TE Vwgh Beschluss 2022/11/2 Ra 2021/08/0133

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Veröffentlicht am 02.11.2022
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des N A M in W, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2021, W260 2217325-1/5E, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Johnstraße), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Dem im Bezug von Notstandshilfe stehenden Revisionswerber wurde von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Johnstraße (AMS) am 15. Juni 2018 ein Stellenangebot für eine Beschäftigung als technischer Zeichner im Bereich HKLS (Heizung-, Klima-, Lüftung-, Sanitäranlagen) mit einem möglichen Arbeitsbeginn am 11. Juli 2018 übermittelt und er wurde aufgefordert, dazu eine Bewerbung für eine vom AMS durchgeführte Vorauswahl abzugeben. Im Stellenangebot wurde unter der Überschrift „Profil“ angeführt: „Abgeschlossene Ausbildung (Lehre) oder HTL Gebäudetechnik mit Fachrichtung Anlagenbau (HKLS), Berufserfahrung erwünscht“. Der Revisionswerber bewarb sich für diese Stelle nicht.

2        Mit Bescheid vom 30. Juli 2018 sprach das AMS aus, dass der Revisionswerber gemäß § 10 iVm. § 38 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für 11. Juli 2018 bis 21. August 2018 verloren habe. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 27. September 2018 als unbegründet ab. In seiner Begründung verwies das AMS darauf, dass der Revisionswerber entgegen seinen Angaben für die angebotene Stelle aufgrund seiner Ausbildung in Betracht gekommen wäre.

3        Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag. Er brachte im Beschwerdeverfahren vor, er habe wohl eine - näher dargestellte - Ausbildung und Berufserfahrung als technischer Zeichner im Bereich der Innenarchitektur, die Anforderungen im Stellenangebot erfülle er aber nicht. Weder habe er eine Ausbildung an einer HTL noch eine Lehre als technischer Zeichner absolviert. Eine für die Zuweisung geeignete Beschäftigung sei daher nicht vorgelegen, sodass der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG nicht verwirklicht worden sei.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5        Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe gegenüber dem AMS in der Betreuungsvereinbarung den Wunsch geäußert, als technischer Zeichner vermittelt zu werden. Er habe in Syrien eine dreijährige Diplomausbildung im Bereich der Innenarchitektur absolviert, drei Semester Architektur an der Technischen Universität Wien studiert und eine zweimonatige Ausbildung im Bereich HKLS absolviert. Er verfüge unter anderem über Berufserfahrung als Innenarchitekt bzw. als technischer Zeichner im Bereich Innenarchitektur und Wohnbau. Der Revisionswerber habe sich für die am 15. Juni 2008 angebotene Beschäftigung auch nach nochmaliger Aufforderung durch das AMS nicht beworben. Das sei ursächlich dafür gewesen, dass ein Beschäftigungsverhältnis nicht zustande gekommen sei.

6        Diese Feststellungen gründete das Bundesverwaltungsgericht auf die im Akt des AMS befindlichen Urkunden bzw. die eigenen Angaben des Revisionswerbers im Verfahren des AMS über seine Ausbildung und Berufserfahrung.

7        Rechtlich folgerte das Bundesverwaltungsgericht, es treffe wohl zu, dass der Revisionswerber die im Stellenangebot genannten Ausbildungen - nämlich eine Lehre oder eine HTL Gebäudetechnik mit Fachrichtung Anlagenbau (HKLS) - nicht absolviert habe. Ausgehend von seinem Werdegang sei die angebotene Stelle aber auch nicht evident unzumutbar gewesen. Der Revisionswerber sei daher im Sinn der (näher dargestellten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verpflichtet gewesen, sich um die Stelle zu bewerben und im Zuge der Bewerbung seine Eignung abzuklären. Die Unterlassung dieser Verpflichtung sei als kausal für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses anzusehen, wobei der Revisionswerber dies zumindest in Kauf genommen habe. Dem Revisionswerber liege daher eine (bedingt) vorsätzliche Vereitelung des Zustandekommens der Beschäftigung im Sinn von § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG zur Last. Eine mündliche Verhandlung sei nicht beantragt worden. Im Hinblick auf den unstrittigen Sachverhalt sei die Durchführung einer Verhandlung auch nicht von Amts wegen erforderlich gewesen.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei Grundvoraussetzung für die Zuweisungstauglichkeit einer Beschäftigung, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen jenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprächen, die für die zugewiesene Arbeitsstelle verlangt würden. Treffe dies nicht zu, sei eine Zuweisung unzulässig. Der Revisionswerber habe dem Anforderungsprofil im Stellenangebot nicht entsprochen und darauf auch das AMS hingewiesen. Es sei daher keine Vereitelungshandlung bzw. zumindest kein vorsätzliches Verhalten vorgelegen. Auch sei die Kausalität für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung zu verneinen. Das Bundesverwaltungsgericht wäre im Übrigen nach § 24 Abs. 1 VwGVG verpflichtet gewesen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Der Revisionswerber habe im Beschwerdeverfahren ein Tatsachenvorbringen erstattet, dessen Klärung - auch im Sinn von Art. 6 EMRK - eine mündliche Verhandlung erfordert hätte.

12       Es trifft zu, dass Grundvoraussetzung für die Zuweisungstauglichkeit einer Beschäftigung an eine arbeitslose Person ist, dass deren Kenntnisse und Fähigkeiten jenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, die an der zugewiesenen Arbeitsstelle verlangt werden (vgl. VwGH 4.9.2013, 2011/08/0092, mwN). Ist eine Beschäftigung aber nicht evident unzumutbar und hat das AMS nicht von vornherein (etwa auf Grund eines diesbezüglichen Einwands des Arbeitslosen) Kenntnis von einem die Unzumutbarkeit der Beschäftigung begründenden Umstand, so kann es den Arbeitslosen zu dieser Tätigkeit zuweisen. Es liegt dann am Arbeitslosen, beim Vorstellungsgespräch mit dem potentiellen Dienstgeber die näheren Bedingungen der bekannt gegebenen Beschäftigungsmöglichkeit zu erörtern (vgl. etwa VwGH 23.8.2021, Ra 2021/08/0029; 10.5.2022, Ra 2020/08/0153; 19.10.2011, 2008/08/0251; jeweils mwN). Die damit angesprochene Frage der Zuweisungstauglichkeit einer Beschäftigung ist regelmäßig eine nicht revisible Frage des Einzelfalls (vgl. VwGH 22.10.2018, Ra 2018/08/0218, mwN).

13       Im vorliegenden Fall wurde im Stellenangebot hinsichtlich der Erfüllung des Anforderungsprofils der angebotenen Stelle - neben dem Abschluss einer HTL Gebäudetechnik mit Fachrichtung Anlagenbau (HKLS) - eine „abgeschlossene Ausbildung (Lehre)“ angegeben. Nach den unstrittigen Feststellungen zum Ausbildungsweg des Revisionswerbers hat dieser zwar keine Lehre als technischer Zeichner, aber andere einschlägige Ausbildungen - nämlich eine dreijährige Diplomausbildung als Innenarchitekt, drei Semester Architektur an der technischen Universität und eine zweimonatige Ausbildung im Bereich HKLS - absolviert. Es konnte daher als zumindest möglich erscheinen, dass der potentielle Dienstgeber diese Ausbildungen - allenfalls auch in Zusammenhang mit der erworbenen Berufserfahrung des Revisionswerbers - als mit der in der Stellenausschreibung genannten Lehre gleichwertig erachten werde. Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass die Beschäftigung nicht von vornherein als evident unzumutbar im Sinn der dargestellten Rechtsprechung erscheinen musste, erweist sich daher zumindest als vertretbar.

14       Soweit die Revision die Kausalität der Unterlassung der Bewerbung durch den Revisionswerber für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung bestreitet, ist darauf hinzuweisen, dass es bei Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten einer arbeitslosen Person als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, darauf ankommt, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nicht Voraussetzung ist, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall zustande gekommen wäre. Die geforderte Kausalität liegt nämlich bereits dann vor, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses auf Grund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden (vgl. etwa VwGH 17.2.2022, Ra 2020/08/0190, mwN). Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt (vgl. VwGH 24.5.2022, Ra 2021/08/0010, mwN).

15       Die Ursächlichkeit der Unterlassung der Bewerbung dafür, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht zustande gekommen ist, wurde daher vom Bundesverwaltungsgericht auf Grundlage der getroffenen Feststellungen - nach denen der Revisionswerber für die angebotene Beschäftigung nicht von vornherein geeignet war - zurecht bejaht. Auch vermag die Revision nicht darzulegen, dass das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht von einer (bedingt) vorsätzlichen Vereitelungshandlung durch den Revisionswerber ausgegangen ist, zumal unbestritten geblieben ist, dass dem Revisionswerber der Vermittlungsvorschlag vom AMS ein zweites Mal überreicht wurde, sodass seine Verpflichtung zur Bewerbung trotz des erhobenen Einwands nicht zweifelhaft sein konnte.

16       Das Bundesverwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt geklärt war. Die getroffenen Feststellungen - insbesondere zur Ausbildung des Revisionswerbers, zum Stellenangebot des AMS vom 15. Juni 2018 und zum Unterbleiben einer Bewerbung - entsprachen den eigenen Angaben des Revisionswerbers im Verfahren und waren nicht strittig. Seine rechtliche Beurteilung konnte das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stützen.

17       Die Revision vermag daher nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung hätte durchführen müssen. Soweit der Revisionswerber insoweit auf Art. 6 EMRK verweist, ist dem zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu dieser Bestimmung eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist; und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die für die Beurteilung relevanten Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann. In diesen Fällen kann daher im Sinn von § 24 Abs. 1 und 4 VwGG im Verfahren des Verwaltungsgerichtes eine Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 18.12.2020, Ra 2019/08/0100, mwN).

18       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 2. November 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021080133.L00

Im RIS seit

23.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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