TE Lvwg Erkenntnis 2022/11/14 LVwG-401-1/2021-R18

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Veröffentlicht am 14.11.2022
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Entscheidungsdatum

14.11.2022

Norm

AWG 2002 §3 Abs1 Z2
  1. AWG 2002 § 3 heute
  2. AWG 2002 § 3 gültig ab 11.12.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 200/2021
  3. AWG 2002 § 3 gültig von 21.06.2013 bis 10.12.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 103/2013
  4. AWG 2002 § 3 gültig von 16.02.2011 bis 20.06.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 9/2011
  5. AWG 2002 § 3 gültig von 18.11.2009 bis 15.02.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 115/2009
  6. AWG 2002 § 3 gültig von 12.07.2007 bis 17.11.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 43/2007
  7. AWG 2002 § 3 gültig von 01.04.2006 bis 11.07.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 34/2006
  8. AWG 2002 § 3 gültig von 01.01.2005 bis 31.03.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 155/2004
  9. AWG 2002 § 3 gültig von 02.11.2002 bis 31.12.2004

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Magdalena Honsig-Erlenburg über die Beschwerde der Gemeinde A, vertreten durch die Blum, Hagen & Partner Rechtsanwälte GmbH, Feldkirch, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 18.01.2021 betreffend eine Feststellung der Abfalleigenschaft nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Feststellungsbescheides dahingehend abgeändert, dass dieser zu lauten hat:

Gemäß § 6 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 1 iVm § 3 Abs 1 Z 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl I Nr 102/2002, idF BGBl I Nr 200/2021, wird auf Antrag der Gemeinde A festgestellt, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Waschschlamm, welcher bei der Wiederverfüllung der beim Kiesabbau entstehenden Geländemulde auf GST-NR XXX, KG A, verwendet wird, nicht um Abfall iSd Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 handelt.“

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

Begründung

1.   Mit angefochtenem Bescheid wurde gemäß § 6 Abs 1 Z 1 iVm § 5 Abs 1 und § 2 Abs 5 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl I Nr 102/2002, idgF, auf Antrag der Gemeinde A festgestellt, dass es sich nach Maßgabe des im angefochtenen Bescheides festgestellten Sachverhaltes, dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 02.02.2009 und dem Vertrag zwischen der Gemeinde A und der Firma K GmbH vom 08.04.2009, bei dem verfahrensgegenständlichen Waschschlamm, welcher bei der Wiederverfüllung der beim Kiesabbau entstehenden Geländemulde auf dem GST-NR XXX, KG A, verwendet werde, um Abfall im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 handle.

Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die K GmbH bei der Übergabe der Waschschlämme an die Gemeinde A in Entledigungsabsicht gehandelt habe. Es sei somit der subjektive Abfallbegriff des § 2 Abs 1 AWG 2002 erfüllt. Weiteres liege keine Ausnahme vom Geltungsbereich des AWG 2002 vor. Gemäß dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 02.02.2009 sei die Verwendung des Waschschlamms im Zuge der Wiederverfüllung der Geländemulde zulässig. Die Bezirkshauptmannschaft sei damit erkennbar von einer stofflichen Verwertung ausgegangen.

2.1.1. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt sie im Wesentlichen vor, dass die Beschwerdeführerin aufgrund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft F vom 02.02.2009 auf GST-NR XXX, KG A, einen Kies- und Sandabbau (Nassbaggerung) mit anschließender Wiederverfüllung der entstehenden Geländemulde betreibe. Die Genehmigung sei nach den Bestimmungen des Mineralrohstoffgesetzes, des Wasserrechtsgesetzes sowie nach dem Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung erteilt worden. Die Beschwerdeführerin arbeite mit der K GmbH, A, zusammen. Die K GmbH sei rechtsgeschäftlich berechtigt und verpflichtet, den Kiesabbau entsprechend den behördlichen Bewilligungen durchzuführen. Die Wiederverfüllung sei nach den getroffenen Vereinbarungen ausschließlich Sache der Beschwerdeführerin.

Beim verfahrensgegenständlich anfallenden Waschschlamm handle es sich um keinen Abfall. Es sei im angefochtenen Bescheid richtig ausgeführt worden, dass die Nassbaggerung der Beschwerdeführerin nach dem Mineralrohstoffgesetz, dem Wasserrechtsgesetz und dem Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung genehmigt worden sei. Es handle sich dabei um einen Bergbaubetrieb. Dieser Betrieb bestehe darin, dass zunächst im Wege der Nassbaggerung Kies bzw kiesiges Material gewonnen und sodann die entstehende Geländemulde wieder renaturiert werde, indem geeignetes Material zur Verfüllung eingebaut werde. Zum Bergbaubetrieb gehöre nicht nur der Abbau, sondern auch die Wiederverfüllung und Renaturierung.

Beim Gewinnen von Kies falle zwingend Waschschlamm an. Ein Teil desselben würde schon direkt bei der Baggerung wieder zurück in den Aushub gelangen, ein weiterer Teil falle bei der Aufbereitung, nämlich beim Waschen an. Zweifelsfrei unterliege die Tätigkeit des Gewinnens von Kiesmaterial den Bestimmungen des Mineralrohstoffgesetzes, weshalb das Projekt auch nach dessen Vorschriften genehmigt sei. Der Waschschlamm, der zwingend anfalle, werde im Bergbaubetrieb, nämlich in der entstehenden Geländemulde abgelagert. Damit seien sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs 1 Z 3 AWG 2002 erfüllt. Ob der Waschschlamm bei der Ausbaggerung selbst, bei der Aufbereitung auf einer Anlage im Eigentum des Bewilligungswerbers oder sonst einer Anlage oder auch, ob ein Eigentümerwechsel am Waschschlamm stattgefunden habe oder nicht, sei für die Beurteilung der Frage des Bestehens des Ausnahmetatbestandes des § 3 Abs 1 Z 3 AWG 2002 irrelevant. Es gehe ausschließlich um die Stoffströme, welche bei der bergbaulichen Tätigkeit stattfinden würden. Der Stoffstrom sei im Hinblick auf den Waschschlamm geschlossen. Das Material werde beim Gewinnen entnommen, beim Aufbereiten fraktioniert und sodann in unbehandeltem Zustand „Cradle to Cradle“ wieder für den bescheidmäßig vorgeschriebenen Zweck der Renaturierung eingebaut. Für die Auslegung sei insbesondere der Zweck der Norm heranzuziehen. Der Zweck des § 3 Abs 1 Z 3 AWG 2002 bestehe darin, die Ziele des Abfallwirtschaftsgesetzes, welche in § 1 AWG 2002 definiert seien, in Bezug auf Bergbaubetriebe umzusetzen. Wenn Materialien, welche aus dem Abbau stammen, die keine verkehrsfähigen Produkte darstellen würden, im Bergbaubetrieb verwendet oder abgelagert werden würden, würden damit insbesondere Emissionen geringgehalten, aber auch Ressourcen geschont und die Stoffe einer stofflichen Verwertung zugeführt werden. Gerade dies sei beim gegenständlichen Waschschlamm und seiner Verwertung der Fall. Das Abfallwirtschaftsrecht insgesamt und das AWG 2002 würden den Umweltschutz und die Ressourcenschonung bezwecken. Lege man die Ziele und Grundsätze des § 1 AWG somit zur Interpretation des § 3 Abs 1 Z 3 AWG 2002 an, stehe es unzweifelhaft fest, dass es sich beim gegenständlichen Waschschlamm um keinen Abfall handeln könne.

Auch die weitere infrage kommende Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 1 Z 8 AWG 2002 finde auf den gegenständlichen Waschschlamm Anwendung. Die Kiesentnahme mittels Schwimmbagger sei eine bauliche Tätigkeit. So nenne etwa § 1 Abs 1 lit b des Vorarlberger BauG Bergwerke ausdrücklich als Bauvorhaben. § 2 Abs 1 lit e des Vorarlberger BauG definiere Bauvorhaben als die Errichtung, die Änderung oder den Abbruch von Bauwerken. Bauwerke nach § 2 Abs 1 lit f des Vorarlberger BauG seien Anlagen, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich seien und die mit dem Boden in Verbindung stehen würden. Zweifelsfrei bedürfe es für einen Kiesaushub und die Wiederverfüllung bautechnischer Kenntnisse. Die Abbaumulde sei mit dem Boden in Verbindung stehend. Bauarbeiten seien also nicht nur solche, bei denen ein Objekt errichtet werde, sondern auch sonstige bauliche Tätigkeiten, welche bautechnische Kenntnisse erfordern würden.

Zusammenfassend leide der bekämpfte Bescheid unter Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin stelle daher die Anträge, das Verwaltungsgericht möge den bekämpften Bescheid dahingehend abändern, dass gemäß § 6 Abs 1 Z 1 iVm § 3 Abs 1 AWG 2002 festgestellt werde, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Waschschlamm, welcher bei der Wiederverfüllung der beim Kiesabbau entstehenden Geländemulde auf GST-NR XXX, KG A, verwendet werde, nicht um Abfall iSd Abfallwirtschaftsgesetzes handle; in eventu das Verwaltungsgericht möge den bekämpften Bescheid aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an den Landeshauptmann Vorarlberg zurückverweisen und jedenfalls eine mündliche Verhandlung anberaumen.

2.1.2. Mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 21.07.2020 wurde eine Pressemitteilung des Gerichtshofes der Europäischen Kommission vom 22.06.2022 hinsichtlich der Interpretation der Richtlinie 2008/98 zur Kenntnis übermittelt.

2.1.3. Mit Schreiben vom 13.09.2022 führte die Beschwerdeführerin ergänzend aus, dass für die Beurteilung der Frage, ob der gegenständliche Waschschlamm Abfall sei oder nicht, insbesondere auch die Richtlinie 2008/98 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle heranzuziehen sei.

Nach Art II Abs 2 lit c dieser Richtlinie seien nicht kontaminierte Böden und andere natürlich vorkommende Materialien, die im Zuge von Bauarbeiten ausgehoben werden würden, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen, sofern sicher sei, dass die Materialien in ihrem natürlichen Zustand an dem Ort, an dem sie ausgehoben worden seien, für Bauzwecke verwendet werden würden.

Beim Waschschlamm handle es sich zweifelsfrei um natürlich vorkommendes Material, das im Zuge der Kiesförderung – also der Bauarbeit – ausgehoben worden sei, wobei es von vorneherein festgestanden sei und sicher gewesen sei, dass das Material im natürlichen Zustand an den Ort, an dem es ausgehoben worden sei, nämlich bei der entstehenden Geländemulde, für Bauzwecke – sprich zum Zweck der Wiederverfüllung und Renaturierung – verwendet werde. Die Richtlinienbestimmung sei im § 3 Abs 1 Z 8 AWG 2002 übernommen worden. Bei europarechtskonformer Interpretation der Gesetzesbestimmung müsse zur Auffassung gelangt werden, dass es sich beim gegenständlichen Waschschlamm nicht um Abfall handle.

Relevant sei auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu den Begriffen „Abfall“ und „Nebenprodukt“. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes seien zur Beurteilung der Frage, ob es sich bei einem Stoff oder Gegenstand um Abfall handle, sämtliche Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, wobei dabei die Zielsetzung der Richtlinie 2008/98 zu berücksichtigen und darauf zu achten sei, dass ihre Wirksamkeit nicht beeinträchtigt werde; Urteil vom 04.07.2019, Tronex (C-624/17, EU:C:2019:564, Rn 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Antragstellerin und auch die mit der Aufbereitung des kiesigen Materials beschäftigte K GmbH würden den Waschschlamm nicht als Rückstand oder Last betrachten, sondern es sei von vorneherein klar, dass dieses Material für die Rekultivierung des Aushubes, welche behördlich vorgeschrieben ist, verwendet werden solle. Das Material könne unter den vorliegenden Bedingungen somit für den bestimmten Zweck der Rekultivierung genutzt werden, sodass Abfall überhaupt nicht entstehe, weil in weiterer Folge auch eindeutig feststehe, dass eine Beseitigung des Materials zum Schutz von Menschen oder der Umwelt nicht erforderlich sei. Dem Grundsatz des europäischen Abfallrechtes „Verwertung vor Entsorgung“ sei damit entsprochen.

Ungeachtet dessen erfülle der Waschschlamm die Voraussetzungen nach Art 5 Abs 1 der Richtlinie 2008/98 und nachfolgend die Kriterien des § 2 Abs 3a AWG 2002 als Nebenprodukt. Beim Waschschlamm sei sicher gewesen und sei es nach wie vor sicher, dass der Stoff zur Renaturierung des Aushubes weiterverwendet werde. Eine weitere Verarbeitung sei nicht notwendig und erfolge nicht. Waschschlamm entstehe beim Waschen des ausgehobenen Materials und sei somit integraler Bestandteil des Herstellungsprozesses des Kieses und Sandes. Die weitere Verwendung sei nach dem Bewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft F zulässig, nachdem das Material aus dem Aushub selbst stamme und demgemäß auch keine Schutzgüter durch die Verwendung beeinträchtigt werden könnten. Auch unter diesem Gesichtspunkt entstehe mit dem Waschschlamm kein Abfall iSd abfallrechtlichen nationalen und internationalen Vorschriften.

Selbst wenn man trotz all dem Vorgebrachten davon ausgehen wollte, dass es sich beim Waschschlamm zu irgendeinem Zeitpunkt um Abfall handle, würde diese Eigenschaft durch die Einbringung in den Abbau enden. Das Abfallende nach Art 6 der Richtlinie 2008/98 und nach § 5 AWG trete ein, wenn ein Abfall als Altstoff unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten für einen bestimmten Zweck verwendet werde. Alternativ zur Verfüllung des Aushubes mit Waschschlamm komme Bodenaushubmaterial definierter Qualitätsklassen zum Einsatz. Einer weiteren Vorbereitung des Materials bedürfe es nicht. Spätestens mit der Einbringung des Waschschlammes in die entstandene Geländemulde würde eine allfällige Abfalleigenschaft enden.

Eine aktuelle und ausführliche Interpretation der Richtlinie 2008/98 finde sich in den Schlussanträgen der Generalanwältin vom 22.06.2022 in der Rechtsache C-238/21 P GmbH gegen Bezirkshauptmannschaft G. Auf die dortigen Ausführungen werde ergänzend verwiesen.

Zum Verbot der Deponierung von Abfällen im Grundwasser werde Folgendes ausgeführt: Die Beschwerdeführerin betreibe aufgrund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft F vom 02.02.2009 auf GST-NR XXX, GB A, den gegenständlichen Kies- und Sandabbau (Nassbaggerung) mit anschließender Wiederverfüllung der entstehenden Geländemulde. Auf Seite 6 des Bescheides sei im Absatz drei ausdrücklich ausgeführt, dass der anfallende Waschschlamm im Zuge der Wiederverfüllung im Abtragsgebiet wieder eingefüllt werde. Das Abtragungsgebiet befinde sich im unmittelbaren Grundwasserbereich. Bei dieser Verwendung des Waschschlammes handle es sich - wenn überhaupt Abfall vorliegen würde - in jedem Fall um eine stoffliche Verwertung im Sinne des § 1 Abs 5 Z 5 AWG. Dieser werde als Altstoffe iSd § 2 Abs 4 Z 1 AWG einer im Bewilligungsbescheid vorgesehenen zulässigen Verwertung zugeführt. Das Abfallende nach § 5 AWG trete mit der Verwendung als Substitution von Rohstoffen oder aus ihnen gewonnenen Stoffen – das sei das Einfüllen in den Aushub - ein. Wolle man keine Verwertung annehmen, würde eine Entsorgung und zwar eine Deponierung des Waschschlammes iSd § 2 Abs 7 Z 3 AWG vorliegen. Eine solche sei nach § 21 Abs 2 Z 6 der DeponieVO im Grundwasser unzulässig. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Bezirkshauptmannschaft F als Bewilligungsbehörde eine unzulässige Deponierung genehmigen wollte. Vielmehr sei auch die Bezirkshauptmannschaft F demgemäß offensichtlich davon ausgegangen, dass es sich beim Waschschlamm um keinen Abfall handle oder zumindest eine zulässige Verwertung vorliege, womit der Waschschlamm mit der Einfüllung in den Aushub, seine Abfalleigenschaft wiederum verloren hätte.

2.2. Mit Schreiben vom 22.09.2022 replizierte die belangte Behörde hierzu Folgendes:

1. Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands des § 3 Abs 1 Z 3 AWG 2002

Keine Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Abfälle, die unmittelbar beim Aufsuchen, Gewinnen, Speichern oder Aufbereiten mineralischer Rohstoffe anfallen (bergbauliche Abfälle), sofern diese Tätigkeiten dem Mineralrohstoffgesetz, BGBl. I Nr. 38/1999, unterliegen und diese Abfälle innerhalb eines Bergbaubetriebs verwendet oder abgelagert werden; keine bergbaulichen Abfälle sind Abfälle, die nicht direkt auf diese Tätigkeiten zurückzuführen sind.

Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs 1 Z 3 AWG 2002 gilt nur für Abfälle, die bei Tätigkeiten entstehen, die dem MinroG unterliegen. Die Aufbereitung des abgebauten Kieses, bei welcher der gegenständliche Waschschlamm entsteht, erfolgt durch die K GmbH, A, in einer gewerbebehördlich genehmigten Anlage und somit außerhalb des MinroG-Regimes. Der Ausnahmetatbestand kommt daher nicht zur Anwendung.

2. Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands des § 3 Abs 1 Z 8 AWG 2002

Keine Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind nicht kontaminierte Böden und andere natürlich vorkommende Materialien, die im Zuge von Bauarbeiten ausgehoben wurden, sofern sichergestellt ist, dass die Materialien in ihrem natürlichen Zustand an dem Ort, an dem sie ausgehoben wurden, für Bauzwecke verwendet werden.

Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs 1 Z 8 AWG 2002 gilt nur für Bodenaushub, der in seinem natürlichen Zustand am Aushubort wiederverwendet werden. In gegenständlichem Fall wurde mittels eines Sieb- und Waschvorganges der verwertbare Anteil des Bodenaushubs vom nicht verwertbaren getrennt. Letzterer liegt am Ende des Aufbereitungsprozesses in Form des gegenständlichen Waschschlamms vor, welcher nur mehr ca 5 % des ursprünglichen Materials ausmacht. Das Material befindet sich folglich nicht mehr in seinem natürlichen Zustand.

Der Ausnahmetatbestand findet folglich keine Anwendung.

3. Zulässigkeit einer Verwertung gemäß § 15 Abs 4a AWG 2002

Eine Verwertung ist nur zulässig, wenn der betreffende Abfall unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar ist und keine Schutzgüter (im Sinne von § 1 Abs. 3) durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden können, sowie durch diese Maßnahme nicht gegen Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen einschließlich des Bundes-Abfallwirtschaftsplans verstoßen wird.

Eine stoffliche Verwertung (§ 2 Abs 5 Z 5 AWG 2002) und damit ein Abfallende (§ 5 AWG 2002) ist nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs 4a AWG 2002 möglich. Somit sind unter anderem die Vorgaben des Bundes-Abfallwirtschaftsplans einzuhalten:

- In Kapitel 7.8.5. des Bundes-Abfallwirtschaftsplans ist für den Fall, dass Aushubmaterial verwertet werden soll, vorgesehen, dass für dieses Material eine grundlegende Charakterisierung inklusive chemischer Analysen durch eine externe befugte Fachperson oder Fachanstalt, die für die Durchführung von grundlegenden Charakterisierungen gemäß Deponieverordnung 2008 berechtigt ist, durchzuführen ist.

- In Kapitel 7.8.1. führt der Bundes-Abfallwirtschaftsplan die einzuhaltenden Qualitätsklassen für eine Untergrundverfüllung weiter aus.

Entsprechende Analysen und Charakterisierungen (Beurteilungsnachweis) liegen für gegenständlichen Waschschlamm aber nicht vor, womit eine stoffliche Verwertung ausgeschlossen ist.

Hier zeigt sich auch der Unterschied zu den Ausführungen in den Schlussanträgen der Generalanwältin vom 22.06.2022 in der Rechtsache C-238/21 vor dem EuGH: vor dem Einbau fand keine Überprüfung und Einstufung des gegenständlichen Waschschlammes statt.

4. Einstufung als Nebenprodukt gemäß § 2 Abs 3a AWG 2002

Ein Stoff oder Gegenstand, der das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens ist, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstands ist, gilt als Nebenprodukt und nicht als Abfall, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1. es ist sicher, dass der Stoff oder Gegenstand weiterverwendet wird;

2. der Stoff oder Gegenstand kann direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwendet werden;

3. der Stoff oder Gegenstand wird als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt und

4. die weitere Verwendung ist zulässig, insbesondere ist der Stoff oder Gegenstand unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar, es werden keine Schutzgüter (vergleiche § 1 Abs. 3) durch die Verwendung beeinträchtigt und es werden alle einschlägigen Rechtsvorschriften eingehalten.

Der Besitzer des Stoffes oder Gegenstandes hat die Erfüllung aller Voraussetzungen nachzuweisen. Die Nachweise sind mindestens sieben Jahre aufzubewahren und den Behörden auf Verlangen vorzulegen.

Wie bereits im vorhergehenden Punkt ausgeführt, wurde für den gegenständlichen Wasch- schlamm keine entsprechenden Analysen und Charakterisierungen durchgeführt. Die Vorschriften des § 15 Abs 4a AWG 2002 sind somit nicht eingehalten. Damit ist nicht sichergestellt, dass der Waschschlamm hinsichtlich der zu berücksichtigenden Schutzgüter unbedenklich für die Verfüllung ist. Der Waschschlamm ist somit nicht als Nebenprodukt einzustufen.

3.   In der gegenständlichen Angelegenheit wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:

3.1.1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 02.02.2009 wurde der Gemeinde A gemäß §§ 80 ff und 113 ff des Mineralrohstoffgesetzes, BGBl I Nr 38/1999, idgF, iVm §§ 93, 94 und 99 Arbeitnehmerinnenschutzgesetz, BGBl Nr 450/1994, idgF, die Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes für den Abbau von Kies und Sand (Nassbaggerung) im Umfang von 230.000 m³ mit anschließender Wiederverfüllung der entstehenden Geländemulde (274.000 m³) nach Maßgabe des festgestellten Sachverhaltes sowie der eingereichten Plan- und Beschreibungsunterlagen der G GmbH, F vom 16.03.2007 sowie teilweise ergänzt am 14.11.2008, auf GST-NR XXX, KG A, unter Auflagen erteilt.

Es wurden ua abfalltechnische Auflagen vorgeschrieben: So dürfen zur Wiederverfüllung ausschließlich nicht verunreinigtes Bodenaushubmaterial bzw nicht verunreinigte Bodenbestandteile verwendet und eingebaut werden, die der Abfallschlüssel-Nr 31411, Spezifizierung 32 und 30, gemäß Abfallverzeichnisverordnung entsprechen. In Bereichen in denen keine landwirtschaftliche Nutzung erfolgt, kann ab 1 m oberhalb des höchsten Grundwasserspiegels auch Bodenaushubmaterial der Abfallschlüssel-Nr 31411, Spezifizierung 29 und 31, gemäß der Abfallverzeichnisordnung verwendet werden.

Auszug Abfallverzeichnisverordnung:

Waschschlamm fällt in keine dieser Kategorien. Auf Seite 6 des Bescheides ist im Absatz drei im Zuge der Sachverhaltsfeststellungen ausdrücklich angeführt, dass der anfallende Waschschlamm im Zuge der Wiederverfüllung im Abtragsgebiet wieder eingebaut wird.

3.1.1.2. Zudem wurde nach §§ 32, 105 und 111 Wasserrechtsgesetz 1959, idgF, die wasserrechtliche Bewilligung für das gegenständliche Vorhaben unter Auflagen erteilt und die wasserrechtliche Bewilligung für die Kiesentnahme bis 31.12.2016 und für die Wiederverfüllung bis 31.12.2022 befristet.

3.1.1.3. Schließlich wurde gemäß §§ 33 Abs 1 lit j und 35 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung, LGBl Nr 22/1997, idgF, die nach diesem Gesetz erforderliche Bewilligung für das gegenständliche Vorhaben unter Auflagen erteilt.

3.1.2. Am 08.04.2009 schlossen die Gemeinde A (nunmehr die Beschwerdeführerin) und die K GmbH einen Vertrag über den Abbau von Kiesmaterial auf dem GST-NR XXX, KG A. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der EZl YY, KG A, zu der auch die GST-NR XXX, KG A, gehört. Der K GmbH wurde das Recht eingeräumt, nach Maßgabe des oben genannten Bescheides, auf einem im Vertrag näher bestimmten Teil der GST-NR XXX, KG A, Kiesmaterial abzubauen. Dieser Vertrag wurde anhand einer gemeinsamen Erklärung der Vertragsbestandteile vom 11.03.2020 verlängert.

3.1.3.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 27.06.2017 wurde der K GmbH gemäß §§ 21 Abs 3, 10, 105 und 111 Wasserrechtsgesetz 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für eine Grundwasserentnahme aus zwei Grundwasserbrunnen (Brauchwasserzwecke) nach Maßgabe des im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 10.02.1997 und des Wiederverleihungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft F vom 18.10.2011 sowie nach Maßgabe des eingereichten Projektes vom 01.03.2017 unter Auflagen wiederverliehen.

3.1.3.2. Zudem wurde gemäß §§ 21, 32, 105 und 111 Wasserrechtsgesetz 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für das Absetzbecken und die veränderte Ableitung von Kieswaschwässern nach Maßgabe des im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 10.02.1997 und des Wiederverleihungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft F vom 18.10.2011 sowie nach Maßgabe des eingereichten Projektes vom 01.03.2017 unter Auflagen wiederverliehen.

Diese wasserrechtlichen Bewilligungen wurden gemäß § 21 Wasserrechtsgesetz 1959 bis zum 31.12.2027 befristet.

3.1.3.3. Gemäß §§ 24 Abs 1 und 2 und 35 Abs 1 Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung wurde die nach diesem Gesetz erforderliche Bewilligung für das Absetzbecken bzw die geänderte Ableitung der Kieswaschwässer nach Maßgabe des im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 10.02.1997 und des Wiederverleihungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft F vom 18.10.2011 sowie nach Maßgabe des eingereichten Projektes vom 01.03.2017 befristet bis zum 31.12.2027 erteilt.

3.1.3.4. Zudem wurde mit Bescheid der der Bezirkshauptmannschaft F vom 17.03.1960 die Baubewilligung und gewerberechtliche Genehmigung für die Erweiterung der Kiesaufbereitungsanlage erteilt.

3.1.4. Am 03.04.2020 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, der Landeshauptmann von Vorarlberg wolle gemäß § 6 Abs 1 AWG 2002 feststellen, dass der beim Kies- und Sandabbau mit anschließender Wiederverfüllung der entstehenden Geländemulde auf GST-NR XXX, KG A, sowie der bei der Aufbereitung des gewonnenen Materials anfallende Waschschlamm, welcher im Zuge der Wiederverfüllung im Abtragungsgebiet wieder eingebaut werde, kein Abfall gemäß § 2 Abs 1 AWG 2002 sei. Das Feststellungsinteresse dieses Antrages wurde damit begründet, dass im Zuge der laufenden Überprüfung und aufgrund der Antragstellung für ein weiteres Projekt Kontakt mit der zuständigen Bezirkshauptmannschaft aufgenommen worden sei. Es stellte sich die Frage, ob in die abfalltechnischen Auflagen des Bescheides vom 02.02.2009 auch eine Schlüsselnummer für Waschschlamm aufzunehmen sei. Die Behörde habe mitgeteilt, dass dies erforderlich sei. Da es sich nach Ansicht der Antragstellerin beim gegenständlichen Waschschlamm um keinen Abfall handle, müsse auch keine Schlüsselnummer für ebendiesen aufgenommen werden. Im Bescheid vom 02.02.2009 sei ausgeführt worden, dass der anfallende Waschschlamm im Zuge der Wiederverfüllung im Abtragungsgebiet wieder eingebaut werde. Aus diesem Grund bestehe für die Beschwerdeführerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass es sich gegenständlichen Waschschlamm um keinen Abfall handle.

3.2. Die K GmbH, A, betreibt auf der Liegenschaft GST-NR XXX, KG A (S), einen Kies- und Sandabbau. Dieser wurde der K GmbH von der Gemeinde A verpachtet. Die Aufbereitungsanlage wird von der K GmbH betrieben.

Die Wiederverfüllung der durch den Kies- und Sandabbau entstandenen Geländemulde mit Aushubmaterial oder sonstigen genehmigten Material erfolgt durch die Gemeinde A selbst. Die K GmbH ist berechtigt, den aufgrund der Aufbereitung entstandenen Waschschlamm in die entstehende Geländemulde rückzuführen (vgl Vertrag zwischen der Gemeinde A und der K GmbH vom 08.04.2009).

Das Abbaugebiet von 2,13 ha liegt zwischen dem K Kanal und dem A und schließt unmittelbar östlich an das mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 27.02.2003 bewilligte Abbaufeld an.

3.3. Der gegenständliche Waschschlamm entsteht durch folgenden Vorgang:

Der Schwimmbagger schöpft mit einem Greifer das Abtragungsmaterial aus der Kiesgrube auf einen Rost. Durch den Rost werden alle Steine, die größer als 120 mm sind (nicht verwertbare Lehmbrocken) und Schlurf-Ton-Bestandteile aussortiert, auf dem Schiff gesammelt und als Wiederverfüllung verwendet. Vom Rost führt ein Förderband zu einem Umladeplatz auf Land. Von dort wird das Material mit Radlader auf Muldenkippen und Vierachser verladen und direkt in die Aufbereitung des Kieswerks der K GmbH transportiert. Die Transportdistanz beträgt ca 250 m.

Das Material wird über eine Wasch- und Sortieranlage geführt. Über die Wasch- und Sortieranlage werden ausschließlich Materialien, welche im gegenständlichen Kiesabbau der Beschwerdeführerin gewonnen werden, geführt. Kies und Sand werden in Fraktionen sortiert. Der Feinkornanteil wird vom Grobkornanteil getrennt. Der Grobkornanteil stellt das eigentliche Produkt „Kies“ dar. Zur Trennung des Fein- und Grobkornanteils wird Wasser verwendet. Dies nimmt im Waschprozess den Feinkornanteil auf und wird in flüssiger Form in ein Absetzbecken geleitet. Im Becken setzt sich der im Waschprozess ausgewaschene Feinkornanteil ab. Dadurch füllt sich das Absetzbecken fortschreitend mit Feinkornanteil bzw Waschschlamm. Der Waschschlamm führt in ein erstes Absetzbecken und von dort über eine Rohrleitung in das zweite Absetzbecken. Das abfallende Überwasser versickert im zweiten Absetzbecken (vgl Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 27.06.2017). Um das Absatzbecken weiter zu verwenden, ist es erforderlich, dieses bei Bedarf zu räumen und den abgesetzten Waschschlamm zu entnehmen. Nach entsprechender Entwässerung wird der abgetrocknete Waschschlamm, welcher nicht als Kies oder Sand verwertbar ist, im Zuge der Wiederverfüllung der Geländemulde wieder eingebaut. Eine sonstige Verwendung des Waschschlammes findet nicht statt.

Da 90 % der Abbaumenge in der Aufbereitungsanlage verwertet werden können, können 10 % zur Wiederverfüllung verwendet werden, wobei durch die Aufbereitung ca 5 % der Entnahmeenge als Waschschlamm anfallen (ca 10.380 m³). Zur Wiederverfüllung werden somit alle Steine, die größer als 120 mm sind, Schlurf-Ton-Bestandteile und Waschschlamm verwendet.

3.4. Beim Sortieren und Waschen sowie auch Trocknen werden keine Vermischungen mit anderen Materialien vorgenommen und keine Hilfs- und Zusatzstoffe (insbesondere keine Flockungsmittel) eingesetzt. Hinsichtlich des Waschschlammes besteht ein geschlossener Stoffstrom von der Ausbaggerung bis zur Wiederverfüllung: Der Kies als mineralischer Rohstoff wird entnommen und im naheliegenden Kieswerk aufbereitet. Im Rahmen der Aufbereitung wird das Rohmaterial gewaschen. Das „Waschwasser“ wird in Absetzbecken geleitet und der abgesetzte Waschschlamm entnommen. Der gesamte Waschschlamm wird in der ursprünglichen Entnahmestelle wiederverfüllt. Der Waschschlamm ist auf die Aufbereitung des Kieses zurückzuführen, da es eine unmittelbare Folge des Waschprozesses für die Trennung von Fein- und Grobkorn darstellt, dass dieser Waschschlamm als Produktionsrückstand entsteht und somit als begleitende bzw nachfolgende Tätigkeit der Aufbereitung zu sehen ist.

4.   Dieser Sachverhalt wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund des Behördenaktes, des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft F vom 02.02.2009 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft F vom 27.06.2017 des Vertrags zwischen der Gemeinde A und der K GmbH vom 08.04.2009 und aufgrund der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 29.09.2022 sowie der Stellungnahme des abfalltechnischen Amtssachverständigen vom 16.09.2022, als erwiesen angenommen.

4.1 Die Stellungnahme des abfalltechnischen Amtssachverständigen Ing. K S vom 16.09.2022, welche im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung erörtert wurde, lautet wie folgt:

Mit Schreiben vom 01.09.2022, Zahl: LVwG-401-1/2021-R18, übermitteln Sie in der gegenständlichen Sache die Einladung zur mündlichen Verhandlung am 29.09.2022, 13.30 Uhr.

Sie ersuchen um Teilnahme und um Erstattung einer Stellungnahme zu den Beschwerdevorbringen, insbesondere zu begutachtende Fragen:

1. Zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort entsteht der verfahrensgegenständliche Waschschlamm?

2. Fällt der Waschschlamm im Zuge der Aufbereitung von Kies an?

3. Ist der Stoffstrom im Hinblick auf den Waschschlamm geschlossen?

4. Wird der gesamte entwässerte Waschschlamm in die Geländemulde auf GST-Nr. XXX, KG A, verfüllt?

5. Wird neben dem Waschschlamm noch weiteres Aushubmaterial zur Wiederverfüllung der Geländemulde verwendet?

Mit E-Mail vom 14.09.2022 übermitteln Sie in Ergänzung zur Beschwerde vom 08.02.2021 einen Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 13.09.2022.

In der Beschwerde vom 08.02.2021 argumentiert die Beschwerdeführerin in erster Linie damit, dass es sich beim gegenständlichen Waschschlamm um keinen Abfall im Sinne des AWG 2002 handelt, da die Ausnahme gemäß § 3 Abs 1 Z 3 AWG 2002 gilt. In diesem Zusammenhang ersuchen Sie um Beantwortung der folgenden Fragen:

1. Zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort entsteht der verfahrensgegenständliche Waschschlamm?

Im Rahmen der Aufbereitung von Kies wird in der Regel der Fein- vom Grobkornanteil getrennt. Der Grobkornanteil stellt dann das eigentlichen Produkt „Kies“ dar. Zur Trennung des Fein- und Grobkornanteils wird Wasser verwendet. Dieses nimmt im Waschprozess den Feinkornanteil auf und wird in flüssiger Form in ein Absetzbecken geleitet. Im Becken setzt sich der im Waschprozess ausgewaschene Feinkornanteil ab. Dadurch füllt sich das Absetzbecken fortschreitend mit dem Feinkornanteil bzw. Waschschlamm. Um das Absetzbecken weiter zu verwenden, ist es erforderlich, dieses bei Bedarf zu räumen und den abgesetzten Waschschlamm zu entnehmen. Durch die Entnahme des abgesetzten Feinkornanteils aus dem Absetzbecken fällt der verfahrensgegenständliche Waschschlamm an.

2. Fällt der Waschschlamm im Zuge der Aufbereitung von Kies an?

Im Rahmen der Kiesaufbereitung fällt eine Art „Waschwasser“ an. Der Waschschlamm selbst entsteht erst in weitere Folge durch den Absetzprozess im Absetzbecken.

3. Ist der Stoffstrom im Hinblick auf den Waschschlamm geschlossen?

Soweit dem Unterzeichnenden bekannt ist, ist der Stoffstrom geschlossen. Der Kies wird von der K GmbH, A, entnommen und im naheliegenden Kieswerk aufbereitet. Im Rahmen der Aufbereitung wird das Rohmaterial gewaschen. Das „Waschwasser“ wird in Absetzbecken geleitet und der abgesetzte Waschschlamm entnommen und der Gemeinde A zur Ablagerung in der ursprünglichen Entnahmestelle übergeben.

In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, dass es für den Betrieb der Kiesaufbereitung nicht zwingend erforderlich ist, dass ein geschlossener Stoffstrom besteht. So wäre es zum Beispiel auch möglich, den Waschschlamm anderweitig zu deponieren oder für ein Verwertungsprojekt einzusetzen. Für die Verfüllung der Abbaustelle ist es ebenfalls nicht zwingend erforderlich, den Waschschlamm aus dem Kieswerk K GmbH, A, zu verwenden, da es sich im Vergleich mit dem restlichen Aushubmaterial lediglich um sehr geringe Mengen (laut Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 02.02.2009 ca. 5 % der Entnahmemenge bzw. in weiterer Folge der Verfüllmenge) handelt.

4. Wird der gesamte entwässerte Waschschlamm in die Geländemulde auf GST-Nr. XXX, KG A, verfüllt?

Soweit dem Unterzeichnenden bekannt ist, ja. Dies macht im gegenständlich Fall auch durchaus Sinn, da jede andere Entsorgung oder Verwertung des Waschschlammes für die K GmbH, A, mit mehr Aufwand und Kosten verbunden wäre.

5. Wird neben dem Waschschlamm noch weiteres Aushubmaterial zur Wiederverfüllung der Geländemulde verwendet?

Die Verfüllung der Geländemulde bzw. Abbaustelle erfolgt im Wesentlichen mit zugeführtem Aushubmaterial. Der Waschschlamm stellt im Vergleich zum restlichen Aushubmaterial nur einen verschwindend geringen Anteil (laut Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 02.02.2009 ca. 5 % der Entnahmemenge bzw. in weiterer Folge der Verfüllmenge) dar.

In Ergänzung zur ursprünglichen Beschwerde bringt der Beschwerdeführer u.a. vor, dass nach Art. II Abs 2 lit c der Richtlinie 2008/98 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle nicht kontaminierte Böden und andere natürlich vorkommende Materialien, die im Zuge von Bauarbeiten ausgehoben werden, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind, sofern sicher ist, dass die Materialien in ihrem natürlichen Zustand an dem Ort, an dem sie ausgehoben wurden, für Bauzwecke verwendet werden.

Diesbezüglich darf angemerkt werden, dass diese Ausnahme nicht zur Geltung kommen kann, da diese, neben dem Interpretationsspielraum für die Begriffe „Bauarbeiten“ und „Bauzwecke“ ausschließlich für nicht kontaminierte Böden und andere natürlich vorkommende Materialien anzuwenden ist, die in ihrem natürlichen Zustand an dem Ort, an dem sie ausgehoben wurden, für Bauzwecke verwendet werden. Der verfahrensgegenständliche Waschschlamm ist im Rahmen eines Wasch- und Absetzvorganges entstanden. Durch den Bearbeitungsprozess kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass sich das ausgehobene bzw. mit dem Kiesbagger gewonnene Material in seinem natürlichen Zustand befindet.

Im Hinblick, dass die Kiesaufbereitung der K GmbH, A, über keine Genehmigung nach dem MinroG verfügt, sondern über eine gewerberechtliche Genehmigung, geht der Unterzeichnende davon aus, dass die Aufbereitung bzw. Kiesherstellung losgelöst, vom von der Gemeinde A gepachteten Kiesabbaus erfolgt. Dies bringt auch den Vorteil, dass nicht nur mineralische Rohstoffe aus dem Kiesabbau der Gemeinde A, sondern sämtliche geeigneten und zulässigen Rohstoffe aufbereitet werden dürfen.

Um den Waschschlamm bzw. Abfall in der Wiederverfüllung A verwerten zu können, müssen bei der Wiederverfüllung A die entsprechende Genehmigung (Abfallarten) vorliegen und die Vorgaben des Bundes-Abfallwirtschaftsplanes (§ 15 Abs. 4a) eingehalten werden. Dem entsprechend hätten Kieswaschschlämme grundsätzlich übernommen werden dürfen, allerdings nur nach Vorlage eines entsprechenden Beurteilungsnachweises. Die dafür erforderlichen analytischen Untersuchungen wurden nicht durchgeführt. Demnach kann im gegenständlichen Fall nicht von einer zulässigen stofflichen Verwertung und einem Abfallende zum Zeitpunkt des Einbaues des Waschschlamms ausgegangen werden.“

In der mündlichen Verhandlung bestätigte der abfalltechnische Amtssachverständige, dass der Waschschlamm auf die Aufbereitung des Kieses zurückzuführen sei, und zwar in dem Sinne, dass es unmittelbare Folge des Waschprozesses für die Trennung von Fein- und Grobkorn sei, dass dieser Waschschlamm als Produktionsrückstand entstehe und somit als begleitende bzw nachfolgende Tätigkeit der Aufbereitung zu sehen sei. In den Becken werde nur der Wasseranteil von dem Gemenge reduziert.

Zudem ergänzte der abfalltechnische Amtssachverständige auf Frage, welche Rohstoffe von der Aufbereitungsanlage sonst noch aufgearbeitet werden könnten, dass es prinzipiell möglich wäre, kiesige Bodenaushübe in der Form von Abfällen weiter zu verarbeiten bzw Rohstoffe von anderen Bergbaubetrieben.

Auf Frage, ob es aus fachlicher Sicht einen Unterschied mache, ob man den Waschschlamm als Nebenprodukt, das im Zuge einer bergbaulichen Tätigkeit anfalle, oder als Abfall werte, gab der Amtssachverständige zu Protokoll: „Aus fachlicher bzw technischer Sicht macht es keinen Unterschied, ob der Waschschlamm als Nebenprodukt oder als Abfall verwertet wird. Hierbei möchte ich aber darauf hinweisen, dass auch ein Nebenprodukt sowohl technisch als auch analytisch qualifiziert werden muss.“

4.2. Das Landesverwaltungsgericht folgt den fachlichen Ausführungen in der Stellungnahme des abfalltechnischen Amtssachverständigen und den damit verbundenen Ergänzungen wie folgt: Aus der abfalltechnischen Stellungnahme sowie deren Ergänzungen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar, dass der Waschschlamm auf die Aufbereitung des Kieses als unmittelbare Folge des Waschprozesses für die Trennung von Fein- und Grobkorn zurückzuführen ist. Der Waschschlamm stellt somit einen Produktionsrückstand dar. Auch wenn der Amtssachverständige darauf hinweist, dass es für den Betrieb der Kiesaufbereitung nicht zwingend erforderlich sei, dass ein geschlossener Stoffstrom bestehe, ist der Stellungnahme jedoch zu entnehmen, dass der Stoffstrom gegenständlich geschlossen sei: Der Kies wird von der K GmbH entnommen und im naheliegenden Kieswerk aufbereitet. Im Rahmen der Aufbereitung wird das Rohmaterial gewaschen. Das „Waschwasser“ wird in Absetzbecken geleitet und der abgesetzte Waschschlamm entnommen und zur Ablagerung in der ursprünglichen Entnahmestelle übergeben.

5.1. Gemäß § 6 Abs 1 Z 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl I Nr 102/2002, idF BGBl I Nr 200/2021, hat der Landeshauptmann bei Vorliegen von begründeten Zweifel auf Antrag des Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen, ob eine Sache Abfall im Sinne des AWG 2002 ist.

Gemäß § 2 Abs 1 AWG 2002, BGBl I Nr 102/2002, idF BGBl I Nr 200/2021, sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (subjektiver Abfallbegriff) oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen nicht zu beeinträchtigen (objektiver Abfallbegriff).

Als Abfallbesitzer gilt gemäß § 2 Abs 6 Z 1 AWG 2002 der Abfallerzeuger oder jede Person, welche die Abfälle innehat. Nach § 2 Abs 6 Z 2 AWG 2002 ist Abfallerzeuger jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Abfallersterzeuger) oder jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder andere Arten der Behandlung vornimmt, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken.

5.2.1. Beim gegenständlichen Waschschlamm handelt es sich um eine bewegliche Sache. Der Waschschlamm wird im Zuge der Kiesgewinnung durch die K GmbH erzeugt und von dieser zur Wiederverfüllung der Kiesgrube verwendet. Bei der K GmbH handelt es sich um die (juristische) Person, welche den Waschschlamm innehat, weshalb sie als Abfallbesitzerin gemäß § 2 Abs 6 Z 1 AWG 2002 gilt. Es kommt nicht auf die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse an, sondern darauf, wer den Abfall innehat. Da sich die K GmbH des Waschschlamms entledigt, indem sie diesen zurück in die Kiesgrube gibt, ist der subjektive Abfallbegriff nach § 2 Abs 1 AWG 2002 erfüllt.

5.2.2. Obwohl der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist, sieht das AWG 2002 eine Reihe von Ausnahmen vor, bei denen Abfälle rechtlich keine Abfälle darstellen.

Keine Abfälle gemäß § 3 Abs 1 Z 3 AWG 2002, BGBl I Nr 102/2002, idF BGBL I Nr 200/2021, sind Abfälle, die unmittelbar beim Aufsuchen, Gewinnen, Speichern oder Aufbereiten mineralischer Rohstoffe anfallen (bergbauliche Abfälle), sofern diese Tätigkeiten dem Mineralrohstoffgesetz, BGBl I Nr 38/1999, unterliegen und diese Abfälle innerhalb eines Bergbaubetriebs verwendet oder abgelagert werden; keine bergbaulichen Abfälle sind Abfälle, die nicht direkt auf diese Tätigkeiten zurückzuführen sind.

Der Begriff „Gewinnen“ ist in § 1 Z 1 Mineralrohstoffgesetz (MinroG), BGBl I Nr 38/1999, idF BGBl I Nr 115/2009, als das Lösen oder Freisetzen (Abbau) mineralischer Rohstoffe und die damit zusammenhängenden, vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten definiert. Der von der Beschwerdeführerin gewonnene Kies stellt einen mineralischen Rohstoff dar. Nach den getroffenen Feststellungen entsteht der Waschschlamm aufgrund der Aufbereitung des Kieses. „Aufbereitung“ stellt in diesem Sinn eine damit zusammenhängende begleitende bzw nachfolgende Tätigkeit zur Kiesgewinnung dar.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 02.02.2009 wurde der Beschwerdeführerin die Genehmigung für den Abbau von Kies und Sand (Nassbaggerung) mit anschließender Wiederverfüllung der entstehenden Geländemulde auf dem GST-NR XXX, KG A, ua nach §§ 80 ff und 113 ff MinroG erteilt. Hierbei handelt es sich um eine Genehmigung als Bergbauanlage. Zum Bergbaubetrieb gehört nicht nur der Abbau, sondern auch die Wiederverfüllung und Renaturierung.

§ 3 Abs 1 Z 3 letzter Satz AWG 2002 und § 1 Z 27 MinroG normieren, dass Abfälle, die nicht direkt auf die Tätigkeiten Aufsuchen, Gewinnen, Speichern oder Aufbereiten von mineralischen Rohstoffen zurückzuführen sind, keine bergbaulichen Abfälle sind. Der gegenständliche Waschschlamm entsteht unmittelbar bei der Aufbereitung des mineralischen Rohstoffes Kies und ist daher auf diese Tätigkeit zurückzuführen. Es handelt sich somit um einen bergbaulichen Abfall.

§ 3 Abs 1 Z 3 AWG 2002 nimmt nur jene bergbaulichen Abfälle aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes aus, die innerhalb eines Bergbaubetriebes verwendet oder abgelagert werden. Ist dies der Fall, unterliegen diese Materialien dem Bergbauregime des MinroG. Da verfahrensgegenständlich der durch die Aufbereitung des Kieses entstandene Waschschlamm zur Gänze wieder in die Kiesgrube und somit innerhalb des Bergbaubetriebes verfüllt wird, greift der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs 1 Z 3 AWG 2002. Dass der Kies direkt in derselben Bergbauanlage verarbeitet werden muss, wird vom Gesetz nicht gefordert. Nach den ErläutRV 313 BlgNR 24. GP 8 ist für die Einschlägigkeit dieser Ausnahmebestimmung nicht erforderlich, dass die bergbaulichen Abfälle (hier der Waschschlamm) in jenem Bergbaubetrieb wieder verwendet werden, in dem sie auch gewonnen wur

Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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