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L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, NaturschutzNorm
B-VG Art18, Art22, Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Abweisung eines Antrags betreffend ein Wr Landschaftsschutzgebiet; hinreichende Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen; Einhaltung der Verfahrensvorschriften des Wr NaturschutzG bei der Verordnungserlassung; Verletzung der Amtshilfe durch Unterlassung der Vorlage der Verordnungsakten an das VerwaltungsgerichtRechtssatz
Der Antrag des Verwaltungsgerichts Wien (VGW - LVwG) gegen die Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des 14. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet idF LGBl 16/2017 soweit sie sich auf das Grundstück Nr 335/261, EZ3712, KG Hadersdorf, bezieht, wird abgewiesen. Im Übrigen: Zurückweisung des Antrags mangels Präjudizialität im Hinblick auf andere Grundstücke. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies - wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind - im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages.
Soweit die Wiener Landesregierung die Verordnungsakten nicht vollständig übermittelt hat, hat diese gegen die Verpflichtung gemäß Art22 B-VG verstoßen. Wie der VfGH bereits ausgesprochen hat, sind gemäß Art22 B-VG alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet. Eine verordnungserlassende Behörde ist gemäß Art22 B-VG einem Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS), der gegen eine in einem bei ihm anhängigen Verfahren anzuwendende Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hegt, insoweit zur Hilfeleistung verpflichtet als der UVS dieser Hilfe zu einer dem §57 Abs1 VfGG entsprechenden Antragstellung an den VfGH bedarf. Das schließt insbesondere auch die Übermittlung der Verordnungsakten ein. Ein Verstoß gegen diese verfassungsgesetzliche Verpflichtung zur Amtshilfe führt aber nicht zur Gesetzwidrigkeit der betreffenden Verordnung. Nichts anderes kann nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 im Verhältnis zwischen den Verwaltungsgerichten und anderen Organen des Bundes, der Länder und der Gemeinden gelten.
Ordnungsgemäße Grundlagenforschung vor Erlassung der angefochtenen Verordnung:
Gemessen am Zweck der im vorliegenden Fall anzuwendenden naturschutzrechtlichen Vorschriften ist die von der verordnungserlassenden Behörde durchgeführte Grundlagenforschung entsprechend den Ausführungen der Wiener Landesregierung, die im Einklang mit den vorgelegten Verordnungsakten stehen, einwandfrei.
Soweit das VGW in seiner Argumentation äußerst hohe Anforderungen an die Einzigartigkeit des unter Landschaftsschutz zu stellenden Gebietes stellt, stimmt dies weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen überein. Vielmehr ergibt sich etwa aus §24 Abs1 Z2 und 3 Wiener Naturschutzgesetz, dass die Unterschutzstellung eines Landschaftsschutzgebietes schon dann möglich ist, wenn das Gebiet eine landestypische Eigenart aufweist oder der naturnahen Erholung dient.
Aus den vorgelegten Verordnungsakten ergibt sich, dass vor Verordnungserlassung eine ausreichende Grundlagenforschung stattgefunden hat. Die verordnungserlassende Behörde dokumentiert die fachlichen Grundlagen, die sie der Verordnung zugrunde gelegt hat. In den Erläuterungen zur Verordnung finden sich einerseits allgemeine Erwägungen, die die Gebietscharakteristik darstellen (zB ein geschichtlicher Abriss, eine Darstellung der geologischen, bodenkundlichen und klimatischen Verhältnisse, zur Hydrologie, zur Vegetation sowie zu vorkommenden Pflanzen- und Tierarten), andererseits nähere Erläuterungen zu den einzelnen Verordnungsbestimmungen.
Weiters finden sich Erwägungen zu den Gebietsabgrenzungen, die sich im Wesentlichen an den naturräumlichen Gegebenheiten sowie an den für das Gebiet einschlägigen raumplanerischen Instrumenten orientieren. Ebenso sind die Schutzzwecke der Verordnung selbst ausdrücklich zu entnehmen und werden in den Materialien noch ausführlich erörtert.
Einhaltung der Verfahrensvorschriften des §27 Wiener NaturschutzG:
Gemäß §27 Abs1 Wiener Naturschutzgesetz hat der Magistrat die Pläne und sonstigen Unterlagen vor Erlassung einer Verordnung, mit der ein Gebiet zum Europaschutzgebiet, Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet oder zum geschützten Landschaftsteil erklärt werden soll, vier Wochen hindurch zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Beginn, Dauer und Ort der Auflage sind im Amtsblatt der Stadt Wien rechtzeitig zu verlautbaren. Während der Auflagefrist können gemäß §27 Abs2 Wiener Naturschutzgesetz bei der Naturschutzbehörde schriftliche Äußerungen abgegeben werden. Weiters sind gemäß §27 Abs3 Wiener Naturschutzgesetz vor Erlassung der Verordnung näher bezeichnete Interessenvertretungen, auf die sich der örtliche Geltungsbereich der Verordnung erstrecken soll, anzuhören. Diesen Anforderungen ist die verordnungserlassende Behörde nachgekommen.
Schlagworte
Naturschutzgebiete, Grundlagenforschung, Naturschutz, Amtshilfe, Verordnungserlassung, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Präjudizialität, Planungsakte Verfahren, VfGH / Prüfungsumfang, UmweltschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V323.2021Zuletzt aktualisiert am
25.11.2022