1958).
Ausgehend davon hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine verordnungserlassende Behörde gemäß Art22 B-VG einem Unabhängigen Verwaltungssenat, der gegen eine in einem bei ihm anhängigen Verfahren anzuwendende Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hegt, insoweit zur Hilfeleistung verpflichtet ist, als der Unabhängige Verwaltungssenat dieser Hilfe zu einer dem §57 Abs1 VfGG entsprechenden Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bedarf. Das schließt insbesondere auch die Übermittlung der Verordnungsakten ein. Ein Verstoß gegen diese verfassungsgesetzliche Verpflichtung zur Amtshilfe führt aber nicht zur Gesetzwidrigkeit der betreffenden Verordnung (vgl zB VfSlg 17.943/2006, 18.579/2008).
Nichts anderes kann nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I 51/2012) im Verhältnis zwischen den Verwaltungsgerichten und anderen Organen des Bundes, der Länder und der Gemeinden gelten, weshalb dem Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien nicht gefolgt werden kann.
2.3. Zu den weiteren – unterschiedlich formulierten, im Wesentlichen aber jeweils auf Dasselbe hinauslaufenden – Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien:
2.3.1. Das Verwaltungsgericht Wien hegt das Bedenken, dass eine ordnungsgemäße Grundlagenforschung vor Erlassung der angefochtenen Verordnung nicht erfolgt sei und die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erklärung bestimmter Gebiete zu einem Landschaftsschutzgebiet – insbesondere hinsichtlich des nach §27 Wiener Naturschutzgesetz vorgesehenen Verfahrens sowie der in §24 Abs1 und 3 leg cit vorgesehenen Festlegungen betreffend Schutzzweck und -gegenstand – nicht erfüllt seien.
2.3.2. Die Wiener Landesregierung tritt diesen Bedenken wie folgt entgegen:
"[…] Entgegen den Vermutungen des Verwaltungsgerichts Wien wurde von der Magistratsabteilung 22 für die gegenständliche Verordnung zwecks Feststellung, ob die in §24 Abs1 Wiener Naturschutzgesetz genannten Unterschutzstellungsgründe vorliegen, eine natur- schutzfachliche Grundlagenforschung vorgenommen.
Dem Vorwurf des Verwaltungsgerichts Wien unter Verweis auf zum größten Teil aus dem Bereich der Raumordnung stammende Judikatur, dass offenbar keine 'parzellenscharfen' naturschutzfachlichen Grundlagen vorlägen, ist zu entgegnen, dass an ein Landschaftsschutzgebiet, das naturgemäß verglichen mit einem Flächenwidmungsplan ein ungleich größeres Gebiet umfasst, in Bezug auf die Detailschärfe der Grundlagenforschung wohl ein weiterer Maßstab anzulegen ist. Den vom Gericht zitierten Entscheidungen kann allerdings entnommen werden, dass nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht einmal im Bereich der Flächenwidmung eine 'parzellenscharfe' Grundlagenforschung an sich erforderlich ist (vgl VfSlg 19.710/2012). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Grundlagenforschung in allgemeinen Überlegungen zu bestehen, die die Grundlage für die jeweilige Planungsentscheidung hinsichtlich der von der Umwidmung konkret betroffenen Flächen bilden (z. B. VfSlg 14.537/1996, 19.075/2010). In seinem Erkenntnis VfSlg 17224/2004 hat der Verfassungsgerichtshof sogar ausgesprochen, dass eine Verschriftlichung der Grundlagenforschung nicht in jedem Fall geboten sei.
In den Erläuternden Bemerkungen zur gegenständlichen Verordnung werden aus naturschutzfachlicher Sicht die Gründe für die Unterschutzstellung unter Zugrundelegung der Historie des Gebietes als auch sämtlicher geologischer, bodenkundlicher und klimatischer Verhältnisse, der Hydrologie sowie der Vegetationsgesellschaften und der Pflanzen- und Tierarten, die in diesem Gebiet vorkommen bzw für dieses relevant sind, detailliert dargestellt. Die Gebietsabgrenzung erfolgte U.a. unter Berücksichtigung der naturräumlichen Gegebenheiten, des Katasterplans, der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne, des Stadtentwicklungsplans (STEP 2025), des Agrarstrukturellen Entwicklungsplans für Wien (AgSTEP 2014), der Daten des Arten- und Lebensraumschutzprogrammes 'Netzwerk Natur' und der Biotoptypenkartierung 2005. Im Besonderen Teil der Erläuterungen werden Schutzzweck und Zielsetzungen des Landschaftsschutzgebietes ebenfalls ausgeführt.
[…]
Die verfahrensgegenständlichen Grundstücke im Bereich zwischen dem Gelände des Heeresspitales und dem Marchfeldkanal waren bereits zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung als Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ausgewiesen und zeichneten sich bereits zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung durch eine besondere Biotopausstattung aus. Seit ca 2005 läuft auf dieser Fläche eine natürliche Sukzession ab, die zu einer standortgerechten und strukturreichen Vorwaldgesellschaft mit artenreichen Saumbereichen und eingesprengten, standortgerechten Grünlandgesellschaften geführt hat. Die Fläche ergänzt damit als Pufferbereich und Trittsteinbiotop die direkt angrenzenden naturnahen Biotope des Marchfeldkanals (Landschaftsschutzgebiet Teil B - Gewässergeprägte Zone) mit einer eigenen Charakteristik. Eine vergleichbare, etwas ältere Sukzessionsfläche findet sich im Landschaftsschutzgebiet Teil D nur mehr zwischen Rudolf-Raschke-Gasse und Marchfeldkanal im Ausmaß von ca 0,75 ha. Das Alleinstellungsmerkmal dieses Bereiches in der Biotopausstattung zeigt sich auch in einem besonderen Naturhaushalt, der in seiner Erlebnismöglichkeit (z. B. Vogelgesang) auch der extensiven, naturnahen Erholung im besonderen Maße dient."
2.3.3. Mit diesen Ausführungen ist die Wiener Landesregierung im Recht.
2.3.3.1. Gemäß §24 Abs1 Wiener Naturschutzgesetz kann die Landesregierung Gebiete, die sich durch ihre Landschaftsgestaltung auszeichnen (Z1), die als Kulturlandschaft von historischer Bedeutung sind oder im Zusammenwirken mit Nutzungsart und Bauwerken eine landestypische Eigenart aufweisen (Z2) oder der naturnahen Erholung dienen (Z3), durch Verordnung der Landesregierung zum Landschaftsschutzgebiet erklären. Gemäß §24 Abs3 Wiener Naturschutzgesetz hat die Verordnung die flächenmäßige Begrenzung, den jeweiligen Schutzgegenstand und Schutzzweck sowie die zur Erreichung des Schutzzweckes notwendigen Ge- und Verbote sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen zu enthalten.
2.3.3.2. Die verordnungserlassende Behörde hat dabei die Entscheidungsgrundlage in ausreichendem Umfang zu erarbeiten (vgl zB VfSlg 8280/1978). Die Entscheidungsgrundlage des Verordnungsgebers muss zum einen in ausreichendem Maße erkennbar sein, zum anderen muss der Verordnungsgeber die im Gesetz zur Gewinnung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage vorgesehene Vorgehensweise einhalten. Sind die erkennbaren Entscheidungsgrundlagen so mangelhaft, dass eine Aussage darüber, ob die Verordnung den vom Gesetz vorgegebenen Zielen entspricht, nicht möglich erscheint, ist eine solche Verordnung gesetzwidrig (vgl zB VfSlg 8280/1978, 8330/1978, 10.711/1985, 14.358/1995, 20.030/2015).
2.3.3.3. Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit von im Zusammenhang mit der Raumordnung erlassenen Planverordnungen ist nur im Grundsatz auf andere final determinierte Regelungsbereiche übertragbar.
Die Anforderungen an Inhalt und Umfang der in einzelnen so determinierten Rechtsgebieten notwendigen Grundlagenforschung bestimmten sich vor allem nach dem Normzweck, der in den Vorschriften zum Ausdruck kommt, die auf Grund der Ergebnisse des Verfahrens der Verordnungserlassung durch normative Festlegungen zu konkretisieren sind. Die Grundlagenforschung hat in einer Weise zu erfolgen, dass für den Verfassungsgerichtshof nachvollziehbar ist, inwieweit den im konkreten Fall maßgeblichen gesetzlichen Festlegungen, insbesondere hinsichtlich der Ziele und der zu berücksichtigenden Interessen, entsprochen wird.
2.3.3.4. Gemessen am Zweck der im vorliegenden Fall anzuwendenden, oben wiedergegebenen naturschutzrechtlichen