TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/21 95/21/0310

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Veröffentlicht am 21.02.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. November 1994, Zl. 101.208/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. November 1994 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz iVm § 10 Abs. 1 Z. 2 sowie § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz ab. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben "auf freiberuflicher Basis" in Österreich als Kellner tätig sei, obwohl er über keine Beschäftigungsbewilligung verfüge. Damit stehe fest, daß der Beschwerdeführer entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes einer Erwerbstätigkeit nachgehe, womit der im § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG angeführte Sichtvermerksversagungsgrund (Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit durch den Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers) erfüllt sei.

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG dürfe eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliege, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist. Dieser im § 10 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. nochmals angeführte Versagungsgrund liege auch beim Beschwerdeführer vor, der im gesamten bisherigen Verfahren nicht habe nachweisen können, daß er über ausreichende eigene Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes verfüge und sei für ihn auch keine Verpflichtungserklärung durch eine andere Person abgegeben worden. Damit lägen "zwingende Sichtvermerksversagungsgründe" vor; dem Beschwerdeführer könne daher keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Die "öffentlichen Interessen überwiegen daher die privaten Interessen des Beschwerdeführers".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn (u.a.) ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber wenn der Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist. Damit wird im § 5 Abs. 1 AufG im Anschluß an die Verweisung auf die Sichtvermerksversagungsgründe des § 10 Abs. 1 FrG auf die besondere Bedeutung des hervorgehobenen Ausschließungsgrundes des nicht gesicherten Lebensunterhaltes (§ 10 Abs. 1 Z. 2 FrG, auf den sich die belangte Behörde gestützt hat) zum Ausdruck gebracht. Die Ausnahmebestimmung des § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG besagt, daß die Behörde einem Fremden u.a. trotz Vorliegens des Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z. 2 einen Sichtvermerk erteilen kann, wenn aufgrund einer Verpflichtungserklärung einer Person mit ordentlichem Wohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen können, gesichert erscheint.

Im vorliegenden Fall hat sich bereits die Behörde erster Instanz in ihrer Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf den Versagungstatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG mit dem Hinweis gestützt, daß der Antragsteller über kein geregeltes Einkommen verfüge und für die behauptete Unterstützung durch seine Eltern keinerlei Nachweise vorgelegt habe. Diesbezüglich hatte der Beschwerdeführer bereits in seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Ausdruck gebracht, daß er über keine eigenen Einkünfte zur Bestreitung seines Unterhaltes verfüge. Auch in der im Verwaltungsverfahren erhobenen Berufung hat der Beschwerdeführer nur die Behauptung aufgestellt, daß seine Mutter als Hausmeisterin beschäftigt sei und sein Stiefvater einen Antrag auf eine Alterspension bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Österreich eingebracht habe. Beide Elternteile befänden sich aufgrund eines ihnen erteilten unbefristeten Sichtvermerkes im Bundesgebiet und würden ihn solange unterstützen, bis er eine geregelte Anstellung aufgrund einer erteilten Beschäftigungsbewilligung habe. Im Verwaltungsverfahren wurden allerdings weder eine Verpflichtungserklärung im Sinn des § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG noch sonstige Belege über die Einkommenshöhe seiner Mutter als Hausmeisterin oder seines Stiefvaters vorgelegt, noch wurde behauptet und näher ausgeführt, warum der volljährige Beschwerdeführer einen Unterhaltsanspruch gegenüber seiner Mutter bzw. sogar gegenüber seinem Stiefvater haben sollte.

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist es Sache des Fremden, von sich aus (initiativ) darzulegen, daß er über die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0163 und vom 17. Mai 1995, Zl. 95/21/0271). Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde ist somit der Auffassung der belangten Behörde beizutreten, daß von einem gesicherten Unterhalt des Beschwerdeführers nach seinen eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren keine Rede sein kann, zumal unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer über eine aufrechte Beschäftigungsbewilligung nicht verfügt und er seine Einkünfte aus der unregelmäßigen (tageweisen) Beschäftigung als Kellner selbst nicht als ausreichend erachtete, um sich damit seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Ausführungen in der Beschwerde, daß der Beschwerdeführer von seiner Mutter und von seinem Stiefvater erhalten werde, gehen an dem schon aufgezeigten Umstand vorbei, daß einerseits trotz Hinweises im Bescheid erster Instanz auch im Berufungsverfahren keinerlei Belege über die Einkommenshöhe der Genannten vorgelegt worden waren noch - auch nicht in der vorliegenden Beschwerde - ausgeführt wurde, warum der volljährige Beschwerdeführer, der in Österreich offenbar Gelegenheitsarbeiten nachgeht, gegenüber seinem Stiefvater einen rechtlich durchsetzbaren Unterhaltsanspruch haben soll, zumal der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eine abgeschlossene Berufsausbildung als Masseur angegeben hatte; im bisherigen Verfahren ist überdies nie angegeben worden, in welcher Höhe seine Mutter Einkünfte aus der behaupteten Tätigkeit als Hausmeisterin beziehe. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer aufgrund einer ihm bislang nicht erteilten Beschäftigungsbewilligung eine unselbständige Erwerbstätigkeit legal nicht habe aufnehmen können und er deshalb seinen Unterhalt aus einer geregelten Beschäftigung nicht bestreiten könne, hat zur Folge, daß (im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides) der Beschwerdeführer über die vom Gesetz geforderten Mittel zur Sicherung seines Unterhaltes nicht verfügt, sodaß gegen die Annahme des nicht nachgewiesenen Unterhaltes keine Bedenken bestehen.

Die belangte Behörde hat überdies die Verwirklichung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG angenommen, wonach die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen ist, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Diese Annahme sah die belangte Behörde deshalb als gegeben an, weil "feststehe", daß der Beschwerdeführer in Österreich entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Hier verweist nun die Beschwerde im Ergebnis zu Recht darauf, daß dieser ausschließlich rechtlichen Schlußfolgerung die diese begründende Sachverhaltsbasis fehlt. Der damit im Zusammenhang stehende Hinweis im Bescheid, daß der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben "auf freiberuflicher Basis" als Kellner tätig sei, kann die zuvor erwähnte rechtliche Schlußfolgerung nicht ausreichend begründen, weil der Beschwerdeführer nach einer dazu ausdrücklich erstatteten Stellungnahme damit zum Ausdruck bringen wollte, daß er als selbständiger Unternehmer fallweise tätig sei. Auch wenn dies nicht ohne weiteres vorstellbar erscheint, wird sich die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren damit auseinanderzusetzen und die für ihre rechtliche Schlußfolgerung erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen haben. Es bedarf derzeit keiner weiteren argumentativen Auseinandersetzung mit dem angenommenen Versagungsgrund, weil der angefochtene Bescheid ungeachtet des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG aus nachstehend angeführten Erwägungen aufzuheben ist: Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde sowohl bei Anwendung (in einem hier vorliegenden Fall) des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG als auch bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar in der Weise, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bzw. das wirtschaftliche Wohl des Landes derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen. Dieser Verpflichtung ist die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Obwohl nach Ausweis der Akten die privaten und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers (Zusammenleben mit seiner Mutter und seinem Stiefvater in einem gemeinsamen Haushalt in Österreich seit September 1991 - nach den Angaben des Beschwerdeführers seit 1987 - bekannt waren), ist sie darauf im bekämpften Bescheid nicht eingegangen und hat sich mit dem (in keiner Weise nachvollziehbaren) Hinweis "die öffentlichen Interessen überwiegen daher ihre privaten Interessen" begnügt. Sie hat damit in Wahrheit keine Interessenabwägung vorgenommen (vgl. das hg. Erkenntnis Zl. 95/18/0826). Der Hinweis im angefochtenen Bescheid, daß "zwingende Sichtvermerksversagungsgründe" vorliegen und daher die (nicht näher festgestellten) privaten Interessen nachzustehen hätten, spricht vielmehr dafür, daß die belangte Behörde der rechtswidrigen Auffassung war, daß es einer Abwägung der öffentlichen mit den privaten Interessen gar nicht bedürfe. Die fehlende Interessenabwägung wird - wenn auch nicht ausdrücklich hervorgehoben - in der Beschwerde insofern geltend gemacht, als ausdrücklich ausgeführt wird, die Versagung der Aufenthaltsbewilligung widerspreche "nicht nur den Familieninteressen der in Österreich lebenden Eltern" des Beschwerdeführers (und damit wohl auch seinen eigenen).

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995210310.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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