TE Lvwg Erkenntnis 2022/10/28 LVwG-S-2756/001-2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.2022
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Entscheidungsdatum

28.10.2022

Norm

WRG 1959 §31 Abs3
AVG 1991 §58 Abs1
  1. WRG 1959 § 31c heute
  2. WRG 1959 § 31c gültig ab 19.06.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 98/2013
  3. WRG 1959 § 31c gültig von 31.03.2011 bis 18.06.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2011
  4. WRG 1959 § 31c gültig von 27.07.2006 bis 30.03.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2006
  5. WRG 1959 § 31c gültig von 11.08.2001 bis 26.07.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 109/2001
  6. WRG 1959 § 31c gültig von 01.01.2000 bis 10.08.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 155/1999
  7. WRG 1959 § 31c gültig von 01.10.1997 bis 31.12.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/1997
  8. WRG 1959 § 31c gültig von 01.07.1990 bis 30.09.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 252/1990

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Franz Kramer über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 20. September 2022, ***, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) zu Recht erkannt:

I.  Der Beschwerde wird Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 1. Fall VStG eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 31 und 137 Abs. 2 Z 3 WRG 1959 (Wasserrechtsgesetz 1959, BGBI. Nr. 215/1959 i.d.g.F.)

§§ 25 Abs. 2, 45 VStG (Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBI. Nr. 52/1991 i.d.g.F.)

§§ 27, 44 Abs. 1 und 2 und 50 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBI. I Nr. 33/2013 i.d.g.F.)

§ 25a Abs. 1 VwGG (Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBI. Nr. 10/1985 i.d.g.F.)

Art. 133 Abs. 4 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBI. Nr. 1/1930 i.d.g.F)

Entscheidungsgründe

1.   Sachverhalt

1.1. Mit Straferkenntnis vom 20. September 2022, ***, verhängte die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (in der Folge: die belangte Behörde) über A (in der Folge: der Beschwerdeführer) eine Strafe wegen Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) wie folgt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:                     30.06.2022 bis zumind. 22.08.2022

Ort:                      KG *** Grdst. ***

Tatbeschreibung:

Im Zuge einer örtlichen Überprüfung seitens der Technischen Gewässeraufsicht der

Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf am 30.06.2022 wurde festgestellt, dass auf Grdst. ***, KG ***, ein Altfahrzeug auf unbefestigtem Boden abgestellt ist. Durch unsachgemäße abgestellte Altautos und Autowracks ist eine Grundwassergefährdung durch den Austritt von Betriebsmitteln, wie Kraftstoffe, Motor- Getriebe- und Differentialöle, Schmier- und Hydrauliköle, Öl-, Luft- und

Benzinfilter, Bremsflüssigkeit, Batterien und Kühlmittel, möglich.

Mit Schreiben vom 05.07.2022, Gz. ***, der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf, Fachgebiet Umweltrecht, wurde Ihnen wie folgt aufgetragen:

Aus Sicht des Gewässerschutzes sind folgende Maßnahmen erforderlich:

1. Unter dem Fahrzeug ist aus der Sicht des Gewässerschutzes eine auseichend

dimensionierte Auffangwanne aufzustellen.

2. Sollte jedoch das im Erhebungsbericht angeführte Fahrzeuge nicht mehr betriebsbereit sein, so ist es einer ordnungsgemäßen und nachweislichen Entsorgung zuzuführen bzw. bzw. auf einer entsprechenden Dichtfläche abzustellen.

Sie wurden aufgefordert, die oben angeführten Maßnahmen umgehend durchzuführen und der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf bis längstens 28. Juli 2022 eine entsprechende Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen

zu übermitteln.

Der Aufforderung vom 05.07.2022, das Altfahrzeug einer ordnungsgemäßen und

nachweislichen Entsorgung zuzuführen bzw. auf einer entsprechenden Dichtfläche

abzustellen oder eine auseichend dimensionierte Auffangwanne aufzustellen sind Sie bis zumind. 22.08.2022 nicht nachgekommen und haben Sie in einem Telefonat am 22.08.2022 der Behörde gegenüber bestätigt, dass sich das Fahrzeug nach wie vor unverändert auf dem gegenständlichen Grundstück befindet.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§§ 31 Abs. 3 iVm 137 Abs. 2 Z. 3 Wasserrechtsgesetz

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von  falls diese uneinbringlich ist,           Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 1.000,00           46 Stunden                             § 137 Abs. 2 Z. 3

                                                                        Wasserrechtsgesetz

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2

Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der

Strafe, mindestens jedoch 10 Euro                                      € 100,00

Gesamtbetrag:                    € 1.100,00“

Die Begründung des Bescheides lässt konkrete Sachverhaltsfeststellungen vermissen; vielmehr heißt es lediglich, dass der „dem Straferkenntnis zu Grunde liegende Sachverhalt“ dienstlich festgestellt worden sei und der Beschwerdeführer sich im Verfahrensverlauf nicht geäußert hätte, weshalb das Verfahren „ohne Ihre Anhörung aufgrund der Aktenlage fortgeführt“ worden sei.

Unter der Überschrift „die Behörde stellt dazu fest“ werden die §§ 31 Abs. 3 und 137 Abs. 2 Z. 3 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) zitiert. Anschließend ist davon die Rede, dass die Verwaltungsübertretung aufgrund der dienstlichen Feststellungen der belangten Behörde als erwiesen anzusehen sei. Weiters folgen formelhafte Ausführungen zum Verschulden und zur Strafbemessung.

1.2. Das im Rahmen der Tatbeschreibung zitierte Schreiben vom 05. Juli 2022 hat folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr A,

Im Zuge einer örtlichen Überprüfung seitens der Technischen Gewässeraufsicht der

Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf am 30.06.2022 wurde festgestellt, dass auf

Grdst. ***, KG. ***, ein Altfahrzeug auf unbefestigtem Boden abgestellt ist.

Der Bezug habende Erhebungsbericht vom 05.07.2022 wird in der Beilage

übermittelt.

Abstellfläche zur Lagerung von Altfahrzeugen, WRG §31:

Durch unsachgemäße abgestellte Altautos und Autowracks ist eine

Grundwassergefährdung durch den Austritt von Betriebsmitteln, wie Kraftstoffe,

Motor- Getriebe- und Differentialöle, Schmier- und Hydrauliköle, Öl-, Luft- und

Benzinfilter, Bremsflüssigkeit, Batterien und Kühlmittel, möglich.

Eine ordnungsgemäße Lagerung bzw. Abstellen ist dann gegeben, wenn

- sämtliche wassergefährdende Stoffe und Teile entfernt wurden und somit

kein gefährlicher Abfall mehr vorliegt, bzw.

- die Lagerung auf flüssigkeitsdichten und mineralölbeständigen (betonierten)

Lagerflächen mit Erfassung und Reinigung (Abscheideanlage)

sämtlicher Niederschlagswässer (Alternative ist Überdachung) erfolgt.

Aus Sicht des Gewässerschutzes sind daher folgende Maßnahmen erforderlich:

1. Unter dem Fahrzeug ist aus der Sicht des Gewässerschutzes eine auseichend dimensionierte Auffangwanne aufzustellen.

2. Sollte jedoch das im Erhebungsbericht angeführte Fahrzeuge nicht mehr

betriebsbereit sein, so ist es einer ordnungsgemäßen und nachweislichen

Entsorgung zuzuführen bzw. bzw. auf einer entsprechenden Dichtfläche

abzustellen.

Sie werden daher aufgefordert, die oben angeführten Maßnahmen umgehend

durchzuführen und der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf bis längstens

28. Juli 2022 eine entsprechende Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen

zu übermitteln.

Abschließend werden Sie aufgefordert, für die durchgeführte Erhebung

Kommissionsgebühren in der Höhe von € 13,80 binnen 4 Wochen ab Erhalt dieses

Schreibens zur Einzahlung zu bringen.“ (es folgt noch die Angabe der Bankverbindung, ein Verteiler sowie die Fertigungsklausel).

1.3. In seiner als „Einspruch gegen die Strafverfügung“ bezeichneten Beschwerde gegen das genannte Straferkenntnis verweist A auf ein Telefongespräch, bringt vor, mit dem inkriminierten Fahrzeug nichts zu tun zu haben, und beantragt die Einstellung des Strafverfahrens.

1.4. Mit E-Mail vom 07. Oktober 2022, gerichtet an die Strafabteilung, ersuchte das Fachgebiet Umweltrecht der belangten Behörde um Einstellung des Verwaltungs-strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Mitteilung des B, wonach das betreffende Kraftfahrzeug ihm gehöre und er für eine Absicherung des Fahrzeuges bzw. der darin enthaltenen Betriebsmittel Sorge tragen werde. Eine Reaktion darauf ist dem Akt nicht zu entnehmen.

1.5. Die belangte Behörde legt in der Folge die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Gericht zur Entscheidung vor.

2.   Beweiswürdigung

Diese Feststellungen beruhen auf dem – insoweit – unbedenklichen Akt der belangten Behörde.

3.   Erwägungen des Gerichts

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat sich bei seiner Entscheidung über die vorliegende Beschwerde von folgenden Erwägungen leiten lassen:

3.1.     Anzuwendende Rechtsvorschriften

§ 31. (1) Jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, hat mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

(2) Tritt dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ein, hat der nach Abs. 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug den Bürgermeister oder die nächst Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen. Bei Tankfahrzeugunfällen hat der Lenker, sofern dieser hiezu nicht oder nicht allein in der Lage ist auch der Beifahrer, die

erforderlichen Sofortmaßnahmen im Sinne der Betriebsanweisung für Tankfahrzeuge zu treffen. Die Verständigungs- und Hilfeleistungspflicht nach anderen Verwaltungsvorschriften, wie vor allem nach der Straßenverkehrsordnung, wird dadurch nicht berührt. Sind außer den Sofortmaßnahmen weitere Maßnahmen zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlich, so ist zu ihrer Durchführung der Halter des Tankfahrzeuges verpflichtet.

(3) Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen

Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Wenn wegen Gefahr im Verzuge eine Anordnung der Wasserrechtsbehörde nicht abgewartet werden kann, ist der Bürgermeister befugt, die zur Vermeidung

einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen – soweit nicht dem Bergrecht unterliegende Anlagen betroffen werden – unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Gefahr im Verzug ist jedenfalls gegeben, wenn eine Wasserversorgung gefährdet ist.

(…)

§ 137. (…)

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 14 530 €, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen, wer

(…)

3. einen ihm gemäß § 21a Abs. 1 erteilten Auftrag zur Anpassung, zur Projektsvorlage oder zur Einschränkung oder Einstellung der Wasserbenutzung oder einen ihm gemäß § 31 Abs. 3 erteilten Auftrag nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt;

VStG

§ 25. (…)

(2) Die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

(…)

§ 44 Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1.   die als erwiesen angenommene Tat;

2.   die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.   die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4.   den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.   im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten

§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu

verfügen, wenn

1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die

die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

(…)

VwGVG

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

(…)

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses hat überdies zu enthalten:

1. im Fall der Verhängung einer Strafe die vom Verwaltungsgericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in

gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten;

2. im Fall des § 45 Abs. 1 VStG eine gedrängte Darstellung der dafür maßgebenden Gründe.

(3) Jedes Erkenntnis hat einen Hinweis auf die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren vor dem

Verfassungsgerichtshof und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu enthalten.

VwGG

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(…)

B-VG

Artikel 133. (…)

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(…)

3.2.     Rechtliche Beurteilung

3.2.1. Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer ausweislich der im Straf-erkenntnis angeführten Rechtsgrundlagen wegen Übertretung nach § 137 Abs. 2 Z. 3 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) bestraft, weil er einem ihm nach § 31 Abs. 3 leg. cit. erteilten Auftrag nicht nachgekommen sei.

Die belangte Behörde betrachtet offensichtlich das formlose Schreiben vom 05. Juli 2022 als einen derartigen Auftrag.

3.2.2. Im System des § 31 WRG 1959 regelt der Abs. 3 die Verpflichtung der Wasserrechtsbehörde zur Vorgangsweise, wenn und soweit der nach Abs. 2 Verpflichtete keine ausreichende Maßnahme gesetzt hat, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlich sind. Eine behördliche Anordnung nach der genannten Gesetzesbestimmung muss, um wirksam zu werden, entweder in der Form eines bescheidmäßigen Auftrags oder – bei Gefahr in Verzug - mittels faktischer Amtshandlung ergehen (vgl. VwGH 17.01.1995, 93/07/0126). Keine der beiden Varianten liegt im gegenständlichen Fall vor.

3.2.3. Da die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach Lage des Falles von vornherein auszuschließen ist, käme allenfalls die Qualifikation des Schreibens vom 05. Juli 2022 als Bescheid in Betracht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beginnend mit VwGH 15.12.1977, 0934/73, VwSlg 9458 A/1977 (verstärkter Senat); weiters zB 24.4.1996, 95/12/0248; 29.3.1996, 96/02/0113, aus jüngerer Zeit zB 22.07.2020, Ra 2020/03/ 0049 und 22.09.2020, Ra 2019/12/0033, kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch normativ rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der Erledigung, also in dem Sinn auch aus deren Form ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge im Verfahren, Rechtsbelehrungen und dergleichen können nicht als verbindliche Erledigung und damit als Spruch im Sinn des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden.

Insbesondere in jenem Fall, in dem der Inhalt einer (behördlichen) Erledigung Zweifel über seine Rechtsnatur als Bescheid entstehen lässt, ist die ausdrückliche Bezeichnung für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell. Nur dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, dass die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nach der für sich allein gesehen unabdingbaren Norm des § 58 Abs. 1 AVG für das Vorliegen eines Bescheides nicht wesentlich.

An eine behördliche Erledigung, die nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet ist, muss hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab angelegt werden (vgl. VwGH 17.12.2007, 2007/12/0200; 10.11.2010, 2010/12/0042).

Es ist daher zu fordern, dass für den Normunterworfenen unzweifelhaft klar sein muss, dass die Behörde ihm gegenüber eine verfahrensbeendende Entscheidung treffen wollte, deren Rechtsfolgen er nur durch die rechtzeitige Erhebung ent-sprechender Rechtsmittel abwenden kann.

Diesen strengen Kriterien entspricht das vorliegende Schreiben der belangten Behörde vom 05. Juli 2022 ungeachtet der darin enthaltenen Aufforderung nicht, auch zumal derartige Aufforderungen auch auf gleichrangiger Ebene, etwa im Verhältnis zwischen Nachbarn oder zwischen Mieter und Vermieter in gleicher Weise vorkommen können, etwa wenn der Vermieter den Mieter zur Räumung des Mietgegenstandes auffordert.

Damit war aber für den Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich erkennbar, dass ein Bescheid vorliegt, dessen Rechtsfolgen er nicht bloß durch eine informelle telefonische Klarstellung, welche er offenbar vorgenommen zu haben meint, abwenden konnte.

3.2.4. Damit fehlt es aber schon an einem Element des objektiven Tatbestandes der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung (nämlich einem „gemäß § 31 Abs. 3 erteilten Auftrag“), sodass nicht weiter zu prüfen war, ob der Tatvorwurf überhaupt den Konkretisierungsanforderungen des § 44a VStG entspricht.

Lediglich angemerkt sei, dass die Feststellungen der belangten Behörde (allgemeine „Möglichkeit“ der Gewässergefährdung bei Altautos ohne konkrete Feststellungen zum betreffenden Fahrzeug, seinem Zustand, und den darin allenfalls noch vorhandenen Betriebsmitteln sowie zum gegebenenfalls bedrohten Gewässer) nicht ausreichten, um die eine Handlungsverpflichtung nach § 31 Abs. 2 WRG 1959 auslösende konkrete Gefahr einer Gewässerverunreinigung darzutun.

3.2.5. Der Beschwerde war sohin stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

3.2.6. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß
§ 44 Abs. 2 VwGVG Abstand genommen werden, da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtenen Bescheid aufzuheben ist.

3.2.7. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG war im vorliegenden Fall nicht zu lösen, ging es doch um die Anwendung einer eindeutigen bzw. durch die Judikatur (vgl. die angeführten Zitate) hinreichend geklärten Rechtslage auf den Einzelfall. Die Qualifikation eines Schriftstücks als (Nicht-)Bescheid stellt im übrigen eine nicht revisible einzelfallbezogene Entscheidung dar. Die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis ist somit nicht zulässig.

Schlagworte

Umweltrecht; Wasserrecht; Verwaltungsstrafe; Auftrag; Bescheid; Bescheidmerkmale; Bezeichnung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2756.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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