Entscheidungsdatum
20.10.2022Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §87Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde der AA GmbH, vertreten durch RA BB, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.07.2022, Zl ***, wegen Entziehung der Gewerbeberechtigung nach der GewO 1994,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung gemäß § 91 Abs 2 iVm § 87 Abs 1 Z 2 GewO 1994 entzogen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass Herr CC alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der AA GmbH sei. Weiters bekleide Herr CC die Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers und alleinigen Gesellschafters der DD GmbH. Mit Beschluss des Landesgerichtes Z vom 13.04.2022, rechtskräftig seit 08.04.2022, Zl *** sei der Insolvenzantrag mangels kostendeckenden Vermögens gegen die DD GmbH abgewiesen worden. Somit liege gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter der DD GmbH ein Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs 3 GewO vor. Herr CC sei auch handelsrechtlicher Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der AA GmbH. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Y vom 04.05.2022 sei Herr CC aufgefordert worden, binnen 10 Wochen nach Zustellung des Schreibens, die oben angeführte Person aus der Gesellschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter zu entfernen. Eine Nachschau im Firmenbuch am 19.07.2022 habe ergeben, dass Herr CC weiterhin handelsrechtlicher Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der AA GmbH sei. Dem alleinigen handelsrechtlichen Geschäftsführer einer GmbH komme ein maßgebender Einfluss im Sinne des § 91 Abs 2 GewO zu. Herr CC sei mit einem Gewerbeausschlussgrund im Sinne des § 13 Abs 3 GewO 1994 behaftet.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde bringt die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass mit notariell beurkundetem Abtretungsvertrag EE vom 24.06.2022 – also innerhalb der 10 Wochenfrist, die zudem keine Fallfrist sei –Herr CC seine Geschäftsanteile an der AA GmbH an Herrn FF abgetreten habe. Mit Generalversammlungsbeschluss vom 24.06.2022 sei sodann Herr CC als Gesellschafter der AA GmbH abberufen und an seine Stelle zum allein vertretungsbefugten Geschäftsführer Herr FF bestellt worden. Ab diesem Tage sei daher CC nicht mehr Gesellschafter der AA GmbH und nicht mehr zur Vertretung der GmbH befugt gewesen, weswegen dem Gewerberechtsentzug die gesetzliche Grundlage fehle. Die Eingabe vom 24.06.2022, mit welcher die Abtretung von Geschäftsanteilen, Änderung des Sitzes der Gesellschaft, Änderung der Geschäftsanschrift sowie Änderung eines Geschäftsführerwechsels befinde sich bereits zur Bearbeitung beim Firmenbuchgericht. Die Abtretung der Geschäftsanteile und Geschäftsführerabberufung sei mit Datum des Notariatsaktes vom 24.06.2022 wirksam. Da CC somit unter Fristwahrung aus der GmbH ausgetreten und als Geschäftsführer abberufen worden sei, sei der Entzug der Gewerbeberechtigung rechtsgrundlos erfolgt.
II. Sachverhalt:
Die AA GmbH ist aufgrund der Eintragung im Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) unter Zahl *** zur Ausübung des Gewerbes „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“, mit 10 LKW im Standort **** Y, Adresse 2 berechtigt. Mit Beschluss des Landesgerichtes Z zur Zl *** vom 24.03.2022, rechtskräftig seit 08.04.2022, wurde das Insolvenzverfahren über die DD GmbH, Adresse 3, **** Y mangels Kostendeckung rechtskräftig nicht eröffnet. Herr CC ist alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der AA GmbH und auch der DD GmbH. Mit Schreiben der Bezirkshauptmann Y vom 04.05.2022, zugestellt am 13.05.2022, wurde Herr CC aufgefordert, binnen 10 Wochen nach Zustellung dieses Schreibens aus der Gesellschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter auszuscheiden.
Mit Notariatsakt vom 24.06.2022 hat Herr CC seine Geschäftsanteile an der AA GmbH an Herrn FF abgetreten. Mit Generalsversammlungsbeschluss vom 24.06.2022 wurde Herr CC als Gesellschafter der AA GmbH abberufen und an seine Stelle zum allein vertretungsbefugten Geschäftsführer Herr FF bestellt.
III. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der benannten Behörde bzw aus dem im Zuge der Beschwerde vorgelegten Notariatsakt vom 24.06.2022.
IV. Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 94 idgF lauten:
„§ 87
(1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn
1. auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist oder
2. einer der im § 13 Abs. 4 oder Abs. 5 zweiter Satz angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluss bewirken, vorliegt oder
3. der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt oder
4. der Gewerbeinhaber wegen Beihilfe zur Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 oder § 366 Abs. 1 Z 10 bestraft worden ist und diesbezüglich ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten zu befürchten ist oder
4a. im Sinne des § 117 Abs. 7 eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung wegfällt oder ein Nachweis im Sinne des § 376 Z 16a nicht rechtzeitig erfolgt oder
4b. im Sinne des § 136a Abs. 5 oder des § 136b Abs. 3 das letzte Vertretungsverhältnis oder im Sinne des § 136a Abs. 10 das Vertretungsverhältnis weggefallen ist oder
4c. im Sinne des § 136a Abs. 12 eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung wegfällt oder ein Nachweis im Sinne des § 376 Z 2 nicht rechtzeitig erfolgt oder
4d. im Sinne des § 99 Abs. 7 eine Haftpflichtversicherung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden wegfällt oder ein Nachweis im Sinne des § 376 Z 13 nicht rechtzeitig erfolgt oder
5. im Sinne des § 137c Abs. 5 eine Berufshaftpflichtversicherung oder eine sonstige Haftungsabsicherung wegfällt oder
6. die folgenden Anforderungen wiederholt nicht erfüllt sind:
a) die gemäß § 136a Abs. 6 vorgesehene ständige berufliche Schulung und Weiterbildung für Gewerbliche Vermögensberater und deren Personal oder
b) die gemäß § 137b Abs. 1 bestimmte erforderliche fachliche Eignung gemäß den in der Anlage 9 festgelegten Mindestanforderungen für das Leitungsorgan eines Unternehmens hinsichtlich derjenigen Personen, die für die Versicherungsvermittlung maßgeblich verantwortlich sind sowie direkt bei der Versicherungsvermittlung mitwirkende Beschäftigte oder
c) die gemäß § 137b Abs. 3 bestimmten Anforderungen ständiger beruflicher Schulung und Weiterbildung von mindestens 15 Stunden pro Jahr für den Einzelunternehmer sowie das Leitungsorgan eines Unternehmens hinsichtlich derjenigen Personen, die für die Versicherungsvermittlung maßgeblich verantwortlich sind, sowie für direkt bei der Versicherungsvermittlung mitwirkende Beschäftigte.
Schutzinteressen gemäß Z 3 sind insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen aus dem Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung (Art. III Abs. 1 Z 3 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008). Die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne der Z 3 liegt auch dann nicht vor, wenn eine Eintragung eines Unternehmens in die Liste gemäß § 8 Abs. 10 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz – SBBG, BGBl. I Nr. 113/2015, aufgrund des § 8 Abs. 3 Z 4 SBBG vorliegt.
[…]
§ 91
[…]
(2) Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe oder der in § 85 Z 2 angeführte Endigungsgrund sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.“
V. Erwägungen:
Nach § 87 Abs 1 Z 2 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs 4 oder 5 zweiter Satz angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluss bewirken, vorliegt.
Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person und beziehen sich die im § 87 GewO 1994 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde dem Gewerbetreibenden eine Frist bekannt zu geben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.
Unstrittig ist, dass auf Herrn CC als Alleingesellschafter und handelsrechtlichen Geschäftsführer der AA GmbH der Gewerbeausschlussgrund des § 13 Abs 3 Z 1 vorliegt und somit ein Entziehungstatbestand im Sinne des § 87 Abs 1 Z 2 vorliegt. Eine natürliche Person ist von der Ausübung des Gewerbes als Gewerbetreibender ausgeschlossen, wenn ihr ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte eines anderen Rechtsträgers als einer natürlichen Person zusteht oder zugestanden ist, bei dem der Ausschluss von der Gewerbeausübung gemäß Abs 3 eintritt oder eingetreten ist.
Zutreffend hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin eine Frist von 10 Wochen gesetzt, um die betreffende Person mit maßgebendem Einfluss gemäß § 91 Abs 2 GewO 1994 zu entfernen.
Der Gesellschafterbeschluss sowie der Notariatsakt betreffend die Übertragung der Eigentumsanteile von Herrn CC datieren jeweils vom 24.06.2022 und liegen sohin innerhalb der gesetzten 10 Wochenfrist ab dem 13.05.2022. Dieser Notariatsakt wurde der belangten Behörde jedoch nicht fristgerecht übermittelt, sodass die belangte Behörde grundsätzlich zu Recht von einem Entziehungstatbestand im Sinne des § 87 Abs 1 Z 2 GewO 1994 ausgehen konnte.
Erst im Rahmen der gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 20.07.2022, Zl *** erhobenen Beschwerde, legt die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin den entsprechenden Notariatsakt sowie den Gesellschafterbeschluss zur Entfernung des „Maßgeblers“ vor.
Für das Verfahren betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung sind die im Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheides geltenden Rechtsvorschriften anzuwenden (VwGH 22.02.1994, Zl 94/04/0008). Auch hat das Verwaltungsgericht, wenn es in der Sache selbst entscheidet, seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl VwGH 18.02.2015, Ra 2015/04/0007).
Der Nachweis der Entfernung des „Maßgeblers“ erfolgte im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens und war daher vom Verwaltungsgericht dementsprechend zu berücksichtigen. Indem sohin nunmehr auf die AA GmbH die Gewerbeausschlussgründe des § 13 GewO 1994 nicht mehr zutreffen, war spruchgemäß zu entscheiden.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Piccolroaz
(Richter)
Schlagworte
Entziehung der GewerbeberechtigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.40.2122.2Zuletzt aktualisiert am
22.11.2022