Entscheidungsdatum
14.11.2022Norm
KFG 1967 §45 Abs6Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Robert Dullnig als Einzelrichter über die Beschwerde der A in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 24. August 2022, Zl. ***, betreffend 36 Übertretungen nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Spruchpunkte 1. bis 36. zu einem Spruchpunkt zusammengefasst werden und über die Beschwerdeführerin eine Gesamtstrafe in der Höhe von 1.100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 240 Stunden) verhängt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens werden mit 110 Euro neu festgesetzt.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
zu 1.: § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
zu 2.: § 64 Abs. 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG
zu 3.: § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Zahlungshinweis:
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 1.210 Euro und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen einzuzahlen.
Entscheidungsgründe:
1. Maßgeblicher Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 24. August 2022, Zl. ***, wurde über die Beschwerdeführerin in 35 Fällen eine Geldstrafe von je 40 Euro und einmal von 401 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: je 18 Stunden), sohin 2.191,10 Euro verhängt. Ihr wurde zur Last gelegt, dass sie als handelsrechtliche Geschäftsführerin der B Handelsges.m.b.H., welche Besitzerin einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten sei, es unterlassen habe, einen den Erfordernissen des § 45 Abs. 6 KFG 1967 entsprechenden Verwendungsnachweis zu führen, da in den genannten Fällen jeweils die Fahrgestellnummer im Nachweis gefehlt habe. Der angelastete Tatzeitraum erstrecke sich von 9. Dezember 2020 bis 2. September 2021.
In der Begründung gab die belangte Behörde den Verfahrensgang wieder. Wiedergegeben wurde insbesondere der Einspruch gegen die dem Straferkenntnis vorangegangene Strafverfügung vom 19. August 2021. Darin führte C, ein Mitarbeiter der obgenannten Ges.m.b.H., für die Beschwerdeführerin aus, dass er für den Fehler verantwortlich sei und aus Unwissenheit anstatt der Fahrgestellnummer die Nummer des verwendeten Probefahrtkennzeichens *** in das Fahrtenbuch eingetragen habe.
Im Hinblick auf die Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dass eine am 22. Juni 2019 zu Zl. *** in Rechtskraft erwachsene Verwaltungsstrafe erschwerend und mildernd kein Umstand berücksichtigt worden sei. Zu den Einkommens- Familien- und Vermögensverhältnisse wurden keine Erwägungen angestellt.
In der gegen das angefochtene Straferkenntnis erhobenen Beschwerde führte die Beschwerdeführerin aus, dass der Mitarbeiter C einen wiederkehrenden Fehler begangen habe, indem er die Nummer des Probefahrtkennzeichens *** in die Spalte „Fahrgestellnummer bzw. Kennzeichen“ im Fahrtenbuch eingetragen habe. Weiters stehe die Strafhöhe außer Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Tat und sei sie 36-mal für die gleiche Tat bestraft worden. Sie halte die Strafe insgesamt für zu hoch bemessen.
2. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Angesichts der Beschwerde hat das Landesverwaltungsgericht am 20. Oktober 2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und in dieser, neben Einsichtnahme und Verlesung des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes, Beweis durch die Einvernahme der Beschwerdeführerin erhoben.
3. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin vertritt seit dem 26. November 2011 die B Handelsges.m.b.H als handelsrechtliche Geschäftsführerin. Genannte Gesellschaft ist Besitzerin einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten mit dem behördlichen Kennzeichen ***. Bei einer Kontrolle durch Organe der Polizeiinspektion *** am 5. September 2021 wurde festgestellt, dass in 36 (von insgesamt 45) tatrelevanten Fällen keine Fahrgestellnummer im Verwendungsnachweis, der in Form eines physischen Fahrtenbuches geführt wurde, eingetragen war. Im Tatzeitraum waren die einzelnen Taten laut Fahrtenbuch (zum Überblick numerisch dargestellt) auf folgende Tage verteilt:
2020: 9.12., 17.12.
2021: 10.2., 15.2., 26.2., 23.3., 26.5., 26.5., 27.5., 27.5, 5.6., 5.6., 14.6., 17.6., 23.6., 23.6., 23.6., 30.6., 13.7., 15.7., 27.7., 3.8., 9.8., 16.8., 19.8., 20.8. 22.8., 22.8., 22.8., 23.8., 23.8., 23.8., 24.8., 24.8., 25.8., 26.8., 2.9.
Für die Führung des Fahrtenbuches war C verantwortlich, der in die Spalte „Fahrgestellnummer bzw. Kennzeichen“ anstatt der Fahrgestellnummer die Nummer des Probefahrtkennzeichens *** eingetragen hat. Die Beschwerdeführerin wusste selbst nicht, dass die Einträge in dieser Form nicht den Vorschriften entsprachen. Die Beschwerdeführerin hat C weder in der vorschriftsgemäßen Führung eines Fahrtenbuches unterwiesen noch im Tatzeitraum in das Fahrtenbuch Einschau genommen. Sie hat weiters überhaupt keine Kontrollmaßnahmen gesetzt oder angeordnet.
Ergänzend zum angefochtenen Straferkenntnis ist festzustellen, dass die zu Spruchpunkt 12. mit 401 Euro festgesetzte Strafhöhe im Verhältnis zu den anderen Spruchpunkten offenbar auf einem Versehen der belangten Behörde beruhte.
4. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Verwaltungsstrafaktes in Zusammenschau mit den Ausführungen in der Beschwerde und dem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Vorbringen der Beschwerdeführerin, insbesondere zur fehlenden Kontrolle des Fahrtenbuches. Die Beschwerdeführerin hat die Mangelhaftigkeit der Einträge zugestanden.
Aus der Anzeige erhellt, dass bei der Kontrolle des Fahrtenbuches durch die Polizeiorgane zehn weitere Verstöße, beginnend mit 8. September 2020 bis 9. Dezember 2020 festgestellt wurden, die der Beschwerdeführerin jedoch wegen der Verfolgungsverjährung seitens der belangten Behörde nicht zur Last gelegt wurden. Dies waren in der (numerisch dargestellten) Übersicht die folgenden Tage: 8.9., 8.9., 9.9., 9.9., 11.9., 12.9., 30.9., 30.9., 9.10., 15.10.
Für die in Spruchpunkt 12. von den übrigen 35 Spruchpunkten abweichende Strafhöhe fanden sich im Verwaltungsstrafakt keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte, sodass hier – wie festgestellt – von einem Versehen der belangten Behörde ausgegangen werden musste.
5. Rechtsvorschriften:
Gemäß § 45 Abs. 6 KFG 1967 hat der Besitzer einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten über die Verwendung der mit dieser Bewilligung zugewiesenen Probefahrtkennzeichen einen Nachweis zu führen und darin vor jeder Fahrt den Namen des Lenkers und das Datum des Tages sowie die Marke, die Type und die Fahrgestellnummer oder die letzten sieben Stellen der Fahrzeugidentifizierungsnummer des Fahrzeuges, sofern dieses zugelassen ist, jedoch nur sein Kennzeichen einzutragen. Der Nachweis ist drei Jahre gerechnet vom Tag der letzten Eintragung aufzubewahren und der Behörde auf Verlangen zur Einsichtnahme vorzulegen. […]
Gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 ist die Übertretung dieser Vorschrift mit Geldstrafe bis zu 10.000 Euro und im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. […]
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt in Ermangelung anderer Vorschriften über das Verschulden zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Gemäß § 22 Abs. 1 VStG ist eine Tat als Verwaltungsübertretung –
soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen – nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
Hat – nach Abs. 2 – jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen.
6. Erwägungen:
6.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat im (zurückweisenden) Erkenntnis vom 8. November 2016, Ra 2016/11/0144, betreffend die Entziehung einer Probefahrtbewilligung ausgeführt, dass es einer Bewilligungsinhaberin, um die Einhaltung der sie nach § 45 KFG 1967 treffenden Verpflichtungen zu sichern, oblegen wäre, ein zur Umsetzung ihrer gegenüber ihren Mitarbeitern bestehenden Kontrollpflichten wirksames begleitendes Kontrollsystem einzurichten, durch welches die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften jederzeit sichergestellt werden kann. Diesbezüglich lag es bei ihr, konkret darzulegen, welche Maßnahmen von ihr getroffen wurden, um Verstöße zu vermeiden, insbesondere wann, wie oft und auf welche Weise und von wem Kontrollen vorgenommen wurden. Schulungen und Betriebsanweisungen, wie sie vorliegend als Vorsorge für ein Kontrollsystem ins Treffen geführt wurden, vermögen gegebenenfalls ein Kontrollsystem zu unterstützen, aber nicht zu ersetzen. Belehrungen, Arbeitsanweisungen oder stichprobenartige Kontrollen reichen nicht aus, die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen (vgl. VwGH vom 24. März 2015, 2013/03/0054, und vom 26. Mai 2014, 2012/03/0084). Ein geeignetes Kontrollsystem hat zudem nicht nur Vorkehrungen für die Kontrolle durch den Arbeitgeber, sondern auch ein geeignetes Sanktionssystem bei Zuwiderhandeln des Arbeitnehmers zu enthalten (vgl. VwGH vom 19. September 2016, Ra 2016/11/0112).
Beim Zusammentreffen mehrerer Verwaltungsübertretungen gilt nach § 22 Abs. 2 erster Satz VStG das Kumulationsprinzip. Danach ist grundsätzlich jede gesetzwidrige Einzelhandlung, durch die der Tatbestand verwirklicht wird, als Verwaltungsübertretung zu bestrafen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht, abgesehen vom Dauerdelikt, beim fortgesetzten Delikt. Ein solches liegt vor, wenn eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen auf Grund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Als objektive Voraussetzung für ein Vorheriger fortgesetztes Delikt müssen sowohl gleichartige Einzelhandlungen als auch ein Angriff auf dasselbe Rechtsgut gegeben sein, und die einzelnen Handlungen dürfen nicht durch einen zu großen Zeitraum unterbrochen werden. Darüber hinaus müssen die Einzelakte im Sinne der subjektiven Komponente von einem einheitlichen Willensentschluss getragen sein (vgl. VwGH vom 23. Mai 2018, Ra 2017/05/0010; VwGH vom 3. Mai 2017, Ra 2016/03/0108).
Im Bereich der Fahrlässigkeitsdelinquenz kann - nach Maßgabe der jeweiligen Eigenart des betroffenen Deliktes - im Verwaltungsstrafrecht sowohl die einfache Tatbestandsverwirklichung, also die Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten, als auch die wiederholte Verwirklichung des gleichen Tatbestands im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs, also die nur quantitative Steigerung (einheitliches Unrecht) bei einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden, sowie schließlich die fortlaufende Tatbestandsverwirklichung, also die Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, als tatbestandliche Handlungseinheit beurteilt werden. Der hier zweitgenannte Fall der wiederholten Tatbestandsverwirklichung liegt dann vor, wenn eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs sowie einer diesbezüglichen gesamtheitlichen Sorgfaltswidrigkeit des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Das Vorliegen einer tatbestandlichen Handlungseinheit hat zur Folge, dass der Täter nur eine Tat verwirklicht hat und für diese auch nur einmal zu bestrafen ist. Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einer tatbestandlichen Handlungseinheit sprechen zu können, ist von Delikt zu Delikt verschieden und hängt weiters im besonderen Maß von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. VwGH vom 3. Mai 2017, Ra 2016/03/0108).
6.2. Die Beschwerdeführerin hat den Tatbestand des § 45 Abs. 6 KFG 1967 in objektiver Hinsicht, wie sie selbst zugestanden hat, als auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht. In der Beschwerde wird jedoch beanstandet, dass der Beschwerdeführerin Sorgfaltspflichtverstöße in 36 gleichgelagerten Fällen zur Last gelegt werden. Aus dem festgestellten Sachverhalt geht hervor, dass die Beschwerdeführerin einem Mitarbeiter die Führung des Fahrtenbuches übertragen hat, jedoch keinerlei Kontrollen durchführte oder etablierte. Tatsächlich wirft sie damit die Frage auf, ob ihr Kontrollversagen über den gesamten Tatzeitraum ein fortgesetztes Delikt im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung darstellt. Dazu erhellen die nachfolgenden Ausführungen im Lichte dieser Rechtsprechung.
Infolge des Fehlens einer Unterweisung und in weiterer Folge des Fehlens jeglicher Kontrolle durch die Beschwerdeführerin verwirklichte ihr Mitarbeiter durch wiederkehrende fehlerhafte Eintragungen im Fahrtenbuch den tatbestandsmäßigen Erfolg eines mangelhaften Nachweises. Der Mitarbeiter ging aus Unwissenheit davon aus, dass die Eintragung des Probefahrtkennzeichens in die Spalte „Fahrgestellnummer bzw. Kennzeichen“ korrekt sei. Selbst wenn dies unterschiedliche Kraftfahrzeuge betraf, kann von der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände der Einzeleinträge ausgegangen werden. Der Beschwerdeführerin ist vor diesem Hintergrund vorzuwerfen, dass sie sich selbst nicht mit den Vorschriften vertraut gemacht hat und keine geeigneten Kontrolle sicherstellte. Die Beschwerdeführerin hat sich damit in grob sorgfaltswidriger Weise nur auf ihren Mitarbeiter verlassen und dies allgemein für ausreichend gehalten, wodurch es letztlich zu einer Häufung der fehlerhaften Einträge gekommen ist.
Im Hinblick auf den zeitlichen Abstand ist auszuführen, dass ab dem 26. Mai 2021 nicht mehr als zwei Wochen zwischen den einzelnen Tathandlungen lagen, womit jedenfalls ein enger zeitlicher Zusammenhang angenommen werden kann. (vgl. VwGH vom 22. Februar 2018, Ra 2017/11/0066). Zuvor gab es von 17. Dezember 2020 bis 10. Februar 2021 und von 26. Februar 2021 bis 23. März 2021 sowie von dahin bis 26. Mai 2021 einen ein- bis zwei Monate nicht überschreitenden Zeitabstand, was wohl auf eine geringere Anzahl von Probefahrten in dieser (Jahres-)Zeit rückgeführt werden kann. Eingedenk der Tatsache, dass bei einer Gesamtschau auch die Einträge von 8. September 2020 bis 9. Dezember 2020 meist nur einige wenige Tage bzw. Wochen auseinanderlagen, ist trotz einiger weniger größerer Zeitabstände ab 9. Dezember 2020 bis zur Anzeige – bei ansonsten gleichbleibenden Umständen – noch von einem Fortsetzungszusammenhang im Sinne eines einzigen großen Sorgfaltsverstoßes bei der Führung des Fahrtenbuches auszugehen (vgl. VwGH vom 23. Mai 1995, 95/04/0022).
6.3. Im Ergebnis liegt damit aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts eine (in Bezug auf § 45 Abs. 6 KFG) deliktsspezifisch zu sehende gesamteinheitliche Sorgfaltswidrigkeit vor, die nur als eine – fortgesetzte – Tat zu qualifizieren und mit einer Gesamtstrafe bestrafen ist (vgl. VwGH vom 18. September 2012, 2009/11/0066).
7. Zur Strafhöhe:
7.1. Die Bemessung der Strafe ist eine Ermessensentscheidung (vgl. VwGH vom 27. Jänner 2016, Ro 2015/03/0042). Diese ist nach den in § 19 VStG normierten Kriterien vorzunehmen.
Das Kraftfahrgesetz hat den Zweck, die öffentliche Verkehrssicherheit zu schützen. Diesem Rechtsgut kommt, wie schon der Strafrahmen von bis zu 10.000 Euro zeigt, eine hohe Bedeutung zu. Zu § 45 KFG 1967 hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass dessen Abs. 2, Abs. 4 und Abs. 6 den Besitzer einer Bewilligung zu bestimmten Verhaltensweisen bei der Durchführung von Probefahrten bzw. bei der Verwendung der zugewiesenen Probefahrtkennzeichen verpflichten. Dazu zählt es insbesondere, Probefahrtkennzeichen ausschließlich für Probefahrten zu verwenden, über Probefahrten einen Nachweis zu führen und darin über jede Probefahrt die in § 45 Abs. 6 KFG 1967 genannten Aufzeichnungen einzutragen (vgl. VwGH vom 20. April 2004, 2002/11/0038).
7.2. Die Führung des Nachweises der Fahrtenbücher dient insbesondere der Hintanhaltung von Missbrauch mit Probefahrtkennzeichen und schützt folglich das Rechtsgut der Verkehrssicherheit (vgl. LVwG NÖ vom 10. September 2018, LVwG-S-19141/001-2017). Im Beschwerdefall fehlte jeweils die Fahrgestellnummer, sodass die Verwendung des Probefahrtkennzeichens der Bewilligungsinhaberin bei einer Kontrolle nicht mehr lückenlos nachvollzogen werden kann.
Die Beschwerdeführerin ist der in § 45 Abs. 6 KFG 1967 normierten Nachweispflicht grob sorgfaltswidrig entgegengetreten. Erschwerend ist eine frühere Verwaltungsstrafe betreffend § 45 KFG 1967 aus dem Jahr 2019 zu berücksichtigen. Milderungsumstände konnten keine erkannt werden.
Sie bezieht laut eigenen Angaben ein monatliches Honorar von 900 Euro aus der B Handelsges.m.b.H., und hat kein Vermögen und keine Sorgepflichten.
Aufgrund der Zusammenfassung der 36 Tatvorwürfe ist eine „Gesamtstrafe“ zu verhängen, deren Höhe aufgrund des Verbots der „reformatio in peius“ mit der Summe der sich aus dem Straferkenntnis ergebenden „Teil-Geldstrafen“ begrenzt ist (vgl. VwGH 13. August 2019, Ra 2019/03/0068). Das waren – Spruchpunkt 12. miteingerechnet – 2.191,10 Euro.
Unter Berücksichtigung des bis 10.000 Euro reichenden Strafrahmens, der bestehenden Verwaltungsstrafe der Beschwerdeführerin sowie mit Blick auf den nicht unbeträchtlichen Tatzeitraum von mehr als acht Monaten ist die Strafe in der festgesetzten Höhe von 1.100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 240 Stunden) tat- und schuldangemessen. Sie ist auch verkraftbar. Eine weitergehende Herabsetzung der Geld- oder Ersatzfreiheitsstrafe kommt nicht in Betracht, weil nicht nur auf die Beschwerdeführerin selbst spezialpräventiv eingewirkt werden soll, sondern auch andere Normadressaten von der Begehung gleich gelagerter Verwaltungsstraftaten abgehalten werden sollen (vgl. VwGH 17. November 2004, 2002/09/0186).
8. Zu den Kosten:
Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG iVm § 38 VwGVG ist auch der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde neu festzusetzen. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde – wie hier – teilweise Folge gegeben wurde.
9. Nichtzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die Revision ist nicht für zulässig zu erklären, da sich die Entscheidung auf die zitierte und einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage stützt (vgl. VwGH vom 15. Mai 2019, Ro 2019/01/0006). Wie groß der Zeitraum zwischen einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, ist von Delikt zu Delikt verschieden und hängt im besonderen Maß von den Umständen des Einzelfalles ab, weshalb die Revision auch insofern nicht zulässig ist (vgl. VwGH vom 21. Mai 2019, Ra 2019/03/0009). Fragen der Strafbemessung sind im Allgemeinen keiner Revision zugänglich (vgl. VwGH vom 22. Februar 2018, Ra 2017/09/0050).
Schlagworte
Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Verwaltungsstrafe; Probefahrt; Nachweis; Kumulationsprinzip;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2604.001.2022Zuletzt aktualisiert am
23.11.2022