Entscheidungsdatum
14.10.2022Index
90/02 KraftfahrgesetzNorm
KFG 1967 §103 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pichler über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat …, vom 15.02.2022, Zl. VStV/…/2021, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Der Spruch des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses lautet wie folgt:
„Ort: … Wien, J.gasse
Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit gemäß § 9 VStG Verantwortlicher der Firma C. als Zulassungsbesitzerin des PKW mit dem Kennzeichen W-… zu verantworten, dass der mit Schreiben der LPD Wien vom 21.09.2021, zugestellt am 24.9.2021, ergangenen Aufforderung, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das angeführte Kraftfahrzeug mit dem angeführten Kennzeichen am 26.04.2021 um 11:54 in ..., H.-D.-Platz Richtung A23 gelenkt hat, nicht entsprochen wurde.
Sie haben diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt. Sie haben auch keine andere Person benannt, die die Auskunft erteilen hätte können.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
1. § 9 Abs. 1 VStG i.V.m. § 103 Abs. 2 KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 19/2019
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
1. €100,00 0 Tage(n) 20 Stunde(n) § 134 Abs. 1 KFG 1967, BGBl.
0 Minute(n) Nr. 267/1967, zuletzt
geändert durch BGBl. I Nr.
19/2019
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:
€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt
…“
In seiner frist- und formgerecht erhobenen Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, er habe die Auskunft mündlich erteilen wollen, was jedoch nicht akzeptiert worden sei. Zudem sei die Lenkeranfrage insofern unrichtig, als darin das Erfordernis der Schriftlichkeit der Lenkerauskunft behauptet werde.
In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien brachte der Beschwerdeführer vor, er habe den Termin in ein elektronisches Terminverzeichnis eingegeben und sei dann während er unterwegs war, auf den Termin aufmerksam geworden. Er habe daraufhin bei der in der Lenkeranfrage als Sachbearbeiterin angeführten Mitarbeiterin der LPD Wien angerufen, um die Auskunft fernmündlich zu erteilen. Diese habe ihm aber gesagt, es sei nur eine schriftliche Auskunftserteilung möglich.
Aufgrund des Akteninhaltes und des Ergebnisses des Beweisverfahrens ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Das Unternehmen, dessen Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist, wurde mit Lenkeranfrage vom 03.08.2021 als Zulassungsbesitzerin eines näher bestimmten Kraftfahrzeuges aufgefordert, der Behörde schriftlich (wenn möglich unter Benützung des beigelegten bzw. auf der Rückseite befindlichen Vordruckes oder über das Internet mit Hilfe eines Web-Formulars) Auskunft darüber zu erteilen, wer das auf die Gesellschaft zugelassene, durch das behördliche Kennzeichen spezifizierte Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer in der Lenkanfrage genannten Örtlichkeit gelenkt hat.
Der Beschwerdeführer hat am letzten Tag der zweiwöchigen Frist die Sachbearbeiterin der Landespolizeidirektion Wien, deren Namen und Kontaktdaten auf der Lenkeranfrage angeführt sind, fernmündlich kontaktiert, um die Lenkerauskunft zu erteilen. Dabei wurde ihm jedoch mitgeteilt, dass eine Auskunft nur schriftlich oder mittels Web-Formulars erteilt werden könne.
Die Lenkerauskunft wurde nicht schriftlich erteilt.
Diesen Sachverhaltsfeststellungen konnten die schlüssigen Angaben des Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung zugrunde gelegt werden.
Eine Anfrage des Verwaltungsgerichtes Wien bei der genannten Sachbearbeiterin ergab, dass diese von einer Verpflichtung, die Auskunft schriftlich oder unter Verwendung des bereitgestellten Web-Formulars zu erteilen, ausgegangen ist und eine in diese Richtung gehende Rechtsauskunft - ohne sich an das Telefonat mit dem Beschwerdeführer konkret erinnern zu können – für mit ihrer bisherigen Rechtsmeinung dazu in Einklang sieht.
Dem diesbezüglichen, schlüssigen Vorbringen des Beschwerdeführers konnte daher nicht entgegengetreten werden.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
§ 103 Abs. 2 KFG lautet wie folgt:
„(2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.“
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stehen zur Erfüllung der Auskunftspflicht im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG verschiedene Handlungsalternativen zur Verfügung. Die Auskunft kann mündlich, schriftlich, durch Abgabe in der zuständigen Kanzleistelle, durch Einwurf in einen vorhandenen Einlaufkasten, per Post oder auch fernmündlich erteilt werden (vgl. VwGH 12.12.2001, Zl. 2001/03/0137 und Andere).
Der Beschwerdeführer ist mit seinem Beschwerdevorbringen, wonach es unrichtig ist, wenn die Behörde in der Lenkeranfrage die schriftliche Auskunftserteilung verlangt, im Recht. Dieser Umstand macht eine ansonsten gesetzeskonforme Anfrage jedoch nicht gesetzeswidrig (vgl. dazu VwGH 07.03.2016, Zl. Ra 2016/02/0006) und löst die aus § 103 Abs. 2 KFG resultierende Verpflichtung zur Auskunftserteilung aus. Die Behörde ist allerdings gehalten, Lenkerauskünfte auch in anderer als der von ihr gewünschten Form – etwa mündlich – entgegenzunehmen (vgl. VwGH 18.01.1084, 83/03/0256).
Da aufgrund der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer die Lenkerauskunft bei der zuständigen Sachbearbeiterin fernmündlich erteilen wollte und die Auskunft aufgrund einer rechtsirrigen Auslegung des Regelungssystems des § 103 Abs. 2 KFG nicht entgegengenommen wurde, hat der Beschwerdeführer die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen, weshalb das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis spruchgemäß zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs. 8 VwGVG.
Die Entscheidung orientiert sich an der umfangreichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Regelungssystem des § 103 Abs. 2 KFG, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor, weshalb die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen war.
Schlagworte
Auskunftspflicht; Handlungsalternativen; Lenkerauskunft; Form; rechtsirrige Auslegung; fernmündlichEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.V.015.7591.2022Zuletzt aktualisiert am
22.11.2022