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41/03 PersonenstandsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GerichtsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Berichtigung des französischen Namensbestandteils "des" wegen Verwendung untersagter Adelszeichen; Verkennung der Vorgaben des AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung zum AdelsaufhebungsG; Unterlassung der Prüfung, ob der Namensbestandteil "des" vor dem Hintergrund des heutigen maßgeblichen ausländischen soziokulturellen Kontextes einen Eindruck bestehender Vorrechte des Adels oder der Geburt erwecktSpruch
I. Die beschwerdeführenden Parteien sind durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 3.248,40 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Erstbeschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und wurde am 13. Oktober 1990 in Grieskirchen geboren. Sie heiratete am 20. November 2015 einen französischen Staatsangehörigen und nahm anlässlich der Eheschließung den Familiennamen ihres Ehemannes "T*** des E***" an. Der Zweitbeschwerdeführer, geboren am 15. April 2019, und der Drittbeschwerdeführer, geboren am 13. Februar 2021, sind die minderjährigen Kinder der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehemannes. Sie besitzen sowohl die österreichische Staatsbürgerschaft als auch die französische Staatsangehörigkeit und tragen seit ihrer Geburt ebenfalls den Familiennamen " T*** des E***".
2. Mit Bescheid vom 4. November 2021 berichtigte der Standesamtsverband Grieskirchen von Amts wegen den im Eintrag über die Eheschließung der Erstbeschwerdeführerin und in den Einträgen über die Geburten des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers im Zentralen Personenstandsregister beurkundeten bzw eingetragenen Familiennamen " T*** des E***" auf "T***-E***" mit der Begründung, dass dieser Name einen Adelsbezug aufweise.
3. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 19. April 2022 als unbegründet ab. Begründend führt das Gericht aus:
"Aus Sicht des erkennenden Gerichts steht in der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit fest, dass der Nachname 'T*** des E***' geeignet ist, für Österreichische Staatsbürger objektiv den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes zu erwecken. Ob intendiert oder nicht, bewirkte die Übernahme des Familiennamens des Ehegatten bzw Vaters der Bf, dass jedenfalls ein nicht mit der Familiengeschichte der Bf detailliert Vertrauter annehmen könnte, dass der Namenszusatz 'des' ein Adelsprädikat und damit der Bestandteil eines Adelstitels sein könnte bzw ist. Diese Annahme wird durch die Tatsache verstärkt, dass der Name 'E***' samt dem Namenszusatz 'des' nachweislich als Adelstitel geführt wurde, lebte doch […] im 18. Jahrhundert in Frankreich L***-J*** des E***, der als Graf von E*** bekannt ist.
An dieser Feststellung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass 'E***' – wie von den Bf vorgebracht – mit dem französischen Mundartbegriff 'taillis', in deutscher Sprache: 'Niederwald bzw umgeschnittener Wald', gleichzusetzen ist. Dies insbesondere, weil diese Begrifflichkeit bzw Übersetzung aus dem 12. bzw 13. Jahrhundert stammt, in keinem gängigen französischen Wörterbuch auffindbar und damit nur wenigen Personen bekannt ist. Ein Vergleich mit dem doch gängigen portugiesischen Namen 'da Silva' ('aus dem Wald') kann im konkreten Fall aus Sicht des erkennenden Gerichts sohin nicht angestellt werden.
[…] Zusammengefasst kann dahingestellt bleiben, ob der Name 'T*** des E***' tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist, weil der Name aus Sicht des erkennenden Gerichts jedenfalls geeignet ist, für österreichische Staatsbürger objektiv den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes zu erwecken."
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Achtung des Privat- und Familienlebens, sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich habe es unterlassen zu ermitteln, ob tatsächlich ein historischer Adelsbezug bestehe. Denn nur dann könne ein ausländischer Namensbestandteil oder -zusatz untersagt werden. Aus dem Wikipedia-Artikel, den das Gericht seiner Entscheidung zugrunde lege, ergebe sich nicht, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Zweit- und Drittbeschwerdeführer mit der in diesem Artikel genannten Person aus dem 18. Jahrhundert verwandt sei und sich der Familienname von ihr ableite. Ohne historischen Adelsbezug könnten nur Standesbezeichnungen oder ausländische Titel untersagt werden. Der Familienname der beschwerdeführenden Parteien enthalte aber weder eine Standesbezeichnung noch einen ausländischen Titel, sondern lediglich den Namensbestandteil "des".
Ungeachtet des fehlenden tatsächlichen Adelsbezuges habe das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich es auch unterlassen darzulegen, aus welchen Gründen der Familienname geeignet sei, bei österreichischen Staatsbürgern objektiv den Eindruck eines solchen Adelsbezuges zu erwecken. Allein der Umstand, dass "des" in Frankreich auch als Namenszusatz in Adelsnamen geführt werde, führe nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht schon dazu, dass dieser Zusatz generell den Eindruck eines Adelsbezuges erwecke. Österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen würden in dem Wort "des" lediglich einen (unbestimmten) Artikel bzw eine Präposition, nicht aber einen Adelsbezug erkennen.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 3. April 1919 über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden (in der Folge: AdelsaufhebungsG), StGBl. 211/1919, idF BGBl I 2/2008 lauten auszugsweise:
"§1.
Der Adel, seine äußeren Ehrenvorzüge sowie bloß zur Auszeichnung verliehene, mit einer amtlichen Stellung, dem Beruf oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Befähigung nicht im Zusammenhange stehenden Titel und Würden und die damit verbundenen Ehrenvorzüge österreichischer Staatsbürger werden aufgehoben.
[…]
§4.
Die Entscheidung darüber, welche Titel und Würden nach §1 als aufgehoben anzusehen sind, steht dem Staatssekretär für Inneres und Unterricht zu."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Inneres und Unterricht und des Staatsamtes für Justiz, im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern vom 18. April 1919, über die Aufhebung des Adels und gewisser Titel und Würden (in der Folge: Vollzugsanweisung), StGBl. 237/1919, idF StGBl. 484/2019 lauten auszugsweise:
"§1.
Die Aufhebung des Adels, seiner äußeren Ehrenvorzüge, weiters der bloß zur Auszeichnung verliehenen, mit einer amtlichen Stellung, dem Berufe oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Befähigung nicht im Zusammenhange stehenden Titel und Würden und der damit verbundenen Ehrenvorzüge trifft alle österreichischen Staatsbürger, und zwar, gleichviel, ob es sich um im Inlande erworbene, oder um ausländische Vorzüge handelt.
§2.
Durch §1 des Gesetzes vom 3. April 1919, St. G. Bl. Nr 211, sind aufgehoben:
1. das Recht zur Führung des Adelszeichens 'von';
2. das Recht zur Führung von Prädikaten, zu welchen neben den zugestandenen die Familien unterscheidenden Adelsprädikaten im engeren Sinne auch das Ehrenwort Edler sowie die Prädikate Erlaucht, Durchlaucht und Hoheit gezählt wurden;
3. das Recht zur Führung hergebrachter Wappennamen und adeliger Beinamen;
4. das Recht zur Führung der adeligen Standesbezeichnungen, wie z. B. Ritter, Freiherr, Graf und Fürst, dann des Würdetitels Herzog, sowie anderer einschlägiger in- und ausländischer Standesbezeichnungen;
5. das Recht zur Führung von Familienwappen, insbesondere auch der fälschlich 'bürgerlich' genannten Wappen, sowie das Recht zur Führung gewisser ausländischer, an sich nicht immer mit einem Adelsvorzuge verbundener Titel, wie z. B. Conte, Conta Palatino, Marchese, Marchio Romanus, Comes Romanus, Baro Romanus ec., selbst wenn es nichtadeligen Familien zukam."
III. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:
1. Gemäß §1 des im Verfassungsrang stehenden und den Gleichheitsgrundsatz des Art7 Abs1 B-VG diesbezüglich ausführenden Adelsaufhebungsgesetzes wird "[d]er Adel […] österreichischer Staatsbürger […] aufgehoben". §1 der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen – im Verordnungsrang stehenden (VfSlg 20.344/2019) – Vollzugsanweisung präzisiert diese Bestimmung dahingehend, dass die Aufhebung des Adels alle österreichischen Staatsbürger, "und zwar, gleichviel, ob es sich um im Inlande erworbene, oder um ausländische Vorzüge handelt", trifft.
2. In VfSlg 17.060/2003 hat der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die besondere Funktion des Adelsaufhebungsgesetzes zur Herstellung demokratischer Gleichheit (vgl Kolonovits, Vorbemerkungen zum AdelsaufhG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 8) festgehalten, dass österreichische Staatsbürger nach diesem Verfassungsgesetz allgemein nicht berechtigt sind, Adelstitel ausländischen Ursprungs zu führen.
In VfSlg 19.891/2014 hat der Verfassungsgerichtshof an dieser Auffassung explizit festgehalten und ausgeführt, dass es die aus seinem historischen Entstehungszusammenhang begründete Zielsetzung des Adelsaufhebungsgesetzes ist, die in Art7 Abs1 Satz 2 B-VG festgeschriebene Grundaussage der Verfassung der demokratischen Republik Österreich, dass für alle Staatsbürger Vorrechte der Geburt oder des Standes ausgeschlossen sind, dahingehend zu konkretisieren, dass der Adel und seine äußeren Ehrenvorzüge für österreichische Staatsbürger ausnahmslos aufgehoben werden (§1 AdelsaufhebungsG). Kein österreichischer Staatsbürger soll also einen Namen (Namensbestandteil oder -zusatz) führen oder erwerben können, der im Sinne des Adelsaufhebungsgesetzes Adelsbezeichnungen enthält und somit den Eindruck erwecken könnte, für seinen Träger bestünden Vorrechte der Geburt oder des Standes.
Das Adelsaufhebungsgesetz schließt nach dieser Rechtsprechung also für österreichische Staatsbürger den Erwerb von Namensbestandteilen oder -zusätzen aus, die im Sinne des Adelsaufhebungsgesetzes und der dazu ergangenen Vollzugsanweisung Adelsbezeichnungen darstellen. Der Zusatz "von" stellt ein solches als Namensbestandteil unzulässiges Adelszeichen dar (siehe §2 Z1 der Vollzugsanweisung iVm §1 AdelsaufhebungsG).
In VfSlg 20.234/2018 hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass im Hinblick auf die besondere Zielsetzung des Adelsaufhebungsgesetzes zur Herstellung demokratischer Gleichheit durch Abschaffung des Adels und auch seiner "äußeren Ehrenvorzüge" (§1 AdelsaufhebungsG) diese Verfassungsbestimmung und in der Folge in entsprechender Interpretation §2 Z1 der Vollzugsanweisung dahingehend zu verstehen sind, dass ein Verbot, das Wort "von" als Namensbestandteil zu führen, nicht nur für jene Familiennamen besteht, die tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweisen. Die aus dem historischen Entstehungszusammenhang begründete Zielsetzung des Adelsaufhebungsgesetzes geht nämlich in Konkretisierung der in Art7 Abs1 Satz 2 B-VG festgeschriebenen Grundaussage der Verfassung der demokratischen Republik Österreich, dass für alle Staatsbürger Vorrechte der Geburt oder des Standes ausgeschlossen sind, auch dahin, einen Namen (Namensbestandteil oder -zusatz) zu verbieten, der den Eindruck erwecken könnte, für seinen Träger bestünden Vorrechte der Geburt oder des Standes (siehe auch VfSlg 19.891/2014).
Bei dieser Beurteilung kommt es darauf an, ob der in Rede stehende Name (Namensbestandteil oder -zusatz) geeignet ist, in den Beziehungen der Menschen untereinander das Bestehen solcher Vorrechte zum Ausdruck zu bringen, wobei die objektive Wahrnehmung derjenigen, die das Diskriminierungsverbot des Art7 Abs1 Satz 2 B-VG vor einer Ungleichbehandlung auf Grund von Vorrechten der Geburt oder des Standes schützen will, maßgeblich ist (vgl auch EuGH 2.6.2016, Rs C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff, Rz 79: "Adelsbezeichnungen oder -bestandteile, die glauben machen könnten, dass der Träger des Namens einen entsprechenden Rang inne habe"). In diesem Sinn ist das durch §2 Z1 der Vollzugsanweisung als Namensbestandteil verbotene Wort "von" grundsätzlich geeignet, den Anschein einer adeligen Herkunft und damit entsprechender Vorrechte hervorzurufen, ohne dass es darauf ankommt, ob die konkrete Namens- oder Familiengeschichte tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist (VfSlg 20.234/2018).
In VfSlg 20.368/2020 hat der Verfassungsgerichtshof festgehalten, dass Adelsbezeichnungen ausländischen Ursprungs, wie sich bereits aus §1 der Vollzugsanweisung ergibt ("gleichviel, ob es sich um im Inlande erworbene, oder um ausländische Vorzüge handelt"), ebenfalls von §1 AdelsaufhebungsG erfasst werden, und darauf hingewiesen, dass die Vollzugsanweisung in §2 Z4 und 5 entsprechende ausländische Standesbezeichnungen oder Titel, die den Eindruck eines Adelsvorzugs erwecken können, bloß demonstrativ aufzählt und damit zu erkennen gibt, dass für die Frage, wann eine ausländische Standesbezeichnung oder ein ausländischer Titel den Eindruck entsprechender Adelsvorzüge erwecken kann, im Hinblick auf die Vielzahl möglicher ausländischer Standesbezeichnungen und Adelstitel auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen ist. Dies gilt, wie aus den in §2 Z4 und 5 der Vollzugsanweisung genannten Beispielen hervorgeht, für ausländische Namensbestandteile, die als solche Standesbezeichnungen bzw verpönte Titel transportieren (so kommt es nach §2 Z4 auf adelige Standesbezeichnungen wie zB Ritter, Freiherr, Graf oder Fürst und diesen vergleichbare ausländische Standesbezeichnungen an und hat §2 Z5 ausländische Titel wie beispielsweise Conte oder Marchese vor Augen).
Demgegenüber sind nach §2 Z1 und 2 der Vollzugsanweisung durch §1 AdelsaufhebungsG das Adelszeichen "von" sowie Adelsprädikate im engeren und im weiteren Sinn, insbesondere auch das Ehrenwort "Edler", aufgehoben, ohne dass die Vollzugsanweisung ausdrücklich auch vergleichbare ausländische Bezeichnungen mit einbezieht. Damit soll offensichtlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass etwa dem Adelszeichen "von" oder dem Ehrenwort "Edler" im deutschsprachigen Kontext in Österreich eine besondere, unmittelbar mit Vorrechten der Geburt oder des Standes verbundene Bedeutung zukommt, die mit von der Übersetzung her ähnlichen ausländischen Namensbestandteilen oder -zusätzen – wie sie beispielsweise Namenszusätze wie "de" oder "van" darstellen – typischerweise nicht verbunden werden. Solche, den genannten deutschsprachigen Namensbestandteilen und -zusätzen gemäß §2 Z1 und 2 der Vollzugsanweisung von der Übersetzung her ähnliche ausländische Namensbestandteile oder -zusätze sind daher durch §1 AdelsaufhebungsG iVm §1 der Vollzugsanweisung dann untersagt, wenn sie tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweisen (VfSlg 20.234/2018).
3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht davon aus, dass der Nachname der beschwerdeführenden Parteien "T*** des E***" geeignet sei, für österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes zu erwecken. Denn der Namenszusatz "des" könne für ein Adelsprädikat und damit Bestandteil eines Adelstitels gehalten werden. Diese Annahme werde durch die Tatsache bekräftigt, dass der Name "E***" samt Namenszusatz "des" nachweislich im 18. Jahrhundert in Frankreich als Adelstitel geführt worden sei. Es könne sohin offenbleiben, ob der Name "T*** des E***" tatsächlich einen Adelsbezug aufweise.
4. Damit verkennt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aber die Vorgaben des §1 AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung:
4.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu §1 AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung grundsätzlich zwischen zwei Fallkonstellationen unterschieden: Weist ein konkreter Name bzw Namensbestandteil historisch nachweisbar einen Adelsbezug auf, womit der Träger dieses Namens in einer Verbindungslinie zu Menschen adeliger Herkunft steht, dann untersagt die Verfassungsbestimmung des §1 AdelsaufhebungsG iVm §1 der Vollzugsanweisung einer österreichischen Staatsbürgerin oder einem österreichischen Staatsbürger die Führung eines solchen Namens oder Namensbestandteils. Liegt im konkreten Fall kein derartiger historischer Adelsbezug vor, dann verwehren die genannten Bestimmungen das Tragen eines Namens bzw Namensbestandteils dann, wenn es sich um nach §2 Z1 und 2 der Vollzugsanweisung durch §1 AdelsaufhebungsG aufgehobene Adelsbezeichnungen, wie etwa das Adelszeichen "von" oder das Ehrenwort "Edler", handelt (weil diesen Adelsbezeichnungen unabhängig von einem tatsächlichen historischen Adelsbezug im deutschsprachigen Kontext in Österreich jedenfalls eine besondere, unmittelbar mit Vorrechten der Geburt oder des Standes verbundene Bedeutung zukommt; siehe zu "von *[…]" VfSlg 20.234/2018); oder, wenn es sich um ausländische Standesbezeichnungen oder Titel handelt, dann, wenn diese ebenso einschlägig wie die in §2 Z4 und 5 der Vollzugsanweisung genannten sind und damit objektiv in Österreich den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes erwecken (VfGH 17.6.2022, E4107/2021).
Für ausländische Namen bzw Namensbestandteile ist daher zu prüfen, ob sie ebenso einschlägig wie die in §2 Z4 und 5 der Vollzugsanweisung genannten und daher untersagt sind. Dabei ist nach §2 Z5 der Vollzugsanweisung darauf abzustellen, dass gewisse ausländische Titel den Eindruck entsprechender Adelsvorzüge erwecken können und daher untersagt sind, auch wenn sie tatsächlich nicht mit einem Adelsvorzug verbunden sind, aber in Bezug auf den Namensträger den Anschein einer Zugehörigkeit zu einem bevorzugten Stand erwecken (siehe VfSlg 20.368/2020). Denn durch §1 AdelsaufhebungsG iVm §1 der Vollzugsanweisung soll sichergestellt sein, dass keine österreichische Staatsbürgerin und kein österreichischer Staatsbürger einen Namen (Namensbestandteil oder -zusatz) führen kann, der im Sinne des Adelsaufhebungsgesetzes Adelsbezeichnungen enthält und somit den Eindruck erwecken könnte, für seine Trägerin bzw seinen Träger bestünden Vorrechte der Geburt oder des Standes (VfSlg 20.234/2018; VfGH 17.6.2022, E4107/2021).
Für ausländische Adelsbezeichnungen oder Titel ist dabei maßgeblich, dass sie im einschlägigen soziokulturellen Kontext an sich die Zugehörigkeit zum Adel zum Ausdruck bringen, auch wenn ein solcher Name oder Namensbestandteil "nicht immer mit einem Adelsvorzuge" verbunden sein muss (so §2 Z5 der Vollzugsanweisung). Ist es aber ausgeschlossen, dass ein Name oder Namensbestandteil im maßgeblichen soziokulturellen Kontext eine Adelsbezeichnung darstellt, ist es folglich ebenso ausgeschlossen, dass dieser Name oder Namensbestandteil in Österreich den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes vermitteln kann. Die objektive Eignung, den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes zu erwecken, setzt also jedenfalls im maßgeblichen ausländischen soziokulturellen Kontext die zumindest abstrakte Möglichkeit voraus, dass der in Rede stehende ausländische Namensbestandteil einen tatsächlichen Adelsvorzug bezeichnet (VfGH 17.6.2022, E4107/2021).
4.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich lässt dahinstehen, ob der Familienname bzw der Namensbestandteil "des" der beschwerdeführenden Parteien einen tatsächlichen historischen Adelsbezug aufweist, die beschwerdeführenden Parteien also in einer Verbindungslinie zu einem Menschen mit adeliger Herkunft stehen, womit ihnen gemäß §1 AdelsaufhebungsG iVm §1 der Vollzugsanweisung als österreichische Staatsbürgerin bzw österreichischer Staatsbürger die Führung dieses Namensbestandteils zu untersagen wäre.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht aber davon aus, dass der Namensbestandteil "des" der beschwerdeführenden Parteien im maßgeblichen ausländischen soziokulturellen Kontext – vergleichbar wie etwa der Namensbestandteil "von" in Österreich – objektiv und unabhängig von einem tatsächlichen historischen Adelsbezug den Eindruck erwecke, für seine Trägerin bzw seinen Träger bestünden Vorrechte der Geburt oder des Standes. Dafür bezieht sich das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich darauf, dass eine Person in Frankreich im 18. Jahrhundert den Namensbestandteil "des E***" als Adelstitel geführt habe. Damit vermag es zwar aufzuzeigen, dass abstrakt die Möglichkeit besteht, mit dem Namensbestandteil "des" einen tatsächlichen Adelsvorzug zu bezeichnen.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich unterlässt es aber zu prüfen, ob dieser Namensbestandteil auch im maßgeblichen (heutigen) ausländischen soziokulturellen Kontext geeignet ist, bei den Menschen – vergleichbar wie die in §2 Z4 und 5 der Vollzugsanweisung genannten Standesbezeichnungen oder Titel – den Eindruck bestehender Vorrechte der Geburt oder des Standes zu erwecken, und verkennt damit die Vorgaben des §1 AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung in einem wesentlichen Punkt.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wird im fortgesetzten Verfahren in seine Betrachtung mit einbeziehen müssen, inwieweit der Namensbestandteil "des" in Frankreich im vorgenannten Sinn bei den Menschen den Eindruck bestehender Vorrechte des Adels oder der Geburt vermitteln kann (vgl dazu etwa Frölichsthal, Die Adelspartikel "von" im internationalen Vergleich", Adler 2020, 211 [215] mit Verweis auf Texier, Qu'est-ce que la noblesse, 1988, 428; vgl auch zur Präposition "de" im italienischen Sprachgebrauch VwGH 23.9.2020, Ra 2019/01/0358).
5. Indem das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Vorgaben des §1 AdelsaufhebungsG iVm der Vollzugsanweisung verkannt hat, hat es die beschwerdeführenden Parteien in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
IV. Ergebnis
1. Die beschwerdeführenden Parteien sind somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in der Höhe von € 327,–, Umsatzsteuer in der Höhe von € 501,40 sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Adel, Personenstandswesen, NamensrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E1529.2022Zuletzt aktualisiert am
23.11.2022