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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 16. Mai 1995, GZ UVS-05/28/00303/94, betreffend Übertretung des Wiener Getränkesteuergesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war Masseverwalterin im Konkurs der S. GmbH. Das Unternehmen der Gemeinschuldnerin, eine Gastwirtschaft, wurde nach der Konkurseröffnung vom 6. April 1993 fortgeführt. Nach Vornahme einer Getränkesteuerprüfung wurde der Beschwerdeführerin in einer Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14. Juni 1994 vom Magistrat der Stadt Wien zur Last gelegt, Getränkesteuer für Mai bis Dezember 1993 in Höhe von insgesamt S 31.485,16 verkürzt zu haben.
In einer Eingabe vom 21. Juli 1994 führte die Beschwerdeführerin daraufhin aus, die Getränkesteuer sei vom Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, Hans B., auf Grund eines computergesteuerten Schankanlagenkontrollsystems ermittelt worden, bei welchem sämtliche verkauften Getränke sofort boniert würden. Die Beschwerdeführerin habe als Masseverwalterin nicht die Möglichkeit gehabt, den Getränkekonsum und dessen Abrechnung über einen längeren Zeitraum zu kontrollieren. Sie habe sich darauf verlassen müssen, daß bei Verwendung computergesteuerter Einrichtungen die Abrechnungen ordnungsgemäß erfolgen.
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 1. August 1994 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, als Masseverwalterin der S. GmbH unterlassen zu haben, für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 1993 Getränkesteuer im Betrag von S 14.099,16 einzubekennen und zu entrichten. Sie habe damit "in der Zeit vom 11. Februar 1994 bis 29. April 1994" die Getränkesteuer mit dem Betrag von S 14.099,16 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen. Über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe von S 7.000,-- verhängt.
In der gegen das Straferkenntnis erhobenen Berufung verwies die Beschwerdeführerin neuerlich auf das computergesteuerte Schankanlagensystem. Sämtliche verkauften Getränke würden sofort boniert. An das System seien sowohl die Getränke aus der Schank als auch Schnäpse etc. angeschlossen, während der Inhalt verschlossener Läden, zu denen jeweils zwei Kellner Schlüssel hätten, täglich ergänzt und hiebei kontrolliert würde.
Bei der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der als Zeuge vernommene Roman S., Revisionsorgan des Magistrates der Stadt Wien, zur Ermittlung der Bemessungsgrundlagen an, der Anfangsbestand habe dem Endbestand der vorhergehenden Revision entsprochen. Die Zukäufe seien aus den Rechnungen und der Buchhaltung ermittelt worden. Der mengenmäßige Endbestand sei von Hans B., Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, ermittelt worden.
Der Geschäftsführer Hans B. gab als Zeuge an, er habe der Beschwerdeführerin die Buchhaltungsunterlagen zunächst monatlich, sodann alle zwei Monate "vorbeigebracht" und ihr dabei auch den Zahlschein über die entrichtete Getränkesteuer übermittelt. Im Betrieb befinde sich eine Schankanlage, die alle entnommenen Getränke registriere. Diese könne vom Kellner nur mit Hilfe eines Schlüssels in Betrieb genommen werden. Daneben gebe es Getränke, die nicht über diese Anlage laufen (Mineralwasser, Fruchtweine, spezielle Biersorten). In der Computeranlage befinde sich ein Hausschlüssel. Damit würden der Eigenverbrauch und die Einladungen erfaßt. Nach Ablauf eines Geschäftstages würden jene Getränke von den Kellnern boniert, die flaschenweise abgegeben werden; gleichzeitig werde der Fixbestand aus dem Hauptlager wieder aufgefüllt.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von S 7.000,-- auf S 3.000,-- herabgesetzt wurde; im übrigen wurde das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Nach Auffassung der belangten Behörde hatte die Beschwerdeführerin dadurch fahrlässig gehandelt, daß sie es unterlassen habe, die Angaben des Geschäftsführers einer inhaltlichen Überprüfung zu unterziehen.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem "gesetzlich gewährleisteten Recht auf fehlerfreie Handhabung des Ermessens" verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte
die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof kommt dem Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, weil der Gerichtshof nach der Anordnung des § 41 Abs. 1 VwGG nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. Dolp,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 242 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wird dabei der Beschwerdepunkt vom Beschwerdeführer ausdrücklich und unmißverständlich bezeichnet, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht zugänglich (vgl. Dolp, aaO, S 245).
Die Beschwerdeführerin hat in der vorliegenden Beschwerde den Beschwerdepunkt ausdrücklich mit dem Recht auf fehlerfreie Handhabung des Ermessens bezeichnet. In der Begründung der Beschwerde sind demgegenüber ausschließlich Ausführungen darüber zu enthalten, daß der Beschwerdeführerin ein fahrlässiges Verhalten an den festgestellten Getränkesteuerverkürzungen nicht zugerechnet werden könne. Die Frage, ob dem Täter ein Verschulden im Sinne des § 5 VStG (hier: in der Schuldform der Fahlässigkeit) zugerechnet werden kann, stellt sich im Rahmen der Feststellung der als erwiesen angenommenen Tat (vgl. § 44a Z. 1 VStG) als Frage der objektiven Sachverhaltsermittlung und der Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes dar. Bei dieser der Behörde obliegenden Entscheidung über das Vorhandensein des subjektiven Tatbildes einer strafbaren Handlung ist die Behörde an das Gesetz gebunden. Die Frage, ob auf Grund eines festgestellten Sachverhaltes dem Täter fahrlässiges Handeln anzulasten ist, ist somit keine Frage des Ermessens. Lediglich hinsichtlich der Festsetzung der Strafe im Sinne der Zumessungsregeln des § 19 VStG ist der Strafbehörde ein Ermessen eingeräumt. Hinsichtlich der Strafbemessung, die von der belangten Behörde in bezug auf die Herabsetzung der von der Strafbehörde erster Instanz verhängten Strafe ausführlich begründet wurde, enthält aber die Beschwerde keine Ausführungen.
Da somit in der Begründung der Beschwerde im Rahmen des von der Beschwerdeführerin ausdrücklich bezeichneten Beschwerdepunktes keine Ausführungen enthalten sind, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich darüber hinaus veranlaßt, zur objektiven Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde folgende Feststellungen zu treffen:
Bei der Entrichtung fälliger Steuern oder der Abgabe von Getränkesteuererklärungen handelt es sich um persönliche Verpflichtungen des Masseverwalters hinsichtlich des gemeinschuldnerischen Betriebes, die er bei Nichterfüllung strafrechtlich zu verantworten hat (vgl. das Erkenntnis vom 28. September 1995, 93/17/0317, mit näherer Begründung und weiteren Hinweisen). Bedient sich dabei der Masseverwalter zur Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten wie hier eines Erfüllungsgehilfen, so ist er angehalten, bei der Auswahl dieser Person sorgsam vorzugehen. Ob dies im Beschwerdefall mit der Bestellung des bisherigen Geschäftsführers der gemeinschuldnerischen Gesellschaft zutraf, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist der Masseverwalter verpflichtet, den Erfüllungsgehilfen entsprechend zu beaufsichtigen. Das Ausmaß der notwendigen Überwachung wird dabei durch den Grad der Zuverlässigkeit und Fachkunde des Erfüllungsgehilfen bestimmt. Jedenfalls ist der für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen Verantwortliche zu einer stichprobenweisen Überprüfung der betrauten Organe verpflichtet (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29. September 1993, 89/13/0051, und vom 10. März 1994, 89/15/0180). Gerade diesen Aufsichtspflichten ist die Beschwerdeführerin aber nicht nachgekommen. Nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der Zeugenaussage des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin, beschränkte sich die Tätigkeit der Beschwerdeführerin auf die zunächst monatliche, sodann nur mehr alle zwei Monate erfolgende Entgegennahme von Buchhaltungsunterlagen einschließlich der Zahlscheine über die Getränkesteuerzahlungen. Nach den Ausführungen in der Beschwerdeschrift selbst habe sie den Geschäftsführer jeweils eine Woche vor Fälligkeit an die Steuerzahlung erinnert. Das sei so weit gegangen, daß sie einmal selbst eine geschätzte Getränkesteuer überwiesen habe, "um der ständigen Säumigkeit des Geschäftsführers entgegenzuwirken". Daraus ist aber ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin keinerlei stichprobenweise materielle Überprüfung der Getränkesteuerbeträge selbst auf deren Richtigkeit vorgenommen hatte, zu der sie umso eher verpflichtet gewesen wäre, weil ihr die Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers bekannt gewesen ist. Der Beschwerdeführerin wurde daher von der belangten Behörde zu Recht ein Überwachungsverschulden zur Last gelegt.
Andererseits ist, wie aus der Begründung des angefochtenen Bescheides sowie des Straferkenntnisses der Strafbehörde erster Instanz hervorgeht, der Beschwerdeführerin eine Mehrzahl von Getränkesteuerverkürzungen zur Last gelegt worden. Da es sich bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen um Fahrlässigkeitsdelikte handelt, ist dabei ein Fortsetzungszusammenhang begrifflich ausgeschlossen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 6. Oktober 1994, 94/16/0143). Wird aber, wie dies im Beschwerdefall geschehen ist, für solche mehrere, nicht im Fortsetzungszusammenhang stehende Delikte nur die Gesamtsumme der in allen Bemessungszeiträumen verkürzten Abgabe im Spruch des Straferkenntnisses angegeben und wird für diese Delikte nur eine einzige Strafe ausgesprochen, so verstößt dies gegen die Bestimmungen des § 44a Z. 1 VStG (Bezeichnung der als erwiesen angenommenen Tat) sowie Z. 3 dieser Gesetzesstelle. Im Hinblick auf den oben dargestellten Beschwerdepunkt war es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, diese Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzugreifen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit fortgesetztes Delikt Strafnorm Mängel im Spruch gemeinsame Strafe für mehrere DelikteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995160182.X00Im RIS seit
20.11.2000