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22/02 Zivilprozessordnung;Norm
BAO §167 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der G in R, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R, Rainerstraße 6, gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Berufungssenates I als Organ der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 14. März 1994, 611/8-2/T-1993, betreffend Berichtigung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. April 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund der in der zu hg 93/14/0167 anhängigen Beschwerde erhobenen Rüge, in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung sei weder festgehalten, die Beschwerdeführerin habe auf ihre Beinverletzung hingewiesen und sei bereit gewesen, diese den Mitgliedern des Berufungssenates zu zeigen, noch, der für die Jahre 1976 bis 1978 im Jahr 1981 in Verbindung mit einer Niederschrift gemäß § 150 BAO erstattete Bericht sei vorgelesen worden, ergänzte der Vorsitzende der belangten Behörde (in der Folge: Vorsitzende) mit Beschluß vom 2. November 1993 die Niederschrift über die mündliche
Verhandlung folgendermaßen: "... Ich hatte eine Beinverletzung.
Ich bin bereit, diese dem Senat zu zeigen. ... Verlesen wird
der bisher in erster Instanz bereits bekannte Akteninhalt und zusätzlich der BP-Bericht aus dem Jahr 1981. ..." Zur Begründung führte der Vorsitzende aus, er habe bei Unterfertigung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung übersehen, daß diese Passagen nicht enthalten gewesen seien. Er könne sich jedoch - ebenso wie der Schriftführer - erinnern, daß die Beschwerdeführerin ihre Beinverletzung habe herzeigen wollen. Dabei habe die Beschwerdeführerin an ihren Rocksaum gegriffen und ein Hochheben des Rockes angedeutet. Er habe jedoch diese Art der Demonstration abgelehnt. An die Verlesung des gemäß § 150 BAO für die Jahre 1976 bis 1978 erstatteten Berichtes könne er sich noch gut erinnern, weil an Hand dieses Berichtes die objektive und subjektive Seite der Fahrlässigkeit zu prüfen gewesen sei, was auch im Bescheid (Berufungsentscheidung) vom 28. April 1993, 665/1-2/T-1992, ausgeführt werde.
Mit Schreiben vom 29. Dezember 1993 beantragte die Beschwerdeführerin die ersatzlose Aufhebung des Beschlusses des Vorsitzenden, wobei sie zur Begründung ausführte, weder habe sie eine Beinverletzung, weswegen sie auch niemals auf eine solche habe hinweisen können, noch sei der gemäß § 150 BAO für die Jahre 1976 bis 1978 erstattete Bericht verlesen worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Vorsitzende diesen Antrag ab, wobei er zur Begründung im wesentlichen ausführte, dieser sei als Anbringen im Sinn der §§ 85 ff BAO zu werten, über den in Bescheidform abzusprechen sei.
Grundsätzlich liefere eine im Sinn des § 88 BAO aufgenommene Niederschrift vollen Beweis über den Gegenstand und den Verlauf einer Amtshandlung, soweit nicht Einwendungen erhoben würden. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwendungen gegen die Ergänzung der Niederschrift stünden mit der mündlichen Verhandlung, auf die er sich noch genau erinnern könne, nicht im Einklang. In der nunmehr ergänzten Form der Niederschrift werde die mündliche Verhandlung richtig wiedergegeben.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Unterlassung der Ergänzung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Eine Niederschrift nach § 135 FinStrG über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungssenat stellt keinen Bescheid, sondern - falls diese ordnungsmäßig aufgenommen wurde - vielmehr eine öffentliche Urkunde iSd § 168 BAO dar, weswegen hinsichtlich deren Beweiskraft § 292 ZPO zu beachten ist. Nach § 292 Abs 2 ZPO ist der Beweis der Unrichtigkeit des durch eine Niederschrift bezeugten Vorganges zulässig. Gelingt dieser Beweis, fehlt einer Niederschrift insoweit der Charakter einer öffentlichen Urkunde und gelten die Grundsätze der freien Beweiswürdigung. Die Berichtigung (Ergänzung) einer Niederschrift hat daher nicht in Bescheidform zu erfolgen und ist über Einwendungen gegen derartige Berichtigungen (Ergänzungen) auch nicht bescheidmäßig abzusprechen (vgl den hg Beschluß vom 27. April 1994, 93/13/0223).
Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Vorsitzende den Antrag auf ersatzlose Aufhebung seines Ergänzungsbeschlusses vom 2. November 1993 in Verkennung der Rechtslage zwar abanstatt zurückgewiesen. Da aber - wie eben ausgeführt - über Berichtigungen (Ergänzungen) einer Niederschrift nicht bescheidmäßig abzusprechen ist, wird die Beschwerdeführerin durch die Abweisung ihres Antrages vom 29. Dezember 1993 in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht, es wäre die Ergänzung der Niederschrift zu unterlassen gewesen, nicht verletzt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Bemerkt wird, daß die belangte Behörde in ihrer am 22. August 1994 hg eingelangten Gegenschrift nur einen Aufwandersatz von 3.035 S begehrt hat.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994140062.X00Im RIS seit
20.11.2000