TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/21 96/21/0028

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Veröffentlicht am 21.02.1996
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §20 Abs1;
StGB §12;
StGB §127;
StGB §142 Abs1;
StGB §143;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden SenatspräsidentDr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des M in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 20. November 1995, Zl. Frb-4250/95, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 20. November 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das "Bundesgebiet der Republik Österreich" erlassen.

Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer, der sich seit 1980 in Österreich aufhalte, am 25. November 1994 vom Landesgericht Feldkirch wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 12, 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei. Dieser Verurteilung liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer durch Ankauf einer Gaspistole, Auskundschaftung der Raiffeisenbank Frastanz-Satteins und Lenkung des Fluchtautos am 28. Juli 1994 beigetragen habe, daß K den geplanten bewaffneten Raubüberfall auf die vorerwähnte Raiffeisenbank ausgeübt habe. Der Beschwerdeführer sei also in Kenntnis dieses Vorhabens gewesen, bei dem der Haupttäter K die Waffe gegen die Bankangestellten richtete und dadurch die Herausgabe des Bargeldes von S 925.430,-- erreicht habe. Das Oberlandesgericht Innsbruck habe die ursprünglich vom Landesgericht Feldkirch ausgesprochene Freiheitsstrafe von drei Jahren auf fünf Jahre erhöht und dazu ausgeführt, daß von außerordentlichen Milderungsgründen nicht gesprochen werden könne und auch die körperliche Behinderung des Beschwerdeführers eine solche nicht zu begründen vermöge. Der Beschwerdeführer sei überdies von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz rechtskräftig wegen der Verwaltungsübertretungen des § 75 Abs. 4 KFG 1967, der §§ 52 lit. a Z. 10a und 99/3 lit. a StVO sowie der §§ 22/3 und 40/2 Paßgesetz (in den Jahren 1991 bis 1993) bestraft worden.

Aufgrund dieser Umstände lägen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG vor und es sei angesichts der Schwere der der gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftat auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt; die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei im Grunde des § 19 FrG zulässig, weil dringend geboten.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle zwar für den Beschwerdeführer einen erheblichen Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar, weil sich dieser seit 15 Jahren im Bundesgebiet aufhalte. Seine Mutter und drei Geschwister seien ebenfalls in Vorarlberg aufhältig. Der Beschwerdeführer sei taubstumm und müsse sich bei der Verständigung mit anderen Personen der Gebärdensprache bedienen, wobei er aber unabhängig vom Lande seines Aufenthaltes darauf angewiesen sei, daß sein Gegenüber ebenfalls diese Sprache beherrsche. Der Beschwerdeführer bedürfe ungeachtet seiner Behinderung nicht einer Betreuung im eigentlichen Sinne, weil er sich im Straßenverkehr (er verfüge über einen Führerschein) und auch sonst bei Lokalbesuchen wie jeder andere bewege. Er sei als Hilfsarbeiter beschäftigt und beziehe ein regelmäßiges Einkommen. Die Abwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG führe somit ungeachtet der angeführten körperlichen Behinderung und der zu berücksichtigenden Beziehungen des Beschwerdeführers zum Bundesgebiet angesichts der Schwere seiner Straftat dennoch zu dem Ergebnis, daß die Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wöge als die nachteiligen Folgen für die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Da der Strafrahmen für das vom Beschwerdeführer begangene Delikt des § 143 StGB 5 bis 15 Jahre Freiheitsstrafe betrage, stehe auch § 20 Abs. 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt gegen die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nichts vor.

Was die Frage der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG anlangt, so ist die belangte Behörde zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß mit dieser Maßnahme in relevanter Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen würde. Sie hat aber gleichfalls zutreffend das Dringend-geboten-sein des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele des Schutzes der öffentlichen Ordnung, der Verhinderung strafbarer Handlungen sowie des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer bejaht. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht dringend geboten sei, weil sich der Beschwerdeführer vor der gegenständlichen Straftat während seines Aufenthaltes in Österreich wohlverhalten habe und auch das Oberlandesgericht Innsbruck erhebliche Milderungsgründe angenommen habe, ist der Gerichtshof mit der belangten Behörde der Auffassung, daß die der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des schweren Raubes zugrunde liegende Straftat die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zum Schutz der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Rechtsgüter erforderlich macht. Die in der Beschwerde vorgenommene Qualifikation dieses Verbrechens als "Ausrutscher" ist eine nicht nachvollziehbare Verharmlosung. Es kann auch keinesfalls die Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer nur in völlig untergeordneter Weise an dieser Straftat beteiligt gewesen wäre, hat er doch in voller Kenntnis der beabsichtigten Tatausführung das Gelände ausgekundschaftet, die Waffe besorgt und das Fluchtauto gelenkt.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wendet der Beschwerdeführer gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 vorgenommenen Interessenabwägung ein, die belangte Behörde habe seine körperliche Behinderung nicht ausreichend berücksichtigt. Bislang habe sich seine Familie, insbesondere seine Mutter, um ihn gekümmert. Er beherrsche lediglich die deutsche Gebärdensprache, sodaß er sich in der Türkei überhaupt nicht verständigen könnte. Bei einer Abschiebung in die Türkei wäre er nicht in der Lage, sich dort seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet hätte er bis zur Begehung des Raubes zweifelsohne die Voraussetzungen für die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfüllt gehabt.

Damit macht der Beschwerdeführer keine Umstände geltend, die von der belangten Behörde nicht schon im angefochtenen Bescheid berücksichtigt worden wären. Wenn die belangte Behörde dabei zu einem für den Beschwerdeführer nachteiligen Ergebnis gelangt ist, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Zutreffend hat nämlich die belangte Behörde dem eine krasse Mißachtung der körperlichen Integrität und des Eigentums anderer zum Ausdruck bringenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers und der darin begründeten erheblichen Beeinträchtigung maßgeblicher öffentlicher Interessen sehr großes Gewicht beigemessen. Es mag durchaus sein, daß sich bislang die Mutter des Beschwerdeführers um diesen gekümmert hatte, jedoch besagt dies noch nicht, daß der Beschwerdeführer darauf auch wirklich angewiesen ist. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach sich der Beschwerdeführer in Lokalen und im Straßenverkehr wie jeder andere zu bewegen versteht und einer Beschäftigung als Hilfsarbeiter nachging, lassen vielmehr die von der belangten Behörde angestellte Schlußfolgerung, der Beschwerdeführer könne auch in jedem anderen Land für sich sorgen, keineswegs als unschlüssig erscheinen. In diesem Zusammenhang ist besonders darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer auch in der Lage war, einen maßgeblichen Beitrag zur Ausführung des Raubes dadurch zu leisten, daß er das Gelände auskundschaftete, die Tatwaffe ankaufte und auch das Fluchtauto lenkte. Wenn der Beschwerdeführer einwendet, er habe nur die deutsche Gebärdensprache erlernt und könne nicht türkisch schreiben, weshalb er in der Türkei kaum würde überleben können, ist anzumerken, daß mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (bloß) die Verpflichtung zur Ausreise verbunden ist (§ 22 FrG); nicht hingegen wird darüber abgesprochen, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe, oder daß er (allenfalls) dorthin abgeschoben werde. Auf den Umstand, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Begehung des Raubes die Voraussetzungen zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfüllt gehabt hätte, ist aufgrund der Bestimmung des § 20 Abs. 2 FrG nicht weiter einzugehen, weil der Beschwerdeführer wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Handlung verurteilt worden ist. Es kann also selbst bei Bedachtnahme auf den angesichts seiner körperlichen Behinderung sehr erheblichen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers die Ansicht der belangten Behörde, die die davon ausgehenden Nachteile für den Beschwerdeführer nicht für schwerwiegender erachtete als die gegenläufigen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Nach dem Gesagten liegt daher die behauptete Rechtsverletzung nicht vor - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen war.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996210028.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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