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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des R in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 24. Juli 1995, Zl. VerkR-390.246/2-1995/Au, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 die (befristet bis 4. Juni 1995 erteilte) Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihm für die Zeit von fünf Monaten (gerechnet ab 8. März 1995) keine Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe.
In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 8. Februar 1995 mit einem von ihm gelenkten PKW auf einer näher bezeichneten Stelle einer Bundesstraße die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 70 km/h überschritten habe (Fahrgeschwindigkeit 170 km/h). Im Anschluß daran habe er auf dieser Bundesstraße am Ortsanfang von B.L. die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 90 km/h (Fahrgeschwindigkeit 140 km/h) überschritten. Wegen dieser Übertretungen sei über ihn eine Geldstrafe von jeweils S 7.500,-- verhängt worden. Durch das Einfahren in das Ortsgebiet mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h und das folgende Passieren eines Schutzweges mit einer Geschwindigkeit von 73 km/h habe der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt, das an sich geeignet sei, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Es liege daher eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 vor. Dem Beschwerdeführer sei bereits dreimal wegen Lenkens eines PKW"s in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand die Lenkerberechtigung vorübergehend entzogen worden (1988 für 4 Wochen, 1989 für 8 Monate und 1991 für 15 Monate). In zwei Fällen habe er Verkehrsunfälle verschuldet. Einen weiteren Verkehrsunfall habe er im Jahr 1990 durch überhöhte Geschwindigkeit verschuldet. Dafür sei er mit Strafverfügung vom 29. März 1990 rechtskräftig bestraft worden. Die bisher verfügten Entziehungsmaßnahmen und die erfolgten Bestrafungen hätten ihn nicht dazu bewegen können, die Rechtsvorschriften genau einzuhalten. Das Einfahren in das Ortsgebiet mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h und das Überfahren eines Schutzweges mit 73 km/h ließen eine besonders sorglose Einstellung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Einhaltung von Rechtsvorschriften erkennen. Sein Verhalten sei insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, daß er Wiederholungstäter sei, besonders verwerflich. Ihm fehle demnach die Verkehrszuverlässigkeit, die er nicht vor Ablauf der im Spruch genannten Frist wiedererlangen werde. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten wirtschaftlichen Nachteile seien bei einer Entziehungsmaßnahme nicht zu berücksichtigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 idF der 17. KFG-Novelle BGBl. Nr. 654/1994 hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung der maßgebenden Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten u.dgl., auf Schutzwegen oder das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen.
Während es nach der vor der genannten Novelle geltenden Fassung darauf ankam, daß "unter besonders gefährlichen Verhältnissen" gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen wurde, genügt jetzt, daß durch Übertretung der maßgebenden Verkehrsvorschriften ein Verhalten gesetzt wird, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, wobei bestimmte Beispiele hiefür genannt werden. Der Grund dafür, auch ein Verhalten, das (bloß) geeignet ist, gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, als bestimmte Tatsache im Sinne der genannten Gesetzesstelle gelten zu lassen, lag darin, daß man auch Fälle, in denen gefährliche Verhältnisse im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 nicht gegeben waren, erfassen wollte (siehe Erläuterungen zur RV zur 17. KFG-Novelle 1655 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR XVIII. GP). Die erst im Verkehrsausschuß formulierte endgültige Fassung enthält eine Aufzählung von Beispielen für Verhalten, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, und zwar deshalb, um dadurch eine einfachere Vollziehung dieser Bestimmung zu ermöglichen (siehe dazu den AB zur 17. KFG-Novelle 1807 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR XVIII. GP).
Der Beschwerdeführer irrt, wenn er meint, die belangte Behörde habe den Inhalt des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 falsch wiedergegeben. Art. I Z. 23 der 17. KFG-Novelle, mit der § 66 Abs. 2 lit. f in der oben wiedergegebenen Weise novelliert wurde, ist zufolge Art. III Abs. 1 leg. cit. mit Ablauf des 23. August 1994 in Kraft getreten, weshalb die belangte Behörde bereits § 66 Abs. 2 lit. f in der neuen Fassung anzuwenden hatte. Damit ist aber dem Großteil der Beschwerdeausführungen, die sich auf § 66 Abs. 2 lit. f in der Fassung vor der 17. KFG-Novelle und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen, der Boden entzogen.
Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Überfahren eines Schutzweges mit 73 km/h (anstatt der erlaubten 50 km/h) eine erhebliche Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit auf Schutzwegen erblickt und daher das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 angenommen hat, dies unbeschadet der im Grunde des § 66 Abs. 3 KFG 1967 vorzunehmenden Wertung. Eine Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h um 23 km/h muß zumindest als erhebliche Geschwindigkeitsübertretung angesehen werden, insbesondere wenn man sich vor Augen hält, daß der Gesetzgeber in § 64a Abs. 3 lit. a KFG 1967 die Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet im Ausmaß von mehr als 20 km/h bereits als - zwingend zur Anordnung einer Nachschulung führenden - schweren Verstoß nach § 64a Abs. 2 leg. cit. wertet. Außerdem muß im Befahren des im angefochtenen Bescheid näher bezeichneten Straßenstückes - nach den vom Beschwerdeführer vorgelegten Lichtbildern handelt es sich dabei um eine Straße mit nur zwei Fahrstreifen - mit einer Geschwindigkeit von 170 km/h ebenfalls eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG gesehen werden. Ein derartiger Geschwindigkeitsexzeß - der Beschwerdeführer hat sogar die auf Autobahnen bei günstigen Bedingungen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 40 km/h überschritten - ist geeignet, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, insbesondere unter Bedachtnahme auf die verminderte Beherrschbarkeit des Kraftfahrzeuges bei einer solchen Geschwindigkeit, die eingeschränkte Möglichkeit zur Reaktion auf Hindernisse und die gravierenden Folgen von Unfällen bei hohen Geschwindigkeiten.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde sei an das Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 10. Mai 1995, mit dem eine Bestrafung nicht nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 sondern nach § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. erfolgt sei, in der Weise gebunden, daß auch sie nicht das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse hätte annehmen dürfen, sind verfehlt, und zwar schon deshalb, weil § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung in Ansehung der "gefährlichen Verhältnisse" andere Tatbestandsmerkmale enthält als § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960, sodaß in Fällen, in denen eine Bestrafung nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle nicht erfolgt ist, die Voraussetzungen für die Anwendung des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 erfüllt sein können.
Gegen die von der belangten Behörde im Grunde des § 66 Abs. 3 KFG 1967 vorgenommene Wertung der bestimmten Tatsache, die darauf gegründete Auffassung, der Beschwerdeführer sei verkehrsunzuverlässig, und die von der belangten Behörde gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 festgesetzte Zeit bringt der Beschwerdeführer nichts Konkretes vor. Der Verwaltungsgerichtshof vermag eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch die von der belangten Behörde ausgesprochene Maßnahme nicht zu erkennen, insbesondere wenn man den Umstand, daß zumindest zwei - wenn auch kurze Zeit hintereinander verwirklichte - bestimmte Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 vorliegen, und das Vorleben des Beschwerdeführers berücksichtigt, den auch wiederholte Entziehungsmaßnahmen und Bestrafungen nicht zur Einhaltung der für das Lenken von Kraftfahrzeugen geltenden Bestimmungen veranlassen konnten.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Überschreiten der GeschwindigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995110290.X00Im RIS seit
11.07.2001