Entscheidungsdatum
27.10.2022Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y (= belangte Behörde) vom 12.07.2022, Zl ***, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass im angefochtenen Straferkenntnis bei den verletzten Rechtsvorschriften die Wortfolge „BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 183/2020“ durch die Wortfolge „BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 90/2021“ sowie die Wortfolge „BGBl Nr 52/1991 idF BGBl Nr 58/2018“ durch die Wortfolge „BGBl Nr 52/1991 idF BGBl I Nr 3/2008“ und bei der Strafsanktionsnorm die Formulierung „BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 183/2021“ durch die Formulierung „BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 90/2021“ ersetzt wird.
2. Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 100,00 zu leisten.
3. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Straferkenntnis vom 12.07.2022, Zl ***, hat die belangte Behörde AA (= Beschwerdeführer) die nachfolgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:
„Tatzeit: 03.12.2021, 15:30 Uhr
Tatort: ‚BB‘, **** X, Adresse 2
Sie haben es zu oben angeführten Zeitpunkt als Mitglied des Vorstandes und somit als nach
§ 9 Abs 1 VStG 1991 idgF zur Vertretung nach außen berufene Person der ‚CC‘, mit Sitz in **** X, Adresse 3, welche Betreiberin und Inhaberin der oben angeführten Betriebsstätte des Handels ist, zu verantworten, dass nicht dafür Sorge getragen wurde, dass die angeführte Betriebsstätte nicht entgegen den in der 5.COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 475/2021 idF BGBl II Nr 511/2021, festgelegten Voraussetzungen und Auflagen betreten wird, da, während Kund:innen in der Betriebsstätte verweilten, entgegen § 7 Abs 7 Z 1 leg.cit. nicht nur Waren zum Verkauf angeboten wurden, die dem typischen Warensortiment der in § 7 Abs 6 leg.cit., genannten Betriebsstätten des Handels entsprechen, sondern unter anderem auch Weihnachtsdekoration, (Kinder-) Spielwaren und Küchengeräte bzw. Küchenutensilien zum Verkauf angeboten wurden.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 7 Abs 1 Z 1 iVm Abs 6 Z 2 und Abs 7 Z 1 5.COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (5.COVID- 19-NotMV), BGBl II Nr. 475/2021 idF BGBl II Nr. 511/2021 iVm § 3 COVID-19- Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), BGBl I Nr. 12/2020 idF BGBl I Nr. 183/2020 iVm
§ 9 Abs 1 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. Nr. 58/2018
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß:
Ersatzfreiheitsstrafe von:
€ 500,00 48 Stunden § 8 Abs 4 COVID-19-Maßnahmen-
gesetz, BGBl. I Nr. 12/2020 idF BGBl.
I Nr. 183/2021“
Mit Schriftsatz vom 21.07.2022 hat AA gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 12.07.2022, Zl ***, Beschwerde erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses sowie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Hilfsweise beantragte er, die verhängte Strafe „auf ein Ausmaß von 20 % zu reduzieren“. Der Beschwerdeführer beantragte zudem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Seine Beschwerde begründete der Beschwerdeführer wie folgt:
„Es ist uns als Betrieb nicht zumutbar für etwa 20 % der Kunden das betroffene Sortiment gänzlich abzusperren! Das hätte zur Folge gehabt, dass die Mitarbeiter laufend diese Absperrung auf- und abbauen hätten müssen. Hier ist die Verhältnismäßigkeit aus meiner Sicht nicht gegeben. Zudem waren wir in diesen Zeiten mit einer reduzierten Mannschaft im Einsatz.“
Mit Schriftsatz vom 25.07.2022, Zl ***, hat die belangte Behörde den Gegenstandsakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 12.07.2022 dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt.
Am 12.10.2022 hat die öffentlichen mündliche Verhandlung stattgefunden. Der Beschwerdeführer verwies dabei im Wesentlichen auf das bisherige Vorbringen, insbesondere seine Aussagen anlässlich der Einvernahme am 01.07.2022 und die Darlegungen in der Beschwerde vom 21.07.2022. Ergänzend hob er hervor, dass zur Tatzeit gewerbliche Kunden und diesen geleichgestellte Landwirte das gesamte Warensortiment erwerben hätten dürfen.
Beweis wurde aufgenommen durch die Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei. Von der Verlesung des behördlichen und des verwaltungsgerichtlichen Aktes konnte gemäß
§ 48 Abs 2 VwGVG Abstand genommen werden.
II. Sachverhalt:
1. Allgemeinde Feststellungen zum Beschwerdeführer:
Der am XX.XX.XXXX geborene Beschwerdeführer, wohnhaft Adresse 1, **** X (Z), war zur Tatzeit gemeinsam mit DD, geboren am XX.XX.XXXX, Mitglied des Vorstandes der CC. Außerdem war der Beschwerdeführer gemeinsam mit DD als Geschäftsleiter der eben genannten Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft tätig.
Der Beschwerdeführer ist gemeinsam mit vier weiteren Personen Mitglied des Vorstandes der EE. Diese Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft mit Standort Adresse 2 in **** X wurde am 26.11.2021 in das Firmenbuch eingetragen.
Die CC war am Standort Adresse 3, **** X, vom 15.01.1975 bis 10.01.2022 Inhaberin des Handelsgewerbes mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe. Der Beschwerdeführer war der gewerberechtliche Geschäftsführer für dieses von der CC ausgeübte Handelsgewerbe. Die EE ist seit dem 03.12.2021 Inhaberin des Handelsgewerbes mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe am Standort Adresse 2 in **** X. Der Beschwerdeführer ist gewerberechtliche Geschäftsführer für das von der EE ausgeübte Handelsgewerbe.
Der Beschwerdeführer verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von rund Euro 4.000,00. Ihn treffen keine Sorgepflichten. Der Beschwerdeführer ist unbescholten.
2. Zum Tatvorwurf:
Zur Tatzeit – 03.12.2021 – war die CC Betreiberin der Betriebsstätte „FF“ am Standort Adresse 2 in **** X. Die EE übernahm diesen Betrieb ab Jänner 2022.
Der Betrieb des Unternehmens „BB“ umfasst die nachfolgenden drei Bereiche:
? Baustoffhandel
? Handel mit Futtermitteln und Produkten, die zur Verarbeitung von Tierfutter notwendig sind
? Haus- und Gartenmarkt
Im Rahmen des dritten Bereiches – Haus- und Gartenmarkt – wird auch ein Handel mit Lebensmitteln betrieben.
Am 03.12.2021 um 15:30 Uhr waren in der Betriebsstätte des Unternehmens „BB“ am Standort Adresse 2, **** X, im Haus- und Gartenmarkt auch Weihnachtsdekoration, (Kinder-) Spielwaren und Küchengeräte/Küchenutensilien zum Verkauf angeboten. Diese Verkaufsartikel waren im Haus- und Gartenmarkt angeboten und für alle Kunden:innen zugänglich. Eine Absperrung betreffend diese eben angeführten Waren bestand nicht.
III. Beweiswürdigung:
Die Angabe zu den beiden Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften „EE“ und „CC“ ergeben sich aus den im behördlichen Akt einliegenden Auszügen aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (Stichtag 27.05.2022) und dem Firmenbuch (Stichtag 23.05.2022: EE; Stichtag 27.05.2022: CC). Der Beschwerdeführer äußerte sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 12.10.2022 zu den persönlichen Verhältnissen, aber auch zu den beiden Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat zudem einen Auszug aus dem Verwaltungsstrafregister eingeholt.
Auf der Grundlage dieser Beweismittel trifft das Landesverwaltungsgericht Tirol die Feststellungen in Kapitel 1. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses.
Die belangte Behörde fertigte anlässlich der von ihr durchgeführten Kontrolle am 03.12.2021 Lichtbilder an, auf denen das Warensortiment dokumentiert ist. Der Beschwerdeführer selbst hat bereits im Einspruch vom 01.07.2022 eingeräumt, dass die in der Strafverfügung vom 03.06.2022 angeführten Waren in der Betriebsstätte am Standort Adresse 2 in **** X angeboten wurden. Gegenteiliges hat der Beschwerdeführer weder in seiner Beschwerde noch anlässlich seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 12.10.2022 vorgebracht. Laut seiner Aussage waren auch keine Maßnahmen veranlasst worden, um den Zutritt zu jenem Bereich, in dem die im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Waren angeboten wurden, zu verhindern. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang lediglich darauf hingewiesen, dass für Landwirte und sonstige gewerbliche Kunden:innen keine rechtlichen Einschränkungen betreffend des Warenangebot bestanden.
Anlässlich der mündlichen Verhandlung bestätigte der Beschwerdeführer, dass am 03.12.2021 das Handelsgewerbe des Unternehmens „BB“ an der Adresse 2, **** X, die CC betrieben hat. Der Betrieb durch die EE erfolgte laut den Aussagen des Beschwerdeführers erst ab Jänner 2022.
Dementsprechend lauten die Feststellungen in Kapitel 2. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses.
IV. Rechtslage:
1. COVID-19-Maßnahmengesetz:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG), BGBl I Nr 12/2020 in den Fassungen BGBl I Nr 90/2021 (§ 8) und BGBl I
Nr 183/2021 (§ 1), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
„Anwendungsbereich und allgemeine Bestimmungen
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz ermächtigt zur Regelung des Betretens und des Befahrens von Betriebsstätten, Arbeitsorten, Alten- und Pflegeheimen sowie stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe, bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit, zur Regelung des Benutzens von Verkehrsmitteln, zur Regelung von Zusammenkünften sowie zu Ausgangsregelungen als gesundheitspolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.
(2) Als Betreten im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt auch das Verweilen.
[…]“
„Betreten und Befahren von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Benutzen von Verkehrsmitteln
§ 3. (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung
1. das Betreten und Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen,
[…]
geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
(2) In einer Verordnung gemäß Abs. 1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen Betriebsstätten und Arbeitsorte betreten und befahren oder Verkehrsmittel benutzt werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren von Betriebsstätten oder Arbeitsorten sowie das Benutzen von Verkehrsmitteln untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen.“
„Strafbestimmungen
§ 8. […]
(4) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte oder eines Arbeitsortes, als Betreiber eines Verkehrsmittels, als Betreiber eines Alten- und Pflegeheimes oder einer stationären Wohneinrichtung der Behindertenhilfe oder als gemäß § 4 hinsichtlich bestimmter privater Orte, nicht von Abs. 2 erfasster Verpflichteter nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, der Arbeitsort, das Verkehrsmittel, das Alten- und Pflegeheim oder die stationäre Wohneinrichtung der Behindertenhilfe oder der bestimmte private Ort nicht entgegen den in einer Verordnung gemäß §§ 3 bis 4a festgelegten Personenzahlen, Zeiten, Voraussetzungen oder Auflagen betreten oder befahren wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu Euro 3.600,00, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu bestrafen.
[…]“
2. 5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Notsituation aufgrund von COVID-19 getroffen werden (5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung – 5. COVID-19-NotMV), BGBl II Nr 475/2021 in der Fassung (idF)
BGBl II Nr 511/2021, lauten auszugsweise samt Überschriften wie folgt:
„Kundenbereiche
§ 7. (1) Das Betreten und Befahren des Kundenbereichs von
1. Betriebsstätten des Handels zum Zweck des Erwerbs von Waren,
[…]
ist untersagt. Z 1 und 2 gelten nicht zum Zweck zumindest zweiseitig unternehmensbezogener Geschäfte, Z 1 und Z 4 im Hinblick auf Kultureinrichtungen nach Abs 5 Z 7 gelten nicht für die Abholung vorbestellter Waren, wobei dabei eine Maske zu tragen ist.
[…]
(6) Abs. 1 erster Satz und Abs. 2 gelten nicht für
1. öffentliche Apotheken,
2. Lebensmittelhandel (einschließlich Verkaufsstellen von Lebensmittelproduzenten) und bäuerliche Direktvermarkter,
3. Drogerien und Drogeriemärkte,
4. Verkauf von Medizinprodukten und Sanitärartikeln, Heilbehelfen und Hilfsmitteln,
5. Gesundheits- und Pflegedienstleistungen,
6. Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen, die von den Ländern im Rahmen der Behindertenhilfe-, Sozialhilfe-, Teilhabe- bzw Chancengleichheitsgesetze erbracht werden.
7. Dienstleistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 […] und dem Behinderteneinstellungsgesetz […],
8. veterinärmedizinische Dienstleistungen,
9. Verkauf von Tierfutter,
10. Verkauf und Wartung von Sicherheits- und Notfallprodukten, das sind insbesondere Feuerlöscher, Schutzausrüstung, Leuchtmittel, Brennstoffe, Sicherungen, Salzstreumittel, nicht aber Waffen und Waffenzubehör, sofern deren Erwerb nicht zu beruflichen Zwecken aus gesetzlichen Gründen zwingend unaufschiebbar erforderlich ist,
11. Notfall-Dienstleistungen,
12. Agrarhandel einschließlich Tierversteigerungen sowie der Gartenbaubetrieb und der Landesproduktenhandel mit Saatgut, Futter und Düngemittel,
13. Tankstellen und Stromtankstellen sowie Waschanlagen,
14. Banken,
15. Postdiensteanbieter, einschließlich deren Postpartner, soweit diese Postpartner unter die Ausnahmen des § 7 Abs. 6 fallen sowie Postgeschäftsstellen iSd § 3 Z 7 PMG, welche von einer Gemeinde betrieben werden oder in Gemeinden liegen, in denen die Versorgung durch keine andere unter § 7 Abs. 6 fallende Postgeschäftsstelle erfolgen kann, jedoch ausschließlich für die Erbringung von Postdienstleistungen und die unter § 7 Abs. 6 erlaubten Tätigkeiten, und Anbieter von Telekommunikation,
16. Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Rechtspflege,
17. den öffentlichen Verkehr,
18. Tabakfachgeschäfte und Zeitungskioske,
19. Hygiene- und Reinigungsdienstleistungen,
20. Abfallentsorgungsbetriebe,
21. KFZ- und Fahrradwerkstätten.
(7) Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten ist unter folgenden Voraussetzungen und Auflagen zulässig:
1. Es dürfen nur Waren angeboten werden, die dem typischen Warensortiment der in Abs. 6 genannten Betriebsstätten des Handels entsprechen.
[…]“
3. Verwaltungsstrafgesetz 1991:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), BGBl Nr 52/1991 in den Fassungen BGBl I Nr 3/2008 (§ 9), BGBl I Nr 33/2013 (§§ 19 und 45) und BGBl I Nr 57/2018 (§ 5), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
„Schuld
§ 5. (1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder der Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
(1a) Abs. 1 zweiter Satz gilt nicht, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über 50 000 Euro bedroht ist.
(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.“
„Besondere Fälle der Verantwortlichkeit
§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
[…]“
„Strafbemessung
§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.“
§ 45.(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
5. die Strafverfolgung nicht möglich ist;
6. die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
[…]“
4. Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 57/2018, lauten samt Überschriften auszugweise wie folgt:
„Schluss der Verhandlung
§ 47. (1) Das Verfahren ist möglichst in einer Verhandlung abzuschließen. Wenn sich die Vernehmung des der Verhandlung fern gebliebenen Beschuldigten oder die Aufnahme weiterer Beweise als notwendig erweist, dann ist die Verhandlung zu vertagen.
[…]
(4) Hierauf ist die Verhandlung zu schließen. Im Verfahren vor dem Senat zieht sich dieser zur Beratung und Abstimmung zurück. Der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung sind nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.“
„Erkenntnisse
§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
[…]“
„Kosten
§ 52. (1) In jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
(2) Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand des Verwaltungsgerichtes zu tragen hat.
[…]
(8) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.
[…]“
V. Erwägungen:
1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:
Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.
Das angefochtene Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 18.07.2022 zugestellt. Die gegen das Straferkenntnis vom 12.07.2022, Zl ***, erhobene Beschwerde vom 21.07.2022 ist an diesem Tag und folglich innerhalb der Beschwerdefrist bei der belangten Behörde eingelangt. Die Erhebung der Beschwerde erfolgte somit fristgerecht.
2. In der Sache:
2.1. Zum „Günstigkeitsprinzip“:
§ 1 Abs 2 VStG sieht vor, dass sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht richtet, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. Dieses in der zitierten Bestimmung normierte „Günstigkeitsprinzip“ gilt allerdings nicht für „Zeitgesetze“. Dabei handelt es sich um Gesetze, die von Vornherein nur für einen bestimmten Zeitraum gegolten haben und der Wegfall der Regelung somit nicht auf einem geänderten Werturteil des Normgebers basiert (vgl dazu generell VwGH 22.07.2019, Ra 2019/02/0107).
Die 5. COVID-19-NotMV ist gemäß deren § 22 am 11.12.2021 außer Kraft getreten. Am 12.12.2021 ist die 6. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (6. COVID-10 SchuMaV),
BGBl II Nr 537/2021, in Kraft getreten. Aufgrund der mit der 5. COVID-19-NotMV verhängten Maßnahmen kam es weitgehend zu einer Stabilisierung des Infektionsgeschehens, sodass mit der 6. COVID-19-SchuMaV erste Öffnungsschritte gesetzt werden konnten. Die in § 6 der COVID-19-SchuMaV verhängten Ausgangsbeschränkungen stimmen mit jenen des § 7 der
5. COVID-19-NotMV weitgehend überein. Allerdings konnten in der zitierten Bestimmung der 6. COVID-19-SchuMaV aufgrund der Stabilisierung des Infektionsgeschehens gewisse Lockerungen vorgenommen werden. Insbesondere war eine Einschränkung des Warenangebotes nicht mehr erforderlich.
Der Ablauf der 5. COVID-19-NotMV ist somit auf eine Stabilisierung des Infektionsgeschehens und damit auf eine Änderung der relevanten Sachlage zurückführen und nicht auf eine nachträgliche andere Beurteilung der Gefährlichkeit des Virus. Im Hinblick auf das dem Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt – 03.12.2021 – vorgeworfene Verhalten ist das Außerkrafttreten der 5. COVID-19-NotMV mit Ablauf des 11.12.2021 unbeachtlich.
2.2. Zur Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer war zur Tatzeit Mitglied des Vorstandes der CC, einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft. Er vertrat gemeinsam mit dem Obmann oder der Obmann-Stellvertreterin diese Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft. Nach § 9 VStG trifft jeden der zur Vertretung nach außen Berufenen von juristischen Personen die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit. Für das von der eben genannten Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft ausgeübte Handelsgewerbe war der Beschwerdeführer zudem gewerberechtlicher Geschäftsführer.
Ergeht ein Strafbescheid gegen einen Beschuldigten infolge seiner Stellung gemäß § 9 VStG, so hat der Spruch diesen Umstand entsprechend zum Ausdruck zu bringen. Dabei ist anzugeben, ob die Bestrafung des Beschuldigten als statutarisches Vertretungsorgan im Sinn des § 9 Abs 1 VStG oder als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs 2 VStG erfolgt [Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 9 Rz 32 mit weiteren Nachweisen (Stand 1.5.2017, rdb.at); Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 44a Rz 4 mit weiteren Nachweisen (Stand 1.5.2017, rdb.at)]. Juristische Personen haben bei Ausübung eines Gewerbes einen gewerberechtlichen Geschäftsführer zu bestellen, der gegenüber der Behörde für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften – nur für diese – verantwortlich ist. Der Inhalt dieser „gewerberechtlichen Vorschriften“ bestimmt sich in den Grenzen des Kompetenztatbestandes des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG („Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie“). Die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers schließt in deren sachlichen Anwendungsbereich die Verantwortlichkeit der statutarischen Vertretungsorgane im Sinne des § 9 VStG aus.
Die Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers besteht jedenfalls für die Einhaltung der Bestimmungen der GewO 1994 selbst, der sogenannten gewerberechtlichen Nebengesetze, aber auch für sachverwandte – zum Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1
Z 8 B-VG ressortierende – Regelungen. Bei der auf die §§ 3 Abs 1, 4 Abs 1, 4a Abs 1, 5 Abs 1 und 6 Abs 1 des COVID-19-MG gestützten 5. COVID-19-NotMV handelt es sich um keine gewerberechtliche Vorschrift. Die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seiner Funktion als Mitglied des Vorstandes und damit als statutarisches Vertretungsorgan der CC im Sinne des § 9 Abs 1 VStG. Unabhängig davon ist darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer für das von der eben genannten Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft ausgeübte Handelsgewerbe als gewerberechtlicher Geschäftsführer fungierte.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Straferkenntnis den Beschwerdeführer als „Mitglied des Vorstandes und somit als nach § 9 Abs 1 VStG 1991 idgF zur Vertretung nach außen berufene Person der CC“ und damit als nach außen vertretungs-befugtes Organ qualifiziert. Dies ergibt sich auch aus der Zitierung des § 9 Abs 1 VStG iVm den verletzten Rechtsvorschriften. Die belangte Behörde hat daher die gesetzlichen Vorgaben zur Umschreibung der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 9 VStG hinreichend erfüllt.
2.3. Zur vorgeworfenen Verwaltungsübertretung:
Am 03.12.2021 war die von der CC betriebene Betriebsstätte „BB“ am Standort Adresse 2, **** X, geöffnet. Das Warenangebot erstreckte sich unter anderem auf Artikel des Lebensmittelhandels, auf Tierfutter, aber auch auf Saatgut, Futter- und Düngemittel im Sinne des § 7 Abs 6 Z 2, 9 und 12 der 5. COVID-19-NotMV. Das Offenhalten dieser Betriebsstätte stützte sich zudem auf den Umstand, dass es sich bei ca. 80 % der Kunden:innen um Landwirte:innen und gewerbliche Kunden:innen handelt(e) und daher im überwiegenden Ausmaß von zweiseitig unternehmensbezogenen Geschäften auszugehen ist, für die das Betretungs- und Befahrungsverbot des § 7 Abs 1 Z 1 und 2 der 5. COVID-19-NotMV gemäß dem zweiten Satz der eben zitierten Bestimmung nicht galt.
Zur Tatzeit wurden in der Betriebsstätte „BB“ am Standort Adresse 2,
**** X, auch Weihnachtsdekoration, (Kinder-) Spielwaren und Küchengeräte oder Küchenutensilien angeboten. Diese Waren entsprachen nicht dem typischen Warensortiment der in § 7 Abs 6 der 5. COVID-19-NotMV genannten Betriebsstätte. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, dass jener Bereich, in dem die eben angeführten Waren angeboten wurden, von allen Kunden:innen betreten werden konnten. Vorkehrungen, um einen Zutritt zu dem Bereich zu verhindern, in denen die dem typischen Warensortiment der in § 7 Abs 6 der 5. COVID-19-NotMV genannten Betriebsstätten widersprechenden Waren zum Verkauf angeboten waren, wie etwa Absperrungen, wurden durch die Betriebsführung nicht veranlasst und waren auch nicht vorhanden.
Der Beschwerdeführer brachte lediglich vor, ein Absperren jenes Bereiches, in dem das nicht zulässige Warensortiment angeboten worden sie, wäre nicht verhältnismäßig gewesen, da das Betretungs- und Befahrungsverbot nur für die Privatkunden:innen und damit für lediglich
20 % der Kundschaft gegolten hätte. Gewerbliche Kunden:innen – dazu würden auch Landwirte:innen zählen – wären gemäß dem zweiten Satz des § 7 Abs 1 der 5. COVID-19-NotMV vom Betretungs- und Befahrungsverbot des § 7 Abs 1 Z 1 und 2 der 5. COVID-19-NotMV ausgenommen gewesen.
Dazu hält das Landesverwaltungsgericht Tirol Folgendes fest:
Die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs 1 zweiter Satz der 5. COVID-19-NotMV rechtfertigte es nicht, nicht dem typischen Warensortiment der in § 7 Abs 6 der 5. COVID-19-MG genannten Betriebsstätten entsprechende Verkaufsartikel derart anzubieten, dass dieses Warensortiment auch für nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs 1 zweiter Satz der 5. COVID-19-NotMV fallende Kunden:innen frei zugänglich war. Folgte man der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, wäre das Betretung- und Befahrungsverbot des § 7 Abs 1 Z 1 und 2 der 5. COVID-19-NotMV weitgehend wirkungslos geblieben.
Der Beschwerdeführer als nach außen vertretungsbefugtes Organ hat somit nicht dafür Sorge getragen, dass der verfahrensrelevante Bereich der Betriebsstätte „BB“ nicht entgegen § 7 Abs 1 Z 1 iVm Abs 6 und Abs 7 Z 1 der 5. COVID-19-NotMV betreten wird und durch sein Verhalten die zitierte Rechtsvorschrift verletzt.
Die Entscheidungsgrundlagen für die 5. COVID-19-NotMV in der Stammfassung BGBl II Nr 475/2021 sowie in der Fassung BGBl II Nr 511/2021 waren dokumentiert. Die Entscheidungsgrundlagen entsprachen in allen wesentlichen Punkten jener Dokumentation, die der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II Nr 58/2021 idF BGBl II Nr 76/2021, zu Grunde lag und die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 06.10.2021, V 86/2021, als eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Dokumentation beurteilt wurde. Der zuständige Bundesminister hat somit auch betreffend die 5. COVID-19-NotMV hinreichend dargelegt, auf Basis der Bewertung der epidemiologischen Situation er welche gesetzlich erlaubten Maßnahme zu setzen sich entschieden hat (vgl VwGH 30.06.2022, V 312/2021).
Es bestehen folglich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 7 der 5. COVID-19-NotMV.
Das Verhalten des Beschwerdeführers stellt somit in objektiver Hinsicht eine Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs 4 iVm § 3 Abs 1 Z 1 und Abs 2 COVID-19-MG dar. In objektiver Hinsicht hat somit der Beschwerdeführer den Verwaltungsstraftatbestand des
§ 8 Abs 4 COVID-19-MG erfüllt.
Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne Weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Falle eines „Ungehorsamsdeliktes“ – als welches sich auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung darstellt – tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Gemäß § 5 Abs 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Die Verbotsunkenntnis ist vorwerfbar, wenn sich der Täter trotz Veranlassung über den Inhalt der einschlägigen Normen nicht näher informiert hat. Es besteht also insoweit eine Erkundigungspflicht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich jedermann mit den einschlägigen Normen seines Betätigungsfeldes ausreichend vertraut zu machen (vgl VwGH 14.01.2010, 2008/09/0175). Eine derartige Erkundigungspflicht ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Existenz einschlägiger Regelungen für die jeweilige Tätigkeit erkennbar ist.
Dies trifft im vorliegenden Fall zu. Der Beschwerdeführer als Vorstandsmitglied einer Erwerbs- und Genossenschaft, die ein Handelsgewerbe betrieben hat, war verpflichtet, sich zum Tatzeitpunkt mit den einschlägigen Regelungen zur Verhinderung der Verbreitung von
COVID-19 vertraut zu machen. Dem Beschwerdeführer war bewusst, dass die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs 1 zweiter Satz der 5. COVID-19-NotMV lediglich für gewerbliche Kunden:innen und diesen gleichgestellte Landwirte:innen galt. Eine Absperrung des verfahrensrelevanten Bereiches wurde laut den Darlegungen des Beschwerdeführers unterlassen, weil dies nicht verhältnismäßig gewesen wäre. Dem Beschwerdeführer war somit bewusst, dass ein freier Zugang von Privatkunden:innen zu den nicht dem Warensortiment der in § 7 Abs 6 der 5. COVID-19-NotMV angeführten Betriebsstätten entsprechenden Verkaufsartikeln unterbunden hätte werden müssen. Mit seinem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer – wie bereits die belangte Behörde zurecht festgestellt hat – ein mangelndes Verschulden nicht auf. Der Bereich „Haus- und Gartenmarkt“ der Betriebsstätte „BB“ am Standort Adresse 2, **** X, konnte zur Tatzeit auch von nicht der Ausnahmebestimmung des § 7 Abs 1 zweiter Satz der 5. COVID-19-NotMV unterliegenden Kunden:innen betreten werden, obwohl entgegen § 7 Abs 7 Z 1 der 5. COVID-19-NotMV auch Waren zum Verkauf angeboten wurden, die dem typischen Warensortiment der in § 7 Abs 6 der 5. COVID-19-NotMV genannten Betriebsstätten des Handels nicht entsprachen. Die Rechtsverletzung des § 7 Abs 7 Z 1 iVm Abs 6 und Abs 7 Z 1 der 5. COVID-19-NotMV hat der Beschwerdeführer als nach außen vertretungsbefugtes Organ der „CC“ als Betreiberin der Betreibsstätte „BB“ zu verantworten. Er hat nicht dafür Sorge getragen, dass die Betriebsstätte des Handelsgewerbes am Standort Adresse 2, **** X, nicht von Privatkunden:innen betreten wird. Folglich hat er als verantwortliches Organ der genannten Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft die Verwaltungsübertretung des § 8 Abs 4 COVID-19-MG begangen.
2.4. Zur Strafbemessung:
Über den Beschwerdeführer wurde bei einem gemäß § 8 Abs 4 COVID-19-MG zur Verfügung stehenden Strafrahmen in der Höhe von Euro 3.600,00 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 500,00 und damit im Ausmaß von knapp 14 % des vorgesehenen Strafrahmens, verhängt. Die belangte Behörde hat dabei die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers mildernd berücksichtigt und ist von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen. Ausdrücklich hat sie festgehalten, dass sich der Beschuldigte im Klaren darüber war, dass er sich mit seinem Verhalten über die konkreten Rechtsvorschriften hinwegsetzte.
Nach ständiger Rechtsprechung zu § 45 Abs 1 Z 4 VStG müssen die dort genannten Umstände – geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität und Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden – kumulativ vorliegen. Fehlt es an einer in § 45 Abs 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, kommt auch keine Ermahnung nach § 45 Abs 1 letzter Satz VStG in Frage (vgl VwGH 14.09.2021, Ra 2018/06/0240, mit Hinweis auf VwGH 18.12.2019, Ra 2019/02/0180).
Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes ist im gegenständlichen Fall keineswegs gering. Es kann diesbezüglich auf die zutreffenden Darlegungen der belangten Behörde verwiesen werden. Ein geringes Verschulden ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dort anzunehmen, wo das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (VwGH 24.04.2021, Ra 2019/09/0100 mwN). Zur Tatzeit waren keine Maßnahmen gesetzt worden, um die Vorgaben des § 7 Abs 7 Z 1 der 5. COVID-19-NotMV zu erfüllen. Der Beschwerdeführer hat somit in seiner Funktion als nach außen vertretungsbefugtes Organ genau das durch § 8 Abs 4 COVID-19-MG in Verbindung mit
§ 7 Abs 7 Z 1 und Abs 6 sowie Abs 7 Z 1 der 5. COVID-19-NotMV pönalisierte Verhalten verwirklicht. Folglich ist auch von keinem geringfügigen Verschulden auszugehen.
Die Anwendung des § 45 Abs 1 Z 4 VStG und damit die Erteilung einer Ermahnung statt der Verhängung einer Geldstrafe scheidet aus. Unter Berücksichtigung der Verantwortung des Beschwerdeführers als vertretungsbefugtes Organ betreffend den Betrieb eines Handelsge