TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/22 96/06/0015

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Veröffentlicht am 22.02.1996
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
L85008 Straßen Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §17 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §29 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §31 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §31 Abs6;
BauRallg;
LStG Vlbg 1969 §36 Abs2;
LStG Vlbg 1969 §51 Abs1 litb;
LStG Vlbg 1969 §9 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der Gemeinde Lech, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 29. November 1995, Zl. VIIa-410.454, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei:

S-Gesellschaft m.b.H. & Co in Lech), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde sowie dem vorgelegten angefochtenen Bescheid und den weiters vorgelegten Beilagen ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Die mitbeteiligte Partei hat bereits im Jahr 1992 im Vorplatzbereich ihres Hotels an der Z-Straße im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde eine Werbeanlage in Form eines Würfels mit pagodenartiger Turmhaube errichtet, die, so die Beurteilung der beschwerdeführenden Gemeinde, den in § 36 des Vorarlberger Straßengesetzes normierten Bauabstand von 4 m zur Z-Straße, einer öffentlichen Gemeindestraße, nicht einhält. Die tatsächliche Entfernung "zur Grundgrenze mit der Z-Straße" wurde bislang nicht festgestellt, beträgt aber nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ca. 1 m. Die beschwerdeführende Gemeinde ist Straßenerhalterin und Eigentümerin der Z-Straße.

Mit Eingabe vom 17. Juli 1995 beantragte die mitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerberin) bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 17 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes (BauG) für die bereits errichtete Werbeanlage. Hingegen hat die Bauwerberin bislang bei der zuständigen Straßenbehörde keinen Antrag auf Zulassung eines kleineren als des im § 36 Straßengesetz normierten Bauabstandes eingebracht.

Ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ohne Beiziehung der Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Straßenerhalterin und Nachbarin erteilte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz mit Bescheid vom 8. August 1995 die Baubewilligung für die gegenständliche Werbeanlage. Die Baubehörde habe dabei - so das Vorbringen der Beschwerdeführerin - den Umstand, daß die Bauwerberin die nach Beurteilung der Beschwerdeführerin erforderliche Ausnahmebewilligung nach § 36 Abs. 2 des Vorarlberger Straßengesetzes vor Erlassung der Baubewilligung nicht eingeholt habe, "als unbeachtlich und einer Baubewilligung gemäß § 17 Abs. 1 BauG als nicht im Wege stehend" erachtet.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, worin sie unter anderem ausführte, daß die erstinstanzliche Baubehörde "die Parteistellung und die Parteirechte der Beschwerdeführerin gänzlich ignorierte und nach Durchführung eines mehrfach mangelhaften Verfahrens eine rechtswidrige Baubewilligung" erlassen habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde nach zusammengefaßter Darstellung des Verfahrensganges und der Gesetzeslage (§§ 17, 30 Abs. 1 lit. e und § 2 lit. i BauG) ausgeführt, die vorrangig zu klärende Frage sei, ob der Gemeinde als Eigentümerin des Straßengrundes Parteistellung zukomme. Nach deren Meinung ergebe sich ihre Parteistellung "eindeutig aus einem Kommentar zum Vorarlberger Straßengesetz". Danach seien die straßenrechtlichen Bauabstände von der Baubehörde im Baubewilligungsverfahren nach dem Baugesetz zu berücksichtigen. Der Straßenerhalter sei von der Baubehörde als Nachbar zur Bauverhandlung zu laden und besitze als Eigentümer des Nachbargrundes im Baubewilligungsverfahren Parteistellung. Dem sei entgegenzuhalten, daß sich die Parteistellung im Verwaltungsverfahren nach den unmittelbar anzuwendenden materiellrechtlichen Vorschriften bestimme. Insoweit sei es "unmöglich, daß sich die Parteistellung nach dem Baugesetz "eindeutig" aus einem Kommentar zum Vorarlberger Straßengesetz ergeben" solle. Dem Nachbar im Baurecht stehe lediglich ein eingeschränktes Mitspracherecht zu. Nur den in § 30 Abs. 1 leg. cit. genannten Baurechtsnormen komme der Charakter sogenannter subjektiv-öffentlicher Rechte zu, deren Verletzung auch der Nachbar geltend machen könne. Der Nachbar besitze grundsätzlich keinen Rechtsanspruch darauf, daß das Bauvorhaben sämtlichen baurechtlichen Bestimmungen entspreche. Demgemäß bestimme § 30 Abs. 2 leg. cit. auch, daß öffentlich-rechtliche Einwendungen der Parteien als unzulässig zurückzuweisen und privatrechtliche Einwendungen auf den Rechtsweg zu verweisen seien. Aus diesem System folge aber auch, daß als Nachbar und damit als Partei im Bauverfahren nur derjenige angesehen werden könne, der an einem Nachbargrundstück tatsächlich eine privatrechtliche Nutzungsmöglichkeit habe. Eine solche komme im gegenständlichen Fall der Gemeinde als Straßenerhalterin und Eigentümerin der Gemeindestraße "Z-Straße" aber nicht zu. Die Gemeinde habe ihre Parteistellung auch nicht auf das Eigentum an anderen Grundstücken als an dem Straßengrundstück gestützt. In Übereinstimmung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. April 1984, Zl. 82/06/0110, = BauSlg. 250) gelange die belangte Behörde zur Beurteilung, daß der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren keine Parteistellung und damit auch nicht das Recht zur Erhebung einer Berufung zukomme. Da die Berufung bereits aus diesem Grunde unzulässig sei, sei auf das weitere Vorbringen nicht näher einzugehen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung und damit auf Zuerkennung der Parteistellung gemäß § 8 AVG sowie in ihrem Recht auf Versagung einer Baubewilligung für die verfahrensgegenständliche Werbeanlage aufgrund der Nichteinhaltung der straßenrechtlichen Abstandsbestimmungen gemäß § 36 Abs. 2 des Vorarlberger Straßengesetzes verletzt.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, sie habe ein rechtliches Interesse daran, daß eine Baubewilligung gemäß § 17 BauG nicht für eine Werbeanlage erteilt werde, welche die Abstandsbestimmungen oder insbesondere jene des § 36 Abs. 1 und 2 des Vorarlberger Straßengesetzes nicht einhalte. Die Bauwerberin habe sich bislang "geradezu vorsätzlich geweigert, die bescheidmäßig zu ergehende Zustimmung der Straßenbehörde für die Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes gemäß § 36 Abs. 2 Straßengesetz zu beantragen und einzuholen. Es liegt nun aber sehr wohl zumindest im rechtlichen Interesse der Beschwerdeführerin, welche neben der Eigenschaft als Eigentümerin des benachbarten Grundstückes auch Straßenerhalterin im Sinne des Straßengesetzes und deren Bürgermeister auch Behörde nach dem Straßengesetz ist, daß nicht über die Beschwerdeführerin hinweg eine Baubewilligung für eine Werbeanlage erteilt wird, bei welcher die straßenrechtlichen Mindestabstände gemäß § 36 Straßengesetz nicht eingehalten und kleinere Abstände nicht zugelassen sind" (wird näher ausgeführt).

Dem ist folgendes zu entgegnen: Die Beschwerdeführerin stützt sich auf das Vorarlberger Straßengesetz, LGBl. Nr. 8/1969, (StrG). Gemäß § 36 Abs. 1 StrG dürfen, soweit im Verbauungsplan (Teilregulierung) nichts anderes bestimmt ist und soweit nicht geschlossene Bauweise besteht, an Landesstraßen innerhalb einer Entfernung von sechs Metern und an den übrigen öffentlichen Straßen innerhalb einer Entfernung von vier Metern keine Bauwerke oder sonstigen Anlagen errichtet werden. Diese Entfernung ist von der Grenze des Straßengrundstückes zu messen.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat bei Errichtung von Bauwerken oder sonstigen Anlagen, die zu Zwecken dienen, die mit einem regelmäßigen Parken oder sonst häufigen Anhalten von Fahrzeugen verbunden sind (z.B. gast- und schankgewerbliche Betriebe, Kraftfahrzeugwerkstätten, Tankstellen, Hochhäusern), die Behörde abweichend vom Abs. 1 größere Abstände vorzuschreiben, wenn sonst für die Straßenbenützer ungünstige Rückwirkungen zu erwarten sind. Kleinere Abstände kann die Behörde ausnahmsweise zulassen, wenn sich dadurch keine ungünstigen Rückwirkungen für die Straßenbenützer ergeben.

Gemäß § 51 Abs. 1 lit. b StrG ist Behörde im Sinne dieses Gesetzes, soweit es nicht etwas anderes bestimmt (was hier nicht der Fall ist), in Angelegenheiten der Gemeindestraßen der Bürgermeister.

§ 31 Abs. 6 des Vorarlberger Baugesetzes (BauG), LGBl. Nr. 39/1972 in der Fassung LGBl. Nr. 5/1989, lautet:

"Bedarf ein Vorhaben außer der Baubewilligung noch einer Bewilligung nach anderen landesrechtlichen Vorschriften, so darf die Baubewilligung erst nach Eintritt der Rechtskraft der anderen Bewilligung erteilt werden".

Der Beurteilung der Beschwerdeführerin, daß ihr im Bauverfahren als Eigentümerin des Straßengrundes und als Straßenerhalterin Parteistellung zukomme, dies auch deshalb, weil ihr Bürgermeister Straßenbehörde sei, ist nicht beizutreten. Eine solche Parteistellung ist insbesondere auch nicht aus § 36 StrG im Zusammenhalt mit § 31 Abs. 6 BauG abzuleiten. Die abweichende Beurteilung in Sprenger, Das Vorarlberger Straßengesetz, Anm. 5 zu § 36, auf die sich die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren berufen hat (siehe die Ausführungen im angefochtenen Bescheid), wonach der Straßenerhalter von der Baubehörde als Nachbar zur Bauverhandlung zu laden sei und als Eigentümer des Nachbargrundes im Baubewilligungsverfahren Parteistellung besitze (was auch in keiner Weise näher begründet wird), wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt (vgl. das

hg. Erkenntnis vom 26. April 1984, Zl. 82/06/0110, = BauSlg. Nr. 250, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. April 1978, Zl. 794/78, zur Tiroler Bauordnung). Auch wenn man mit der Beschwerdeführerin davon ausginge, daß der streitgegenständliche Werbewürfel einer Ausnahmegenehmigung nach § 36 Abs. 2 StrG bedürfe und die Baubewilligung gemäß § 31 Abs. 6 BauG mangels dieser straßenrechtlichen Genehmigung nicht hätte erteilt werden dürfen, wäre die Baubewilligung zwar insoweit objektiv rechtswidrig; die Gemeinde hat aber aufgrund des Baugesetzes kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung des § 31 Abs. 6 leg. cit.; auch aus dieser Bestimmung läßt sich keine Parteistellung der Beschwerdeführerin in diesem Baubewilligungsverfahren ableiten. Im übrigen vermag die erteilte Baubewilligung eine im Einzelfall erforderliche straßenrechtliche Bewilligung gemäß § 36 Abs. 2 StrG nicht zu ersetzen. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Parteistellung der Beschwerdeführerin in diesem Baubewilligungsverfahren verneint und ihre Berufung ohne meritorische Behandlung zurückgewiesen.

Mangels Sachentscheidung durch die belangte Behörde geht das weitere, näher ausgeführte Beschwerdevorbringen, daß die Baubewilligung rechtens gar nicht hätte erteilt werden dürfen und daß die Bezirkshauptmannschaft unzuständig gewesen sei, ins Leere, weil Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens nur die Frage sein kann, ob die belangte Behörde die Berufung zu Recht zurückgewiesen (die Sachentscheidung verweigert) hat oder nicht. Sollten hingegen diese Beschwerdeausführungen dahin zu verstehen sein, daß die belangte Behörde ungeachtet der Unzulässigkeit der Berufung verhalten gewesen wäre, sich mit dem Rechtsmittel inhaltlich auseinander zu setzen, ist dieser Beurteilung nicht beizutreten.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996060015.X00

Im RIS seit

28.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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